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Nick Carter – Inez Navarro, der weibliche Dämon – Kapitel 10

Nick Carter
Amerikas größter Detektiv
Inez Navarro, der weibliche Dämon
Ein Detektivroman

Auf Tod und Leben

Morris Carruthers erhob die bewehrte Rechte zum tödlichen Streich und der tödliche Schlag fiel.

Hätte der Streich ebenso getroffen, wie er beabsichtigt war, so wäre Nick Carter sofort ein toter Mann gewesen; wenigstens hätte ihn augenblicklich tiefe Betäubung befallen, die ihn wehrlos in die Hände seines geschworenen Todfeindes ausgeliefert hätte. Was dann geschehen wäre, lässt sich leicht ausdenken.

Doch die Vorsehung war mit dem pflichtgetreuen, wagemutigen Mann, der sein eigenes Leben in die Schanze schlug, wenn es galt, der Menschheit zu dienen und sie vor ihren gefährlichen Feinden zu beschirmen!

Unwillkürlich, ohne auch nur die leiseste Ahnung von über seinem Haupt schwebenden Gefahr zu haben, hatte Nick Carter den Kopf unmittelbar zuvor fest an das Vorderbein der Chaiselongue gepresst, um einen festeren Halt zu gewinnen. Dadurch waren die Fransen des Bezugs halb verdeckend über sein Haupt gefallen. Auf der anderen Seite stand Carruthers derartig unmittelbar über sein Opfer gebeugt, dass er dessen Haupt nur mit einem steilen, senkrechten Schlag treffen konnte.

Diesem zufälligen Umstand verdankte Nick Carter sein Leben. Statt dass der Verbrecherkönig mit wuchtigem Hieb den Hinterkopf seines Widersachers traf, glitt die Waffe an der unteren Holzleiste der Chaiselongue ab, streifte nur das Haupt des Detektivs und prallte gegen den Marmorfuß des Kamins.

Immerhin war der erhaltene Hieb schlimm genug, um ihn vorübergehend zu betäuben.

Doch Nick wurde nicht am Gebrauch seiner Sinne gehindert. Wohl verwirrt, jedoch geistesgegenwärtig, fuhr Nick Carter ungestüm herum. Im selben Moment bekam er auch schon mit beiden Armen ein paar Beine zu fassen, die sich unmittelbar neben ihm erhoben. Da wusste er auch schon, dass es nur diejenigen des Mannes sein konnten, der soeben den heimtückischen, hinterlistigen Schlag nach ihm geführt und ihn um ein Haar ums Leben gebracht hatte.

Dies begreifen und mit Gewalt die Beine des Unbekannten umklammern, dessen Gesicht er in seiner Lage natürlich nicht zu sehen vermochte, war für Nick Carter das Werk eines Augenblicks. Mit aller ihm zu Gebot stehende Kraft, die durch den Selbsterhaltungstrieb in ihm noch vervielfacht wurde, suchte Nick Carter seinen Angreifer niederzureißen.

Er konnte ihn nicht erkennen, aber er fühlte instinktiv, dass nur Morris Carruthers es sein konnte, mit welchem er nun den letzten, entscheidenden Kampf auszufechten begann – denn einer von ihnen unterlag endgültig. Entweder verblutete er selbst oder der Verbrecherkönig wurde gebunden und geknebelt, um sich dann nicht wieder seinem Geschick durch die Flucht entziehen zu können.

Vergeblich versuchte sich der schrecklich überraschte Carruthers, der sich von seinem mit solch fürchterlicher Kraft geführten Hieb eine ganz andere Wirkung versprochen, aus der Umstrickung seines Widersachers zu befreien. Er konnte dieser wie mit Zentnergewichten sich an seine Füße hängenden Last nicht widerstehen. Verzweiflungsvoll suchte er an der Wandportiere einen letzten Halt zu finden. Doch er griff nur in das weiche Gewebe, um es mit in seinen Fall zu verstricken und es samt der Portierenstange von der Wand herunterzureißen.

Wie ein gefällter Baum brach Morris Carruthers über dem Detektiv zusammen. Über dem Ersteren lag wieder die mitsamt Nägeln, Ketten und Stangen von der Wand gebrochene schwere Portiere. Aus ihr stieg eine dicke Staubwolke auf, zugleich wälzten sich unter dem verhüllenden Tuch die beiden Todfeinde in einem derartig wirren und unlösbaren Knäuel, dass die ihrem Komplizen zur Hilfe eilende Inez tat- und ratlos stehen und staunend zusehen musste, ohne Hand anlegen zu können. Sie vermochte nicht zu unterscheiden, wer von den beiden ihr Freund oder ihr furchtbarer Feind war.

