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Dreizehn Jahre im Wilden Westen – Kapitel XLI

Dreizehn Jahre im Wilden Westen
Oder: Abenteuer des Häuptlings Sombrero
Nürnberg, 1877

XLI. Auf dem Weg nach Kalifornien. Wiedersehen der Familie Ward. Schneesturm auf dem Felsengebirge. Red Canyon. Tweedʼs Ranch. South Pass. Über die Plains zum Green River. Per Union-Pacific-Bahn nach Ogdon in Utah. Per Central-Pacific-Bahn nach San Francisco. Battle Mountainʼs Spielsaloon. Über die Sierra Nevada. Mit einem Geisteskranken am Humboldt River. Sacramento. San Francisco.

Da kam es mir in den Kopf, für den Winter nach Kalifornien zu gehen und im Frühjahr wieder hierher zurückzukehren. Gesagt, getan. Ich nahm Abschied von meinen Freunden, trabte dem großen Popo Agie River zu und erreichte noch am selben Tag die Ansiedlung. Hier fand ich Ward mit Familie, welcher sich ein großes Haus gebaut und ein Hotel eingerichtet hatte. Er verdiente viel Geld, da fortwährend Militär- und Frachtzüge auf dem Weg und sein Haus das einzige war, wo man gut gekochte Speisen bekommen konnte. Mein Empfang war äußerst freundlich. Sie baten mich, doch wenigstens den Winter über bei ihnen zu bleiben. Ward gab mir mit vielem Dank das geliehene Geld zurück und tat alles, was in seiner Macht stand, um mir seine Dankbarkeit zu bezeigen, auf die ich eigentlich gar keinen Anspruch hatte. Auf drei Tage nahm ich seine Gastfreundschaft an, da das Wetter sehr schlecht war. In dieser Zeit bekam einer der Kanadier ein Fass Schnaps, ein Artikel, den man selten in dieser Gegend sieht, und darüber gab es eine Festlichkeit. Am Ufer des Flüsschens wurde ein Zelt aufgeschlagen, in welchem das gefeierte Fass angezapft wurde. Um in das Zelt zu gelangen, musste man auf einem engen Brett über den Fluss gehen. Alle Ansiedler fanden sich ein, sowie einige Gäste von der Agentur, und das Trinkgelage begann. Diese alten Pioniere leisteten ganz Ungewöhnliches, denn schon am Abend war das Fass leer und die Krieger voll, ja, so voll, dass beim Übergang über den Fluss einer nach dem anderen vom Brett herab in das eiskalte Wasser fiel. Zwei fingen Streit an und prügelten sich gegenseitig tüchtig durch. Einem anderen wurden zu Hause von seiner Frau, einer Indianerin, die auch einige Glas des Feuerwassers zu sich genommen hatte, beide Augen blau geschlagen. Am nächsten Morgen boten unsere Leute einen traurigen Anblick dar. Einer der Farmer hatte seine Haustür offen gelassen, welche Gelegenheit eine Gruppe Kühe benutzte, um in die Vorratskammer einzudringen, zwei Säcke Mehl zu verzehren und alles Essbare zu zerstreuen.

