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Slatermans Westernkurier 03/2023

Auf ein Wort, Stranger, wie war das damals eigentlich? Gab es bei den Indianern tatsächlich auch so etwas wie Amazonen?

Die Antwort lautet: Ja.

Bei den Indianern bildeten die Frauen die Basis der Familie, sorgten für deren Zusammenhalt und bewahrten die kulturelle Tradition des Volkes. Sie bestimmten Einteilung und Erledigung ihrer Arbeiten selbst und redeten mit in den politischen Belangen der ganzen Gruppe oder des gesamten Stammes, ob diese nun in den Wäldern nördlich der Großen Seen lebten, wie die Ojibwa, in den Wüsten des Südwestens, wie die Apachen oder in den Langhäusern der Irokesenstämme im Nordosten oder gar in den Subtropen von Florida, wie die Seminolen.

Nicht wenige dieser Frauen wurden Kriegerinnen, gingen auf die Jagd, stahlen Pferde oder zogen in den Krieg. Bei den Ojibwa etwa griffen die Frauen, wenn der Mann krank, faul, längere Zeit abwesend oder tot war, selbst zur Waffe. Bei den Sioux nahmen Frauen an der Bisonjagd teil, töteten und skalpierten Feinde und bei den Cherokee wurden sie in einen Frauenrat gewählt, der über Krieg und Frieden und über das Schicksal von Gefangenen mitbestimmen konnte.

Manche von ihnen heirateten einen Weißen, der Stammesdiplomatie halber, oder tatsächlich aus Liebe und nutzen ihre besondere Stellung als Vermittlerin zwischen den Kulturen.

Was selten erwähnt und kaum in irgendeinem Westernroman beschrieben wurde, ist eine historische belegte Tatsache. Deshalb wollen wir in dieser Kolumne stellvertretend für all die namenlosen Kriegerinnen über zwei von ihnen berichten, deren Leben und Wirken auch heute noch aus der Pioniergeschichte Amerikas nicht wegzudenken ist.

 

*

 

Degonwadonti (auch Tekonwatonti oder Gonwatsijayennin) war eine Mohawk, die um 1736 das Licht der Welt erblickte. Als ältere Schwester von Thayendanega, einem der bedeutendsten Häuptlinge des Mohawk-Stammes, wurde sie schon früh zur Obersten der gewählten Führerinnen der sechs Haudenosaunee-Nationen ernannt, welche auch als Six Nations oder Irokesen-Konföderation bekannt sind.

Beide waren intelligent genug, um schon in jungen Jahren zu erkennen, dass die sechs indianischen Nationen, mochten sie heuer auch noch so mächtig und unbezwingbar scheinen, auf Dauer nicht gegen den weißen Mann bestehen konnten. Nachdem sie herausgefunden hatten, wer von den europäischen Kolonialnationen, also Spanien, Niederlande, Frankreich und England, der Stärkere war, schlugen sie sich auf die Seite der Briten. Thayendanega trat bereits als Jugendlicher in die Dienste des anglikanischen Missionars John Stuart, wurde sein Dolmetscher und übersetzte mit ihm zusammen das Evangelium nach Markus in die Sprache der Mohawk und nahm danach den Namen Joseph Brant an.

Degonwadonti wurde zu Mary Brant und lebte jahrzehntelang mit William Johnson, dem britischen Superintendenten für indianische Angelegenheiten in der Kolonie New York in einer Common-law marriage, nach amerikanischem Recht einer Ehe ohne Trauschein, zusammen, in der sie ihm acht Kinder gebar. Beide hatten großen Einfluss und der Krieg um die Vorherrschaft in Amerika zwischen England und Frankreich, 1754-1763 French and Indian War, wurde nicht zuletzt dank ihrer Unterstützung und der Hilfe der Haudenosaunee-Nationen zugunsten der Engländer entschieden.

Paradoxerweise führte der Sieg der Briten und ihrer indianischen Verbündeten dazu, dass die Engländer zwanzig Jahre später deshalb alle ihre amerikanischen Kolonien verloren und die Six Nations nach und nach in der Bedeutungslosigkeit versanken.

Ohne den Druck der Franzosen sahen die amerikanischen Kolonien keinen Grund mehr für britischen Militärschutz und Verwaltung und waren zudem über deren Beschränkungen bei der Besiedelung der eroberten französischen Territorien und der Königlichen Proklamation von 1763 so verärgert, dass unter anderem diese Missstände zum amerikanischen Unabhängigkeitskrieg führten.

Joseph und Mary Brant setzten sich weiterhin für die Belange der Briten ein und mit ihrem Wissen und ihrem Einfluss bei den Indianern wurden sie für diese zu einem der wichtigsten Verbündeten.

Joseph Brant kämpfte als Captain und Führer der Mohawk in der British Army und Mary Brant agierte unter Lebensgefahr an vorderster Front, sammelte Informationen über den Feind und zeigte den Kriegern ihres Volkes auf, wie die Amerikaner zu besiegen waren.