Doch darüber sollte sie schnelle Gewissheit erlangen.

Die erste schlimme und das klare Bewusstsein trübende Einwirkung des erhaltenen Schlages war bei dem Detektiv glücklich vorüber.

In dem Augenblick, als er Carruthers zu sich niedergezogen und ihn nun in furchtbarer Umarmung umklammert hielt, als er begriff, dass es der Todfeind war, der ihm ans Leben gewollt hatte und der ihm nun verfallen war, vermochte er ihn mit der eigenen Körperkraft zu überwältigen, erwachte auch schon seine ganze Kaltblütigkeit wieder. Er sah ein Ziel, dasselbe Ziel, um dessentwillen er sein Leben daran gewagt hatte … Er konnte Morris Carruthers gefangen nehmen – und beim Ewigen, er wollte es tun.

Wohl lag Morris Carruthers gleich einem erdrückenden Bleigewicht auf Nick. Das schwere Tuch der Portiere wickelte sich derartig unglücklich um ihn, dass es ihm fast den Atem nahm. Doch mit eiserner Zähigkeit tastete Nick Carter mit der einen Hand, bis er diese um die Kehle des Gegners gepresst wusste.

Sein schraubstockartiger Druck verfehlte seine Wirkung auf den hünenhaften Verbrecherkönig nicht. Unwillkürlich gab dieser auch die andere Hand Nicks frei und brach, von dessen Körper herabrollend, neben dem Gegner auf den Boden zusammen.

Doch nicht umsonst hatte sich Morris Carruthers schon wiederholt als ein dem großen Detektiv ebenbürtiger Gegner erwiesen. Bisher hatte er mit dem anderen spielen zu können geglaubt, da sein Vorteil über diesen ein überwiegender gewesen war. Nun, da er einsah, dass die Partie plötzlich gleichstand, ja, dass das Zünglein der Waage endgültigen Erfolgs sich sogar Nick Carter zuzuneigen drohte, da war auch er plötzlich wieder der Alte, welcher voll zäher Energie auch den letzte Funken unverbrauchter Kraft zum Kampf auf Leben und Tod ausnutzte.

Er warf sich herum, um dem würgenden Griff des Feindes zu entrinnen. Mit einem gewaltigen Fußstoß schleuderte er die Chaiselongue mitten ins Zimmer hinein, um Platz für den Entscheidungskampf zu schaffen und es zugleich seinen Helfershelfern zu ermöglichen, sich zu nähern und den Detektiv unschädlich zu machen.

Natürlich konnte ein derartiger Kampf nicht von langer Dauer sein.

Als Pancho die Gefahr erkannte, in welcher der Verbrecherkönig sich befand, ließ er von dem jugendlichen Patsy ab und warf sich mit all seiner Stärke auf Nick Carter. Auch Inez blieb nicht müßig.

Mit einem Sprung war sie am Tisch und ergriff einen dort liegenden Revolver, der zwar kleiner und leichter als der zuvor von Morris Carruthers gebrauchte war, nichtsdestoweniger aber in ihrer entschlossenen Hand eine furchtbare Waffe bildete.

Trotz der vereinigten Anstrengungen seiner beiden Gegner war es Nick Carter bereits gelungen, wieder auf die Füße zu kommen. Eben war er im Begriff, die noch auf den Knien sich befindenden und wie Kletten an ihm Hängenden von sich abzuschütteln, als Inez sich mit einem dämonischen Lächeln um die fest aufeinander gepressten Lippen von rückwärts an ihn heranschlich. Sie hob die am Lauf gepackte Waffe. Da – mit Gedankenschnelle sprang plötzlich Patsy hinzu und schlug ihr mit der Rechten die erhobene Waffe aus der Hand, mit der Linken sie zugleich zu packen versuchend. Doch mit schlangengleicher Gewandtheit entschlüpfte sie ihm und war plötzlich durch die geheime Tür verschwunden.

Nun warf sich Patsy auf den Kubaner und versetzte ihm mit der Faust einen furchtbaren Hieb gegen die Schläfe, sodass er von Nick Carter abließ und betäubt zu Boden stürzte.

Nun sprang er wie ein Tiger hinterrücks auf den Verbrecherkönig, doch Nick rief ihm befehlend zu: »Überlasse ihn mir allein, ich werde schon mit ihm fertig. Lauf du lieber nach einem Patrolwagen.«

Wie der Wind war Patsy die Treppe hinuntergestürmt.

Im selben Augenblick öffnete sich leise die geheime Tür. In derselben erschien Inez, und mit einem einzigen Blicke übersah sie die Situation. Sie hob schnell die am Boden liegende Waffe auf, im nächsten Moment ließ sie den Revolverlauf mit einer für ein weibliches Wesen ganz außergewöhnlichen Kraft auf die rechte Schläfe des Detektivs niedersausen.

