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Romantruhe-Western Band 38

Hal Warner
Romantruhe-Western Band 38
Sterben für Liz

Western, Paperback, Romantruhe, Kerpen-Türnich, Mai 2019, 64 Seiten, 4,95 Euro, Titelbild: Pojular
www.romantruhe.de

Kurzinhalt:
Für Jesse OʼHara war eine Welt zusammengebrochen. Soeben hatte er erfahren, dass seine Schwester Liz in einem zwielichtigen Saloon in Tucson arbeitete. Aber nicht etwa als serviererin! Nein, sie verkaufte sich unter dem Namen Rosebell an zahlungskräftige Männer. Erst wollte Jesse es nicht glauben, doch dann wurde es für ihn zur erschütternden Wahrheit. Ausgerechnet Liz gab sich für so etwas her! Und Jesse OʼHara sahrot. In blinder, sinnloser Wut stürzte er sich auf die Männer, die seiner Meinung nach an allem schuld waren. Lieber wollte er sterben, als Liz ihrem Schicksal zu überlassen …

Leseprobe

Flackernd brannte die rußige Lampe auf dem rohen Tisch und kämpfte mit ihrem Schein gegen den Tabaksqualm an, der in dichten Schwaden durch die Mannschaftsbaracke zog. Jesse O’Hara, der junge Minenarbeiter, kam von seinem Spind herüber, setzte sich neben John Fox und legte ein schon etwas vergilbtes Bild vor sich hin.

»Das ist sie«, sagte er und lächelte versonnen. »Meine Schwester Liz. Sie lebt mit ihrem Mann in Prescott, wo sie sich ein kleines Haus gebaut haben. Ist sie nicht wie eine Blume?«

John Fox betrachtete interessiert die Fotografie. Sie zeigte ein junges, dunkelblondes Mädchen mit großen, verträumten Augen und einem feingeschnittenen Gesicht.

»Donnerwetter!«, meinte Fox. »Dein Schwager ist wirklich ein Glücksvogel, Jesse. Warum hast du mir das Bild nicht schon vor zwei Jahren gezeigt?«

»Du hättest Liz wohl den Hof gemacht, was?«

»Darauf kannst du wetten! Tausend Meilen wäre ich geritten, und nichts hätte mich davon abhalten können! Wirklich schade, dass Liz schon verheiratet ist.«

»Darf ich mal sehen?«, fragte der vierschrötige Bob Hyman. Er war aufmerksam geworden und kam erwartungsvoll um den Tisch.

»Sicher«, sagte Jesse. In seiner Stimme schwang Stolz. »Aber fass das Bild nicht an!«

Hyman beugte sich vor und saugte seinen Blick an dem Mädchenbildnis fest. Er pfiff überrascht durch die Zähne. Dann schaute er Jesse seltsam grinsend an. »Deine Schwester ist das?«

»Das sagte ich doch. Was findest du so komisch daran?«

Hyman gab ein grollendes Lachen von sich. Ohne zu antworten wandte er sich an einen breitschultrigen Mann, der mit den Stiefeln auf einer Holzpritsche lag.

»He, Ted, komm doch mal her!«

Ted Kelly stand auf und trat neben Hyman, der mit dem Kopf auf die Abbildung wies.

»Sieh dir das an, Ted! Ist das nicht der hübsche Käfer, den du dir vor zwei Wochen aufgegabelt hast, als wir in Tucson waren?«

»Ja!«, rief Kelly nach einem kurzen Blick auf das Bild. Auch er wirkte überrascht. »Wie hieß sie denn gleich?«

»Rosebell, glaube ich.«

»Ach ja! Zwanzig Dollar hat sie gewollt. Aber die war sie auch wert!« Ted Kelly schnalzte mit der Zunge und verdrehte genießerisch die Augen.

Jesse O’Hara jedoch wurde kreidebleich. Wie von einer Feder getrieben schnellte er hoch und packte Kelly hart an der Brust.

»Was sagst du da?«, presste er hervor. »Du beschuldigst meine Schwester, dass sie sich verkauft?«

Kelly wurde von einer Sekunde zur anderen ernst. »Das habe ich nicht gesagt. Du behauptest doch, dass sie deine Schwester ist.«

»Ja, das Mädchen auf dem Bild ist meine Schwester Liz. Sie heißt Liz, verstehst du, nicht Rosebell!

