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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Detektiv – Der blinde Brahmane – 5. Kapitel

Walter Kabel
Der Detektiv
Kriminalerzählungen, Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1920
Harald Harst gegen Cecil Warbatty
Des berühmten Liebhaberdetektivs Abenteuer im Orient
Der blinde Brahmane

5. Kapitel

Und der Sieger?

Harst war an der Steamer-Store ebenfalls zweimal vorübergegangen. Dann wandte er sich eiligst dem neueren Stadtviertel zu, fragte einen der farbigen Polizisten nach der Wohnung Greapers, betrat dann eine öffentliche Fernsprechzelle, riss hier aus dem Teilnehmerverzeichnis ein halb leeres Blatt heraus und schrieb darauf mit Bleistift Folgendes:

Bitte sofort die Steamer-Store in der Penlington-Street unauffällig überwachen und ganz besonders einen blinden Brahmanen von kleiner Statur dauernd beobachten zu lassen. Harald Harst.

Den Zettel gab er selbst in Greapers Wohnung ab mit der Weisung, den Inspektor sogleich zu wecken.

Harst wartete mit steigender Unruhe vor dem Viktoria-Bahnhof auf seinen Privatsekretär. Die eine Stunde war längst um; die nächste halbe auch bald vorüber. Er legte aber noch eine halbe zu. Nun waren es zwei volle Stunden, nun wusste er: Schraut ist etwas zugestoßen.

Inzwischen war es hell geworden. Der Weltverkehr Bombays setzte auf dem Bahnhof mit aller Macht ein. Harst begab sich in die bereits geöffneten Wartesäle, ließ belegte Brötchen und anderes, angeblich für seinen Sahib, zusammenpacken, setzte sich in die Anlagen vor dem Riesenbahnhof auf eine Bank, aß und überlegte dabei, wie er seinen Freund und Privatsekretär, der doch fraglos irgendeine Unvorsichtigkeit begangen hatte und in eine Falle geraten war, schleunigst wieder befreien könnte.

Zu seiner Beruhigung merkte er an dem Benehmen der Vorübergehenden, dass seine Verkleidung, insbesondere die nur für die Dunkelheit berechnet gewesene Färbung der Haut, auch bei Tageslicht nicht weiter auffiel. Nachdem er noch eine Zigarette geraucht und dabei seinen Feldzugplan dem Verschwinden Schrauts angepasst hatte, schlenderte er zum Hotel International, wo Master Thomas Simpson wohnte, wie er aus den Einzelheiten von dessen Verhaftung noch gut in der Erinnerung hatte.

Der farbige Portier erhielt ein Trinkgeld und kam nach fünf Minuten mit der Nachricht zurück, Master Simpson habe seinem Zimmerkellner bedeutet, er würde die Nacht bei einem Freund in Malabar Hill zubringen.

Harst dankte für die Auskunft und setzte sich auf die Terrasse eines bescheidenen Cafés schräg gegenüber dem Hotel International, das eines von denen letzter Güte war.

Nach einer Stunde fuhr eine von einem baumlangen Hindu gezogene Rikscha (ganz leichtes, zweiräderiges Wägelchen) vor. Darin saß Master Simpson. Er hatte es sehr eilig, ließ den Rikschabesitzer warten und kam nach zehn Minuten in Begleitung eines Hoteldieners heraus, der einen leichten Koffer trug.

Simpson und der Koffer rollten dann sofort von dannen. Harst blieb hinter dem Wagen. Es wurde ein recht langer Dauerlauf, bis hinein in die Eingeborenenstadt. Dann hielt die Rikscha vor einem kleinen, verwahrlosten Gärtnergrundstück. Harst hockte sich schnell auf das Pflaster dicht an einem Haus nieder und tat, als habe er nichts Besseres zu tun, als in der gerade aufgehenden Sonne zu faulenzen.

Der kleine Herr, der so sehr viel Ähnlichkeit mit Warbatty hatte, schaute sich sehr misstrauisch um, bevor er den Garten betrat. Der Rikschafahrer wartete wieder und verzehrte ein paar Bananen.

Harst lächelte zufrieden vor sich hin. Er bezweifelte nicht einen Augenblick mehr, dass er Schraut in Kurzem auffinden würde. Warbatty hatte sich seiner Ansicht nach hier in Bombay überhaupt recht ungeschickt benommen.

Ah – ein kleines Hindumädchen hatte den Garten verlassen und sprach mit dem Rikschabesitzer. Harst nickte lächelnd. Natürlich das Kind, dachte er, das den blinden Brahmanen geführt hat.

