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John Sinclair Classics Band 28

Jason Dark (Helmut Rellergerd)
John Sinclair Classics
Band 28
Der Hexenclub

Grusel, Heftroman, Bastei, Köln, 25.09.2018, 66 Seiten, 1,80 Euro, Titelbild: Ballestar
Dieser Roman erschien erstmals am 03.02.1976 als Gespenster-Krimi Band 125.

Kurzinhalt:

In einer einsamen Gasse nahe der Themse wird ein Mann aufgefunden – erhängt an einem Laternenpfahl. Die Augen der Leiche sind herausgebrannt. Ist er ein Opfer des Hexenclubs?
Ein neuer Fall für John Sinclair! Entschlossen versucht er, hinter das Geheimnis der Hexen zu kommen – und gerät dabei immer tiefer in den teuflischen Kreis dieser Vereinigung ….

Leseprobe

Der Seemann war stockbetrunken!

Wie ein Rohr im Wind, so schwankte er in die enge Sackgasse, die im düstersten Viertel von Soho lag.

»Rolling home … Rolling home« Ein krächzendes Husten unterbrach den nicht gerade schönen Gesang des Seelords. »Teufel, bin wohl nicht mehr so in Form. Ja. ja, man wird alt, und auch die Stimme lässt nach.« Mit einer fahrigen Bewegung wischte er sich über die schweißnasse Stirn und setzte seinen Weg fort.

Der Seelord kam genau drei Meter weit, bis zur nächsten Laterne. Er wollte sich noch an dem Pfahl festhalten, als er die Füße sah.

Sie pendelten direkt vor seinen Augen …

Schlagartig wurde der Seelord nüchtern.

»Allmächtiger Klabautermann«, murmelte er, kniff die Augen zu und riss sie wieder auf.

Doch das Bild blieb.

Unwillkürlich duckte sich der Seemann und trat vorsichtig einen Schritt zurück. Dann legte er den Kopf in den Nacken, sein Blick wanderte höher und …

Der Anblick des Gehängten trieb dem Seelord die letzten Alkoholreste aus dem Hirn.

Es war ein Mann in mittlerem Alter. Das trübe Licht der Laterne beleuchtete sein Gesicht, in dem die Augen weit aufgerissen waren und wie Glasmurmeln wirkten. Seltsamerweise war der Mund des Mannes geschlossen.

Die Schlinge hatte sich tief in den Hals des Gehängten geschnürt. Der Mann trug einen dunklen Anzug. Die Arme hingen steif an seinem Körper herab.

Der Seemann schüttelte den Kopf. Das Bild des Gehängten hatte ihn schlagartig nüchtern gemacht.

Flucht!, war der erste Gedanke des Seemanns. Er wollte schon kehrtmachen, da fiel ihm ein. dass ihn unter Umständen jemand beobachtet haben könnte.

Vorsichtig blickte er sich um. Keine Menschenseele war zu sehen. Stumpf und grau sahen die Häuserfassaden aus. Das Licht der wenigen Laternen reichte kaum, um sie zu beleuchten. Auch der Himmel über der engen Straßenschlucht war düster. Nicht ein Stern blinkte

Ein paar Seitenstraßen weiter begann das Vergnügungsviertel. Von dort drangen schwache Musikfetzen an die Ohren des Seemanns. Irgendwo kreischt« ein Girl. Sekunden später brüllte eine Männerstimme.

Es waren die üblichen Geräusche hier in Soho, dem Londoner Laster- und Vergnügungsviertel.

»Oh, verdammt, was mach ich nur?«, fragte sich der Seelord, und seine Stimme klang zittrig wie die eines Greises. Die Polizei kam ihm in den Sinn. Sicher, die musste er benachrichtigen. Aber die Bullen fragten einem ein Loch in den Bauch, und außerdem lief am Übernächsten Tag sein Schiff aus.

Es war schon zum Heulen.

Der Seemann hatte sich so hingestellt, dass er den Gehängten nicht sehen konnte. Jetzt hätte er einen Schluck gebrauchen können. Stattdessen fingerte er nach einer Zigarette

Als er sie aufgeraucht hatte, stand sein Entschluss fest. Er wollte doch die Polizei alarmieren. Lieber jetzt den Ärger als hinterher.

Der Seelord ging los. Sein Gang war wieder normal, zwar etwas breitbeinig, aber so liefen viele seiner Berufskollegen.

