Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Paraforce Band 51

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Ein neuer Auftrag

Eine Krimi/Thriller-Kurzgeschichte von Oliver Wehse

Ständig war es in den letzten Monaten im Gespräch! Unsere Firma sollte von einem US-Konzern geschluckt werden.

Traurige Gewissheit wurde es dann letzten Monat, der Vorstand hatte sich gesundgestoßen und eine Kündigungswelle von apokalyptischem Ausmaß erfasste das Unternehmen. 75 von 160 Mitarbeitern wurden entlassen.

Ausgerechnet ich sollte nun in die USA reisen und die verbleibenden Verträge mit dem Mutterkonzern neu verhandeln.

Warum ich?

Dieses Scheißland voller arroganter, dämlicher Bauern, die nicht begreifen wollen, dass die ganze Welt nicht auf eine grenzdebile Comicmaus, Burgerketten und fundamentalistischen christlichen Glauben abfährt.

Wenn ich mir die vergangenen Jahre ansehe, bekomme ich einen Würgereiz. Die USA wollen und alle anderen »wollen« mit und wer das nicht freiwillig macht, wird überzeugt, mit zu wollen … erbärmlich!

Mich würde es auch nicht wundern, wenn die Mühlenberg-Legende gar keine ist, sondern als solche unter den historischen Teppich gekehrt wurde. Was sollte es, so hatte ich die Gelegenheit, geschäftlich und nebenberuflich in den USA tätig zu werden.

Die Aufträge dafür klangen verheißungsvoll.

 

Bereits am Ankunftsflughafen schürte sich mein USA-Hass erneut, als mich ein Bulle von einem Typ dazu aufforderte, mein Kaugummi auszuspucken, da ich dieses aufgrund irgendwelcher Seuchenbestimmungen nicht einführen durfte. Mit einem lakonischen Gesichtsausdruck rotzte ich das Kaugummi in den Eimer, den er mir mit Mundschutz im Gesicht und Aids-Schutzhandschuhen an den Händen hinhielt.

Die Passkontrolle dauerte ewig und das Visum schien auch aus irgendeinem Grund sehr langwierigen Prüfungen unterzogen werden zu müssen.

Gelangweilt wollte ich mir eine Zigarette anstecken, wurde aber von einem freundlichen Mitarbeiter des Flughafens darauf aufmerksam gemacht, dass das verboten sei!

»150 Dollar punishment to pay if you smoke in this area.«

Dankend wollte ich ihm einen 10-Dollar-Schein geben, den er aber ablehnte und sich weiter daran machte, den Boden zu wischen.

»Idioten allesamt!«

Nach geschlagenen drei Stunden konnte ich endlich das Gate verlassen und bahnte mir meinen Weg durch die endlosen Gänge zur Gepäckausgabe.

Wozu mir ein Plan des Flughafens in die Hand gedrückt worden war, erschloss sich mir, nachdem ich mich mehrmals verlaufen hatte.

Als ich endlich mein Gepäck und den Ausgang gefunden hatte, stand ich vor einer circa einen Kilometer langen Autoschlange.

Abgeholt werden sollte ich … ja, nur welcher der Wagen war der richtige?

Zweimal lief ich die Autoreihe ab und entdeckte außer gelangweilten Taxifahrern, die hoffnungsvoll aufblickten, und dem einen oder anderen Privatwagen niemanden kein Auto, das auch nur entfernt nach »Firmenwagen« aussah.

 

In eine sich plötzlich auftuenden Lücke, nicht weit von mir entfernt, quetschte sich ein Monstrum von Auto.

Eine schwarze Hummer-Stretch-Limousine ungeheuren Ausmaßes. Die Fahrertür öffnete sich und ein Mann im klassischen Chauffeursanzug – natürlich mit der dazugehörigen Mütze – stieg aus und hielt ein Schild mit meinem Namen in die Luft. Ungläubig rieb ich mir die Augen und winkte ihn heran.

Während der Fahrt zum Hotel redete er nicht. Kurz vor der Abfahrt hatte er mir lediglich das Barfach gezeigt und die Bedienung des Satellitenfernsehers und der Musikanlage erklärt. Beim Aussteigen nannte er mir eine Uhrzeit, zu der er mich wieder abholen würde. Schon fädelte er sich geschickt mit dem Monstrum wieder in den Verkehr ein.

