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Die drei Musketiere – Zwanzig Jahre danach – Kapitel X

Alexandre Dumas
Zwanzig Jahre danach
Erstes bis drittes Bändchen
Fortsetzung der drei Musketiere
Nach dem Französischen von August Zoller
Verlag der Frankh’schen Buchhandlung. Stuttgart. 1845.

X. Der Abbé d’Herblay

Am Ende des Dorfes wandte sich Planchet links, wie es ihm Aramis befohlen hatte, und hielt unter dem erleuchteten Fenster. Aramis sprang zu Boden und schlug dreimal in seine Hände. Sogleich öffnete sich das Fenster und eine Strickleiter fiel herab.

»Mein Lieber«, sagte Aramis, »wenn Ihr hinaufsteigen wollt, so wird es mich sehr freuen, Euch zu empfangen.«

»Ah, so kehrt man bei Euch nach Hause«, sprach d’Artagnan.

»Wenn es neun Uhr vorüber ist, muss man es bei Gott so machen«, erwiderte Aramis. »Die Klosterordnung ist äußerst streng.«

»Um Vergebung, mein Freund«, sagte d’Artagnan, »ich glaube, Ihr habt bei Gott gesagt.«

»Ihr glaubt«, versetzte Aramis lachend, »das ist wohl möglich. Ihr könnt Euch nicht denken, wie viel schlechte Gewohnheiten man in diesen verdammten Klöstern annimmt, und was für abscheuliche Manieren alle diese Kirchenleute haben, mit denen ich zu leben genötigt bin. Aber Ihr steigt nicht hinauf?«

»Steigt voraus, ich folge Euch.«

»Wie der selige Kardinal zu dem seligen König sagte: Um Euch den Weg zu zeigen, Sire.«

Aramis stieg leicht die Leiter hinauf und hatte in einem Augenblick das Fenster erreicht.

D’Artagnan folgte ihm, aber langsamer; man sah, dass er mit solchen Wegen weniger vertraut war als sein Freund.

»Verzeiht«, sagte Aramis, als er seine Ungeschicklichkeit wahrnahm, »wenn ich gewusst hätte, dass ich mit einem Besuch von Euch beehrt würde, so hätte ich die Leiter des Gärtners bringen lassen. Für mich allein ist diese genügend.«

»Gnädiger Herr«, rief Planchet, als er sah, dass d’Artagnan auf dem Punkt war, seine Aufsteigung zu vollenden, »das geht gut für Monsieur Aramis, das geht auch gut für Euch. Es würde streng genommen auch für mich gehen, aber die zwei Pferde können nicht wohl an der Strickleiter hinaufsteigen.«

»Führt sie unter jenen Schuppen, mein Freund«, sagte Aramis und deutete auf eine Hütte, welche in der Ebene sichtbar war. »Ihr findet dort Stroh und Hafer für sie.«

»Aber für mich?«

»Ihr kommt unter dieses Fenster, klatscht dreimal in Eure Hände, und wir lassen Euch Lebensmittel herab. Mord und Tod! Seid unbesorgt, man stirbt hier nicht an Hunger.«

Aramis zog die Leiter zurück und schloss das Fenster.

D’Artagnan betrachtete das Zimmer.

Nie hatte er eine zugleich kriegerischere und elegantere Stube gesehen. In jeder Ecke des Zimmers waren Waffentrophäen, welche dem Blick und der Hand Schwerter aller Art boten. Vier große Gemälde stellten in ihren Schlachtrüstungen den Kardinal von Lothringen, den Kardinal von Richelieu, den Kardinal von Lavalette und den Erzbischof von Bordeaux dar. Nichts deutete die Wohnung eines Abbé an. Die Tapeten waren von Damast, die Teppiche kamen von Alencon und das Bett besonders hatte mehr das Aussehen des Bettes einer Favoritin, mit seiner Spitzenverzierung und seiner gestickten Fußdecke, als das eines Lagers von einem Mann, der das Gelübde abgelegt hatte, den Himmel durch Geißelung und Enthaltsamkeit zu gewinnen.

»Ihr schaut mein Kämmerchen an?«, sagte Aramis. »Ah, mein Lieber, entschuldigt, ich wohne wie ein Karthäuser. Aber was sucht Ihr denn mit Euren Augen?«

»Ich suche die Person, die Euch die Leiter zugeworfen hat. Ich sehe niemand, und sie kann doch nicht ganz allein herabgekommen sein.«

»Nein, nein, Bazin hat es getan.«

»Ah, ah!«, rief d’Artagnan.