Nach zweitägigem Ritt erreichte ich Tweedʼs Ranch im Red Canyon, von wo aus ich den Gipfel der Felsengebirge zu übersteigen hatte, um nach South Pass zu gelangen. Dieses Unternehmen verschob ich auf den nächsten Tag, blieb also über Nacht bei Tweed, der mit seinen zwei Jungen auf der Ranch war. Am nächsten Morgen, als wir beim Frühstück saßen, ging eine Abteilung Kavallerie mit einigen Wagen vorbei. Ich beeilte mich zu satteln, um in ihrer Gesellschaft über die Berge zu gehen. Vom Red Canyon aus zog sich der Weg steil den Berg hinauf einige tausend Fuß hoch. Ich ging viel zu Fuß, weil der Weg für Pferde sehr beschwerlich war. Oft blieb ich stehen, um mich und mein Pferd ausschnaufen zu lassen. Nach anderthalb Stunden erreichte ich den Gipfel, wo ringsum nichts als Schneefelder zu sehen waren. Ein furchtbarer Schneesturm brach los, der Schnee flog so dick, dass man keine zwei Schritte vor sich sehen konnte. Die Wagen- und Pferdespuren des vorausgegangenen Militärs waren verlöscht und kein Zeichen von ihnen sichtbar. Es war unmöglich, das Pferd gegen den Sturm zu halten. Bald sah ich, dass ich die Richtung verloren hatte, und machte verschiedene Versuche, sie wiederzufinden, doch ohne Erfolg. Der Schnee flog so dicht, dass ich kaum den Kopf meines Pferdes vor mir sehen konnte. Dazu blies der starke Wind den feinen gefrorenen Schnee von den höchsten Bergspitzen herab, welcher sich in der Luft mit dem anderen vermischte und eine ägyptische Finsternis erzeugte. Reiten konnte ich nicht mehr, ohne zu erfrieren. Ich stieg also ab und watete durch den kniehohen Schnee, mein Pferd am Zügel führend. Das einzige Rettungsmittel war, meinen Weg zum Red Canyon zurückzufinden, und dies war ebenfalls mit großen Schwierigkeiten verbunden. So nahm ich meine Richtung, in welcher ich den Canyon zu finden hoffte, und entdeckte wirklich nach langem Herumirren die roten Felsenwände des Canyon. Nun musste ich einen Weg ausfindig machen, um in das Tal hinabzukommen, und kletterte an der Seite des Berges herum. Da versank ich und mein Pferd öfters in Spalten und kleinen Schluchten, die mit Schnee angefüllt waren, aus welchen wir uns nur mit der größten Anstrengung wieder herausarbeiten konnten. Um solche Plätze zu vermeiden, war stete Wachsamkeit nötig. Trotz des Kletterns und Gehens war ich doch von der furchtbaren Kälte beinahe erstarrt und hätte viel darum gegeben, wenn meine Pfeife gefüllt und angezündet gewesen wäre, denn selbst war ich nicht imstande, dies zu tun. Endlich erreichte ich den Fuß des Berges und wollte schnell zur Tweedʼs Ranch reiten, konnte aber mein Pferd nicht besteigen, weil ich so steif      wie ein Stück Holz war. Ich trabte deshalb zu Fuß, so schnell es eben möglich war, zum Haus Tweeds. Dort ließ ich mir Gesicht, Hände und Füße tüchtig mit Schnee reiben, meine Pfeife anzünden und in den Mund stecken. Zwanzig Minuten lang hatte ich einen brennenden Schmerz gelitten, dann war ich wieder warm und munter wie ein Krokodil.

Vor drei bis vier Tagen mindestens war keine Möglichkeit, über das Gebirge zu kommen. Ich schickte mich daher an, einige Tage bei Tweed auszuhalten. Dieser hatte seinen Wagen nach South Pass geschickt, um Provision zu holen. Da dieser aber wegen des Sturmes nicht zurückkommen konnte, waren wir auf sehr leichte Kost angewiesen. Das einzige Nahrungsmittel im Haus bestand aus weißen Rüben, von welchen der ganze Keller voll, sonst aber auch gar nichts zu finden war. Nun, die Rüben wurden gesotten, gedämpft, gebraten, gebacken und auf zwanzig verschiedene Arten gekocht. Wir konnten aber trotzdem nichts anderes als Rüben daraus machen.

Wir aßen Rüben Tag und Nacht und wurden dabei immer hungriger. Gleichwohl hielten wir aus, bis am fünften Tag abends der lang ersehnte Wagen ankam. Nun wurde Brot gebacken, Tee gekocht, Speck gebraten und die ganze Nacht gegessen, sodass wir davon beinahe sämtlich krank geworden wären. Tweed schlug mir vor, einige Tage bei ihm in South Pass zu bleiben, bis sein Wagen zum Green River ging, um Fracht für seinen Laden zu holen. Ich könnte dann im Wagen fahren. Ich nahm sein Anerbieten dankbar an. Wir packten zusammen, traten den Weg nach South Pass an und kamen glücklich über die Berge, obwohl es furchtbar kalt war. In Fort Stambough erwärmten wir uns mit etwas heißem Punsch, fuhren weiter und erreichten South Pass am Abend. Hier hatte ich einige Tage zu verweilen, bis der Wagen fertig zur Abreise war.

Nun hatte ich keinen Gebrauch mehr für mein Pferd, konnte es aber hier nicht verkaufen, da die Gegend eingeschneit und Heu sehr teuer war. So verfügte ich mich am Abend in den Saloon, wo die Miner wie immer versammelt waren, Whisky tranken und Karten spielten. Ich schlug ihnen vor, zur Abwechselung um ein Pferd zu spielen, wozu alle gleich bereit waren. Ich verkaufte die Marken und löste fünfundzwanzig Dollar ein, ein Preis, mit welchem ich ganz zufriedengestellt war. Das Pferd wurde gewonnen, wieder verspielt, kurz, es wechselte alle halbe Stunden den Eigentümer den ganzen Abend fort, ohne dass es jemand nur gesehen hatte. Endlich blieb es in den Händen des Saloonbesitzers Onkel John Morris.