Wenn ich nur wüsste, wo die nächste Polizeistation ist, überlegte der Sailor. Verdammt, ich …

Erlief einfach weiter, merkte sich aber den Weg. den er gekommen war.

Und dann sah er den Bobby. Es war zwar nur ein einfacher Verkehrspolizist, aber den konnte man ja fragen.

»He, Sir«, sagte der Seelord und tippte den Bobby an.

Der Polizist hatte die Ruhe weg. Gemächlich wandte erstell um. »Ja?«

Der Seelord drehte verlegen seine Mütze zwischen den Fingern.

»Ich – äh. ich habe einen Toten gefunden, Sir.«

Der Blick des Bobbys änderte sich nicht. Er fragte nur. »Sind Sic betrunken, Mister?«

»Nein – doch, Unsinn, das heißt, ich war es. Aber als ich den Toten sah, wurde ich wieder nüchtern. Glauben Sie mir. Da haben sie einen aufgehängt. An solch einer Laterne.« Der Seemann deutete auf eine trübe Funzel direkt neben der Straßenecke.

Unwillkürlich blickte der 3obby hoch. -Wenn Sie gelogen haben. Freundchen …«

»Ich schwöre es beim Andenken meiner Mutter.«

»Das tun viele«, erwiderte der Bobby trocken und setzte sich mit steifen Schritten in Bewegung.

Der Seelord hatte Mühe, mitzuhalten. Mit japsender Stimme gab er immer wieder seine Anweisungen.

Nach einigen Minuten bogen sie in die schmale Sackgasse ein.

»Hier ist es, Sir. Dahinten an der Laterne. Sie müssten eigentlich den Kerl schon sehen können.«

Der Bobby gab keine Antwort. Er war schon losgegangen.

Beim Anblick des Gehängten bekam er genauso einen Schock wie der Seelord, obwohl er darauf vorbereitet gewesen war. Zum ersten Mal in seinem Leben verlor der Bobby seine sprichwörtliche Bierruhe.

Er schnappte nach Luft, riss sich den Helm vom Kopf und wischte sich mit einem Taschentuch über die spiegelblanke Glatze

Der Seelord hatte sich gegen eine Hausmauer gelehnt und den Blick zur anderen Seite gewandt.

Das schrille Geräusch der Alarmpfeife ließ den Seemann zusammenzucken Der Bobby hatte die Pfeife zwischen die Lippen geklemmt und blies das vorgeschrie-bene Signal.

Und nun konnte der Seelord nur staunen. Innerhalb weniger Minuten kamen fünf Polizisten angerannt. Zwei liefen sofort wieder weg und alarmierten die Mordkommission.

Hier muss irgendwo ein Bullennest sein, dachte der Seemann. Um ihn kümmerte man sich auch.

Er musste erst mal seine Personalien angeben. Der Seelord hieß Fred Wagoner und war Schotte. Er fuhr auf einem Kohlenfrachter.

Und dann trudelte die Mordkommission ein. Fred Wagoner wunderte sich, dass die beiden schweren Wagen überhaupt in die schmale Gasse kamen, aber die Fahrer hatten hier wohl nicht zum ersten Mal zu tun.

Leiter der Mordkommission war ein gewisser Inspektor Simmons. Eine Viertelstunde kümmerte sich niemand um den Seelord. Simmons und sein Team arbeiteten konzentriert. Sie waren eingespielt wie ein gut funktionierendes Uhrwerk.

Fred Wagoner hatte Muße, sich den Beamten zu betrachten. Am meisten wunderte er sich über die erkaltete Pfeife, die im rechten Mundwinkel des Inspektors hing und die er noch nicht einmal beim Sprechen in die Hand nahm oder in die Tasche steckte.

Simmons trug keinen Hut. Sein Haar war fahlblond und früher auch einmal dichter gewesen. Der helle Trench schlotterte um Simmons Körper und hatte auch schon bessere Tage gesehen. Ein Freund hatte Wagoner jedoch einmal gesagt. man solle sich von dem äußeren Eindruck mancher Londoner Polizisten nicht täuschen lassen. Die Burschen verstanden ihr Fach.

Der Inspektor baute sich vor Wagoner auf und nickte. »Sie sind also Fred Wagoner. der Mann, der den Toten entdeckt hat.«

»Ja. Sir.«

Simmons deutete ein Lächeln an, als er die Unsicherheit des Seolords bemerkte.