»Mein Bazin ist ein guter, abgerichteter Bursche«, fuhr Aramis fort. »Da er sah, dass ich nicht allein kam, zog er sich aus Diskretion zurück. Doch setzt Euch, mein Lieber, und lasst uns plaudern.

Und hiernach stieß Aramis gegen d’Artagnan einen weiten Lehnstuhl vor, in den sich dieser setzte.

»Vor allem, Ihr nehmt das Abendbrot mit mir ein, nicht wahr?«, fragte Aramis.

»Ja, wenn Ihr wollt«, sagte d’Artagnan, »und zwar mit großem Vergnügen, das gestehe ich Euch. Der Ritt hat mir einen teuflischen Appetit gemacht.«

»Ach, mein armer Freund, Ihr findet magere Kost, denn man erwartete Euch nicht.«

»Werde ich etwa mit dem Eierkuchen von Crevecoeux und mit Theobromen bedroht? Nicht wahr, so nanntet Ihr einst den Spinat?«

»Es lässt sich hoffen«, sagte Aramis, »dass wir mit der Hilfe Gottes und Bazins etwas Besseres in der Speisekammer der würdigen Väter Jesuiten finden. Bazin, mein Freund«, rief Aramis, »Bazin, komm hierher.«

Die Tür öffnete sich und Bazin erschien. Als er aber d’Artagnan gewahr wurde, gab er einen Ausruf von sich, der einem Schrei der Verzweiflung glich.«

»Mein lieber Bazin«, sprach d’Artagnan, »ich sehe mit Vergnügen, mit welcher bewunderungswürdigen Haltung Ihr so oft in der Kirche lügt.«

»Gnädiger Herr«, erwiderte Bazin, »ich habe von den würdigen Vätern Jesuiten gelernt, es sei erlaubt zu lügen, wenn man in einer guten Absicht lüge.«

»Wohl, wohl, Bazin, d’Artagnan stirbt vor Hunger und ich auch. Trage uns ein Abendbrot auf, so gut Du immer kannst, und bringe uns vor allem von dem besten Wein, der sich findet.«

Bazin verbeugte sich zum Zeichen des Gehorsams, stieß einen schweren Seufzer aus und entfernte sich.

»Nun, da wir allein sind, mein lieber Aramis«, sagte d’Artagnan, seinen Blick vom Zimmer auf den Eigentümer wendend und die bei den Meubles angefangene Untersuchung bei den Kleidern endend, »sagt mir, wo Teufels Ihr herkamt, als Ihr hinter Planchet auf das Kreuz fielt?«

»Ei, Ihr seht wohl, vom Himmel!«, erwiderte Aramis.

»Vom Himmel?«, versetzte d’Artagnan den Kopf schüttelnd. »Ihr scheint ebenso wenig dort herzukommen, als dahin zu gehen.«

»Mein Lieber«, sagte Aramis mit einer geckenhaften Miene, welche d’Artagnan zur der Zeit, da er noch Musketier war, nie an ihm bemerkt hatte, »wenn ich nicht vom Himmel kam, so kam ich wenigstens aus dem Paradies, was sich sehr ähnlich ist.«

»Die Gelehrten sind also hierüber einig«, sprach d’Artagnan. »Bis jetzt hatte man sich nie über die wirkliche Lage des Paradieses verständigen können. Die einen setzten es auf den Berg Ararat, die anderen zwischen den Tigris und den Euphrat. Es scheint, man suchte es sehr fern, während es sehr nahe liegt. Das Paradies ist in Noisy-le-Sec auf der Stelle, wo das Schloss des Monsieur Erzbischofs von Paris liegt. Man kommt aus demselben nicht durch die Tür, sondern durch das Fenster. Man steigt nicht auf den Marmorstufen eines Säulenganges, sondern an den Ästen einer Linde herab, und der Engel mit dem feurigen Schwert, der es bewacht, hat ganz das Aussehen, als hätte er seinen himmlischen Namen Gabriel in den irdischeren des Prinzen von Marsillac verwandelt.«

Aramis brach in ein schallendes Gelächter aus.

