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Der Welt-Detektiv Band 6

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Nick Carter – Nick Carters beste Maske – Kapitel 1

Nick Carter
Nick Carters beste Maske

Kapitel 1

Der Doppelmord im Patrolwagen

Vor dem großen weißen Gebäude an Mulberrystreet, in welchem sich das New Yorker Polizeihauptquartier befindet, fuhr ein Patrolwagen vor. Eines jener leichten, nach Art der deutschem Kremser gebauten Fuhrwerke, welche man von rückwärts besteigt und deren Inneres durch wasserdichte Wachstuchplanen in ständigem Halbdunkel gehalten wird. Man begegnet diesen zum Gefangenentransport dienenden, von zwei flinken Pferden bezogenen Wagen in den Straße der Hudsonmetropole allenthalben; sie gehören zum typischen Straßenbild mit dem martialisch dreinschauenden Polizeikutscher auf dem Bock und seinem nicht minder grimmig dreinblickenden blaurockigen Kollegen, welcher, den Rücken dem Publikum zugewandt, auf dem an der Rückseite befindlichen Wagentritt steht und keinen Blick von den unfreiwilligen Wageninsassen wendet. Für deren Bewachung sorgt noch ein weiterer Policeman, der mit im Wagen sitzt, während für alle Fälle noch ein vierter neben dem Kutscher auf dem Bock thront.

Es ging stark auf neun Uhr vormittags. Trotzdem ließ der feuchtkalte Novembernebel, welcher die frühe Morgensonne siegreich wieder verdrängt hatte, keine eigentliche Tageshelle aufkommen.

Kaum hielt das Gefährt vor dem Polizeihauptquartier, als auch schon der auf dem Wagentritt befindliche Policeman absprang, die Tür aufschloss und öffnete.

Der im Patrolwagen zur Aufsicht der Gefangenen befindliche Polizist stieg schleunigst aus und eilte, mit einem blutbefleckten Tuch das halbe Gesicht bedeckend, an seinem neben dem Wagenschlag stehenden Kollegen vorüber. Er hustete heftig und schien aus Mund und Nase zu bluten.

»Warte einen Augenblick, bis ich zurückkommen!«, raunte er während des Vorübereilens dem anderen zu. »Schließe einstweilen wieder den Schlag!«

In der nächsten Sekunde war er die Treppenstufen zum Eingangsportal hinaufgeeilt und im Inneren des Polizeihauptquartiers verschwunden.

»Was ist denn los?«, erkundigte sich einer der Polizisten, welche nahe bei in einer Gruppe vor dem Portal standen. »Nasenbluten, eh?«

»Es ist der alte Bob Fitzsimmons«, erklärte der Patrolman. »Der ist ein Lungenpfeifer und hat wohl wieder seinen Bluthusten bekommen.«

Er hatte die Wagentür wieder verschlossen und trat nun einen Schritt zurück.

»Well, drinnen befinden sich zwei Kerle, die Nick Carter gefangen hat. Ich glaube, er hat Bob noch einen Auftrag erteilt, den ich nicht gehört habe, … nun, er ist ja gleich zurück.«

Noch einige Beamte waren hinzugetreten. Sie blickten in das Wageninnere, konnten aber im Halbdunkel nichts anderes erkennen als zwei regungslos mit dem Rücken nach der Wagentür sitzende Männergestalten.

»Es sind ein paar gefährliche Vögel«, raunte Patrolman Creamer seinen Kollegen zu, »einer davon ist der Bankpräsident, der vor zwei Wochen hier aus dem Hauptquartier entsprang.«

Die Policemen machten wichtige Gesichter und bliesen die Backen auf.

»Carter hat sie gefangen?«, erkundigte sich einer. »Er ist doch ein Teufelskerl.«

»Ist denn das nicht die Geschichte von der Midland National Bank, wo der Nachtwachmann ermordet wurde?«, erkundigte sich ein Zweiter. »Das hat Carter doch auch ans Tageslicht gebracht?«

»Selbstverständlich«, bestätigte Creamer und sonnte sich im Gefühl seiner Verantwortlichkeit, derartige wichtige und gefährliche Gefangene hüten zu müssen.