»Damit Sie wissen, mit wem Sie es zu tun laben, ich bin Inspektor Simmons und dafür bekannt, dass ich oft unangenehme Fragen stelle. Aber das lasst sich nun mal nicht vermeiden, es gehört zu meinem Beruf. Am besten, wir unterhalten lins im Wagen.«

Wagoner schlüpfte mit dem Inspektor in den großen Kastenwagen der Mordkommission. Eine kleine Lampe brannte, und ein Beamter füllte ein Formular aus.

Wagoner musste nochmals seine Personalien angeben und anschließend die Geschichte erzählen. Das dauerte ungefähr zehn Minuten.

Inspektor Simmons hörte schweigend zu. Schließlich fragte er. »Sagen Sie mal, guter Mann, wie kommen Sie eigentlich in diese Gegend? Die Vergnügungsecken liegen doch einige Straßen weiter.«

Wagoner verzog das Gesicht. »Also, das ist eine ganz komische Geschichte. Ich war mit einigen Kumpels unterwegs, und da sind wir in eine Prügelei geraten. Ich war schon ziemlich voll und hab zugesehen, dass ich mich aus dem Staub machte. Nicht, dass Sie denken, ich wäre feige, Inspektor, aber wenn man ein Whiskybad genommen hat. dann ist man doch nicht mehr so in Form.«

»Verständlich. Aber weiter.«

»Was soll ich da erzählen? Ich …»

»Ist Ihnen etwas aufgefallen? Haben Sie vielleicht irgendjemanden gesehen?«

»Nee, Inspektor. Nichts. Und dabei habe ich mich noch genau umgesehen. Ich hatte Angst … na ja, wer weiß, man hätte mir ja auch den Mord in die Schuhe schieben können.«

»Woher wissen Sie denn, dass es Mord war?«

»Inspektor, jetzt werden Sie aber spitzfindig Das sieht doch ein Blinder. Wenn ich Selbstmord begehen will, dann hänge ich mich doch nicht an eine Straßenlaterne, dann …«

Einer von Simmons Mitarbeitern steckte seinen Kopf durch den Türspalt.

»Inspektor, können Sie mal kommen?«

»Muss das sein?«

»Ja, es ist wichtig.«

»Gut. Waymire!«

»Sir?« Der Corporal, der Protokoll führte, wandte den Kopf

»Nehmen Sie schon mal die Fingerabdrücke von Mister Wagoner.«

»Geht in Ordnung, Sir.«

»Aber warum denn das?«, rief der Seelord erschrocken. »Ich habe ihn doch nicht umgebracht.«

»Davon redet auch keiner«, erwiderte der Inspektor. »Sie haben aber doch bestimmt den Laternenpfahl angefasst.«

»Das stimmt allerdings.«

»Na bitte. Und den Pfahl werden wir jetzt auf Prints untersuchen. Dann müssen Ihre ja dabei sein.«

»Ja. jetzt verstehe ich.«

Seufzend stieg Inspektor Simmons aus dem Wagen. Sein Mitarbeiter erwartete ihn schon ungeduldig.

»Hier, Inspektor, das haben wir bei dem Erhängten gefunden. Es steckte in einer Geheimtasche.« Der Mann reichte Simmons eine Plastikhülle, die man auseinanderklappen konnte.

Inspektor Simmons betrachtete prüfend die beiden Hälften. Und dann wäre ihm bald vor Schreck die Pfeife aus dem Mund gefallen. Das war kein gewöhnlicher Ausweis, den er in der Hand hielt. Diesen Ausweis bekamen, nur Leute vom Secret Service, dem britischen Geheimdienst.

»Jack Tanner«, murmelte Inspektor Simmons. »Ein Geheimdienstmann.« Entschlossen klappte Simmons den Ausweis wieder zu. »Also, wenn das keinen Ärger gibt, fange ich glatt bei der Straßenreinigung an. Aber eins ist sicher.« Der Inspektor wandte sich mit einem spitzbübischen Lächeln an seinen Mitarbeiter. »Den Fall sind wir los. denn wenn einer ihrer Leute umgebracht wird, dann spielt der Geheimdienst verrückt. Und ehrlich gesagt, in der Haut des Mörders möchte ich jetzt nicht stecken.«

Der Inspektor ahnte nicht, dass dieser Mord der Auftakt zu einem Fall war, der ganz London in Atem halten sollte …

 

 

»Na, haben Sie sich bei uns gut eingelebt. Mister Jagger?«

Dean Jagger blickte auf. Er hatte sich mit einer Akte beschäftigt und war so in sein Studium vertieft gewesen, dass er den eintretenden Mr. Robinson nicht bemerkt hatte.