Eine halbe Stunde darauf fuhr der kleine Simpson wieder davon. Abermals musste Harst traben. Er tat es gern; diesmal sollte Warbatty ihn kennen lernen, auch von der rücksichtslosesten Seite. Diesen brutalen Mörder zu schonen, wäre eine unvergleichliche Schwäche gewesen

Die Rikscha rollte zum Hafenviertel zu der Penlington-Street, vor die Steamer-Store.

Harst blieb nun weit zurück. Er musste vorsichtig sein. Er beobachtete, dass Simpson die Kneipe betrat und dass der Rikschamann gleichfalls hineinging, den Koffer in der Hand.

Plötzlich fuhr Harst herum. Jemand hatte ihm leise von hinten seinen Namen zugeflüstert. Er sah sich einem schmierigen Chinesen gegenüber, dessen dünner Schnurrbart tief über den Mund herabhing.

»Morgen, Master Greaper«, sagte Harst. »Ihre Verkleidung ist nicht schlecht …«

Der Inspektor zog ihn in den nächsten Torweg.

»Master Harst«, flüsterte er in heller Aufregung, »in dieser Nacht ist ein furchtbares Verbrechen geschehen …«

»Weiß schon: in der Tempelstadt Matahu. Es kommt ebenfalls auf Warbattys Konto. Für Einzelheiten wäre ich dankbar.«

Greaper musterte Harst kopfschüttelnd. »Ihre Krankheit war also Komödie! Sie sind im Matahu gewesen? Konnten Sie denn die vier Morde nicht verhindern?«

»So, vier Morde?«, stieß Harst ingrimmig hervor. »Oh, wenn ich doch nur früher mit Schraut aufgebrochen wäre! Ich war dieses Mal zu vorsichtig. Ich glaubte auch, dass Warbatty sich noch Zeit lassen würde, bis er sämtliche Affen vergiftet hätte oder doch …«

Greaper drückte Harsts Arm, fiel ihm ins Wort: »Affen vergiftet? Was reden Sie da?«

»Nachher, Master Greaper, nachher! Erzählen Sie mir erst im Zusammenhang von den Morden. Ich bin nämlich nicht im Matahu in dieser Nacht gewesen, leider nicht, sondern nur vor dem Eingang.«

»Und doch ist Ihnen bekannt, dass den Brahmanen des Matahu …«

»… ganz recht, dass ihnen der etwas sagenhafte Apfel des Indra geraubt wurde …«

»Aber wie reimt sich das alles zusammen?« Der brave Inspektor, der doch auch eine Größe seines Faches war, schnappte nach Luft vor Staunen.

»Erzählen Sie doch!«, drängte Harst. »Ich rede schon, wenn die Zeit da ist …«

»Gut. Die Sache lässt sich mit wenigen Sätzen erledigen. Vor anderthalb Stunden etwa kam einer der ständig im Matahu wohnenden acht Brahmanen zu mir. Diese acht, die Tempelbewahrer hausen neben dem sogenannten Hof des Indra.«

»Wohl derselbe, in dem die heiligen Affen gehalten werden?«

»Ja. Er kam und meldete, dass in der verflossenen Nacht vier von ihnen, die gerade zur Nachtwache bestimmt waren, ermordet worden sind. Die Leichen lägen mit durchschnittenen Kehlen im Hof. Ferner ist der unter dem Namen Apfel des Indra bekannte Riesensmaragd, an dessen Existenz ich nie so recht geglaubt habe, aus seinem Versteck in der Mitte des Hofes …«

»… also aus der von Palmen und Büschen überwucherten Turmruine …«

»… ganz recht, von dort ist der Edelstein unerklärlicher Weise verschwunden. Ebenso hat sich aber auch die ganze Herde der dort hausenden Affen, die die besten Warner vor jedem Überfall und vor jedem Fremden waren, weiß Gott wohin geflüchtet. Die Tiere sind eben sämtlich weg. Und nur deshalb ist es den Mördern auch geglückt, die Brahmanen so lautlos abzutun. Diese werden sich eben auf ihre Beschützer, die heiligen Affen, verlassen haben und …«

»Danke, Master Greaper, danke. Ich weiß jetzt genug. Es ist noch etwas verschwunden! Nämlich mein Freund Schraut. Wir werden ihn aber bald wieder haben.« Harst schwieg, fuhr dann lebhafter fort: »Der Rikschabesitzer, der da soeben aus der Kneipe kommt, gehört auch zu der Bande. Haben Sie genügend Beamte hier, um einen davon hinter dem langen Burschen dreinzuschicken?«

