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Der Welt-Detektiv Band 6

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Casparino – 5. Kapitel

Casparino
genannt der Bluthund, der furchtbare Räuberhauptmann, und seine verruchten Mordgesellen, der Schrecken zwischen Rom und Neapel
Ein Schauerblick in das italienische Banditenleben
Verlag von J. Lutzenberger in Burghausen

V.

Nachdem Casparino und seine Genossen, welche als ihre Gefährten zu dem bestimmten Raubzug zu dem entfernten Kloster abgegangen waren  noch , ziemlich den geistigen Getränken zugesprochen hatten, am folgenden Morgen ziemlich spät erwachten, wurde so­gleich ein Räuber abgesandt, den Posten an der Höhle der Frauen abzulösen. Casparino, den im Zauber des Weindunstes das Bild der schönen Klara lebhaft umschwebt hatte, erinnerte sich, dass mit dem heutigen Tag die Frist seiner Nachgiebigkeit abgelaufen sei, welche er den störrischen Gräfinnen gesetzt hatte, und dass daher heute die schöne Klara sich ihm und die noch immer hübsche Gräfin seinem Freund Juras zum Opfer bringen müsse. Schon wiegte er sich nebst Juras triumphierend in lüsternen Gedanken und wur­den beiderseitig die gemeinsten Witze gewechselt, als der zur Ablösung des Postens abgegangene Räuber mit den Worten Das Neft ist leer; sie sind zum Teufel! alles in Alarm brachte.

Casparino fuhr auf den Sprecher los, packte ihn an der Brust und donnerte ihm zu: »He Halunke! Was gibt es? Was soll dein Lärmmachen bedeuten? Rede! Aber erspare dir jeden tollen Spaß, insofern dir deine Haut lieb ist!«

Hierdurch erschreckt stotterte der Räuber ängstlich: »Der Posten ist weder zu sehen noch zu hören; die Gräfin und ihre Tochter gleichfalls nicht. Und die listige Hummel liegt geknebelt auf ihrem Lager!«

Juras und Casparino erbleichten. Des Letzteren Stirn legte sich in furchtbare Falten. Mit gewaltigen Fäusten erfasste er den Überbringer dieser Botschaft, warf ihn zu Boden und zerstampfte auf unbarmherzige Weise ihm die Brust, dass er unter entsetzlichem Geheul seinen Geist aufgab. Dann eilte er von Juras gefolgt der anderen Höhle zu. Er packte die listige Hummel, gefesselt und geknebelt, wie sie war, trug sie auf seinen Armen heraus und wollte sie in den zunächst befindlichen Abgrund werfen; doch Juras hielt ihn davon zurück und bat ihn, bei dieser Speckeule ihm das Rächerhandwerk zu überlassen. Casparino willfuhr ihm und Juras legte nun die Unglückliche gebunden auf einen Felsenvorsprung, nahm ihr das Tuch aus dem krampfhaft erstarrten Mund und füllte diesen nun gewaltsam mit Schießpulver. Nach dieser Vorbereitung zündete er ein Stück Schwamm an und steckte es hinzu. Im selben Moment flog der Kopf derselben in vielen Stücken auseinander; der Rumpf aber rollte in die grausige Tiefe des Abgrundes. Indem nun beide mit teuflischem Gelächter dem zerschmetterten Leichnam in die Tiefe nachblickten, entdeckten sie nun in derselben auch den Leichnam des Räubers, welcher in der Nacht den Posten vor der Höhle gehabt hatte. Nun überzeugte man sich, dass auch dieser seinen Anteil an der Flucht der Gräfinnen hatte. Man wusste nicht, auf welche Weise und durch wen diese bewerkstelligt worden sei. Nun bedauerten Casparino und Juras freilich, die listige Hummel so schnell getötet zu haben, da man von ihr doch einigen Aufschluss über deren Entführung hätte erlangen können.

Alles machte sich nun auf, die Flüchtigen zu verfolgen ; doch vergebens, nicht die geringste Spur war zu entdecken, nach welcher Richtung sie wohl über das Gebirge ihren Weg genommen haben mochten. Nach mehrstündigem vergeblichen Suchen erst kehrten die Räuber samt ihrem Hauptmann wieder in die Höhle zurück.

In derselben war inzwischen auch Fiesko angekommen, welcher mit Gustos Haufen zur Plünderung des erwähnten Klosters ausgezogen war, und brachte dem Hauptmann eine neue Hiobspost . Casparino redete ihn mit kalter Entschlossenheit und mit einem ernsten, aber gespannten Ton an.