 Außerdem ist sie keine Hure in Tucson, sondern eine ehrbare, verheiratete Frau, die in Prescott lebt! Und nun sagst du verdammt schnell, dass du dich geirrt hast, Ted Kelly!«

Der Bursche grinste blöd. Sein Blick traf sich mit dem von Hyman, dann sah er wieder Jesse O’Hara an. Zögernd brachte er hervor: »Ich weiß nichts über deine Schwester, Jesse. Ich weiß nur, dass ich mit einem Mädchen namens Rosebell im Bett gewesen bin. Und die sah genauso aus wie auf dem Bild, obwohl sie bedeutend weniger anhatte. Halb nackt war sie, betrunken obendrein. Sie sprach mich an, als ich in einem Saloon an der Theke gestanden habe. ,Gib mir zwanzig Dollar‘, hat sie gesagt, ,dann wirst du ein paar Stunden erleben, die du so schnell nicht wieder vergisst.’ Da bin ich mit ihr in ein Zimmer gegangen. Ob du es glaubst oder nicht – sie sah haargenau so aus wie das Mädchen auf dem Bild!«

»Dreckiger Lügner!«, schrie Jesse. Er stieß Kelly zurück und schlug ihm die Faust ins Gesicht, dass er gegen eine Pritsche flog, die sich ächzend verschob. Dann riss Jesse sein Messer aus dem Gürtel. »Steh auf und wehr dich, du Bastard!«

Ted Kelly kam taumelnd hoch. Er sah das eisige Licht in den Augen von Jesse und wusste, dass die Sache tödlich ernst geworden war.

»Na, los!«, keuchte Jesse. Er stand mit gespreizten Beinen leicht vorgeneigt da, die blanke Klinge mit der Schneide nach oben in der Hand, und starrte Kelly wild und herausfordernd an.

Kelly schmeckte das Blut, das von seinem eingerissenen Mundwinkel rann. Der Schmerz weckte seinen Zorn. Fluchend griff auch er nach dem Messer.

Fox, Hyman und noch ein paar andere Männer wichen hastig an die Bretterwand zurück. Ein Stuhl stürzte um. Dann war nur noch stoßweises Atmen zu hören.

Plötzlich sprang O’Hara vor. Es geschah so schnell, dass Kelly nicht mehr ausweichen konnte. Jesses Messer traf ihn in die Brust.

Ted Kelly taumelte rückwärts. Seine Rechte sank herab, öffnete sich und ließ das Messer fallen. Angst und Entsetzen im Gesicht, griff er nach der Wunde und starrte Jesse O’Hara fassungslos an.

Im nächsten Moment krümmte er sich zusammen und stürzte polternd auf die Dielen.

In der Baracke herrschte lähmendes Schweigen. Alle starrten auf Kelly, dessen Körper noch ein paar Zuckungen machte und dann erschlaffte.

»Ist hier noch einer, der mit meiner Schwester geschlafen haben will?«, fragte Jesse gefährlich sanft. Er blickte sich drohend um. »Du vielleicht, Bob?«

Bob Hyman hob ein wenig die Hände an, zum Zeichen, dass er nicht nach einer Waffe greifen würde.

»Nein«, antwortete er heiser. »Aber ich weiß, dass Ted die Wahrheit gesagt hat. Das kann ich beschwören!«

In Jesse kam zum ersten Mal ein Zweifel auf. Irritiert blickte er auf

den vierschrötigen Mann, dessen Adamsapfel unablässig auf und ab hüpfte und so deutlich seine Erregung verriet.

Doch Jesse wischte alle Bedenken zur Seite und ging mit gnadenloser Entschlossenheit auf Hyman zu, der unwillkürlich zurückweichen wollte, aber mit dem Rücken gegen die Barackenwand stieß.

»Jesse!«, rief John Fox. »Bist du verrückt? Verdammt, hör mit dem Unsinn auf! Es genügt, dass du Ted Kelly umgebracht hast!«

Jesse blieb stehen. Doch das Messer behielt er in der Faust. Sein flackernder Blick war nach wie vor auf Bob Hyman gerichtet.

»Vielleicht beruht alles nur auf einem Missverständnis, Jesse«, fuhr Fox hastig fort. »Es könnte doch sein, dass deine Schwester eine Doppelgängerin hat.‘‘

»Ja!«, fügte Hyman schnell hinzu. »Und ich denke, das lässt sich

sogar klären – jetzt und hier!« Er hüstelte heiser und fuhr dann fort:

»Ich entsinne mich, dass ich am Hals dieser Rosebell ein Muttermal

sah. Etwa so groß wie eine Erbse und ganz bestimmt echt. Du musst wissen, ob auch deine Schwester ein solches Muttermal hat.«

Jesse O’Hara zuckte zusammen, als hätte ihn jemand mit einer Peitsche geschlagen. Sein Gesicht

 wurde grau, seine Augen stumpf. Und so kannten alle die Antwort, ohne dass ein Wort fiel.

Das Freudenmädchen Rosebell war identisch mit Jesse O’Haras Schwester Liz …

Jesse stand wie erstarrt. Er ließ die Schultern hängen. Ein Zentnergewicht schien sie niederzudrücken.

Endlich fand er die Sprache wieder. Seine Stimme klang rau und hohl.

»Wo in Tucson finde ich sie?«, fragte er Hyman.

,,In einem Saloon, der einem gewissen Jeff Loman gehört«, antwortete der Minenarbeiter belegt. »Sie ist dort mit einem Spieler zusammen, glaube ich. Den stört es offenbar nicht, was sie macht. Wahrscheinlich lebt er davon, wenn er durch die Karten keine Einnahmen hat.«

Jesse wusste genug. Langsam, beinahe schwerfällig wandte er sich um, fegte das Bild seiner Schwester vom Tisch und trat darauf. Dann ging er an dem toten Ted Kelly vorbei zu seinem Spind und nahm seine Jacke heraus, zog sie an und stülpte sich seinen Hut auf den Kopf. Anschließend schnallte er seinen Revolvergurt um.