Dieser war einer der ersten Ankömmlinge, als die Sweetwater- Minen entdeckt wurden. South Pass wurde aufgebaut, es wurden Beamte gewählt. Da aber die Männer ihre Zeit damit nicht verlieren wollten, so wählte man die Frau des Onkel John zum Friedensrichter. Diese zeigte ihre Autorität gleich am nächsten Tag, indem sie ihren Mann um zehn Dollar bestrafte, weil er betrunken gewesen war. Doch ihre Strenge war nicht nach dem Geschmack der Goldgräber. Sie wurde deshalb bald ihres Amtes enthoben und ein mehr genialer Geist an ihre Stelle gewählt.

Tweed wollte ein Schwein schlachten, zu welcher Arbeit ich meine Hilfe versprach. Er hatte eine Anzahl Schweine, welche den Sommer hindurch in den Bergen gelaufen und ganz verwildert waren. Gegenwärtig hatte er sie in einem Zimmer eines leeren unbewohnten Hauses eingeschlossen. Dahin gingen wir, er mit einem Gewehr, ich mit einem Messer bewaffnet. Die Tür wurde ein wenig aufgemacht, das Gewehr durchgesteckt und das Schwein geschossen. Sofort stürzte ich hinein, um es zu stechen, doch kaum hatte ich es vollbracht, so fing das Tier schweinemäßig zu schreien an. Die anderen, von dem Geschrei und dem Geruch des Blutes sehr aufgebracht, ließen ein drohendes Grunzen vernehmen und gingen auf mich los. Ich wollte schnell zur Tür hinaus, aber diese hatte der Esel Tweed zugeschlagen und stemmte sich von außen mit seiner ganzen Kraft dagegen. Ich hatte gerade noch Zeit, mich auf einen Balken zu schwingen, um den Zähnen dieser haifischartigen Raubtiere zu entgehen. Da saß ich und überhäufte Tweed, der nun durch eine Spalte hereinguckte, mit den zärtlichsten Ausdrücken, die mir zu Gebote standen. Nach einigem Hin- und Herklettern gelang es mir, aus einem Fenster zu entschlüpfen. Ich erklärte Tweed, er könne sein lumpiges Schwein selbst herausholen, wozu er nicht die geringste Lust hatte. Er verschaffte sich nun eine Stange, an welche er einen eisernen Haken befestigte. Vermittelst dieses Instruments wurde das Schwein herausgeholt, wo wir es dann den weiteren Operationen unterwarfen.

Am nächsten Tag machten wir uns auf den Weg zum Green River. Das Wetter war sehr kalt, Schnee fiel und ein alles durchdringender Wind fegte den Schnee von den Bergen auf uns herab. Wir waren noch im Felsengebirge, denn South Pass liegt nahe dem Gipfel. Unser Wagen war leicht, mit vier guten Maultieren bespannt, sodass wir schnell fahren und jeden Abend eine Poststation erreichen konnten. Ich hatte beinahe alle meine Kleider angelegt, glich daher eher einer Kugel als einem menschlichen Wesen. Außen um die Stiefel hatte jeder von uns noch einen großen Sack gewickelt und befestigt. Trotzdem mussten wir alle Augenblicke absteigen und zu Fuß gehen, um uns aufzuwärmen, was mir mit den vielen Kleidern, die ich anhatte, kaum gelang. John musste mir bei Ein- und Ausklettern behilflich sein, das verursachte uns vielen Spaß. Am Sweet Water fanden wir einen großen Wagenzug eingeschneit, der mit Gütern für die Agentur am Wind River geladen war. Der Wind hatte den Schnee hoch über die Wagendecken hinaufgetürmt. Die Fuhrleute hatten ihr Zugvieh in das Tal des Green River getrieben und lebten nun bei ihren Wagen in Zelten, von Schnee verdeckt und besseres Wetter erwartend. Am vierten Morgen fuhren wir ein Stück auf dem Eis des Flusses und erreichten gegen zehn Uhr die Station Green River, wo wir uns sogleich in eine Restauration begaben und unsere ausgekühlten Körper mit heißem Tee erwärmten. Nachts um ein Uhr bestieg ich den Bahnzug und verließ Wyoming. Nächste Nacht gegen zwölf Uhr erreichte ich Ogdon, die zweitgrößte Stadt in Utah mit sechstausend Einwohnern, wo ich mich in ein Hotel begab und seit langer Zeit wieder einmal in einem Bett schlief. Am Morgen besah ich mir die Stadt, machte verschiedene Einkäufe, trank etwas Bier und plauderte Politik mit den Mormonen. Ogdon ist der Terminus der Central- und Union-Pacific-Bahn. Von hier geht eine Zweigbahn zur sechsunddreißig und ein halbe Meilen weit entfernten Hauptstadt Utahs und des Mormonentums Great Salt Lake City.