»Ich wette, auch du hast mir einen Streich zu erzählen, den mir ein böser Damon spielt, der heute aus dem Dunkel der Erde wider mich emporgestiegen zu sein scheint!«

Durch diesen Willkomm ermuntert, begann Fiesko: »Eine Stunde nach Mitternacht gelangten wir vor das Kloster und waren bald so glücklich, eine Stelle aufzufinden, durch welche wir in das Innere desselben kamen. Nachdem wir in dem Klosterhof angekommen, war es uns ein Leichtes, die inneren Pforten und Türen, welche zu den Zellen der Mönche und in das Presbyterium der Kirche führten, zu öffnen. In kurzer Zeit hatten wir die Kuttenträger bis auf zwei in möglichster Stille abgeschlachtet. Diese beiden entkamen jedoch unseren gezückten Dolchen. Durch das Geheul derselben hatten sich die wenigen Klosterknechte im Nu zusammengefunden und wären so keck gewesen, uns zu Leibe zu gehen, doch in wenigen Augenblicken waren auch sie niedergemetzelt, worauf wir anfingen, das Nest auszukramen. Nach Kurzem war ein Wagen des Klosters mit vollen Fässern des besten Weines und ein anderer mit den Reichtümern und dem vorgefundenen Geld beladen und mit des Abtes schönsten Maultieren bespannt. Auf Gustos Befehl zündeten wir das Pfaffennest an und machten uns bereit, mit unserer Beute davonzuziehen.« Der Räuber hielt einige Augenblicke inne, stieß einen tiefen Seufzer aus, wobei er mit geballten Fäusten nach dem Boden fuhr und hierauf seine Erzähl­ung fortsetzte: »Da führte der Teufel eine Menge bewaffneter Bauern herbei, als ob sie wie Pilze aus der Erde gewachsen wären, sodass alle Ausgänge von innen versperrt waren. Gusto hielt sich wacker und versuchte mit uns durchzubrechen. Wir setzten an, doch vergebens. Von unseren Kameraden sank einer nach dem anderen tot getroffen, nur mir allein, glaube ich, gelang es zu entkommen und Euch den traurigen Ausgang dieses Raubzuges und die Niederlage Eurer Getreuen berichten zu können.«

Obwohl Casparino eine widrige Nachricht erwartet hatte, so war ihm doch die Mitteilung dessen, was Fiesko überbracht hatte, über seine Vermutung. Er sah mit einem Mal seine so bedeutende Bande auf eine geringe Zahl zusammengeschmolzen, und da Gusto ihn in diese Gegend geführt hatte, so schrieb er ihm die Ursache der widrigen Ereignisse zu, welche ihn daselbst betroffen hatten. Er beschloss daher, mit dem Rest seiner Bande diese Gegend zu verlassen und wieder den alten Schlupfwinkel in dem liebgewonnenen Tannengrund bei St. Marino zu beziehen. Deshalb ordnete er auch den Rückmarsch dahin schon auf den kommenden Morgen an.

Er sandte den Rest seiner Bande auf den bekannten Schleichwegen dahin ab, während er mit Juras den Weg über Pisa nahm, wo er beinahe in Gefangenschaft geraten wäre. Doch es glückte ihm abermals, zu entkommen. Juras dagegen war nicht so glücklich; er büßte seine Freiheit, doch bevor er sich einer schmählichen Gefangenschaft preisgab, machte er seinem schändlichen Leben durch einen Pistolenschuss ein Ende. Casparino versuchte nun seinen Leuten nachzukommen, beging aber inzwischen noch die Schandtat, einen Eremiten, einen hochbetagten Greis, der ihm liebreich Nahrung und Obdach gewährte, meuchlings zu erdolchen.

Im Tannengrund angekommen, fand er, dass bereits eine andere Bande seinen früheren Schlupfwinkel in Besitz genommen hatte, doch fügte sich diese willig den Befehlen und der Führung des allgemein gefürchteten Casparino. Allein es bewies sich nur zu bald, dass das Maß seiner Gräuel übervoll sei und er endlich den wohlverdienten Lohn dafür empfangen sollte. Sein erbittertster Feind, der Graf Sandomori, hatte kaum erfahren, dass der grausame Banditenchef in seinen früheren Aufenthalt zurückgekehrt sei. So erwirkte er sich von der Regierung zu dessen Verfolgung und Habhaftwerbung eine größere militärische Truppenzahl.

