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Dreizehn Jahre im Wilden Westen – Kapitel XLV

Dreizehn Jahre im Wilden Westen
Oder: Abenteuer des Häuptlings Sombrero
Nürnberg, 1877

XLV. XLV. Vieh sammeln. Alter Schiffskapitän. Zurück nach San Rafael. Schwefelquellen. Qualoupe Ranch. Kampf zwischen Schlange und Eidechse. Zweite Reise nach Palmen. San Diego.

Herr Hansom hatte schon einige Male mit mir gesprochen. Nun wollte er mich wieder engagieren, um das Sammeln seines Viehs zu übernehmen. Es war gerade Rodeo- oder Sammelzeit, und da er als alter Schiffskapitän auch kein Reiter war, so konnte er selbst nichts ausrichten. Ich blieb daher bei ihm und überließ Wash J. das Palmengeschäft zur Besorgung. Ich wusste, dass Herr H. als der gröbste Mensch in Mexiko betrachtet wurde. Denn als Schiffskapitän gewohnt, seine Leute zu beschimpfen, wie es ihm gefiel, gedachte er es auf dem Land fortzusetzen, was ihm aber nicht immer gelang. Erst vor sechs Monaten hatte er einen mexikanischen Jungen ausgeschimpft, bis dieser eine Pistole nahm und ihn durch die Schulter schoss, dass er zu Boden stürzte. Sobald er genesen war, ging er nach San Rafael, wo er den Jungen verklagte und ins Zuchthaus zu bringen hoffte. Doch das Gericht gab dem Jungen Recht, legte Hansom eine Strafe von siebenunddreißig Dollar auf wegen Beleidigung und verurteilte ihn weiter, sämtliche Kosten zu tragen. Dabei hatte man mir in San Rafael von hoher Autorität gesagt, dass jeder, der den alten H. erschieße, durchaus keine Strafe zu erwarten hätte. Da ich dies wusste und selbst gesehen hatte, wie er seinen Koch, einen Amerikaner, mit der Pistole ums Haus jagte, ihn mit einer Flut von Schimpfreden überhäufend, so sagte ich ihm ganz ruhig, dass, sobald er sich ein unhöfliches Wort gegen mich erlaube, ich ihm für die Folgen nicht gutstehen würde.

Nun ging ich mit sieben Vaqueros an die Arbeit, um Vieh zu sammeln.

Einige Nachbarn schlossen sich uns an, sodass wir zwischen dreißig und vierzig Mann stark waren. Jeden Nachmittag markierten und brandeten wir das am Morgen gesammelte Vieh; hatten also tüchtig zu arbeiten. Hansom war gleich am ersten Tag zur Grenze gefahren, um Proviant zu holen, und kam erst am achten Tag zurück. Er zeigte eine solche Höflichkeit gegen mich, dass es nicht nur mich, sondern alle, die ihn kannten, staunen machte. Später erfuhr ich den Grund von meinem Freund Brown, Associé des Herrn G. von San Diego, welchen Hansom getroffen und über mich befragt hatte. Da Brown ihn ganz genau kannte, so sagte er ihm, dass ich ein ausgezeichneter Mensch sei, aber furchtbar schnell mit der Pistole, mit welcher ich nie mein Ziel verfehlte. Dies war der Grund, warum Herr H. so ungemein höflich gegen mich war. Er fürchtete sich vor mir.

Wir hatten die feinsten und besten Reitpferde im Staat, welche die Mexikaner immer mit Neid betrachteten. Doch das Vieh war auch so wild und vernachlässigt, dass acht gut berittene Vaqueros eine Herde von hundert Stück, wovon die Hälfte aus Kälbern bestand, nicht in den Korral bringen konnten, ohne genötigt zu sein, etwa zwanzig Stück einzeln mit dem Lasso zu fangen und in die Einzäunung zu schleifen. Wölfe und Kojoten waren so zahlreich hier, dass mein Hund, der sie früher eifrig verfolgte, nun am Abend hinauslief und mit ihnen spielte. An das Haus ließ er sie gleichwohl nicht kommen. Hansom belustigte sich jeden Tag damit, den Koch zu malträtieren, und dieser, obwohl groß genug, um drei solche Leute wie H. aufzuessen, ließ sich alles gefallen.

Oft sagte ich zu ihm: »Kerl, was ist mit dir? Warum gehst du nicht drauf los? Haue, steche, schieße, aber stehe nicht immer da wie ein Esel! Wenn du dich vor seiner kleinen Pistole fürchtest, so nimm meine große, sie steht dir immer zu Diensten.« Mit alldem konnte ich keine Courage in dem Menschen wecken.