Am zweiten Abend acht Uhr bestieg ich die Central-Pacific- Bahn, um meinen Weg nach San Francisco, Kalifornien, fortzusetzen, nicht aber, ohne mich vorher mit einem Sack voll Provisionen zu versehen, um nicht so oft aussteigen zu müssen. Unter anderen kaufte ich ein gebratenes Huhn von ungewöhnlicher Größe und zweifelhaftem Aussehen. Als sich gegen Mitternacht der Hunger in mir regte, kostete ich von meinem Huhn, warf es aber gleich nach dem ersten Mundvoll zum Fenster hinaus. Es war ein in Verwesung übergegangener Aasgeier. Ich probierte nun die hartgesottenen Eier, verlor aber auch den Appetit für Eier, nachdem ich ein bereits halb entwickeltes Küken aus einem derselben hervorgebracht hatte. Ich befand mich in guter und lustiger Gesellschaft von Passagieren, welche die Abende mit Ge­sang und Vorträgen sehr unterhaltend machte. Bei Tage hatte man genug zu tun, die immer wechselnde Gegend zu betrachten. Den ersten Tag fuhren wir lange Zeit am Großen Salzsee dahin, welcher nur einen traurigen Anblick gewährt und auf der Bahnseite von einer Wüste umgeben ist. Bald gingen wir in den Staat von Nevada über mit seinen reichen Minen, Saloons und Spielhäusern. Insbesondere war damals das Städtchen Battle Mountain berühmt wegen einer Bande Spieler und Vagabunden, die von einem schlauen Kopf Namens Slim Jim oder Dünner Jim geführt wurde. Ihr Hauptgeschäft bestand darin, Reisende und Auswanderer zum Spiel zu verlocken und sie natürlich auszunehmen. Da jeder Zug hier eine halbe Stunde hält, so haben sie Zeit und Gelegenheit genug, ihre Pläne auszuführen. In jedem Waggon der Bahn sind Notizen angebracht, welche die Passagiere besonders vor diesem Platz warnen. In meiner Nähe saß ein junger strammer Irländer, der direkt von Europa gekommen war. Wir unterhielten uns von diesen Leuten. Ich gab ihm Anweisungen, wie er sich zu verhalten hatte. Er versicherte mir, dass er schon weit genug gereist sei, um Spitzbuben zu kennen, was ich stark bezweifelte. Nachmittags drei Uhr erreichten wir Battle Mountain, wo ich sogleich zum Hauptsaloon ging, um Beobachtungen anzustellen. Hier war alles voll. An einer Reihe von Tischen wurde Karten gespielt. Ich setzte mich, nachdem ich Wein bestellt hatte, und fing ein Gespräch an. Bald war eine große Menge um den Spieltisch versammelt, voran mein junger Irländer. Er sah dem Spiel einige Zeit zu. Da aber einige der Spieler, die natürlich zu der Gesellschaft gehörten, große Gewinne machten, so konnte er es nicht mehr länger aushalten, zog gleich dummerweise sein ganzes Taschenbuch hervor, nahm eine Banknote heraus und war im Begriff, sie auf das Brett zu legen, als ihm jemand das Portmonee aus der Hand riss. Ein Zweiter versetzte ihm eine hinter das Ohr und ehe man drei zählen konnte, war er zur Tür hinausgeworfen und lag auf der Straße vollständig beraubt. Zwar rief er nach der Polizei, da aber der einzige Gerichtsdiener der Stadt im Saloon und bei seinem unfreiwilligen Exil tätig gewesen, so war von dieser Seite nicht viel für ihn zu hoffen. Völlig von Geldmitteln entblößt, halfen ihm die anderen Passagiere durch bis Sacramento, wo er Arbeit suchte und fand.