»Ihr seid immer noch der lustige Kamerad, mein Lieber«, sprach er, »und Eure vortreffliche gascognische Laune hat Euch noch nicht verlassen. Es ist wohl etwas an all dem, was Ihr da sagt. Nur wollt nicht glauben, ich sei in Frau von Longueville verliebt.«

»Den Teufel, ich werde mich wohl hüten«, sagte d’Artagnan, »Nachdem Ihr so lange in Frau von Chevreuse verliebt gewesen seid, werdet Ihr nicht versucht sein, Euer Herz ihrer tötlichsten Feindin darzubringen.«

»Ja, das ist wahr«, sagte Aramis mit einer treuherzigen Miene. »Ja, ich habe diese arme Herzogin einst sehr geliebt, und ich muss ihr die Gerechtigkeit widerfahren lassen, sie ist uns äußerst nützlich gewesen. Aber was wollt Ihr? Sie wurde genötigt, Frankreich zu verlassen. Es war ein harter Zänker, dieser verdammte Kardinal«, fuhr Aramis fort und warf einen Blick auf das Bild des ehemaligen Ministers. »Er hatte den Befehl gegeben, sie zu verhaften und zum Schloss Loches zu führen. Meiner Treue, er hätte ihr wie Chalais, Montmorency und Cing-Mars den Kopf abschneiden lassen. Aber sie flüchtete als Mann verkleidet mit ihrer Kammerfrau, der armen Ketty. Wie ich sagen hörte, ist ihr in irgendeinem Dorf ein seltsames Abenteuer mit irgendeinem Geistlichen begegnet, von dem sie Gastfreundschaft forderte, und der, da er nur ein Zimmer hatte und sie für einen Kavalier hielt, ihr das Anerbieten machte, dieses Zimmer mit ihr zu teilen. Sie trug mit unglaublicher Gewandtheit Männerkleider, diese arme Marie. Ich kenne nur eine Frau, die sie ebenso gut trägt. Man hatte auch einen Vers auf sie gemacht.«

Und Aramis stimmte das Lied an.

»Laboissiere, sage mir doch,
Geh ich nicht wie ein Mann?«

»Bravo!«, rief d’Artagnan, »Ihr singt immer noch vortrefflich, mein Lieber, und ich sehe, dass Euch die Messe die Stimme nicht verdorben hat.«

»Mein Lieder, Ihr begreift wohl, zur der Zeit, wo ich Musketier war, bezog ich die Wache so wenig, wie ich nur konnte. Heute, wo ich Abbé bin, lese ich so wenig Messen, wie ich kann. Doch auf die arme Herzogin zurückzukommen …«

»Auf welche? Auf die Herzogin von Chevreuse oder auf die Herzogin von Longueville?«

»Mein Lieber, bereits habe ich Euch gesagt, es fände nichts zwischen mir und der Herzogin von Longueville statt: Koketterien vielleicht, und nicht mehr. Habt Ihr sie seit ihrer Rückkehr von Brüssel nach dem Tod des Königs gesehen?«

»Ja, gewiss und sie war noch sehr schön.«

»Allerdings«, sagte Aramis, »ich habe sie zu dieser Zeit auch ein wenig gesehen und ihr vortreffliche Ratschläge gegeben. Ich schwor bei meinem Leben, Mazarin wäre der Geliebte der Königin. Sie wollte mir nicht glaube, und sagte, sie kenne Anna von Österreich. Sie wäre zu stolz, um einen solchen Schurken zu lieben. Mittlerweile warf sie sich in die Kabalen des Herzogs von Beaufort. Der Schurke ließ den Monsieur Herzog von Beaufort verhaften und verbannte Frau von Chevreuse.«

»Ihr wist«, sagte d’Artagnan, »dass sie die Erlaubnis erhalten hat, zurückzukehren?«

»Ja und auch, dass sie zurückgekommen ist … Sie wird abermals dumme Streiche machen.«

»Oh, diesmal wird sie wohl Eurwn Rat befolgen.«

»Diesmal habe ich sie nicht wiedergesehen; sie hat sich gewaltig verändert.«

»Es ist nicht wie bei Euch, mein lieber Aramis, denn Ihr seid immer derselbe. Ihr habt immer noch Eure schönen schwarzen Haare, Eure zierliche Taille, Eure Frauenhände, welche bewunderungswürdige Prälatenhände geworden sind.«

»Ja«, sagte Aramis, »das ist wahr, ich pflege mich sehr. Wisst Ihr, mein Lieber, dass ich mich alt mache. Ich bin bald siebenunddreißig Jahre.«

»Hört, mein Lieber«, sagte d’Artagnan lächelnd, da wir uns hier wiederfinden, so wollen wir über einen Punkt übereinkommen, nämlich über das Alter, das wir in Zukunft haben werden.«

»Wieso?«, versetzte Aramis.

