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Dämonische Reisen in alle Welt – Kapitel IX, Teil 4

Johann Konrad Friederich
Dämonische Reisen in alle Welt
Nach einem französischen Manuskript bearbeitet, 1847.

Kapitel IX, Teil 4

Unterdessen waren unsere beiden Kumpane durch eine Menge enge und krumme Straßen endlich vor ein altertümliches, eben nicht sehr ansehnliches, seltsam gebautes Haus gekommen, und der Hinkende sprach:

Kennst du das Haus, das sich die Stadt
zum Kehricht-Loch erkoren hat?
Hier haust ein ausgespienes Allerlei,
Brutalität und große Ignoranz dabei.

»Nun, und was ist denn das für ein Haus?«, fragte Mi­chel seinen Gefährten.

»Dies ist der Rummler, das große Versorgungshaus derjeni­gen guten Quitschi-Ouatscher, die sich durch Trägheit, stupende Untauglichkeit, blendende Unwissenheit, Stupidität, gierige Hab- und Raubsucht, plumpe Beutelschneiderei, Erbärmlichkeit und Schlech­tigkeit aller Art besonders auszeichnen und hervortun. Namentlich finden hier auch alle listige Banqueroutierer dieser Stadt eine ge­nügende Versorgung. Es soll eine Art Stadt- oder Rathaus und, wie manche gelehrte Quatscher behaupten, noch altrömischen Ur­sprungs sein, obgleich zur Zeit der Römer noch keine Spur von dieser Stadt vorhanden war. In seinem Inneren befinden sich vie­lerlei Ställe, in welchen mancherlei Tierarten, gehörntes und hochgeöhrtes Vieh wohl gemästet und fett gemacht wird. Hier wird das Wohl und Weh der Republik beraten, sowie nicht so­wohl die blinde als auch die falsche Themis ihren Tempel in demselben aufgeschlagen hat. Wir werden es noch näher kennenlernen, da es dir eine erheiternde Unterhaltung verschaffen wird, einigen Kammersitzungen in demselben beizuwohnen. Da diese immer noch nicht geöffnet sind oder vielmehr begonnen haben, denn alle Sitzungen der drei Kammern werden heimlich bei geschlossenen Türen abgehalten, und niemand, der nicht ein Mitglied derselben ist, darf denselben beiwohnen, doch erfährt man noch denselben Tag haar­klein alles, was in denselben vorging, da es ein paar Stunden später bei den Schoppen in den Wirtshäusern in den Erholungsstunden nochmals verhandelt wird, so wollen wir noch einige an­dere architektonische Merkwürdigkeiten besichtigen.

Der Teufel führte nun Michel längs einem an dem gel­ben Strom, der die Stadt teilt, liegenden hübschen Kai an das entlegenste äußerste Ende derselben, wo sie vor einem von Säulen unterstützten Gebäude stehen blieben.

»Dieses Haus enthält die ziemlich ansehnliche Bibliothek voll Quitschi-Quatschi«, explizierte Asmodi, »welche durch Erbschaften, Vermächtnisse und andere Zufälle zu einer bedeutenden Zahl Bände her­anwuchs und manches wertvolle und kostbare Buch aufzuweisen hat.«

»Aber warum zum Henker liegt denn die Bibliothek so am Ende der Stadt, man hat ja eine gute halbe Stunde zu ge­hen, bis man hinkommt, und das ist doch barer Zeitverlust.«

»Mein lieber Michel, das verstehst du nicht, man hat sie nach sehr reiflicher Überlegung sämtlicher Kammern und mit gutem Vorbedacht hierher gebaut, und zwar aus dem Grund, den mehrere Schumli, Schmuli, Schawellen, Schlimmiehlen und Pentachorden mit aller Kraft unterstützten; damit die Bücher besser konserviert und nicht so schnell abgenutzt und verbraucht werden sollen, hat nämlich eine hohe republikanische Obrigkeit in ihrer unfehlbaren Weisheit verordnet, dieses Gebäude an das äußerste Welt- oder vielmehr Stadtende (für manche dieser Väter des Va­terlandes gleichbedeutend) zu erbauen, und so die Benutzung der Bücher möglichst zu erschweren. Aus demselben Grund wird auch diese Bibliothek nur an einigen Tagen der Woche auf ein paar Stunden geöffnet, während in allen anderen Städten Thumbindschins sowie Deutschlands, Frankreichs, Englands und Italiens die Bibliotheken in der Regel an allen Wochentagen den größten Teil des Tages für jedermann geöffnet sind.«

»Mich wundert nur, dass die Quitschi-Quatscher ein solches Ge­bäude zur Bewahrung ihrer Bücher aufgeführt haben«, sagte Michel.