»Gewiss. Vier meiner besten Beamten. Ich bin sofort wieder zurück.«

Als Greaper sich wieder neben Harst in den Torweg stellte, meinte er: »So, erledigt. Und nun reden Sie bitte, Master Harst.«

»Dazu ist später bessere Zeit. Befindet sich der kleine Brahmane noch in der Steamer Store

»Ja. Einer meiner Leute hat sich drinnen Zigaretten gekauft. Der Heilige hockt auf dem Hof und richtet eine Kobra zum Tanzen ab. Der Wirt der Store, ein Parse (Feueranbeter; die besten Geschäftsleute Indiens), kennt ihn nicht genauer, hat an ihn nur einen Verschlag seines Stalles als Wohnung vor drei Tagen vermietet und meinte, der dreckige Kerl müsse über viel Geld verfügen.«

»Alles vortrefflich – vorzüglich!« Harsts Augen glänzten. »Master Greaper, wir werden die Bande noch heute erledigen.«

»Ganz schön. Aber ob wir den Smaragd wiederfinden, erscheint mir sehr zweifelhaft. Der Stein hat etwa Hühnereigröße. So etwas ist leicht zu verstecken.«

»Das stimmt.« Harst war nun mit seinen Gedanken offenbar anderswo.

Eine geraume Weile schwiegen die beiden Männer, die nun endlich den gefährlichsten Verbrecher der Welt unschädlich zu machen hofften. Dann kam ein Straßenhändler mit einem Brett voll Feigen an ihnen vorüber. Es war ein farbiger Beamter der Bombayer Detektivpolizei.

»Der Wirt der Store hat mir heimlich ein Zeichen gemacht«, sagte er zu Greaper, indem er scheinbar seine Waren anpries.

»Dann gehen Sie nur hinein«, meinte Harst.

Und der Inspektor erklärte: »Vorwärts! Wir warten hier, Bur Schura.«

Nach zehn Minuten war der Feigenhändler wieder da und meldete: »Der Brahmane hat sich mit dem kleinen weißen Sahib im gelben Anzug in seinen Stallverschlag zurückgezogen.«

»Ah – mit Simpson!«, entfuhr es dem Inspektor. »Die beiden stecken also unter einer Decke.«

»Gewiss, Master Greaper«, konstatierte Harst vielsagend. »Der blinde Brahmane ist nämlich Warbatty.«

»Teufel noch eins – wahrhaftig!«

»Still … sehen Sie … da ist er«, flüsterte Harst. »Er geht nach der anderen Seite zu davon. Und das kleine Hindumädchen hat er auch wieder bei sich.«

»Die kam vorhin im Trab angelaufen«, erklärte der Polizist.

»Ihm nach – aber getrennt!«, meinte Harst. »Und gut aufgepasst, dass er uns nicht ein Schnippchen schlägt.«

Die Menschenjagd begann, zog sich nach Black Town hinüber, hinein in die enge Gasse zu der verwahrlosten kleinen Gärtnerei. Unterwegs hatte Greaper noch fünf in den Straßen patrouillierende Detektive hinter sich her beordert, sodass man nun insgesamt mit neun Mann in der Gasse weilte, da der Inspektor von den Posten vor der Store auch noch zwei mitgenommen hatte.

Harst erteilte auf einem leeren Hof seine Befehle. Greaper hatte ihm völlig die Leitung überlassen.

Im Nu war die kleine Hütte umstellt. Harst, Greaper und zwei Detektive schlichen von der Straße aus auf das Häuschen zu. Dann ein Pfiff.

Die Tür wurde aufgestoßen, gleichzeitig drangen auch durch die Fenster Beamte ein. In dem vorderen Raum saßen vier braune Kerle und löffelten Reis aus einer Schüssel. Wie sich nachher herausstellte, waren es Singhalesen von der Insel Ceylon. Es mussten alterprobte Verbrecher sein. Wie der Blitz waren sie hoch, rissen Revolver aus ihren Leinenhosen.

Greaper jedoch rief schon: »Niederschießen!«

Ehe die Banditen die Waffen in Anschlag bekamen, knallten schon fünf Schüsse. Die Kerle knickten zusammen. Harst aber hatte das kleine Mädchen gepackt, das in einer Ecke Süßigkeiten genascht hatte.

»Wo habt Ihr den weißen Sahib versteckt?«, fuhr er sie an.

Die listigen, verderbten Augen des Mädchens blickten Harst frech an. Dann streckte sie ihm die schmutzige Hand hin. Er verstand.

»Nachher! Zehn Rupien erhältst du …«

Sie deutete auf eine nur schwer erkennbare Falltür neben dem Herd.

