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Die Sternkammer – Band 4 – Kapitel 2

William Harrison Ainsworth
Die Sternkammer – Band 4
Ein historischer Roman
Christian Ernst Kollmann Verlag, Leipzig, 1854

Zweites Kapitel

Der Zufluchtsort

Nachdem Sir Jocelyn, wie bereits erwähnt, Gondomar verlassen hatte, eilte er Holborn dahin, in der Absicht, zu Avelines Häuschen zu gelangen, das nicht weit von Ely House entfernt lag, wenn gleich in einer abgesonderten Gegend und von der Straße entfernt. Er war gerade im Begriff, in den engen Gang einzubiegen, der dorthin führte, als er von Clemens Lanyere angehalten wurde, der ihm unbeachtet gefolgt war.

»Wartet, Sir Jocelyn, ich bitte Euch«, rief ihm der Ankläger zu, der ihm rasch nachkam, »Ihr eilt dem gewissen Untergang entgegen. Ihr dürft heute nicht in die Nähe jener Hütte kommen, und auch noch in meh­reren Tagen nicht. Es liegen ringsum Feinde versteckt, und das einzige Schauspiel, welches Ihr Eurer Gelieb­ten gewähren werdet, wird das Eurer Verhaftung sein.« Es lag ein Ernst in den Wesen des Redners, der nicht umhin konnte, dem Hörer Überzeugung von der Aufrichtigkeit einzuflößen.

»Bei meiner Seele! Ich spreche die Wahrheit«, sagte Lanyere, als er den hervorgebrachten Eindruck bemerkte, »wie Ihr finden werdet, wenn Ihr noch einige Schritte weiter geht. Übergebt Euch meinen Händen, und ich werde Euch retten.«

»Welchen Beweggrund könnt Ihr haben, so zu handeln?«, fragte Sir Jocelyn. »Welches Interesse nehmt Ihr an mir?«

»Befragt mich jetzt nicht – Ihr sollt später vollständige Auskunft erhalten. Haltet Euch überzeugt, dass ich ein Freund bin – vielleicht Euer bester Freund.

Kommt mit mir, und ich will Euch an einen sicheren Ort bringen.«

»Aber was soll aus Aveline werden?«, rief der junge Ritter in lebhafter Besorgnis.

»Ich will mich bemühen, sie zu überwachen«, versetzte der Ankläger, »und ich hoffe, es wird ihr nichts zu Leide geschehen. Auf jeden Fall werdet Ihr Euch der Macht berauben, ihr irgendeinen Schutz zu gewähren, wenn Ihr unbesonnen genug seid, jetzt vorzutreten.«

Betroffen von diesen Bemerkungen, fühlte unser junger Ritter, dass er keine andere Wahl habe, als sich den Umständen zu unterwerfen. Folglich nahm er den von seinem geheimnisvollen Freund angebotenen Beistand an. Aber es geschah nicht ohne lebhafte Seelenqual, dass er sich von dem Pfad abwendete, der zu der kleinen abgeschiedenen Hütte führte, welche alles enthielt, was ihm teuer war, und seinem Begleiter folgte, der entschlossen schien, ihm keine Zeit zu weiterem Zaudern zu lassen, und mit raschen Schritten westlich forteilte, bis er Broad Saint Giles – damals ein ländliches Dorf – erreichte und in eine kleine Schenke trat, die das Zeichen der Rose und Krone führte. Der Wirt schien im Einverständnis mit dem Ankläger zu sein, denn auf ein Zeichen führte er seine Gäste sogleich zu einem Zimmer hinauf und ließ sie dann allein, ohne ein Wort zu sagen.

»Hier werdet Ihr sicher und ungestört sein«, sagte Lanyere, »und mein getreuer Verbündeter Barnabas Boteler wird für alle Eure Bedürfnisse sorgen; aber um Eurer selbst willen müsst Ihr einwilligen, Euch verborgen zu halten, bis ich Euch die Nachricht bringe, dass Ihr mit Sicherheit herauskommen könnt. Ich muss Euch jetzt verlassen, da ich viel zu tun habe, und muss die Erklärungen, die ich Euch zu geben beabsichtige, bis zu einer passenderen Zeit aufsparen. Seid nicht unruhig, wenn Ihr mich auf einige Tage nicht sehen solltet, da Umstände eintreten könnten, um es zu verhindern. Wenn ich wieder erscheine, hoffe ich Euch gute Nachrichten bringen zu können. Bis dahin lebt wohl.«

Ohne auf eine Antwort von Sir Jocelyn zu warten, entfernte er sich hastig.

Als unser junger Ritter allein war, tat er sein Möglichstes, um sich mit der seltsamen Lage, worin er sich befand, auszusöhnen. Er war voll ängstlicher Besorgnis wegen seiner selbst und wegen Avelines. Bei ruhiger Überlegung aber hielt er sich überzeugt, dass er richtig gehandelt und die Vorschriften der Klugheit befolgt habe, indem er den Schutz der geheimnisvollen Person annahm, die geneigt schien, sein Geschick zu lenken. Barnabas Boteler wartete ihm persönlich auf und ließ sonst niemand in seine Nähe; aber wenn gleich der würdige Wirt begierig schien, seinen Bedürfnissen in jeder Hinsicht zuvorzukommen, so war doch sein Benehmen zurückhaltend. Nach Sir Jocelyns Meinung hatte er etwas von einem Gefangenenwärter an sich. In dieser Ansicht wurde er bestärkt, als er bemerkte, dass er in sein Zimmer eingeschlossen wurde. Wahrscheinlich geschah dies von dem Wirt nur aus Vorsicht, und da das Fenster nicht hoch vom Boden war und er immer hinaussteigen konnte, wenn er wollte, so machte er sich wegen der Sache keine Sorge.

Auf diese Weise vergingen drei Tage, ohne dass etwas geschah, was die Einförmigkeit seiner langweiligen Gefangenschaft unterbrach. Er erhielt nicht einmal einen Besuch von Clemens Lanyere. Auf Sir Jocelyns Fragen in Betreff seiner behauptete der Wirt, ihm keine bestimmte Antwort geben zu können, doch er sagte, er könne jeden Augenblick kommen. Als er aber am vierten Tage nicht erschien, war Sir Jocelyns Geduld völlig erschöpft, seine Unruhe in Betreff Avelines wurde unerträglich. Er beschloss, auf jede Gefahr ihre Hütte zu besuchen. Ohne den Wirt mit seiner Absicht bekannt zu machen oder ihn zu bitten, die Tür aufzuschließen, öffnete er das Fenster, welches auf den Garten hinter dem Haus hinausging, und sprang hinaus. Seine geheime Entfernung schien nicht bemerkt zu werden. Bald darauf erreichte er die Straße und schlug die Richtung zu Avelines Wohnung ein.

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