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Secret Service Band 1 – Kapitel 11

Francis Worcester Doughty
Secret Service No. 1
Old and Young King Brady Detectives
Black Band
Oder: Die zwei King Bradys gegen eine unnachgiebige Bande
Eine interessante Detektivgeschichte aus dem Jahr 1899, niedergeschrieben von einem New Yorker Detektive

Kapitel 11

Der Beschattende bemerkt, dass er beschattet wird.

Die Nacht war tiefschwarz. Schwere Wolken verdeckten die Sterne.

Hinter den schimmernden Strahlen einer Werftlaterne auf einem Pier, der in den East River hineinragte, standen zur Mitternachtsstunde zwei vermummte Männer.

Sie unterhielten sich in gedämpftem Flüsterton und schienen die träge Strömung zu beobachten, die an ihnen vorbeirauschte.

»Ich sage dir, Mansur, es ist alles in Ordnung. Wenn das Mädchen erst einmal von der völligen Aussichtslosigkeit ihres Falles überzeugt ist, wird sie sich damit abfinden. Auf jeden Fall werden wir ein hohes Lösegeld aus ihr herausbekommen.«

»Ich sage dir, Jayne, ich bin nicht abgeneigt, einem Mann etwas zuzumuten; aber, verdammt noch mal, Frauen bringen Unglück. Mit ihnen kann man nichts anfangen. Du kriegst immer das Schlimmste ab.«

»Ach, das ist alles Mist! Es geht um hunderttausend, und ihr müsst mir beistehen. Es ist eine großartige Sache.«

»Alle deine Pläne sind eine verdammt gute Sache. So wie du die Millionen deines reichen Onkels bekommen hast.«

»Sei kein Narr, Mansur. Es war Old King Brady, der mich da rausgeholt hat. Aber, verflucht, mit dem werde ich schon noch abrechnen.«

»Nun, was gedenkst du zu tun?«

»Ich habe mit dem Kapitän des Schoners gesprochen. Es wird eine nette kleine Kreuzfahrt zum Big Sandy Key. Das ist eine Insel vor den Tortugas, die noch nie jemand besucht hat, und wir können das Mädchen dort vor Old King Brady und anderen in Sicherheit bringen.«

»Und dann?«

»Ich werde sie zur Vernunft bringen. Das kannst du mir glauben. Wenn sie nicht brav runterkommt, werde ich – na ja, du kannst es dir denken!«

»Mensch! Das ist schon in Ordnung. Aber ich mag den Job nicht.«

»Aber du musst zu mir halten.«

» Aber ja doch!«

»Du bist einverstanden!«

»Worauf warten wir hier?«

»Der Kapitän des Schoners wird uns hier treffen. Wir gehen mit ihm raus und sehen uns das Schiff an. Habt ihr nichts dagegen?«

»Na gut!«

In diesem Moment hörte man das Schlagen von Ruderdollen.

Sie kamen aus der Strömung des Flusses. Einen Augenblick später schoss ein Boot in der Dunkelheit der Nacht ins Blickfeld.

Zwei Matrosen saßen an den Rudern, und am Bug stand ein Mann mit einem Bootshaken.

»Legt dort an! Steuerbord, ihr Trottel! Achtung, der Steg!«

»Hallo, die Sarah Ann!«, erwiderte Jayne und rannte an den Rand des Kais. »Seid ihr wegen uns gekommen?«

»Ich schätze schon«, antwortete der Mann mit dem Bootshaken.

»In Ordnung, Kapitän Ham, wir gehen gleich an Bord.«

Das Kahn ging längsseits, und die beiden Männer am Kai stiegen in das Boot.

Gerade als sie dies taten, tauchte hinter einem Holzstapel eine große, hagere Gestalt auf.

Sie ging zur Kante des Stegs und lauschte. Dann lief sie zurück und verschwand unter dem Steg.

Einen Augenblick später schoss ein kleines Boot geräuschlos unter ihm hervor.

In dem Boot saß ein großer Mann.

Er raste in die Dunkelheit, schnell und geräuschlos hinterher.

Draußen auf dem Fluss tauchten plötzlich die schemenhaften Umrisse eines Schiffes auf.

Es war ein Schoner der kleinen Küstenklasse. Das erste Boot lief längsseits der Gangway.

