Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Nick Carter – Band 14 – Ein beraubter Dieb – Kapitel 7

Nick Carter
Amerikas größter Detektiv
Ein beraubter Dieb
Ein Detektivroman

Patsy in Nöten

Nick Carters Jüngster war inzwischen unverdrossen der Fährte von Spike Thomas und Bally Morris nachgegangen.

Als er ihnen bis zur 42th Street gefolgt war, hatte er den Eindruck gehabt, die beiden Burschen wollten mit Meyers zusammentreffen. Doch als dieser dann aufgetaucht war, war es Patsys scharfer Beobachtung nicht entgangen, wie Spike und Bally behutsam darauf bedacht gewesen waren, der Aufmerksamkeit des gefürchteten Einbrechers zu entgehen. Sie waren vielmehr so schnell wie möglich die 3rd Avenue hinaufgelaufen, und Patsy war ihnen gefolgt, obwohl ihr Gebaren ihn ziemlich verblüffte.

Der Weg, welcher von Spike und Bally zurückgelegt wurde, unterschied sich kaum von demjenigen, welchen eine reichliche Stunde später das vierblättrige Kleeblatt einschlug. Beide bogen, nur um eine Seitenstraße früher, nach dem East River zu ein und wendeten sich, an der Avenue A angelangt, wieder zur Linken, um wenige Momente später in einem mitten im Block gelegenen Haus zu verschwinden.

»Bin doch begierig, zu erfahren, was die Kerle da wollen!«, flüsterte Patsy vor sich hin.

Das Erdgeschoss nahm eine Butter- und Käsehandlung ein. Daneben befand sich eine schmale Haustür, welche in einen ebensolchen, dunklen Flur führte. In diesem waren die beiden Strolche untergetaucht.

»Sie sind nach oben gegangen«, schoss es Patsy durch den Kopf. »Doch das macht keinen Unterschied, denn ich gedenke, ihnen in jedem Fall zu folgen!«

Er wartete nur lange genug, bis die beiden das zweite Stockwerk erreicht haben konnten, dann huschte er in das Haus und stieg vorsichtig die Treppe hoch. Ganz deutlich hörte er über sich die flüchtigen Tritte der beiden, und er erkannte daraus, dass sie sich zu dem obersten Flur begeben haben mussten.

Als er das zweite Stockwerk erreicht hatte, schlich er sich am Korridorende entlang und blieb am Fuße der oberen Treppe stehen, um zu lauschen.

Patsy konnte deutlich vernehmen, wie die beiden oben an eine Tür pochten; dann wurde diese geöffnet, und er hörte eine weibliche Stimme, welche sich überrascht hören ließ: »Harry, bist du es? Mein Himmel, wie lange hast du dich nicht mehr blicken lassen. Wen bringst du da mit?«

»Es ist mein Freund, Mr. Morris, Tante Emma. Ich verirre mich nur selten hierher nach der oberen Stadt, doch da ich gerade in der Nähe weilte, wollte ich dir doch wenigstens mal Guten Tag sagen. Der Onkel ist auf Arbeit, was?«

»Jawohl«, erklärte die Frau. »Doch tretet näher.«

Damit wurde die Tür geschlossen, und Patsy stand wie ein begossener Pudel da, denn ihm wollte es beinahe schon scheinen, als habe er die Burschen umsonst verfolgt.

»Hol es der Daus, doch ich glaube nicht, dass es irgendwelchen Wert hat, die Burschen noch weiter zu folgen«, knurrte er vor sich hin, nachdem er eine Weile überlegt hatte. »Am besten gehe ich wieder auf die Straße und warte dort auf ihre Rückkehr.«

Doch schon nach der ersten Bewegung blieb der junge Detektiv wieder stehen. Er entsann sich, wie aufgeregt sich Spike benommen hatte, als er in der 34th Street mit dem fremden jungen Burschen zusammengetroffen war, und es wollte ihm nicht einleuchten, dass der Strolch eine derartige Ausgelassenheit nur an den Tag gelegt hatte, weil ihm ein Besuch bei seiner alten Tante winkte.

Während Patsy noch unschlüssig dastand und nicht wusste, was eigentlich zu beginnen war, wurde gerade ihm gegenüber eine Tür des zweiten Stockwerkes aufgerissen, und in deren Rahmen tauchte eine junge, nachlässig gekleidete Frauensperson von vielleicht zwanzig Jahren auf. Bei Patsys unvermutetem Anblick schrak sie zusammen, stieß einen Schrei aus, schnellte zurück und warf die Tür krachend wieder zu.

Ehe sich Patsy von seiner Überraschung noch erholt hatte, wurde die Tür auch schon wieder aufgerissen, ein wüst aussehender Kerl kam zum Vorschein und schnauzte den jungen Detektiv an, was er im Haus zu suchen habe.

»Well, ich glaube, ich bin ins falsche Haus geraten«, meinte Patsy leichthin.

»Dann schere dich unverzüglich ins richtige Haus, verstanden?«, schrie der Bursche.

Patsy wollte keinen Streit hervorrufen, um von Spike und Bally nicht bemerkt zu werden. So versuchte er, sich mit Anstand zurückzuziehen.