Unvermutet kam eines Morgens Casparino nach einer lasterhaft durchschwärmten Nacht die unerwartete Nachricht zu, eine nicht unbedeutende militärische Macht habe bereits den Tannengrund umzingelt. Es werde für die Bande eine schwierige Aufgabe werden, sich durchzuschlagen. Der Hauptmann ordnete alles zu einem kräftigen Widerstand; allein sein Wirken und Schaffen war fruchtlos. Die Soldaten drangen mit Allgewalt gegen die Räuber an. Obwohl diese sich aufs Tapferste verteidigten, so war doch all ihre Entschlossenheit vergebens. Sie erlagen den wohlgezielten Kugeln derselben und hauchten unter schrecklichen Flüchen und Verwünschungen ihre schwarzen Seelen aus. Casparino wütete wie ein Wahnsinniger; seine Stirn hatte sich in düstere Falten gezo­gen, sein Augen rollten fürchterlich unter den dunkel­ bebuschten Augenbrauen und eine innere Ahnung schien ihm zu sagen, dass das Ende seiner Laufbahn nahe sei. Mit Wunden bedeckt rief er den zunächst um ihn befindlichen Kameraden zu: »Folgt mir, Brüder! Ein Spruch des Schicksals schützt mich vor der Hand des Henkers!« Mit Allgewalt stürmte er gegen die Feinde. es gelang ihm, eine Lüde zu entdecken, durch welche er entkommen konnte. Ehe die Soldaten ihm nachzusetzen vermochten, war er entschwunden. Von Angst und Verfolgung getrieben, stürzte er wie ein gehetztes Wild dahin über Felsen und durch dichtes Gebüsch, indessen sein Blut floss und die Spur sei­nes Fußes bezeichnete. Bis zur anbrechenden Dämmerung setzte er seine Flucht fort und sank endlich von brennendem Durst und starkem Blutverlust übermannt an einem Felsenabhang nieder, aus welchem eine Quelle sprudelte. Er labte sich an dieser und vor Ermattung versank er bald in einen festen Schlummer, aus welchem ihn nach einigen Stunden ein heftiges Rütteln emporschreckte. Casparino öffnete seine Augen, und vor Schrecken zusammenschauernd sah er die ihm bekannte weiße Gestalt vor sich stehen, in der linken Hand eine brennende Fackel haltend, mit der rechten aber schwingt sie drohend einen blinkenden Dolch. Wild sträubte sich sein Haar empor; er wollte aufspringen, allein er vermochte es nicht, denn Hände und Füße waren ihm gebunden. Ohnmächtig ließ er sein Haupt auf den Boden zurücksinken. Die Gestalt befestigte nun die Fackel in einen Felsenspalt, warf sodann die Hülle ab und Thurno, denn er war es , trat nun vor den machtlos sich krümmenden Casparino und fragte ihn mit einem eisigen Ton: »Kennst Du mich?»

Zähneknirschend und vor Wut schäumend warf Casparino seinen Blick auf den Fragenden und erkannte nun in ihm zu seinem noch größeren Entsetzen seinen Nebenbuhler, den er in den Armen der einst von geliebten Franziska samt dieser erdolcht zu haben glaubte.

Mit kaltem Lächeln betrachtete Thurno die innere Bewegung des machtlos vor ihm liegenden Banditen und sprach dann zu ihm: »Dass du mich kennst, Bösewicht, zeigt mir nur zu klar das Zucken deiner Nerven und der aus deinem Mund hervorschäumende Geifer  Der Himmel wollte nicht, dass mein Leben durch deine verruchte Hand enden sollte, sondern ich wurde erhalten, um den frühen Tod meiner schuldlos gemordeten Franziska an dir, Scheusal der Menschheit, in wohlverdienter Weise blutig zu rä­chen. Dies zu tun habe ich geschworen und nun ist ich der Augenblick gekommen, wo ich mich meines Gelübdes entbinden und dir den gebührenden Lohn geben kann. Fluch über dich, verruchter Bösewicht. Und nun (indem er den Dolch langsam in Casparinos Brust bohrte), fahre hin zur Hölle!«

Vor Schmerz brüllte das Ungeheuer laut auf, doch gleichgültig zog Thurno den Stahl aus der Wunde zurück und empor sprudelte das schwarze Herzblut des Elenden. Mit sichtlicher Anstrengung raffte der tödlich Getroffene seine letzten Kräfte zusammen. Er stöhnte noch leise folgende Worte: »Noch eine Frage gönne mir, ehe ich in das Schattenreich des Todes wandle. Heißt du nicht Antonio Thurno und bist der Sohn eines ehemaligen Lehrers zu Rom?« Ängstlich richtete er den sterbenden Blick fragend auf Thurno. Als dieser ihm mit einem kurzen Ja antwortete, fuhr er mit immer schwächer werdenden Stimme fort: »Der Spruch des Schicksals ist erfüllt. Du bist … mein Bruder!«

Wie vom Blitz getroffen stand Thurno da und blickte, von gewaltigen Gefühlen bestürmt, auf den Sterbenden nieder. Es rieselte ihm kalt wie Eis durch die Glieder. »Habe ich recht gehört!«, rief er; doch das Ungeheuer lag bereits in den letzten Todeszuckungen.