Das kleine Boot blieb weit genug entfernt, um in der Düsternis nicht gesehen zu werden.

Über die Reling gingen die Besucher an Bord des Schoners. Nach kurzer Zeit trieb das kleine Boot langsam unterhalb des Bugs des Schoners.

Es war offensichtlich, dass keine Bugwache im Dienst war, sonst wäre das kleine Boot gesehen worden.

Der Insasse des kleinen Bootes band es an einer der Ankerketten fest und kletterte dann an derselben hinauf an Bord.

Die Stelle, an der er über die Reling stieg, war sehr dunkel.

Er wurde nicht gesehen.

Er schlich über das Deck, bis er das Luk erreichte. Durch dieses war es leicht, in das Innere der Kabine zu sehen.

Dort sah er den Kapitän und die beiden Männer, Jayne und Muggie Mansur.

»Das ist ein guter Handel, Leute«, sagte der Kapitän. »Ihr könnt das Mädchen an Bord bringen. Ich werde keine Fragen stellen. Es gibt tausend Dollar in bar, wenn ihr auf Big Sandy Key an Land geht.«

»Ein Handel?«, rief Jayne.

»Ich weiß es nicht!«, zögerte Mansur.

»Oh, sei kein Narr, Muggie. Das ist der beste Job, den wir je gemacht haben. Vergiss das nicht.«

»In Ordnung!«

»Es ist abgemacht, Kapitän Ham. Wenn wir das Mädchen an Bord bringen, kriegen Sie Ihr Geld.«

»In Ordnung!«

Damit war der Vertrag geschlossen.

Der Zuhörer am Dachfenster glitt über die Reling zurück, und sein Boot trieb in die Dämmerung hinaus.

Kurze Zeit später landeten Jayne und Mansur auf dem Steg.

Keine zehn Meter von ihnen entfernt kauerte eine unsichtbare Gestalt. Beide Schurken hätten in diesem Moment gefasst werden können.

Aber Old King Brady, denn er war es, hatte andere Pläne.

So sehr er sich auch bemühte, er konnte das Versteck des entführten Mädchens, Janet Pell, nicht ausfindig machen.

Er war auch nicht in der Lage gewesen, Einzelheiten über das Schicksal des Young King Brady zu erfahren.

Er wusste nur, dass der junge Detektiv verschwunden war. Aber das war auch schon alles.

Aber hier war ein Ansatz, der versprach, das Gleichgewicht der Macht wieder in seine Hände zu legen.

Er war entschlossen, dass die Sarah Ann den schönen Gefangenen nicht nach Big Sandy Key bringen sollte, wie Jayne vorgeschlagen hatte.

Der alte Detektiv hoffte, auf der Stelle die ganze Gruppe zu erwischen.

Als Jayne und Mansur die Landungsbrücke verließen, folgte ihnen daher Old King Brady.

Beide waren gut getarnt.

Doch als der alte König Brady den Kai verließ, wurde er sich einer verblüffenden Tatsache bewusst.

Er wurde selbst beschattet.

Was hatte das zu bedeuten?

Er war nicht nur verblüfft, sondern auch beunruhigt.

»Das ist merkwürdig«, murmelte er. »Ich verstehe das nicht. Warum sollte mich jemand beschatten? Das kann doch kein Detektiv sein.«

Dann kam ihm ein furchtbarer Gedanke.

War es einer von der Schwarzen Bande?

Waren sie ihm näher auf der Spur als er den ihren? Hatten sie eine Falle für ihn vorbereitet, so wie sie es für Young King Brady getan hatten?

Wahrlich, dies war die härteste Bande, mit der es Old King Brady je zu tun gehabt hatte.

Aber er lächelte grimmig.

Er würde in keine Falle tappen.

Vorgewarnt ist gewappnet.

Er machte sich sofort daran, seinem Verfolger ebenso viel Aufmerksamkeit zu schenken wie denjenigen, die er beschattete.

Er bemerkte eine Besonderheit.

Der Mann, der ihn beschattete, wer auch immer er war, verstand sein Geschäft gut. Er war gewiss kein Neuling.

Aber Old King Brady wusste, dass es in der Schwarzen Bande viele sehr kluge Männer gab.

Deshalb wunderte er sich nicht lange darüber.