»O, das hat seine besondere Bewandtnis. Ein sehr rei­cher hiesiger Buchhändler, dem es wehtat, die vielen zum Teil sehr seltenen und trefflichen Werke, welche die Stadtbibliothek be­saß, in allen Winkeln, Ecken und feuchten Kammern des alten Rummlers, im Staub modern und eine Beute der gefräßigen Rat­ten und Mäuse werden zu sehen, vermachte in seinem Testament der Stadt eine sehr bedeutende Summe, mit der Bestimmung, ein Haus dafür bauen zu lassen, in welchem die Stadtbibliothek auf­bewahrt werden solle, der aber, die hochweisen Herrn gut kennend, zu gleicher Zeit verordnete, dass wenn binnen dreißig Jahren der Bau dieses Hauses noch nicht begonnen habe, das dafür bestimmte Geld seinen natürlichen Erben wieder anheimfallen solle. 29 Jahre waren bereits verflossen, ohne dass man sich über den Platz, wo man das Haus hinbauen, sowie über andere Erbauungsangelegenheiten desselben einigen konnte; als jedoch das 30. Jahr begonnen hatte, und somit periculum in mora vorhan­den war, das Geld wieder herausgeben zu müssen, da verstand man sich endlich und wurde einig, und noch vor Ablauf dieses gefährlichen Jahres wurde von einem Bimbus der Grundstein die­ses Gebäudes feierlich gelegt, das, wie du bemerken wirst, seinem Zweck wenig entspricht, auch viel zu wenig Raum hat.«

Die beiden Freunde wanderten nun weiter und kamen endlich an einen viereckigen freien Platz, auf dem Michel wieder ein selt­sam aussehendes Gebäude bemerkte und zu Asmodi sagte: »Dies ist gewiss das Wachthaus von Quitschi-Quatschi, und man muss gestehen, dass es als ein solches in einem grandioseren Stil als die gewöhnlichen Wachthäuser erbaut ist.«

»Bewahre die Hölle», antwortete Asmodi, »dies ist Thalias Kunsttempel der Quitschi-Quatscher, hier erholen sich die guten Einwohner, die nicht gerade die Erholung bei den Schoppen vor­ziehen, von den Mühen des Tages. Über die wirklich seltsame Geschichte dieses Theaters ließ sich ein recht unterhaltendes, dickes Buch schreiben, und ich werde dir bei Gelegenheit manche belu­stigende Fakten aus derselben mitteilen, auch müssen wir einmal einer Extravorstellung in demselben beiwohnen, zu der wir selbst den Stoff liefern wollen, und ich verspreche dir, dass es eine recht lustige Komödie werden soll.«

Weitergehend kam man an zwei, in sehr engen und krummen Straßen ganz neu aufgeführte, dicht nebeneinander gelegene kolossale Gebäude, von denen das eine ein großer Tempel zur Verehrung des Allmächtigen, das andere aber ein Tempel des Gottes der Handelsleute und der Diebe war, den man in Europa gewöhnlich die Börse betitelt. Beides waren ziemlich geschmacklose Steinhaufen.

»Aber warum hat man denn diese Herrlichkeiten in solche schmutzige und enge Winkel gebaut?«, fragte Michel seinen Führer wieder.