»Entschuldigen Sie, Sir!« Jagger sprang auf. »Aber ich habe tatsächlich nicht gehört, dass Sie hereingekommen sind»

Paul Robinson lachte. »Aber das macht doch nichts. Arbeit adelt, so sagt man doch, nicht wahr.«

Paul Robinson war Dean Jaggers Chef. Beide Männer arbeiteten im Wirtschaftsministerium. Abteilung Export. Während Paul Robinson Chef dieser Gruppe war, musste sich Dean Jagger erst noch hoch-arbeiten.

Er arbeitete seit drei Monaten im Staatsdienst und kam frisch von der Wirtschaftsakademie. Dean Jagger hatte sich vorgenommen, innerhalb der nächsten zwei Jahre seinen Doktor zu machen. Er war ein Fachmann auf dem Gebiet der Statistik.

Paul Robinson ließ sich auf einen freien Stuhl fallen, holte sein goldenes Zigarettenetui aus der Tasche, klappte es auf und bot Dean Jagger ein Stäbchen an.

Der junge Diplom-Kaufmann bekam einen roten Kopf. »Danke, Sir, ich rauche nicht.«

»Sie gefallen mir«, sagte Robinson spontan. »Endlich jemand, der auf seine Gesundheit achtet. Ich hätte auch längst aufhören sollen, zu rauchen, aber Sie wissen ja selbst, wie das ist. Am letzten Tag des Jahres nimmt man es sich immer vor, und wenige Stunden später sind die guten Vorsätze wieder vergessen.«

Dean Jagger nickte. Er wollte seinen Chef schließlich nicht verärgern.

Paul Robinson schlug die Beine übereinander, steckte das Zigarettenetui wieder weg und zog seine Hosenbeine hoch, damit die Bügelfalten nicht zerknautscht wurden. Robinson war ein Typ, dem korrekte Kleidung über alles ging. Er hatte die Fünfzig schon erreicht, und ein Kranz schlohweißen Haares lag auf seinem Kopf. Sein Gesicht war scharf geschnitten und von der Höhensonne gebräunt. Die fast weißen Augenbrauen suchen deutlich hervor.

Robinson war nicht verheiratet, allerdings ging das Gerücht um, dass er keine Frau in Ruhe lassen könne.

»Tja. Mister Jagger, Sie sind jetzt schon einige Wochen hier, und wie ich aus Ihren Unterlagen ersehen habe, kommen Sie aus einer kleinen Stadt an der schottischen Grenze und sind noch immer Junggeselle. Stimmt’s?«

»Das ist richtig, Sir«, erwiderte Dean Jagger höflich. Er war kein fordernder Typ. eher der bescheidene Wissenschaftler, der die Arbeit tat und andere den Lohn einkassieren ließ.

Jaggers Gesicht war schmal, und die dunkelbraunen Augen lagen etwas zu tief in den Höhlen. Meistens trug er eine Hornbrille, die ihn noch älter machte und ihm nicht besonders gut stand. Auf übermäßig gute Kleidung legte Jagger keinen Wert, hatte sich aber, nachdem er den neuen Job bekommen hatte, einige preiswerte Anzüge gekauft.

Jagger war der Typ, den man übersah, er wusste das auch selbst und wunderte sich, dass sich plötzlich sein Chef für ihn interessierte. So etwas war noch nie vorgekommen.

Personen

  • Fred Wagoner, schottischer Seemann
  • Bobby
  • Ispektor Simmons, Leiter der Mordkommission
  • Dean Jagger, Diplomkaufmann
  • Paul Robinson, Deans Chef, Leiter der Gruppe Statistik im Witschaftsministerium
  • Ruth Forster, Studentin für Betriebswirtschaft
  • John Sinclair, Oberinspektor bei Scotland Yard
  • Sir James Powell, Superintendent
  • Bill Conolly, Reporter
  • Lukretia, schwarze Hexe
  • Penner
  • Blondine
  • Slicky, Ganove
  • Bauarbeiter
  • Killer
  • Polizeibeamte
  • Sir Waynbright, hoher Beamter vom Secret Service

Orte

  • London

Quellen:

  • Jason Dark: John Sinclair Classics. Geisterjäger John Sinclair. Band 28. Bastei Verlag. Köln. 25. 09. 2018
  • Thomas König: Geisterwaldkatalog. Band 1. BoD. Norderstedt. Mai 2000