Es ging immer lebhaft bei uns zu. Einmal lagerten Indianer hier, ein anderes Mal Soldaten, die bei der Revolution in Sonora versprengt waren und sich hierher flüchteten. Ihre Uniform bestand aus dem breitkrempigen Strohhut, aus dem Teil eines Hemdes und aus weißen Unterhosen. An den Füßen hatten sie Sandalen. Außerdem trugen sie Patronentasche und Gewehr, waren aber durchaus weniger gefährlich als hungrig. Nach zwei Monaten, als das Vieh beisammen, markiert und fertig war, legte ich Herrn H. meine Rechnung vor, die er sogleich bezahlte. Als ich die nötigen Vorbereitungen zu meiner Abreise traf, kam der Koch zu mir und klagte, dass er unmöglich allein zurückbleiben könne, da H. ihn ganz gewiss umbringen würde. Ich sagte ihm, dass meiner Meinung nach er alt genug sei, um fortzugehen, wenn es ihm irgendwo nicht gefiele, und dass überhaupt kein Mann eine Behandlung, wie er sie bekam, ruhig hinnehmen würde. Dennoch konnte ich die Kriegslust in ihm nicht wecken. Er bat mich, ihn mit mir gehen zu lassen, da, wenn er allein ginge, H. ihn ganz gewiss verfolgen und zurückbringen würde. Nachdem ich meine Einwilligung gegeben hatte, bat er mich, ihn vor der Wut des alten Herrn zu schützen, wenn er nun seine Entlassung verlange. Ich versprach, ihn nicht ermorden zu lassen, bot ihm überdies noch meinen Revolver für den Notfall an, obwohl ich kaum glaubte, dass er je Mut genug fände, ihn zu benutzen. Bald darauf trat Hansom ein, der Koch sprach seinen Entschluss aus, wegzugehen. Ein furchtbarer Sturm Schimpfreden folgte, wie sie nur ein Schiffskapitän hervorzubringen vermag, dazu noch die schlechte englische Aussprache des alten Schweden. Das machte die Szene für einen unbeteiligten Zuhörer höchst interessant. Ich hörte mit dem Einpacken auf, zündete meine Zigarette an und setzte mich, um das Schauspiel recht genießen zu können. Hansom war wütend und schwor, der Koch solle das Haus nicht verlassen. Als dieser aber darauf bestand, packte er ihn und warf ihn samt Gepäck zur Tür hinaus. Der Anblick war köstlich, und ich hätte vor Lachen zerplatzen können. Mein Pferd war nun bereit, und als ich Herrn H. die Hand zum Abschied reichte, konnte ich vor Lachen nicht Adieu sagen, sondern stand nur da und schüttelte, was den Alten wütend machte. Er gedachte jedoch der Warnung Browns und blieb höflich gegen mich. Bald war ich im Sattel und schlug statt der Hauptstraße einen Pfad ein, welcher direkt nach La Fuerta führte und um zehn Meilen näher war. Der Koch, welcher sich dicht zu mir hielt, wandte sich alle paar Schritte um, um zu sehen, ob er nicht verfolgt werde. Nachdem er etwas ruhiger geworden war, erfuhr ich von ihm, dass er für seine sechs Monate Arbeit keinen Heller bekommen hätte, was dumm genug von ihm war.

Gegen drei Uhr erreichten wir La Fuerta, wo die dunklen Köpfe der Indianer aus jedem Wasserloch hervorschauten, in welche sie sich vor Hitze geflüchtet hatten. Am Abend erreichte ich eine Ranch, wo ich die Nacht über zu bleiben und Lebensmittel zu erhalten hoffte, doch war sie von den früheren Bewohnern verlassen und stand nun leer da. Da ich keine Lust hatte, die Nacht zuzubringen, ohne vorher gegessen zu haben, so ritt ich trotz der einbrechenden Dunkelheit zehn Meilen weiter. Hier fanden wir ein altes Haus, vor welchem uns eine Meute Hunde mit lautem Gebell empfing. Ich rief den Leuten im Haus zu, sie möchten ihre Hunde zurückrufen, als die Tür sich öffnete und eine Stimme auf Englisch rief: »Hallo, Sombrero, wie geht es dir?«