Harst tat einen Sprung, bückte sich, riss die Tür auf. Dort unten musste auch Warbatty stecken. Es war eine Tollkühnheit. Aber er wagte es. Mit ein paar Sprüngen war er die Treppe hinab im Keller.

Ah, dort saß Schraut auf einer Schütte Maisstroh, und dort der blinde Brahmane auf einer Kiste.

Harst hob den Revolver. »Hände hoch, Warbatty!«, brüllte er. Aber gleichzeitig beschlich ihn ein Gefühl, als ob hier nicht alles so war, wie es sein sollte.

Der zottelhaarige Schmutzfink gehorchte, streckte die Arme hoch, sagte gleichzeitig: »Schade, Sie haben die Partie also doch gewonnen, Master Harst …«

Harst schaltete seine Taschenlampe ein, ließ den Lichtstrahl über die Hände des angeblichen Brahmanen hingleiten.

»Verdammt!«, schrie er auf. »Überlistet – überlistet! Alle zehn Finger! Sie sind Thomas Simpson, nicht wahr? Wo ist Warbatty? Etwa als Simpson in Ihrem Anzug noch in der Steamer Store

»Das glaube ich kaum!«, meinte Simpson schadenfroh grinsend. »Wenn Sie mich auch schon erwischt haben, mein Bruder wird Ihnen mit unserer hiesigen Beute entgehen! Wenigstens ein Triumph! Er hat seit zwei Tagen hier das schnellste Motorrennboot im Hafen abfahrbereit liegen gehabt – für alle Fälle. In diesem Boot bringt er sich und die Beute in Sicherheit.«

Greaper stand nun neben Harst. »Da sind wir ja fein reingelegt worden!«, meinte er. Dann rief er seinen Leuten zu, Simpson zu fesseln.

Harst aber löste die Drähte von meinen Gelenken.

»Natürlich bist du wieder zu eifrig gewesen, lieber Schraut«, sagte er kurz. Die tiefen Falten auf seiner Stirn zeigten, wie es in seinem Inneren nach diesem Fehlschlag aussah.

Wir stiegen dann schnell nach oben. Die vier Singhalesen lagen noch da, wie sie durch die Kopfschüsse niedergestreckt worden waren.

»Zum Hafen!«, meinte Harst wenig hoffnungsvoll zu Greaper. »Ich fürchte, wir …«

In diesem Augenblick meldete sich das Hindumädchen.

»Sahib Harst, ich sollte Ihnen von Sahib Warbatty diesen Brief abgeben.«

Harst riss ihr den Brief aus der Hand, öffnete den Umschlag, zog den Bogen Papier heraus, überflog den Inhalt, wurde sehr rot, kniff die Lippen zusammen. Dann las er uns und auch dem gefesselt dastehenden Simpson das Schreiben seines diesmal siegreichen Gegners laut vor:

Master Harst! Ich schwimme jetzt auf hoher See auf den Planken eines Rennbootes, das seine 38 Knoten läuft. Es tut mir leid, dass ich meinen Bruder Tom habe opfern müssen, um zu entkommen. Hätte er gewusst, dass uns das Verhängnis so nahe ist, dann würde er nicht darauf eingegangen sein, den Brahmanen zu spielen. Ich wusste ihm klar zu machen, dass es besser sei, ich verließe mit der Beute diese Stadt, die Sie für uns in eine wenig sichere Gegend verwandelt hatten, mit der Beute, angeblich! Sie, Master Harst, wissen Bescheid! Dass ich hier in Bombay wieder so viel Pech haben würde, konnte ich nicht voraussehen. Ich hatte Tom und fünf meiner Leute ans Viktoria-Dock zur Dampferankunft beordert. Ich selbst war auch da – als blinder Brahmane. Ich merkte sofort, was es mit der Kiste auf sich hatte, die der Kapitän zu seiner Wohnung schickte. Dass Sie beide sich retten könnten, vermutete ich nicht im Entferntesten. Ich hielt meine Geißelübungen im Affenhof ab und dies nur zu dem Zweck, heimlich für die Affen vergiftetes Zuckerbrot ins Gebüsch zu werfen. Ich wusste, dass die ganze Herde, wenn erst ein paar krepiert waren, in panischem Schreck das Weite suchen und dass dann der Überfall auf die Hüter des Apfels des Indra wesentlich leichter sein würde. Auf dem Rückweg durch die Irrgänge stieß ich auf die Mützenfutterstückchen, setzte sie zusammen und wusste da schon so ziemlich Bescheid. Ich wartete vor dem Eingang der Tempelstadt. Und Sie beide erschienen wirklich, wie durch ein Wunder gerettet! Trotzdem hoffte ich noch, dass Sie mich nicht erkannt haben würden. Ich war dann gerade vor dem Tor der Polizeidirektion, als Sie im Auto eintrafen, um Tom sich anzusehen. Sie stolperten sehr geschickt. Ich hielt Sie tatsächlich für verletzt. Nur deshalb wagte ich in der Nacht mit meinen vier Singhalesen den Streich. Er gelang. Ich hatte den Smaragd in der Tasche, als ich mit dem Kind die Tempelstadt verließ. Aber als ich ihn dann in der Nähe der Rennbahn vorläufig vergrub, da erspähte ich Sie! Und da wusste ich, dass ich verspielt hatte und fliehen müsste. Den Edelstein konnte ich nicht wieder ausgraben und mitnehmen. Ich wollte Sie in dem Glauben belassen, ich fühle mich ganz sicher. Nachher merkte ich, dass nur Schraut mir folgte. Sie haben also den Smaragd an sich genommen. Ich kann nur auf die Weise entwischen, wie es jetzt geschehen soll. Ich rechne damit, dass Sie und die Detektive (für Warbatty gibt es so leicht keine Maske, die er nicht durchschaut) dem blinden Brahmanen folgen werden und der gelbe Tom nur durch einen oder zwei Beamte beobachtet werden wird. Ich verrechne mich selten. Leben Sie wohl, Master Harst! Es hat keinen Zweck, Ihnen zu raten, meine Verfolgung aufzugeben. Sie sind ein Charakter, und Sie werden sterben, ganz bestimmt! Hat die Kiste diesmal versagt, gelingt etwas anderes! Meinem Bruder können Sie noch ausrichten, dass er mir nicht zu arg fluchen soll. Er hat ein Genie gerettet – mich! Und der Gedanke mag ihn trösten.