Das Erstaunen der Polizisten war begreiflich; hatte sich doch das schnelllebige New York gleichfalls noch nicht über das in seinen Einzelheiten fast beispiellos dastehende Ereignis zu beruhigen vermocht.

Die in der unteren Wallstreet befindliche Midland National Bank war nämlich eines schönen Morgens um die Kleinigkeit von 350.000 Dollar beraubt worden. Nick Carter war von dem Präsidenten der Bank, einem gewissen Isaak Meadows, zur Klärung des Falles berufen worden. Zu seinem Erstaunen hatte der berühmte Detektiv festgestellt, dass der hochangesehene Bankpräsident ein ehemaliger Zuchthäusler war, dessen frühere Genossen ihn so lange mit Erpressungen bedrückt hatten, bis er beschlossen hatte, sie in seiner eigenen Bank einbrechen zu lassen und mit dem Raub ein für alle Mal abzufinden.

Meadows war verhaftet worden, doch noch in derselben Nacht hatten zwei bestochene Gefängnisbeamte seine Flucht ermöglicht. Diese beiden wurden jedoch alsbald ergriffen und eingesperrt.

Der Ex-Bankpräsident dagegen hatte sich unmittelbar nach seiner Flucht in den frühen Morgenstunden in seine Bank begeben. Es war ihm durch die Dreistigkeit seines Auftretens gelungen, sich einer weiteren Summe von 55.000 Dollar zu bemächtigen und damit zu fliehen. Beistand bei diesen und wohl auch bei früheren verbrecherischen Unternehmungen hatte ihm Morris Carruthers, ein junger, bildhübscher Lebemann geleistet, der aber schon längere Zeit in hohem Grade verdächtig von der Polizei beobachtet wurde.

Weit davon entfernt, die Hudsonmetropole zu verlassen, hatte Meadows sich in einem leerstehenden Haus an der Boston Road im nördlichen Stadtteil verborgen.

Das Gebäude, in welchem Isaak Meadows Unterschlupf gefunden hatte, bildete eines von zwei hölzernen Häusern, die in ihrer Bauart völlig gleich waren und kaum zweihundert Fuß voneinander räumlich entfernt jedes für sich in einem Gartengrundstück standen. Ein unterirdischer Tunnel verband die beiden Gebäude von Keller zu Keller.

In Verfolgung des Flüchtlings begriffen, wurde Nick Carter von dem verwegenen Morris Carruthers in diesem zum Teil verschütteten Tunnelgang eingesperrt. Doch es gelang ihm mit übermenschlicher Energie, sich zu befreien und zur Verhaftung der beiden Verbrecher zu schreiten. Zugleich hatte er auch die von Meadows veruntreuten 55.000 Dollar zurückerlangt.

Diese beiden Gefangenen barg nun der vor dem Hauptportal des Polizeihauptquartiers stehende Patrolwagen.

»Well, Bob Fitzsimmons bleibt lange!«, meinte einer der mit dem Patrolman plaudernden Beamten. »Da kannst du recht haben, wir stehen hier schon eine Viertelstunde …«

»Lauf doch einer von Euch einmal hinein und schaut zu, wo er so lange bleibt«, bat Creamer, den das Warten nun auch schon zu verdrießen begann.

»Dort kommt der Inspektor«, raunte einer aus der Gruppe. In der Tat bog eben die elegante, schlanke Erscheinung des Leiters der New Yorker Kriminalpolizei um die Ecke und näherte sich mit raschen Schritten dem Hauptportal.

Die Gruppe hatte sich plötzlich aufgelöst, die Polizisten hatten sich mit verblüffender Schnelligkeit den Blicken ihres gefürchteten Vorgesetzten entzogen, und Creamer stand allein am Schlag des Patrolwagens.