»Well, ich bin schon die Stiege hinunter, bemühen Sie sich nicht«, meinte er scherzend.

Im selben Moment öffnete sich die Tür wieder, das Mädchen von vorhin erschien auf der Schwelle und raunte dem Burschen hastig zu: »Es ist Patsy Murphy, Nick Carters Jüngster!«

»Was zu Hölle – was hast du hier zu schaffen?«, begehrte der Strolch auf.

»Nichts, was Sie in Wut zu bringen braucht«, beschwichtigte Patsy.

»Nein, so leicht kommst du nicht davon«, maßte sich der andere an. »Solange ich hier im Haus bin, sollst du keinem darin Ungelegenheiten durch deine Schnüffeleien bereiten!«

»Fällt mir ja gar nicht ein, ich bin nicht beruflich hier.«

»Aber warum zur Hölle lungerst du im Haus herum?«

»Well, ist denn das so schlimm, wenn ein junger Bursche ausfindig machen will, wo so ein verd… niedliches junges Mädchen wohnt?«, versuchte Patsy zu begütigen, indem er dem Gegenstand seiner vermeintlichen Anbetung zugleich einen warnenden Blick zuwarf.

Das Mädchen lächelte, doch der Bursche geriet nun erst recht in Wut.

»Du verd… Kerl, das Mädchen ist meine Schwester und eine Lady – mit der wird keine Liebschaft angebandelt!«, drohte er. »Ich schmeiße dich die Treppe hinunter!«

»Lass das bleiben«, warnte das Mädchen. »Nick Carters Jüngster ist kein Gummiball!«

Betroffen starrte Patsy sie an; er konnte nicht begreifen, woher sie ihn kannte, obwohl er sich entsinnen konnte, sie je zuvor schon gesehen zu haben.

»Nein, nein«, stieß der Grobian eben wieder ungebärdig hervor. »Mit meiner Schwester hast du nichts zu schaffen, sondern dich zu einem ganz anderen Vorhaben ins Haus eingeschlichen!«

Patsy, der die Geduld zu verlieren begann, wendete sich unwillig an den Burschen.

»Jetzt ist es genug – nun halten Sie Ihren ungewaschenen Mund.«

Als der Bursche unwillkürlich feige zurückwich, setzte Patsy lachend hinzu: »Ich glaube gar nicht, dass das Ihre Schwester ist – wie käme solch ein reizendes Mädchen zu so einer Nachteule von Bruder!«

Patsy glaubte, den Burschen hinreichend eingeschüchtert zu haben, um nun ohne weitere Schwierigkeiten die Treppe wieder hinuntereilen zu können. Doch etwas Unerwartetes ereignete sich. Der Bursche ließ einen gellenden Schrei hören, und gleich darauf öffneten sich verschiedene Türen im Stockwerk, und zwei abenteuerlich aussehende Kerle sowie drei liederlich gekleidete Frauenzimmer kamen heraus, die sofort in helle Wut gerieten, als der Strolch ihnen zuschrie, dass Nick Carters Gehilfe Patsy ins Haus eingedrungen sei.

Sofort begann einer der Männer einen Angriff auf den Detektiv, doch dieser hieb derart mit der Faust auf den Kerl ein, dass dieser unter lautem Geheul auf eins der Weiber zurückprallte und sich mit dieser im nächsten Augenblick auf der Diele überschlug.

Die also Bedachte hob mörderisch zu schreien an, und ihre Genossinnen stimmten in das Gekreisch ein, während die beiden anderen Kerle sich mit verdoppeltem Ungestüm auf Patsy stürzten.

Dieser sah nun wohl ein, dass seine Hoffnung, unbemerkt aus dem Haus zu gelangen, vereitelt worden war. Sein ganzer Zorn wendete sich nun gegen seine beiden Bedränger. Im Nu hatte der angebliche Bruder des Mädchens auch schon einen Fausthieb auf den Unterkiefer weg, welcher ihn der Länge nach auf den Boden streckte, und nicht viel besser ging es seinem Kumpan.

Inzwischen hatten auch die beiden Weiber handgreiflich werden wollen, doch das junge Mädchen hielt sie beschwichtigend zurück.

Die beiden Niedergestreckten hockten in sitzender Lage auf der Diele und starrten auf den jungen Detektiv, welcher ihnen so übel mitgespielt hatte. Das Mädchen aber fasste Patsy beim Arm und rannte ihm zu: »Bitte, entfernen Sie sich, Sie sehen, die Männer haben genug!«

Patsy nickte und ging die Treppe Stufe um Stufe hinunter, jedoch langsam, denn er wollte sich vergewissern, ob Spike und Bally nicht durch den Tumult herbeigerufen worden waren. Er konnte nicht glauben, dass sie von dem Lärm nichts gehört haben sollten, dennoch aber vermochte er nichts von ihnen zu entdecken.

Schließlich hatte er die Straße wieder erreicht und versteckte sich nun unter einem Torweg, von wo aus er das eben verlassene Haus genau beobachten konnte. Er hatte noch nicht lange auf der Lauer gelegen, als er unter der Haustür das Mädchen, um welches vorhin der ganze Streit ausgebrochen war, auftauchen und wie suchend umherschauen sah.