»Auch dies hat seine guten Gründe: Den religiösen Tempel baute man dahin, weil früher schon ein anderer auf diesem Platz stand, der baufällig war. Dies ist der jetzigen Generation der Quitschi- Quatscher Schuld nicht, denn schon vor mehr als 60 Jahren wurde dieser Bau begonnen, und er diente lange als Warenmagazin, aus dem man gute Zinsen zog, um ihn fertig zu bauen und gehörig auszuschmücken. Den Merkurtempel verlegte man aber dahin, weil diese Gegend vielen der einflussreichsten Handelsleute, von denen manche zugleich Schumli, Schlimmiehle und Pentachorden waren, wegen der Nachbarschaft des Rummlers und mitunter auch der eigenen Wohnung gerade am bequemsten war. Solche Verhältnisse sind es, die hier bei den öffentlichen Angelegenheiten am meisten berücksichtigt werden. Und da sämtliche Schumli, Schmuli und Schawellen alle ihre schwache Seite und selbst die rechtlichsten und ehrlichsten unter ihnen doch auch irgendeine häusliche oder Familienangelegenheit auf dem Herzen haben, sei es auch nur die Platzierung oder Versorgung eines Sohnes, Schwiegersoh­nes, Neffen etc., so sehen sie sich auch alle einander recht gerne durch die Finger. Da von Verantwortlichkeit keine Rede sein kann, indem es keine höhere Instanz gibt, wo man sie wegen Regierungs- und Administrationsangelegenheiten belangen könnte, so kommt es wohl auch vor, dass sich eine Schawelle eine fünf Minuten lange Landstraße auf sein Landhaus auf Staatsunkosten anlegen lässt, während ein Schmuli seinem Sohn, einem prozesslosen Advokaten, zehn hier außerordentlich einträgliche Massekuratorenstellen verschafft, die er so lange verwaltet, bis die Masse aufge­zehrt ist und sich ein Schumli die einträgliche Oberaufsicht über das Forst-, Finanz- etc. Wesen erbittet. Die Herren Schumli, Schmuli und Schawellen verteilen so unter sich selbst die einträglichsten Stellen bei den verschiedenen Verwaltungs- und Justizämtern recht brüderlich, und nicht selten ist ein halbes Dutzend solcher Stellen in ihrer werten Person vereinigt, was auch mancher independenter, nicht zu dem hohen Rat gehörender Schlimmiehl oder Pentachord dagegen einwenden mag. Dieser hohe Rat gleicht voll­kommen dem Rattenkönig, dessen sämtliche Leiber in einen Schwanz verflochten sind. Regierung, Verwaltung, Kläger und Richter in einer Person, Exekutor, Schinder und Henker, in Summa Summarum alles in allein; Verwaltung, Gesetzgebung, Polizei und die heilige Justiz sind auf das Furchtbarste amalgamiert, und wehe dem Fremden oder Einheimischen, der ohne die einflussreiche Pro­tektion eines dieser Herrn irgendein Recht suchen oder in Anspruch nehmen will. Der Administrator, Regierer verwandelt sich wie durch einen Zauberschlag in den Richter und Vollstrecker des Urteils, und indem man die Schreibstube des Administrators verlässt, um diesen zu verklagen, tritt einem, wenn man die Tür der Gerichtsstube öffnet, derselbe als Richter entgegen! So zum Beispiel steht dem zweiten Bimbus während seiner einjährigen Regierung die oberste Leitung der Polizei zu. Nun kommt es vor, dass sich diese, der einer der Schmuli vorsteht, einen heillosen Gewaltstreich, eine himmelschreiende Ungerechtigkeit zu Schulden kommen lässt. Das Gesetz aber sagt, dass man die Polizei in solchen Fällen bei einer Art aus lauter Schumli und Schmuli bestehenden Appellations­gericht verklagen muss; nun aber trifft es sich, dass der Bimbus, unter dessen Oberleitung der Streich verübt wurde, jetzt als Gerichtsrat oder Präses bei diesem Gericht fungiert, ich also den Bimbus bei dem Bimbus verklagen muss: Welches Recht habe ich da noch zu erwarten? Verwaltung und Justiz sind hier ein so innig verschmolzener Quickbrei, dass ihn auch der geschickteste Che­miker nicht zu analysieren vermochte. Doch nun ist es Zeit, die Schlimmiehle haben sich bereits versammelt«, sprach der Teufel zum Michel, »lass uns die Gestalt zweier abwesenden Mitglieder anneh­men und der heutigen Sitzung der zweiten Kammer beiwohnen.

Unsere beiden Reisenden begaben sich nun über den Rummelsberg in den Rummler und verfügten sich ungehindert in den Sitzungssaal der zweiten Kammer. Hier fanden sie schon so ziemlich alle Schlimmiehle versammelt, und man wartete nur noch auf die An­kunft einiger Schumli und Schmuli der ersten Kammer, die ver­fassungsmäßig ein Drittel des Bestandteils der zweiten Kam­mer ausmacht, sowie Mitglieder der dritten Kammer, wie schon erwähnt wurde. Die Erwarteten folgten jedoch dem Teufel auf dem Fuß nach.