»Ja, früher war ich zwei bis drei Jahre jünger als Ihr, und ich irre mich nicht, ich habe vierzig Jahre wohl gezählt.«

»Wirklich?«, sagte Aramis, »dann irre ich mich, denn Ihr seid stets ein vortrefflicher Mathematiker gewesen, mein Lieber. Eurer Rechnung nach wäre ich also dreiundvierzig. Teufel! Teufel! Mein Lieber, sagt es nicht in der Villa Rambouillet, das würde mir schaden.«

»Seid unbesorgt«, erwiderte d’Artagnan, »ich komme nicht dahin.«

»Ei, ei!«, rief Aramis, »was macht denn das Tier von einem Bazin. Bazin, beeilen wir uns. Wir werden wütend vor Hunger und Durst.«

Bazin, der in diesem Augenblicke eintrat, hob seine Hände, von denen jede mit einer Flasche beladen war, zum Himmel empor.

»Endlich«, sagte Aramis, »sind wir einmal fertig?«

»Ja, gnädiger Monsieur, sogleich«, sagte Bazin. »Aber ich brauchte Zeit, um alle diese …«

»Weil du immer glaubst, Du habest deine Messner-Simarre auf dem Rücken«, unterbrach ihn Aramis, »und weil du dein ganzes Leben damit hinbringst, dein Brevier zu lesen. Aber ich sage dir, dass ich, wenn du dadurch, dass du fortwährend die Gegenstände in den Kapellen polierst, meinen Degen zu putzen verlernst, ein großes Feuer aus all deinen geweihten Bildern mache und dich darauf rösten lasse.«

Voll frommen Ärgers machte Bazin das Zeichen des Kreuzes mit der Flasche, die er in der Hand hielt. Mehr als je erstaunt über den Ton und die Manieren des Abbé d’Herblay, welche so sehr mit denen des Musketiers Aramis kontrastierten, blieb d’Artagnan mit aufgesperrten Augen seinem Freund gegenüber.

Bazin deckte rasch den Tisch mit einem Damasttuch und ordnete auf diesem Tuch so viele vergoldete parfümierte und leckere Dinge, dass d’Artagnan ganz verblüfft war.

»Ihr wartet auf jemand?«, fragte der Offizier.

»Ah, ich habe immer einigen Vorrat. Dann wusste ich auch, dass Ihr mich aufsuchen würdet.«

»Von wem?«

»Von Meister Bazin, der Euch für den Teufel hielt, mein Lieben und herbeilief, um mich von der Gefahr zu benachrichtigen, die meine Seele bedrohte, wenn ich so schlechte Gesellschaft wie die eines Musketieroffiziers sehen würde.«

»Ach, gnädiger Monsieur!«, rief Basin die Hände gefaltet und mit flehender Miene.

»Still, keine Heuchelei, du weißt, dass ich sie nicht liebe. Du wirst besser daran tun, ein Fenster zu öffnen und ein Brot, ein Huhn und eine Flasche Wein deinem Freund Planchet hinabzulassen, der sich seit einer Stunde zu Tode klatscht.«

Planchet, welcher seinen Pferden Häckerling und Hafer gegeben hatte, war wirklich unter das Fenster zurückgekehrt und hatte zwei oder dreimal das angegebene Zeichen wiederholt.

Bazin gehorchte, band an das Ende eines Strickes die drei genannten Gegenstände und ließ sie Planchet hinab, der ganz zufrieden damit sich unter seinen Schuppen zurückzog.

»Nun wollen wir zu Nacht speisen«, sagte Aramis.

Die zwei Freunde setzten sich zu Tisch und Aramis fing an, mit völlig gastronomischer Geschicklichkeit junge Feldhühner und Schinken zu zerlegen.