»Nun, was ist hier los? Warum wartet der Wagen?«, erkundigte sich Inspektor McClusky, der inzwischen herangekommen war und nun ins Wageninnere spähte. »Da sitzen ja zwei Gefangene … warum warten Sie denn, Creamer?«

»Bob Fitzsimmons hat Nasenbluten gekriegt, Inspektor. Er lief durch das Portal und rief mir zu, gerade eine Minute zu warten – er ist aber schon lange drinnen und …«

»Creamer, Sie sind die größte Schlafmütze, die mir je vorgekommen ist!«, ereiferte sich der Inspektor. »Öffnen Sie sofort den Schlag und führen Sie die Gefangenen ins Gebäude!«

Der Gerüffelte öffnete schnell die Wagentür.

»Nun, wird es bald?«, herrschte er die in den beiden vorderen Wagenecken kauernden, nur undeutlich sichtbaren Gefangenen an.

»Aussteigen!«

Doch keiner der beiden Männer rührte sich.

»Well«, meinte er zu dem neben ihm stehenden Inspektor gewendet. »Die Kerle scheinen richtig eingeschlafen zu sein.«

»Eingeschlafen?«, rief der Inspektor entsetzt. »Sehen Sie dort hin, Mensch!«

Damit deutete er auf zwei schmale Blutrinnen, die nebeneinander über den Boden des Wagens hinflossen und nun über den unteren Rand des geöffneten Wagenschlages zu tropfen begannen.

Der laute Ausruf des Inspektors hatte die Aufmerksamkeit einiger Polizisten erregt, die nun schnell herbeigeeilt kamen, während McClusky sich unverzüglich ins Wageninnere schwang und sich den beiden Gefangenen näherte.

Nur für einen Augenblick beugte sich der Inspektor über die noch immer regungslos sitzenden Gestalten, dann kehrte er mit verfinstertem Gesichtsausdruck auf die Straße zurück.

»Telefonieren Sie sofort dem Coroner! (Leichenbeschauer)«, versetzte er kurz. »Einer der Gefangenen ist durchgebrannt. Zuvor aber hat er den alten Bob Fitzsimmons und seinen Komplizen Isaak Meadows erdolcht. Sie sind beide tot. Sie, Creamer, sind hiermit verhaftet, denn die Tat ist nur durch eine grobe Vernachlässigung Ihrer Pflicht möglich gewesen.«

Der Patrolman stand wie vom Schlag getroffen. »Inspektor … ich … well … ich …«

McClusky war dicht an den Stammelnden herangetreten und maß ihn mit einem durchbohrenden Blick. »Wollen Sie behaupten, dass sie unterwegs die Gefangenen keinen Moment außer Acht gelassen und mit ihnen zugewendetem Gesicht vorschriftsmäßig auf dem Wagentritt gestanden haben?«, fragte er scharf.

Der Patrolman wurde rot und schlug schuldbewusst die Augen nieder.

»Well«, meinte er zögernd, »in der oberen dritten Avenue war die Straße durch eine Explosion in einem Drogenladen gesperrt. Vier Dampfspritzen waren tätig, und wir mussten etwa 15 Minuten halten.«

»Und während dieser Zeit schauten Sie der Feuerwehr zu, statt Acht auf Ihren Gefangenen zu haben?«, fragte der Inspektor scharf.

»Fitzsimmons war doch bei ihnen im Wagen!«, stotterte Creamer kläglich. »Es schien alles in Ordnung.«

»Während dieser 15 Minuten geschah der zweifache Mord!«, unterbrach ihn Inspektor McClusky barsch, indem er ihm das silberne Dienstschild von der Brust riss.

»Der Mann ist abzuführen.«

Gänzlich vernichtet ließ sich Creamer von demselben Beamten, mit welchem er sich eben noch freundschaftlich unterhalten hatte, zu einer Zelle geleiten.

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