Es war ein alter Bekannter von mir, welcher eine kleine Herde Schafe und Ziegen besaß und hier sein Sommerquartier hatte. In wenigen Minuten war eine Mahlzeit bereitet, welche wir uns gut schmecken ließen. Während wir aßen, schlachtete unser Wirt eine junge Ziege, um uns am Morgen mit Braten aufwarten zu können. Wir begaben uns zur Ruhe und ich schlief, bis mich mein Begleiter zum Frühstück weckte. Nach eingenommener Mahlzeit ritten wir nach dem acht Meilen entfernten Städtchen San Rafael, wo ich zwei Tage blieb und bei John P., welcher dort einen Laden besitzt, logierte. Hier sprach ich mit den Behörden wegen der Geldangelegenheiten meines Begleiters, welche mir sagten, dass, sobald dieser seine Klage einreiche, Herr Hansom geholt werde und bezahlen müsse. Dazu konnte ich den Kerl wieder nicht bringen, da er einmal eingeschüchtert war und nur aus Mexiko fort wollte, wo er sich seines Lebens keine Minute sicher hielt. So packte ich wieder zusammen, fand, dass mir jemand meine zwei Pfund Tee gestohlen hatte, kaufte daher mehr und empfahl mich. Wir hatten für acht Stunden einen schlechten Weg ohne Wasser. Wir kühlten, da es sehr heiß war, unsere durstigen Kehlen mit dem Saft, der in den Blättern der Kakteen enthalten ist. Nachmittags kam ich an eine mexikanische Ranch, wo ich frische Milch kaufte. Mit den mitgebrachten Sodabisquits hielten wir Mittag. Dann verließen wir die Hauptstraße und folgten einer Schlucht, in welcher wir verschiedene heiße Schwefelquellen fanden. In diesen nahmen wir ein Bad. Die Nacht verbrachten wir auf der Ranch eines meiner Bekannten, Charley O. Am nächsten Vormittag traf ich auf der Qualoupe Ranch ein, wo ich zwei Tage blieb. Als ich wieder weiter ritt, begegnete mir eine Herde Vieh, welche nach Kalifornien zum Verkauf getrieben wurden. In dieser sah ich etwa fünfzig Stiere des Herrn Hansom, die man ihm gestohlen hatte. Es scheint, dass jeder Viehbesitzer, welcher Schlachtvieh in den Norden treibt, einige Stück des Herrn H. mitnimmt, weshalb sich dessen Herde anstatt zu vermehren, nur verminderte. Da es mich aber nichts mehr anging, so schwieg ich darüber, was immerhin in Mexiko das Sicherste ist. Diese Nacht war ich der Gast des Herrn Captain Reyerson. Der nächste Tagesritt brachte mich zu meinem Freund Frank O., bei welchem ich einige Tage verweilte, um Geschäfte, die wir in einigen Monaten miteinander beginnen wollten, zu besprechen. Darauf ritt ich hinüber zu meinem Freund Pedro Duarte, der mich auch nicht so schnell wieder fortlassen wollte. Ich brachte seinen Bienenstand für ihn in Ordnung und blieb noch einen Tag bei ihm, als Wash. J. ankam. Sofort ging ich mit diesem zurück, um eine zweite Ladung Palmen zu holen. Wir machten denselben Weg wie früher, nahmen jedoch diesmal keine Tiere zur Wüste mit, sondern ließen sie im Campo national zurück. Jeder von uns trug außer seinen Waffen einen Sack mit Kaffee und Zucker nebst einem kleinen Vorrat Tabak.

Unten angekommen, machten wir unseren Rothäuten die Aufwartung und versprachen ihnen eine Portion Kaffee und Zucker für eine Anzahl Palmenbäume. Am Abend brachten sie uns tausend Stück und trugen dieselben für eine zweite Portion unserer Ware und etwas Tabak den Berg hinauf, was ihnen gar keine Anstrengung zu verursachen schien.

Im Carrecito Valley dahinreitend, war ich Zeuge eines sehr interessanten Gefechts, das zwischen einer acht Fuß langen Prärieschlange und einer mit großen Schuppen bedeckten Eidechse, die ungefähr einen Fuß lang war, stattfand. Die Schlange schien es hauptsachlich darauf abgesehen zu haben, die Eidechse durch das Abbeißen ihres Schwanzes unschädlich zu machen. Diese aber bewegte sich mit solcher Schnelligkeit, dass es der Schlange nicht gelang, denselben zu fassen. Plötzlich machte die Eidechse eine schnelle Bewegung und fasste den Schwanz ihres Gegners, den sie mit solcher Kraft festhielt, dass sich die Schlange vor Schmerzen nicht mehr zu verteidigen vermochte. Ich wollte eben der Eidechse den Sieg zuschreiben, als eine Wendung des Schicksals eintrat. Mein Pferd stampfte nämlich mit dem Fuß, sodass die Eidechse, darüber erschrocken, den Halt an ihrem Gegner verlor. Mit vor Wut blitzenden Augen wandte sich die Schlange plötzlich und biss den Schwanz ihres Gegners ab, sodass diese, des Steuerruders beraubt, sich nur langsam wenden konnte und verloren war. Denn nun packte die Schlange die Eidechse am Körper und kroch, den Kopf hoch vom Boden haltend, mit ihrer hart erkämpften Beute davon.

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