Das Hotel war ebenfalls eine noble Adresse, zumindest schloss ich das aufgrund der Portiers, die in grünen Uniformen, die mich an russische Felduniformen aus dem 18. Jahrhundert erinnerten, herumwuselten und nicht zuließen, dass ich mich selbst um das Gepäck kümmerte.

Ungläubig sprach ich mit dem Hotelier am Empfang und vergewisserte mich, ob ich wirklich der richtige war, für den das alles gemacht wurde.

 

»Sir, everything is alright! Something not to your pleasure?«, antwortete er näselnd, gab mir einen Schlüssel und begleitete mich zu den Aufzügen.

»No, it’s alright!«, zischte ich und hoffte, dass er nicht vorhatte, mich auf das Zimmer zu begleiten.

»President Suite«, lächelte er und verbeugte sich.

Nachdem er mich durch das riesige Zimmer – ich schätzte es grob auf 200 Quadratmeter, womit es schon eher die Ausmaße einer Wohnung der gehobenen Klasse als die eines Hotelzimmers hatte – geführt hatte, hielt er mir unauffällig die Hand hin.

Ich drückte ihm den 10er in die Hand, den der Flughafenangestellte schon haben sollte, was er mit einem fast verächtlichen »Thanks, Sir« und hochgezogenen Augenbrauen bedachte. Vermutlich nicht das, was er gewohnt war, aber das war mir egal. Wozu der ganze Zauber dienen sollte, war mir schon längst klar. Der ganze Scheiß sollte mich vom Wesentlichen ablenken. Nämlich den Verträgen! Vielleicht erhoffte man sich so einen Ja-und-Amen-Sager.

Durchschaubare Schleimscheißer …

Noch vier Stunden, bis mich der Fahrer wieder abholen wollte. Okay, die Zeit konnte ich nutzen.

Schnell sprang ich unter die Dusche und zog mich um.

Dann verließ ich das Hotel und schaute mir die Umgebung an. Nur wenige Blocks, bis ich aus der nobleren Gegend in die Welt der »Normal-Bürger« kam. Ein Laden, der ziemlich einsam zwischen zwei offensichtlich leer stehenden Wohngebäuden angesiedelt war, fiel mir ins Auge: Richard’s Hockshop – ein Pfandleihhaus mit allerlei Plunder.

Allerlei Plunder war darin zu finden, Camping-Ausrüstung türmte sich neben Spielkonsolen und Computern.

Der Besitzer, ein drahtiger, sehr schlanker Mann in den 50ern, verwickelte mich in ein Gespräch und zeigte mir stolz seine neuesten Errungenschaften. Für einen Moment war ich sogar geneigt, eine Halskette in viktorianischem Stil für 500 Dollar zu kaufen, kaufen, deren Wert, wie ich annahm, sicherlich das Zehnfache betrug. Aber wer wusste schon, ob ich das Ding durch die Flughafenkontrolle bekommen würde. Und der deutsche Zoll … na ja, man weiß ja, wie die dortigen Beamten übereifrig reagieren. Die würden die Kette vermutlich trotz Quittung schätzen. Und dann? Wenn ich mit meiner Vermutung recht hatte, würde ich noch Steuern für ein 50.000-Dollar-Collier abdrücken dürfen.

Nichts da!

Endlich konnte ich auch eine rauchen! Mr. Richards lud mich auf eine echte Kubanische ein, die ich aber in die Tasche steckte. Lieber zündete ich mir erst einmal eine deutsche Filterzigarette an.

Er fand es faszinierend, dass ich sie durch die Flughafenkontrolle bekommen hatte, und zeigte mir nun seine größten Schätze.

Einige hochinteressante Sachen …

Als ich den Laden verließ, legte ich meine vierte Zigarette, die ich nicht mehr aufrauchte, noch brennend in den Aschenbecher gleich neben der Eingangstür und beeilte mich, zurück zum Hotel zu kommen.