Ihr alter Widersacher Cecil Warbatty.

Harst ließ die Hand mit dem Brief sinken, wandte sich an Greaper: »Dieses Schreiben überhebt mich der Mühe, Ihnen zu erklären, wie ich auf den Brahmanen aufmerksam wurde. Als er in dem Affenhof die Geißelübungen betrieb und dabei die kleinen Stückchen – was es war, sagte ich mir erst später – einer hellen Masse ins Gebüsch warf, vermutete ich noch nicht, Warbatty vor mir zu haben. Erst als er vor dem Tempeleingang hockte, fiel mir seine geringe Größe auf. Und als derselbe Brahmane dann vor der Polizeidirektion stand, war ich meiner Sache ganz sicher. Deshalb auch sofort mein Sturz auf das Pflaster. Nun gewann auch Warbattys Anwesenheit in der verbotenen Ruinenstadt für mich eine besondere Bedeutung, ebenso das Ausstreuen der kleinen Stückchen. Ich ahnte, dass er es auf die Affen abgesehen hatte. Als Sie uns von den Kostbarkeiten erzählten, die vor Jahren aus dem Matahu geraubt wurden, und dabei auch erwähnten, es ginge das Gerücht, dass die Brahmanen des Matahu noch einen Smaragd von Millionenwert besäßen, da reimte ich mir weiter das Richtige zusammen. So, ich hätte hier leider nichts mehr zu tun.« Er fasste in die Tasche. »Nur diesen Smaragd, den Apfel des Indra, muss ich Ihnen noch aushändigen.«

Dann drehte er sich nach Tom Simpson um. »Dass Sie Warbattys Bruder waren, erkannte ich schon auf der Polizei. Die Familienähnlichkeit war zu groß für einen bloßen Zufall. Wie heißen Sie in Wahrheit?«

Simpson starrte finster vor sich hin. Kein Laut kam über seine Lippen. Auch später hat er vor Gericht nicht eine Silbe gesprochen. Er wurde zu fünfzehn Jahren Zuchthaus verurteilt.

Als Harst und ich an demselben Vormittag wieder in Andersons Bungalow eintrafen, meinte Frau Anderson, indem sie Harsts Hand ergriff: »Lieber Master Harst, wollen Sie wirklich Ihr Leben noch weiter aufs Spiel setzen und …«

Sein ernster Blick brachte sie zum Schweigen. »Wer könnte wohl die Welt von diesem Ungeheuer befreien, wenn nicht ich«, sagte er ohne Prahlerei. »Ich werde Warbatty finden – in Colombo! Ich besitze die Liste der Verbrechen, die er vorbereitet hat und die er nacheinander auszuführen gedenkt. Er ahnt nicht, dass ich es besitze, dieses Verzeichnis! Und das sichert mir Vorteile, die ihn doch schließlich als Besiegten aus diesem Kampf hervorgehen lassen werden.«