Mit wilden Gebärden, Wut und Verzweiflung im verzerrten Antlitz wälzte sich der Verruchte in seinem Blut. Mit Ingrimm wühlte seine Hand krampfhaft in dem Boden und mit einem grässlichen gotteslästerlichen Fluch entfloh seine schwarze Seele ihrer teuflischen Hülle.

Feierlich hob nun Thurno seinen Blick zu den Wol­ken und indem er den blutigen Dolch von sich schleuderte, sprach er: »Verklärter Geist meiner geliebten Franziska, du bist gerächt; und du, gerechter Gott, der du über den Sternen thronst, sei Richter zwischen mir und diesem Unglücklichen, den das längst verdiente Geschick nun einmal erreicht hat.«

Bei näherer Durchsuchung des Getöteten entdeckte Thurno auf dessen Brust eine kleine Kapsel, und, wer malt den Eindruck des Entsetzens, als ihm beim Öffnen derselben das Bildnis seiner leiblichen Mutter entgegen blickte. Von tiefer Wehmut und Schmerz er­griffen, brachte nun Thurno die Leiche seines unnatür­lichen Bruders in eine in der Nähe befindliche Vertiefung und bedeckte dieselbe mit einem darüber errichteten Steinhaufen. In eine aufgefundene Schieferplatte grub er, als das Licht des anbrechenden Morgens dämmerte, zum Andenken an diese schauderhafte Begebenheit die folgenden Worte: Casparino, der Verruchte, fiel hier nach dem Machtspruch des Schicksals durch die Hand seines leiblichen Bruders!

Alle Nachforschungen, den Aufenthalt des gefürchteten Räuberhauptmanns auszumitteln, blieben fortan erfolglos, denn nach dem unvermuteten Überfall, welchen der Graf Sandomori gegen die Bande im Tan­nengrund bei St. Marino vollführt hatte, und wobei Casparino noch glücklich entkommen war, um dem Tod aus Bruderhand entgegenzueilen, war derselbe verschollen. Niemand hörte mehr etwas von ihm und man glaubte allgemein, der Gefürchtete sei endlich außer Lande geflohen und setze höchstwahrscheinlich in einer entfernten Gegend sein lasterhaftes Treiben fort.

Von den Mitgliedern seiner Bande war der größte Teil im Gefecht mit den Truppen gefallen; die wenigen, welche man gefangen nehmen konnte, wurden dem Gericht übergeben und erhielten die wohlverdiente Strafe durch den Tod am Galgen.

Thurno hatte sich, nachdem er seinen Schwur gelöst und an dem Mörder seiner geliebten Franziska, in dem er gleichwohl seinen leiblichen Bruder nicht vermutet, die wohlverdiente Vergeltung vollführt hatte, in ein Kloster zurückgezogen. Seine Verwandten, die redliche Fischerfamilie, zu welcher er die Gräfin Romeli nebst ihrer Tochter Klara und seinem Freund Hugo gebracht wurden, erfuhren niemals den wahren Zusammenhang des tragischen Ereignisses. Er wollte seiner Schwester, welche die Frau jenes biederen Fischers war, den Kummer ersparen, den ihr das Bewusstsein verursacht haben würde, welches Scheusal von einem Bruder sie beide besessen hatten.

Mehrere Jahre verlebte Thurno noch in klöster­licher Abgeschiedenheit und erlitt dabei noch mannig­faltige Prüfungen und große Entsagungen, die er sich zum Teil selbst freiwillig auferlegt hatte. Erst nach dem Tod Thurnos entdeckte man in seinen hinterlassenen Papieren die Schilderung über den Tob Casparinos, welchen niemand als dessen Bruder sich gedacht hätte. Da er die Stelle genau bezeichnete, wo er seinen Todfeind getötet hatte , fand man noch die Gebeine des Letzteren und die Stein­platte mit der oben aufgeführten Inschrift.

Ende