Mit einem grausamen Auflachen beobachtete sie die Wirkung ihrer tückischen Handlungsweise.

Ein Schmerzenslauf entrang sich den Lippen des von der schönen Schlange Gefällten. Ein Zucken ging durch dessen plötzlich schlaff werdende Glieder. Wie schlaftrunken schlossen sich seine Augen – ein dumpfes Röcheln. Wie vom Blitz gefällt brach der Körper des unglücklichen Detektivs nieder.

Er war bewusstlos geworden.

Mit spöttisch ausgestreckter Hand wies die lächelnde Teufelin auf den seiner Sinne beraubten Mann.

»Schwachköpfe!«, zischte sie höhnend. »Was wollt Ihr alle ohne mich beginnen! … Dort liegt dein Feind, Morris … binde ihn, solange es Zeit ist – aber binde ihn sicher, damit er sich nicht wieder befreien kann, denn diesem Nick Carter ist alles, selbst das Unglaublichste, zuzutrauen … Nachher wollen wir entscheiden, was wir am besten mit ihm anfangen … Es scheint mir zu gewagt, ihm hier an Ort und Stelle das Lebenslicht auszublasen!«, setzte sie mit erneutem Lachen hinzu.

Morris Carruthers nickte nur voll grimmiger Genugtuung, während er sich über den Bewusstlosen beugte und diesem in das starre, blau werdende Gesicht schaute.

»Well, er soll nicht mehr lange leben, denn er bildet eine ständige Gefahr für uns, solange er noch atmet!«, versetzte er. »Doch du hast recht, Inez … Hier wäre es zu gefährlich, ihn abzutun … Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben … Einstweilen wollen wir seine Taschen aussuchen und ihn dann mit seinen eigenen Fesseln binden … Das gibt doch einen Spaß.« Und er lachte wie ein triumphierender Sieger auf.

Gelassen durchsuchte er nun die Taschen des Bewusstlosen und förderte aus ihnen eine ganze Anzahl von Hand- und Fußschellen. »Dieser Nick Carter ist doch immer komplett ausgestattet!«, höhnte er. »Na, nun mag er zur Abwechslung einmal am eigenen Körper spüren, wie angenehm diese blanken Dinger sich tragen lassen.«

Damit machte er sich auch schon eifrig daran, dem Bewusstlosen die Hände auf den Rücken zu zerren und ihm die Handgelenke zusammenzuschließen. Auch die Fußknöchel schloss er in gleicher Weise aneinander. Als er sich dann aufrichtete, versetzte er seinem wehrlosen Opfer, wie um dieses zu ermuntern, einen Tritt, der indessen ohne Wirkung blieb.

»Nun, Freundchen«, kicherte er voll teuflischer Schadenfreude, »willst du noch immer nicht munter werden? So wache doch auf! Ich möchte mich gar zu gern an deinem Erstaunen erheitern. Überdies habe ich Verschiedenes mit dir zu besprechen!«

Er wäre in derselben Weise dabeigeblieben, sein wehrloses Opfer mit Spott und Hohn zu überschütten, hätte ihn nicht ein Schreckensschrei der jungen Frau unterbrochen.

»Was ist – warum schreist du?«, stammelte er, unwillkürlich sich entfärbend und mit dem scheuen Blick des bösen Gewissens um sich starrend.

Doch Inez stand händeringend und wie schreckversteinert.

»Der Bursche! Sein Gehilfe – er ist fort! Fort!«, ächzte sie mit bebenden Lippen.

»Caramba!« Mit wilden, blutunterlaufenen Augen starrte auch Pancho um sich, der soeben wieder zu sich gekommen war.

»Ihm nach – er kann noch nicht weit sein«, schrie Inez, die sich in heller Verzweiflung die Haare raufte.

»Ihm nach!«, brüllte auch Pancho und wollte sich eilig an die Verfolgung des jugendlichen Detektivs machen.

»Halt!«, rief Morris Carruthers. »Keinen Schritt, sage ich – von jetzt an führe ich das Kommando. Wir müssen Nick Carter durch die Geheimtür zum nächsten Haus tragen … Dann lasst seine Anhänger kommen … Sie finden den Zugang nicht in tausend Jahren … Lasst den Tölpel von einem Patsy laufen … Er kann uns nicht schaden!«

Mit wuchtigem Fußtritt stieß Morris Carruthers die immer noch im Wege stehende Chaiselongue weiter zurück. Dann winkte er Pancho herbei, damit dieser den Bewusstlosen bei den Füßen packen und ihn ins Nachbarhaus tragen helfen sollte.