Ihr ist es zuzuschreiben, dass die Briten die Schlacht von Oriskany siegreich beendeten. Nachdem die Amerikaner den Krieg gewonnen hatten, flüchtete sie nach Westen zu den Cayuga und von dort aus nach Kanada, als die Amerikaner nach einer Strafexpedition gegen die Indianerstämme, die den Briten als Verbündete gedient hatten, deren Dörfer niedermachten.

Dort war sie weiter die Oberste der Führerinnen der Sechs Nationen und sorgte dafür, dass wenigstens vier dieser Nationen weiterhin loyal zum Königreich Großbritannien standen. Sie zog nach Kingston in Ontario, wo sie von der britischen Regierung für ihre Verdienste ein Haus und eine hohe Pension erhielt.

Am 16. April 1796 starb sie in Kingston. Am 24. November 1994 ehrte sie die kanadische Regierung und erklärte sie zur Person von nationaler historischer Bedeutung.

 

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Lozen, was frei übersetzt in etwa geschickte Pferdediebin bedeutet, stammte von der Chihenne Band (gleichbedeutend mit Gruppe) ab, die mit den Bands der Bedonkohe, den Chokonen und Nednhi zusammengefasst oft als Chiricahua Apachen bezeichnet werden. Ihr Geburtstag ist bis heute unbekannt und auch ihr Geburtsjahr wird unterschiedlich angegeben.

Die englischsprachige Seite von Wikipedia gibt das Jahr 1840 an, der deutsche Autor Alfred Wallon 1843 und die Autorin Gladys L. Knight 1848. Uneinigkeit herrscht auch über ihren Geburtsort. Hier wird irgendwo in New Mexico oder Arizona angegeben, wobei manche auch behaupten, dass dieser Ort in Sichtweite des heiligen Berges Ojo Caliente in New Mexico lag.

Unbestritten aber ist, dass sie die Schwester des berühmten Kriegsschamanen und Anführers Victorio war, eine Kriegerin, die im Lassowerfen, Spurenlesen und Pferdediebstahl vielen männlichen Stammesmitgliedern überlegen war und über den sogenannten Inda-ce-ho-ndi, die Enemies-Against-Power, verfügte.

Sie soll Überlieferungen nach die Fähigkeiten besessen haben, Kranke zu heilen, den Standort der Feinde vorauszusagen und sie verfügte über ein großes Wissen über die heilenden Eigenschaften bestimmter Pflanzen und Mineralien. Im direkten Kampf gegen Mexikaner und Amerikaner war sie tapferer als mancher Krieger. Sie hatte den Status einer Heiligen Frau und wurde sogar in den Kriegsrat aufgenommen.

Victorio sagte einmal über seine Schwester: »Lozen ist meine rechte Hand. Stark wie ein Mann, tapferer als die meisten, listig und schlau, ein Schild für ihr Volk.«

Trotz allem mussten sich die Chihenne nach langem Kampf der US-Army ergeben und wurden 1871 in die San Carlos Reservation zwangsumgesiedelt. Die Zustände dort wurden immer unerträglicher. Korruption führte dazu, dass die Apachen wie die Fliegen an Unterernährung und fehlender medizinischer Versorgung in der unfruchtbaren, wüstenähnlichen Reservation wie die Fliegen starben. 1880 ergriffen sie halbverhungert die Flucht und es war wieder einmal niemand anderes als Lozen, die dafür die notwendigen Pferde stahl. Doch schon am 14. Oktober des gleichen Jahres wurden sie bei Tres Castillos in der Provinz Chihuahua von einer erdrückenden Übermacht an Soldaten, Indianerscouts und Freiwilligenmilizen gestellt. Victorio fand mit 78 Stammesmitgliedern, darunter hauptsächlich Krieger, den Tod und 68 Frauen und Kinder wurden in Mexiko in die Sklaverei verkauft.

Einige Krieger, unter ihnen auch Lozen, überlebten das Gefecht und flohen. Lozen kämpfte an der Seite von Geronimo und dessen Gruppe weiter, bis sie sich schließlich im September 1886 endgültig ergeben mussten. Lozen wurde mit den überlebenden Apache-Kriegern in ein Gefängniscamp nach Mount Vernon in der Nähe von Alabama gebracht, wo sie am 17. Juni 1889 an Tuberkulose verstarb.

 

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Diese Liste ließe sich mit unzähligen weiteren Namen noch lange fortführen. Nanyehi, eine Cherokee, besser unter dem Namen Nancy Ward bekannt, oder die Creek Indianerin Cousaponokeesa, Mohongo, die Ehefrau eines Osagen-Häuptlings oder Brown Weasel Women, eine Kriegerin der Blackfoot Indianer, um nur einige zu nennen.

Aber das würde die Ausmaße eines Sachbuches annehmen und den Umfang dieser Kolumne regelrecht sprengen. Aber wer weiß, vielleicht wird im Westernkurier irgendwann einmal doch noch mehr über die indianischen Amazonen berichtet.

Quellenhinweis:

  • www.indianerwww.de
  • Thomas Earle: The Three Faces of Molly Brant: A Biography, Quarry Press, Ontario, 199z, ISBN: 1550821768
  • Ernst Probst: Superfrauen aus dem Wilden Westen, Grin Verlag, 2008, ISBN: 9783640396535
  • www.geo.de