»Wenn die Kleine sich nicht nach mir die Augen blind schaut, will ich mich hängen lassen«, murmelte der Detektiv unter innerlichem Lachen. »Wie es mir scheint, habe ich Eindruck auf sie gemacht!«

Als sich Patsy dem Mädchen näherte, ging ein wirklich freudiges Lächeln über deren Gesicht.

»Sie haben mir gut aus der Patsche geholfen«, sprach er sie an.

»Reden Sie doch nicht davon«, entgegnete sie lachend, »von den Burschen gehen immer dreizehn aufs Dutzend, die können sich doch mit Ihnen nicht messen. Doch was wollen Sie bei uns im Haus?«

»Sie sehen, mein schönes Fräulein«, meinte Patsy schmunzelnd.

»Ach was, alter Schaumschläger!«, versetzte sie darauf mit einem koketten Lachen. »Das war nur Scherz von Ihnen – nein, ehrlich, weshalb waren Sie im Haus?«

»Nun, ich will es Ihnen gerne sagen – doch nicht hier, wo wir gesehen werden können!«

»Dann gehen wir zu dem Candystore«, erwiderte das Mädchen. Damit schritten sie auch schon zu einem kleinen Laden in der Nachbarschaft voran, in welchem allerlei Süßigkeiten sowie Zigarren und Tabak, Zeitungen und Sodawasser feilgeboten wurden.

Patsy blieb nahe der Ladentür stehen, von wo aus er die Straße übersehen konnte. Galant hatte er dem Mädchen eine große Tüte Bonbons gekauft, und während diese davon naschte, meinte er leichthin: »Ich kann es Ihnen ja sagen, es ist weiter kein Geheimnis dabei. Ich folgte zwei jungen Burschen, die sich nach dem dritten Stock begaben, und ich stand gerade in Überlegung, ob ich weitergehen oder mich zurückziehen sollte, als Sie plötzlich die Tür aufrissen.«

»Was haben die beiden denn ausgefressen?«, erkundigte das Mädchen sich neugierig.

»Nichts, zumindest nichts, wovon ich wüsste«, meinte Patsy lachend. »Ich wollte nur feststellen, was sie im Haus zu schaffen hatten.«

»Waren es Krumme?«, erkundigte sich das Mädchen weiter, darunter Verbrecher verstehend.

»Im Gegenteil, alte Bekannte von mir«, scherzte Patsy. »Nein, im Ernst, ich wollte nur mich überzeugen, ob sie einen von mir gegebenen Auftrag ausführten.«

»Dann tut es mir leid, dass ich Sie gestört habe!«

»Pah, schadet nichts, ich wäre wahrscheinlich doch fortgegangen. Mir war es nur peinlich, dass jene um meine Anwesenheit wissen sollten!«

»Ich denke, Ihre Freunde haben nichts bemerkt«, beruhigte ihn das Mädchen. »Vom dritten Stockwerk ließ sich niemand blicken.«

»Wer wohnt dort eigentlich?«, erkundigte sich Patsy weiter.

»Ein altes, stilles Ehepaar. Der Mann ist den ganzen Tag über auf Arbeit, und von seiner Frau hört man kaum etwas. Jetzt ist sie eine Lady, aber in früheren Jahren soll sie eine gefährliche Ladendiebin gewesen sein. Das heißt, man sagt nur so. Etwas Genaues weiß ich nicht.«

Plötzlich ließ der junge Detektiv das darüber höchst erstaunte Mädchen stehen und rannte spornstreichs auf die Straße. Er selbst war so ungeheuer erstaunt, dass er gänzlich seine gewohnte Lebensart vergaß. Hatte er doch in diesem Augenblick Bally Morris und Spike Thomas auftauchen sehen, aber nicht etwa unter der Haustür des von ihm beobachteten Gebäudes, sondern an der nächsten Straßenecke, wo sie sich offenbar nach einem Car umschauten, um nach der unteren Stadt zu fahren.

Wie ein Wirbelwind war Patsy hinter ihnen her, nachdem er in aller Geschwindigkeit sein Äußeres wieder verschiedenen Abänderungen unterworfen hatte.

Richtig! Im nächsten Moment bestiegen die Burschen ein Straßencar, doch es gelang Patsy, unbemerkt von den beiden, denselben Wagen zu besteigen. Er blieb auf dem Hinterperron stehen und vermochte von dort aus die beiden seltsam aufgeregt und geheimnisvoll Erscheinenden vortrefflich zu beobachten. Spike trug einen in Zeitungspapier gehüllten Gegenstand unter dem Arm, und vergeblich zerbrach sich der junge Detektiv über den Inhalt des Pakets den Kopf. Sein Erstaunen wuchs, als er bald darauf wahrnehmen musste, dass die beiden Burschen sich augenscheinlich nach Spikes Wohnung zu begeben gedachten. Doch das machte in seinem Feldzugsplan keine Änderung, denn nach wie vor war er entschlossen, mit der größten Zähigkeit auf der bisher verfolgten Spur zu bleiben.