Bob Dylan Soundtrack – Pat Garrett & Billy the Kid
Bob Dylan war in den Sechzigerjahren der Inbegriff der kreativen Unberechenbarkeit in der Popmusik. Obwohl er nie die kommerziellen Erfolge erzielte, die ihm oft zugeschrieben werden, lag seine wahre Bedeutung in seiner ästhetischen und sozialen Wirkung sowie in seinem nachhaltigen Einfluss auf die Musiklandschaft. Aus dieser Position heraus erlangte er eine beispiellose Macht und Autorität, die ihn jedoch möglicherweise vor persönliche Herausforderungen stellte.
Janis Joplin konnte den enormen Erwartungen, die an sie gestellt wurden, nicht standhalten. Dylan hingegen erhielt durch einen Schicksalsschlag, in Form eines Motorradunfalls, die Chance, seine Beziehung zu seinem Publikum neu zu definieren. Diese zweite Chance ermöglichte es ihm, die Bedingungen festzulegen, unter denen er sich selbst und seine künstlerische Entwicklung neu bestimmen konnte. Seitdem stellt sich für ihn die Frage, ob er seinen Platz im Rock-Olymp bewahren oder neue Wege beschreiten möchte. Vor diesem Hintergrund kann der Soundtrack zu Pat Garrett & Billy the Kid als konsequente Fortsetzung seines innovativen Vorgängers Self-Portrait gesehen werden – ein Album, das Dylan in einer neuen, authentischeren Dimension zeigt und die Möglichkeit, ihn auf ein Podest zu stellen, weiter verringert. Es ist ein mutiger Schritt, der zeigt, dass Dylan bereit ist, sich von den Erwartungen seines Publikums zu lösen und neue kreative Wege zu gehen.
Der junge Bob Dylan war fasziniert von der Balance zwischen Stabilität und dem Streben nach Unsterblichkeit. Als er in den mittleren Sechzigerjahren drei seiner Alben mit Liedern beendete, die das Publikum in der Gestalt von Liebenden zurückwiesen, spiegelte er damit die tiefe Auseinandersetzung mit den Erwartungen seiner Zuhörer wider. Seit 1967 hat seine Karriere verschiedene Facetten gezeigt – von ernsthaften Versuchen, seine Musik weiterzuentwickeln und sein früheres Image neu zu definieren, wie in John Wesley Harding, Nashville Skyline und New Morning, bis hin zu mutigen, vielleicht missverstandenen Experimenten wie Self-Portrait und nun Pat Garrett & Billy the Kid.
Dylan hat in der Zwischenzeit seine vielseitigen instrumentalen Fähigkeiten auf zahlreichen Platten eingebracht und sich dabei als bescheidener Künstler präsentiert, der sich als Teil eines größeren Ganzen sieht. Diese Zusammenarbeit mit verschiedenen Künstlern, die vielleicht nicht immer auf seinem Niveau agieren, zeigt seine Bereitschaft, sich von seinem legendären Status zu lösen und seine künstlerische Integrität zu bewahren. Anstatt jedoch seine Relevanz zu verlieren, hat er sich als ein Künstler neu definiert, der es versteht, seine eigene Bedeutung und Rolle in der Musiklandschaft immer wieder neu zu hinterfragen.
Wie es für Soundtracks typisch ist, besteht ein Großteil des Albums aus instrumentalen Stücken, die in erster Linie zur Unterstützung der filmischen Erzählung gedacht sind. Die eigentlichen Lieder auf dem Album zeigen jedoch eine interessante Entwicklung: Dylan verzichtet darauf, sich selbst als Outlaw darzustellen, und widmet sich stattdessen in direkter Ansprache einem anderen, echten Outlaw. Die verschiedenen Versionen von Billy mögen auf den ersten Blick variieren, doch gemeinsam bieten sie eine spannende Interpretation eines Cowboy-Songs, der mehr Tiefgang besitzt, als es zunächst scheint. Es ist bemerkenswert, dass Dylan sich dazu entschlossen hat, kein Lied über Sheriff Pat Garrett zu schreiben, sondern seine Energie auf andere Aspekte der Geschichte konzentriert hat. Heaven’s Door und die Stücke River Theme sowie Final Theme bieten zudem interessante Klanglandschaften, die auch nach mehrmaligem Hören ihren Reiz nicht verlieren.
Pat Garrett & Billy the Kid erinnert in seinen freigeistigen Rhythmen und dem ungezwungenen Gesangsstil an Another Side of Bob Dylan. Trotz der Abkehr von der emotionalen Intensität früherer Werke zeigt dieses Album, dass Dylan immer noch bereit ist, Risiken einzugehen und neue kreative Wege zu erkunden. Sein Mundharmonika-Spiel, auch wenn es hier weniger im Vordergrund steht, fügt sich nahtlos in das Gesamtbild ein und unterstreicht die Eigenständigkeit dieses Projekts.
Es mag überraschend erscheinen, dass der einflussreichste weiße Rockmusiker der Sechziger sich in den Siebzigern neu definiert hat. Doch gerade diese bewusste Entscheidung, neue künstlerische Pfade zu beschreiten, zeigt seine ungebrochene Kreativität und seinen Willen, sich nicht von den Erwartungen der Vergangenheit einschränken zu lassen. Anstatt sich an den Erfolg früherer Werke zu klammern, hat Dylan erneut bewiesen, dass er bereit ist, aus der Masse hervorzustechen – diesmal auf eine Weise, die vielleicht nicht sofort begeistert, aber definitiv zum Nachdenken anregt und langfristig Bestand haben wird.
Das Album
Songs: Bob Dylan, Produktion: Gordon Carroll, Tontechnik: Dan Wallin, The Burbank Studios, Erstveröffentlichung: 13. Juli 1973
Die Titelliste
01 | Main Title Theme (Billy) | 06:03 | Hörprobe | |
02 | Cantina Theme (Workin’ for the Law) | 02:55 | Hörprobe | |
03 | Billy 1 | 03:54 | Hörprobe | |
04 | Bunkhouse Theme | 02:13 | Hörprobe | |
05 | River Theme | 01:27 | Hörprobe | |
06 | Turkey Chase | 03:32 | Hörprobe | |
07 | Knockin’ on Heaven’s Door | 02:31 | Hörprobe | |
08 | Final Theme | 05:22 | Hörprobe | |
09 | Billy 4 | 05:01 | Hörprobe | |
10 | Billy 7 | 02:09 | Hörprobe |
Quelle:
• Rolling Stone Magazine
(wb)