Ob ich hier wohl schlafen konnte? Ständig gingen Polizeisirenen. Hier und da hörte man einen Knall oder es wurde gehupt wie verrückt. Die Verhandlungen verliefen, wie ich es erwartet hatte. Man legte mir vorgefertigte Verträge vor, die ich »als Formalität« unterschreiben sollte.

»Well, I guess …I have to prove these contracts.«

Damit hatte man wohl nicht gerechnet, sodass die nahezu familiäre Atmosphäre schnell in eine nüchterne umkippte.

Mir war es egal, an dem angedachten Abendprogramm wollte ich auch nicht teilnehmen, ließ mich dann aber doch überreden.

 

Hungrig gegessen wurde dann im Ritz, und anschließend ging es ins Nachtleben.

Auch in dieser Tabledancebar versuchte mein Verhandlungspartner Mr. Daunce, mich davon zu überzeugen, die Verträge zu unterzeichnen und doch noch etwas zu trinken.

»6 Pints is enough!«, sagte ich bestimmt, denn das widerliche Bier der Amerikaner, das in Zwei-Liter-Glaskannen serviert wurde, schmeckte somit schal und abgestanden. Der ganze Abend war schlicht zum Kotzen: Kaum etwas im Magen, zum Rauchen musste ich mich durch die halbe Bar hindurchquengeln, nur im ein einer winzigen Raucher-Oase schnell eine durchzuziehen, und dann auch noch dieses abgestandene Bier … Langsam aber sicher spürte die Wirkung der drei Liter.

Kurz vor 1 Uhr Ortszeit bat ich um ein Taxi ins Hotel. Mr. Daucne musterte mich argwöhnisch, telefonierte kurz und verließ mit mir die Bar.

Kurze Zeit später fuhr der Hummer vor und ich ließ mich genervt auf die Lederpolsterung fallen.

»Hollyroadlane«, flüsterte Mr. Daunce dem Fahrer zu, der sich nach wie vor nicht vorstellte. Er nickte grinsend und ließ eine schwarze Trennwand hochfahren, die den Fahrerbereich von dem hinteren Teil trennte. Das war ein Straßenstrich! Mr. Daunce bleckte sich gierig die Lippen, als wir an einigen vielversprechend aussehenden Mädchen vorüberfuhren.

Ich war zwar müde, hungrig und genervt, aber gegen Sex hatte ich nichts einzuwenden.

Zwar konnte Mr. Daunce nicht verstehen, warum ich die mehr als üppig Gebaute ablehnte, die er für mich auserkoren hatte, und lieber eine zierliche Schlanke auswählte, die höchstens Körbchengröße 80B hatte, aber dazu sagte er dann doch nichts weiter.

 

Wir wurden am Hotel abgesetzt und Mr. Daunce gab ihr ein Bündel Scheine. Mir in den Schritt greifend, küsste sie mich und schob mich durch die Eingangstür, die bereits ein Page aufhielt.

»Well, have fun! And we meet tomorrow same time again«, rief er sichtlich amüsiert hinterher. Außer an den folgenden Sex war ich nicht fähig, an irgendwas anderes zu denken, und wie ich erwartet hatte, war er schmutzig und gut!

Sie duschte noch und blies mir zum Abschied noch mal einen, bevor sie ging.

Total erschöpft fiel ich wieder in das übergroße Bett und schlief sofort ein.

 

Es war schon Mittag, als ich aufwachte. Erschrocken fuhr ich hoch. Ein Servierwagen mit Frühstück stand in der Diele und ich hatte noch soviel vor. Schnell würgte ich mir das Frühstück hinein und schlürfte den sehr gut schmeckenden Kaffee hinunter.

An der Rezeption fragte ich nach dem Greenwich Park und bekam neben einer sehr detaillierten Wegbeschreibung gleich noch eine Karte in die Hand gedrückt.

 

Ich musste mich beeilen, nur noch wenige Stunden, bis ich wieder von dem Hummer abgeholt werden würde – und ich wollte noch in den Park.

Ich lief fast eine Stunde, um zu dem Park zu kommen. Ganz in der Nähe war ein Supermarkt einer großen Kette, die es sogar in Deutschland gab. Hunger! Ich hatte einen unwahrscheinlichen Hunger. Schließlich hatte ich seit zwei Tagen nicht mehr richtig gegessen.