Entlang der Straße bei den Kais beschattete Old King Brady Jayne und Mansur. Dann sah er sie in eine Gasse einbiegen.

Hier schimmerte ein fahles blaues Licht über einer Türöffnung.

Darunter befand sich ein Schild: SAILORS’ RETREAT. WALK IN.

In diesen Ort, den der Detektiv sofort als Trinkhalle erkannte, gingen die beiden Schurken.

Old King Brady hielt hier inne.

Er versuchte, sich zu verkleiden, aber er durfte nicht riskieren, dass die Leute, die ihn beschatteten, es sahen.

Er wartete einen Moment, bis er seinen Beschatter ausmachen konnte.

Dann schlüpfte er in einen dunklen Winkel.

Als er wieder herauskam, hätte ihn seine eigene Mutter nicht erkannt. Er war völlig verwandelt.

Er war der Inbegriff eines Matrosen von einem Kriegsschiff. Bis hin zur Mütze mit dem Flatterband.

Als er ins Sailors’ Retreat eintrat, war seine Verkleidung perfekt.

Nichts an ihm erinnerte an Old King Brady.

Der Raum war mit einer langen, niedrigen Bar ausgestattet, hinter der sich Regale mit schwarzen Flaschen befanden.

Dahinter befand sich eine Tür, die in einen vermeintlichen Speisesaal führte, der auf beiden Seiten mit Vorhängen abgetrennt war.

In einem dieser Räume konnte man seine Mahlzeit einnehmen oder sein Bier schlürfen, ohne von den anderen Anwesenden gesehen zu werden.

Als Old King Brady eintrat, verriet ihm ein flüchtiger Blick, dass Jayne und Mansur, soweit er sehen konnte, nicht im Saal waren.

Aber er hatte keinen Zweifel daran, dass sie sich in einem der mit Vorhängen versehenen Bereiche aufhielten.

Der Detektiv ging zur Bar und knallte ein Fünfzig-Cent-Stück hin.

»Ein Schooner Ale, Kumpel!«, sagte er gewichtig.

»Ay, ay, Sir«, erwiderte der Barkeeper mit einem verschmitzten Blick auf ihn. »Auf deine Gesundheit!«

»Ich trinke dasselbe auf Sie, Skipper«, antwortete der Pseudo-Matrose.

Der Barkeeper verbeugte sich und steckte das Fünfzig-Cent-Stück ein.

Der Seemann trank sein Bier aus und sah dann auf der Theke nach dem Wechselgeld. Es war nicht da.

»Wo ist mein Wechselgeld?«, fragte er.

»Eh?«, stieß der Barkeeper mit einem Ruck seines Daumens hervor. Dann lehnte er sich über den Tresen.

»Du bist noch nicht lange an Land, Jack?«

»Um diese Zeit, bei acht Glasen!«

»Ich verstehe. Ihr seid noch nicht ganz auf dem Damm. Du hast deinen Becher geleert und auf meine Gesundheit getrunken. Die Manieren an Land machen den Unterschied aus. Siehst du?«

Der Barkeeper grinste Old King Brady auf brutale Art und Weise an.

Der Detektiv hätte dem hässlichen Kerl am liebsten einen Faustschlag verpasst, aber er tat es nicht.

Er wusste, dass er die fünfzig Cent einfach einstecken und nichts weiter dazu sagen sollte.

Also sagte er: »Ist doch egal, Kumpel. Es ist ein gutes Geschäft, das wir hatten, und ein fairer Lohn. Ich habe seit acht Monaten nichts anderes als Salzpferde und hartes Geschirr. Wo finde ich die Kombüse?«

»Irgendwo da drüben«, sagte der Barkeeper. »Ich schicke eine Braut, die euch bedient. Gebt ihr aber einen Dollar Trinkgeld, sonst bekommt ihr eine kalte Mahlzeit.«

»Da geht’s zur Kombüse?«

»Ay, ay, Sir.«

»Dann hat Jack ja Glück, dass sein Leben auf See ist. Also gut, Skipper, dann lasst uns mal essen.«

Mit diesen Worten taumelte Old King Brady auf einen der Plätze zu.

Er zog die Vorhänge zurück.

Zwei Männer saßen dahinter.

Der alte Detektiv stand Jayne und Muggie Mansur Auge in Auge gegenüber.