Doch im selben Moment, als Carruthers sich wieder über seinen verhassten Gegner beugte, da erkannte er auch schon, dass dieser nicht länger mehr bewusstlos war. Schnell ließ er den bereits aufgehobenen Oberkörper des Detektivs wieder auf den Teppich niedergleiten.

»Sie sind nicht mehr bewusstlos, Nick Carter!«, sagte er eindringlich. »Verstellen Sie sich nicht. Es soll Ihnen nichts geschehen – ich bin bereit, mich mit Ihnen abzufinden!«

Wirklich schlug Nick Carter die Augen auf und betrachtete den sich über ihn Beugenden mit einem durchdringenden Blicke voll Verachtung.

»Ich lasse mich auf nichts mehr ein!«, versetzte er schwach, denn das Sprechen strengte ihn an. Unter der Nachwirkung des empfangenen fürchterlichen Schlages brannte sein Gehirn noch immer wie Feuer.

Grausam umzuckte es die Lippen des Verbrecherkönigs. »Überlegen Sie wohl, was Sie sprechen, Nick Carter!«, zischte er. »Die Zeit für Scherze ist vorüber … Entweder vergleichen wir uns oder ich töte Sie!«

»All right! Töten Sie mich!«

»Tod und Verdammnis … Sie sollen erfahren, wie schrecklich ernst es mir mit meiner Drohung ist!«, zischte der Verbrecher mit unheimlich entstelltem Gesichtsausdruck. Zugleich griff er in die Tasche und zog eine Waffe hervor, ähnlich der vorhin gebrauchten.

Doch Nick Carter zuckte nicht mit einer Wimper, als ihm der Unhold nun die Revolvermündung gegen die Schläfe presste. Sein Blick bohrte sich mit stechendem Glanz in die unheimlich flackernden Augen des Todfeindes.

Eine Sekunde lang schien es, als ob der große Detektiv am Ende seiner Ruhmeslaufbahn angelangt war. Doch da kam ihm Hilfe von einer Seite, von welcher er es am wenigsten vermutet hatte.

Mit einem gedämpftem Ausruf unbändigen Zornes fiel Inez Navarro dem Verbrecherkönig in den Arm und schlug gleichzeitig seine Waffe zur Seite. »Bist du denn rasend … Wo dieser Patsy jeden Moment mit den Häschern zurückkommen kann!«, zischte sie. »Sterben soll er ganz gewiss – aber nicht hier – und nicht so schmerzlos!«, setzte sie mit einem kalten, grausamen Lächeln hinzu.

Morris Carruthers atmete auf. Der Jähzorn, der ihm die vernünftige Überlegung geraubt hatte, war verflogen. »Well«, sagte er, »wie du willst, Inez.«

»Ich danke Ihnen, Inez Navarro«, sagte auch Nick Carter mit klarer Stimme, als gälte es den Austausch von Höflichkeiten. »Was immer Ihre Absicht auch sein möge – jedenfalls haben Sie mir das Leben gerettet. Ich werde Ihnen dies nicht vergessen, wenn das wandelbare Glück sich wieder einmal gedreht haben wird.«

Morris Carruthers lachte grimmig auf. »Sie hatten alle Ursache, ihr zu danken, Nick Carter!«, versetzte er bedeutungsvoll. »Noch eine Sekunde später … und meine Kugel hätte Ihr Hirn zerschmettert … So sehr ich Sie auch bewundere und Ihre Geschicklichkeit anerkenne, ich würde trotzdem Inspektor McClusky um Ihre Mitarbeiterschaft gebracht haben … Ich würde es auch noch jetzt tun, begriffe ich nicht, dass man Inez dann als Mitschuldige an Ihrer Ermordung festnehmen und aburteilen würde … Das rettet Sie, sonst nichts …«

Morris Carruthers richtete sich auf. »Doch genug der Worte – komm, Pancho, und fasse an, denn die Zeit vergeht!«, sagte er. »Dieser Patsy könnte bald zurück sein und die halbe Polizei von New York dürfte mit ihm kommen.«

»Da mögen Sie allerdings recht haben, Carruthers!«, rief Nick Carter grimmig.

Doch der Verbrecherkönig lachte nur spöttisch. »Schadet uns nichts und hilft Ihnen noch weniger, o Weiser von der Mulberrystreet!«, meinte er hämisch. »Man wird hier im Haus nichts Interessantes finden!«

Damit beugte er sich auch schon vornüber, um von Neuem den Oberkörper des Gefesselten aufzuheben, während sich in demselben Augenblick Pancho nach den Füßen des Detektivs bückte, um ein Gleiches zu tun.

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