Unser Zug war vollständig besetzt, als ich in Ogdon einstieg, sodass nur ein einziger Platz, und zwar neben einem Geisteskranken, frei war. In seiner Gesellschaft hatte ich das Vergnügen, bis Stockton, Kalifornien, zu fahren, wo er ausstieg. Er war einige Monate zuvor aus dem Irrenhaus entlassen worden, schien mir indessen gegenwärtig wieder einer Zwangsjacke zu bedürfen. Es war nämlich auf einer Station ein Junge in den Waggon gekommen, um Äpfel zu verkaufen. Kaum erblickte ihn mein Reisegefährte, so sprang er auf. Ehe man es verhindern konnte, hatte er den Knaben aus dem Zug geworfen, worauf er sich wieder zu mir setzte und ruhig blieb. Als zwei Tage später ein junger Mann eintrat, sprang er wieder auf, stellte sich vor ihn hin und sagte: »Ich war in Stockton.« Dabei fingen seine Augen an, grün zu werden und        unheimlich zu leuchten.            Er fuhr fort: »Ich habe erst einen Menschen hinausgeworfen.« Nun packte er den jungen Mann beim Kragen, welcher vor Schrecken ganz weiß wurde. Mit einem Satz sprang er über den Angreifer weg, ihn in der Eile umwerfend und lief von einem Waggon zum anderen, bis er in den letzten des Kondukteurs gelangte, welchen er um Schutz bat. Doch mein tapferer Stazienska verfolgte ihn nicht, sondern kehrte zu seinem Platz zurück, wo er sich mit mir in ein Gespräch über die Gegend einließ. Er blieb nie lange bei einem Thema, sondern sprang von einer Sache auf die andere über ohne den geringsten Zusammenhang. Aus Bruchteilen unseres Gesprächs entnahm ich, dass er Ingenieur und ein sehr gebildeter Mann war, lange in Kalifornien gelebt hatte und die Gegend, durch welche wir kamen, ziemlich genau kannte. Am Humboldt River ging die Bahn bergab neben tiefen Schluchten her, als sich die letzten drei Wagen des Zuges aushängten, gerade als wir auf ein Stückchen ebenes Geleis kamen. Der Zug bewegte sich fort, ohne den Verlust zu bemerken. Da wir keine Zeit verlieren wollten, stiegen wir aus, schoben die Wagen etwa zwanzig Schritt weit, wo es ziemlich steil bergab ging und ließen sie laufen, nachdem wir natürlich alle zuvor wieder eingestiegen waren. Ich stand an einer der Bremsen, denn da das Geleise hier sehr kurze Biegungen und Windungen macht, durfte man nicht so schnell fahren, wenn man nicht Bekanntschaft mit den Abhängen machen wollte. Bald bekamen wir jedoch offene und gerade Fahrstraße. Sieben Meilen vor uns und beinahe zu unseren Füßen lag die Station. Wir sahen eben unseren Zug in das Depot fahren. Nun wurden die Bremsen geöffnet und wir fuhren nicht mehr, sondern flogen über das Geleise mit einer Schnelligkeit, die man wahnsinnig nennen könnte. Wäre nur die geringste Kleinigkeit im Wege gewesen, so hätte unsere Karriere ein schnelles Ende genommen. Doch wir hatten keine Zeit für gefährliche Gedanken, denn nach einigen Minuten fuhren wir mit einem furchtbaren Hurra in die Station ein, wo wir Bremser unsere Dienste taten und den Zug zum Stehen brachten. Unser Weg führte bald wieder bergan, denn wir mussten die Sierra Nevada übersteigen, welche schon ganz in Schnee eingehüllt war. Die Fahrt ging etwas langsam, bis wir den Gipfel erreichten. Der Zug war sehr lang und schwer geladen. Oft krochen wir nur über das Geleise hin, jedoch das Schnaufen unserer eisernen Pferde, deren wir zwei Vorgespanne hatten, zeigte deutlich, dass sie alle Kräfte aufboten. Auf dem Gipfel ging es schneller und bald sausten wir die Westseite des Gebirges hinab. Eine kurze Fahrt brachte uns aus dem ewigen Schnee in das Sacramento-Tal, wo die ganze Natur in Blüte stand. Der Sacramento River mit seinen Dampfschiffen tauchte in der Ferne auf und etwas später die Stadt selbst. Der nächste Morgen sah uns in Oakland. Von da brachte uns das Wherry-Boot in kurzer Zeit über die Bay nach San Francisco. Das Chicago-Hotel hatte die Ehre, Sombrero als Gast zu empfangen und mit einer deutschen Küche zu bewirten. Acht Tage brachte ich in San Francisco zu und war ein häufiger Besucher des zoologischen und Vergnügungsgartens Woodwardʼs Garden genannt. Auch den chinesischen Stadtteil besah ich mir und dachte mich wirklich nach China versetzt, bis ich wieder zur Stadt der Weißen kam.

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