Die anderen Männer verfolgten schweigend sein Tun. Keiner von ihnen rührte sich. Den Colt schussbereit in der Faust, verließ Jesse im Krebsgang den Raum und zog die Tür hinter sich zu.

Niemand folgte ihm.

 

*

 

»Diese Runde hast du gewonnen«, sagte der magere Ned Baxter und blickte sein Gegenüber leicht verdrossen an. »Und die vorhergehende auch. Gibst du mir Revanche?«

»Morgen ist auch noch ein Tag. Heute bist du nicht in Form.« Wyatt Kelly grinste und steckte die Spielkarten und die gewonnenen Geldscheine ein. »Ich ziehe doch einem alten Freund nicht das Fell über die Ohren.«

»Na schön, dann kümmern wir uns mal um die Girls.«

»Gute Idee.« Wyatt Kelly schob seinen Stuhl im Aufstehen zurück, schaute sich verwegen lächelnd um und entdeckte im Hintergrund des Saloons zwei grellgeschminkte Mädchen allein an einem Tisch.

»Die Schwarze dort, wie gefällt sie dir, Ned?«

»Nicht übel, Wyatt, nein, wirklich nicht.«

»Nun, dann nimm sie aufs Korn. Ich peile die Rothaarige an.«

Unternehmungslustig bewegten sich die beiden Männer durch den schlauchartigen Raum, der mit Arbeitern der Silbermine vollgestopft war.

Sie hatten die Girls noch nicht erreicht, da flog krachend die Pendeltür auf. Bob Hyman stürmte atemlos herein.

»Wyatt!«, rief er, als er den Bruder von Ted Kelly erspähte. »Wyatt …!‘‘

Der Angerufene drehte sich zu ihm um und zog überrascht die Brauen hoch.

»Du, Bob? Was ist denn los?«

»Dein Bruder, Wyatt …‘‘ Keuchend berichtete Hyman, was sich vor einer knappen Viertelstunde zugetragen hatte.

Die Miene von Wyatt Kelly verfinsterte sich. Er murmelte einen abscheulichen Fluch. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Rücksichtslos stieß er ein paar Männer zur Seite, gelangte zur Theke und ließ sich ein Glas mit Whiskey füllen. Das leerte er auf einen Zug.

»Noch einen!«, herrschte er den Keeper wütend an.

Wyatt Kelly war fünfundzwanzig Jahre alt. Er war etwas kleiner als sein Bruder, auch schmächtiger, aber sehnig und zäh. In Tombstone kannte man ihn als kampflustigen Burschen, der seinen Colt und die Fäuste zu gebrauchen verstand.

Jetzt erinnerte er an einen Vulkan, der in seinen Tiefen zu grollen anfing. In seinen Augen glomm ein düsteres Licht. Er trank auch den zweiten Whiskey auf einen Zug, warf ein Geldstück auf die Theke und das Glas ins Spülbecken. Dann lief er vor Hyman und Baxter aus dem Saloon.

Auf dem Weg zu den Mannschaftsbaracken erfuhr er von Hyman Einzelheiten über den verhängnisvollen Kampf und wie es dazu gekommen war.

Und dann sah er den toten Bruder vor sich. Männer der Silver Mining Company hatten Ted mittlerweile in eine lange Kiste gelegt, in der Bohrgeräte transportiert worden waren und die nun als Sarg dienen sollte.

Wyatt Kelly nahm seinen Hut ab und schüttelte fassungslos den Kopf.

»Erstochen«, sagte er dumpf. »Wegen einer Schlampe aus ’nem Saloon.«

»Er hatte nicht mal eine richtige Chance«, brummte Hyman und stachelte damit Wyatts Zorn ungewollt an. »Du weißt ja, dass dein Bruder keiner von den Schnellen war.«

Wyatt Kelly nickte. Sein Hass gegen Jesse O’Hara war von einer Sekunde auf die andere entfacht. Und wen Wyatt Kelly einmal hasste, den würde er vernichten!

»Dieses Stinktier ist also geflohen?«, murmelte er mit einem unheilvollen Leuchten im Blick. »Habt ihr euch die Richtung gemerkt?«

»Er ist nach Norden«, sagte Bob Hyman. »Mit einem gestohlenen Pferd. Bestimmt will er nach Tucson hinauf, um nach seiner sauberen Schwester zu sehen.«

»Dann entkommt er mir nicht. Ich hänge mich noch diese Nacht an seine Spur.«

»Ich komme mit«, erbot sich Bob Hyman.

»Ich auch«, sagte Ned Baxter.

,,In Ordnung, Freunde.« Wyatt Kelly nickte zufrieden. »Wir begraben Ted, dann reiten wir los. Dieser Jesse O’Hara ist schon jetzt so gut wie tot!«