»Teufel«, sagte d’Artagnan, »wie Ihr Euch füttert?«

»Ja, ziemlich gut. Ich habe für die Fasttage Dispens von Rom, die mir der Monsieur Coadjutor meiner Gesundheit wegen verschafft hat. Dann habe ich zum Koch den Exkoch von Lasolonne genommen, Ihr wisst, von dem ehemaligen Freund des Kardinals, dem berühmten Gourmand, der statt jedes Gebetes nach seinem Mittagsmahl sagte: ›Mein Gott, habe die Gnade, gut zu verdauen, was ich so gut gegessen habe.‹«

»Was ihn indessen nicht abhielt, an einer Unverdaulichkeit zu sterben.«

»Was wollt Ihr?«, versetzte Aramis mit ergebener Miene, »man kann seinem Geschick nicht entfliehen.«

»Mein Lieber, vergebt die Frage, die ich auch Euch stellen will«, versetzte d’Artagnan.

»Macht sie immerhin, Ihr wisst, unter Freunden gibt es keine Indiskretion.«

»Ihr seid also reich geworden?«

»Oh! Mein Gott, nein; ich mache mir ein Dutzend tausend Livres jährlich, abgesehen von einer kleinen Rente, von tausend Talern, die mir der Monsieur Prinz hat zukommen lassen.«

»Und womit macht Ihr Euch diese 12.000 Livres?«, fragte d’Artagnan. »Mit Euren Gedichten?«

»Nein, ich habe auf die Poesie Verzicht geleistet, wenn ich nicht zuweilen einige Trinklieder, einige galante Sonette oder ein unschuldiges Epigramm dichte. Ich mache Reden, mein Lieber.«

»Wie, Reden?«

»Ja, aber vortreffliche Reden, wenigstens scheint es so.«

»Die ihr predigt?«

»Nein, die ich verkaufe.«

»An wen?«

»An diejenigen von meinen Kollegen, welche durchaus große Redner sein wollen.«

»Wirklich! Und Ihr habt nicht nach diesem Ruhm gestrebt?«

»Allerdings, mein Lieber. Aber die Natur hat den Sieg davongetragen. Wenn ich auf der Kanzel stehe und es schaut mich zufällig eine Frau an, so schaue ich sie auch an, wenn sie lächelt, lächle ich auch. Dann fange ich an zu fabeln. Statt von des Qualen der Hölle zu sprechen, spreche ich von den Freuden des Paradieses. Dies ist mir eines Tages in der Kirche Saint Louis im Marais begegnet. Ein Kavalier lachte mir in das Gesicht, ich unterbrach mich, um ihm zu sagen, er wäre ein alberner Tropf. Das Volk ging hinaus, um Steine zusammenzuraffen; aber während dieser Zeit wandte ich den Geist der Anwesenden so gut um, dass sie ihn steinigten. Allerdings fand er sich am anderen Tag bei mir ein. Er glaubte, er hatte es mit einem Abbé zu tun, wie alle anderen Abbés sind.«

»Und was war der Erfolg seines Besuches?«, sprach d’Artagnan, sich vor Lachen die Hüften haltend.

»Der Erfolg war, dass wir uns den anderen Tag auf der Place-Royale zusammen bestellten. Bei Gott, Ihr wisst davon.«

»Sollte ich zufällig gegen diesen Unverschämten Euch als Sekundant gedient haben?«, fragte d’Artagnan.

»Allerdings, Ihr wisst, wie ich ihn zurichtete.«

»Ist er gestorben?«

»Ich weiß es nicht, aber ich habe ihm die Absolution in articulo mortis gegeben. Es ist hinreichend, den Körper zu töten, ohne die Seele zu töten.«

Bazin machte ein Zeichen der Verzweiflung, welches wohl sagen wollte: Er billige vielleicht diese Moral, er missbillige aber sehr den Ton, mit dem sie ausgesprochen werde.

»Bazin, mein Freund, du bemerkst nicht, dass ich dich in diesem Spiegel sehe, und dass ich dir ein für allemal jedes Zeichen der Billigung oder der Missbilligung untersagt habe. Du wirst mir also das Vergnügen machen, uns spanischen Wein zu servieren und dich zurückzuziehen, denn mein Freund d’Artagnan hat mir etwas Geheimes mitzuteilen; nicht wahr, d’Artagnan?«

D’Artagnan machte mit dem Kopf ein bejahendes Zeichen, und Bazin zog sich zurück, nachdem er den spanischen Wein auf den Tisch gestellt hatte.

Als die zwei Freunde allein waren, blieben sie einen Augenblick schweigend einander gegenüber. Aramis schien eine süße Verdauung zu erwarten. D’Artagnan dachte über einen Eingang nach. Jeder von ihnen wagte einen verstohlenen Blick, wenn der andere ihn nicht anschaute.

Aramis brach zuerst das Schweigen.

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