Irgendwie war in den USA alles größer. 5-Liter-Flaschen eines Cola-Getränks standen neben 10-Liter-Kanistern Milch oder 6-Kilo-Packungen Fischstäbchen. Dazu kamen die kleineren Verpackungseinheiten.

Ein paar Kaugummi-Päckchen und ein Sandwich Quarterpounder stopfte ich in den Einkaufswagen, der in manchen Ländern als Mittelklasse-Limousine durchgehen würde. An der Fleischtheke, in der – ungelogen – ein ganzer Ochse präsentiert wurde, hielt ich noch einmal an und kaufte 10 Pounds Hackfleisch, das mit 50 Cent je Pfund unglaublich günstig war.

Das Hackfleisch in einer Plastiktüte, für die ich fast hatte morden müssen, gewickelt, verließ ich Sandwich essend den Laden. Sie wollten es in Papier wickeln! Unglaublich, wer kommt auf die Idee, Hack in Papier zu wickeln?

 

Der Park war ganz nett angelegt und entgegen der landläufigen Meinung, dass dort nur Obdachlose herumkriechen würden, war er sauber.

Ein alter Mann, dem ein Bein fehlte, wurde von einem Mann im Anzug in seinem Rollstuhl umhergeschoben. Ein weiterer lief daneben. Komisch dachte ich noch, scheint wohl wichtig zu sein, der Alte. Plötzlich sackte er zusammen, was aber niemanden sonderlich zu stören schien. Vermutlich schlief er öfter ein, deshalb erregte es kein Aufsehen.

Ein wenig lief ich noch durch den Park und genoss die relativ smogfreie Luft hier.

Der Weg zurück zum Hotel erschien mir extrem lang. Ich brauchte schon mehr als eine Stunde, und wenn ich mich nicht irrte, hatte ich erst ein Drittel des Weges hinter mich gebracht. Das Hackfleisch warf ich achtlos in einen Mülleimer an einer Schule. Schließlich hatte es ausgedient. Diese Schule musste wohl eine Upperclass-Elite-Schule sein, der Eingang und die Mauer waren nicht mit Graffiti übersät und oberhalb der rund 3 Meter hohen Mauer war noch eine Drahtkonstruktion angebracht, mit Stacheldraht! Franklin Middelton School.

 

Die neuen Verhandlungen über die Verträge verliefen genauso wie die ersten. Einfach unterschreiben sollte ich. Mir fiel zwar ein, dass ich nicht einen davon gelesen hatte, dennoch unterschrieb ich.

Es war mir zwar nicht angenehm, aber dennoch. Allein der Umstand, dass sie die Verträge – wie ich hoffte – noch mal überarbeitet hatten, ließ mich unterschreiben.

Da ich ohnehin an diesem Abend zurückfliegen musste, war man beiderseitig recht zufrieden.

 

Schnell räumte ich das Hotelzimmer und wartete vor der Tür auf den Hummer. Ein Zeitungsjunge pries die aktuellste Ausgabe irgendeiner Zeitung für 25 Cent das Stück an.

»Hey! I’d like to have one«, rief ich ihm zu.

 

Murder at Greenwich lautete die Schlagzeile auf der Titelseite.

 

Nichts Genaues, nur dass das Opfer ein gewisser Frider Staub war, Weltkriegsveteran und einer der größeren Anführer der amerikanischen Neonaziszene. Wow, die waren hier sehr schnell mit ihren Zeitungen!

 

Soso … na, da werde ich noch mal nachverhandeln!, sinnierte ich vor mich hin.

Ziemlich klein stand irgendwo in der Mitte noch eine Notiz von einem tragischen Unfall: eine Pfandleihe, die aufgrund einer undichten Gasflasche in die Luft geflogen war und den Besitzer Mr. Richards getötet hatte.

Schade nur, dass ich die Glock hierlassen musste … Sie war nicht schlecht und die Geschichte, die mir Mr. Richards dazu erzählt hatte, hatte spannend geklungen. Aber immerhin werde ich versuchen, die Kette mit der gefälschten Quittung durch den Zoll zu bekommen …

Copyright © 2010 by Oliver Wehse