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Abenteuer des Captains Bonneville 04

Washington Irving
Abenteuer des Captains Bonneville
oder: Szenen jenseits der Felsengebirge des fernen Westens
Verlag von J. D. Sauerländer. Frankfurt am Main, 1837

Drittes Kapitel

Große Prärien. Vegetabilische Erzeugnisse. Tafelförmige Hügel. Sandsteinplatten. Der Nebraska oder Platte River. Kärgliche Mahlzeiten. Büffelschädel. Die Wagen werden in Boote verwandelt. Herden von Büffelochsen. Schlossähnliche Klippen. Das Kamin. Scotts Felsklippen – Damit verbundene Geschichte. Das Dickhorn oder Argali. Seine Beschaffenheit und Lebensweise. Unterschied zwischen ihm und dem wolligen Schaf oder der Gebirgsziege.

Von Mitte bis Ende Mai setzte Captain Bonneville seinen Weg westlich über große wogende Ebenen fort, die von Bäumen und Sträuchern entblößt, vom Regen öfters durchweicht und von tiefen Wassergräben durchschnitten waren, an denen sie für ihre Wagen den Weg an den nachrutschenden Ufern hinabbahnen und Brücken über die Ströme bauen mussten. Die Sonnenhitze war nun eingetreten, und der Wärme messer stand morgens in der Frühe auf ungefähr 14°, stieg aber nachmittags auf ungefähr 32°. Die kühlen Lüftchen jedoch, die immerwährend über diese weiten Ebenen wehen, machen die Hitze noch erträglich.

Wild war selten. Sie mussten ihre spärlichen Mahlzeiten mit Wurzeln und Gemüse, wie die indianische Kartoffel, die wilde Zwiebel, den Prärie-Nachtschatten zustrecken. Sie trafen überdies eine Menge roter Wurzeln an, von welchen die Jäger einen sehr schmackhaften Trank bereiten. Das einzige menschliche Wesen, das ihnen auf ihrem Wege entgegen kam, war ein Kansa-Krieger, der von einer einzeln unternommenen Herausforderungspartie nach genommener Genugtuung zurückkehrte, und den Schädel eines Pawnee als Trophäe bei sich trug.

Das Land erhob sich, indem sie westwärts weiterschritten, allmählich. Ihr Weg führte sie über hohe Bergrücken, von welchen man eine ferne und prachtvolle Aussicht genoßss. Die weite Ebene war im Westen mit unzähligen Hügeln von kegelförmiger Gestalt besät, wie man sie nördlich des Arkansas River sieht. Diese Hügel sind, dem Ansehen nach, in derselben Höhe wie abgeschnitten, sodass sie auf der Spitze eine platte Ober fläche bilden. Es ist die Mutmaßung einiger, dass das ganze Land ursprünglich die Höhe dieser tafelförmigen Hügel gehabt habe, allein durch irgendein Naturereignis bis zu seinem gegenwärtigen Standpunkt gesunken sei, während diese einzeln stehenden Hügel durch eine breite Grundlage solider Felsen erhalten worden wären.

Captain Bonneville erwähnte einer anderen geologischen Erscheinung nördlich des Red River, wo beträchtliche Strecken des Landes mit breiten Sandsteinplatten bedeckt seien, welche die Gestalt und die Lage von Grabsteinen und das Ansehen hätten, als obn sie durch irgendeine unterirdische Bewegung mit Gewalt an die Oberfläche heraufgewühlt worden wären. »Die Ähnlichkeit«, sagte er, »welche diese merkwürdigen Landstriche an vielen Orten mit alten Kirchhöfen haben, ist äußerst auffallend. Man möchte beinahe glauben, unter die Gräber der Präadamiten versetzt worden zu sein.«

Am 2. Juni kamen sie an dem Hauptstrom des Platte River1, 25 Meilen unter der Spitze der großen Insel, an. Die niederen Ufer dieses Flusses geben ihm das Ansehen einer großen Breite. Captain Bonneville maß sie an einem Ort und fand sie 2200 Yard von einem Ufer zum anderen. Seine Tiefe war 3 bis 6 Fuß und sein Bett voller Triebsand. Der Platte River ist mit Inseln besät, die mit jener Pappelart bedeckt sind, welche man den Baumwollholzbaum nennt.

Nachdem sie sich mehrere Tage lang längs dieses Flusses hin gehalten hatten, wurden sie wegen Seltenheit des Wildes genötigt, sich an ihrer Kost abzubrechen und bisweilen ein Rind zu schlachten. Sie ertrugen ihre tägliche Mühseligkeiten und Entbehrungen mit frohem Mut, indem sie aller Wahrscheinlichkeit nach ihren Ton nach der fröhlichen Laune ihres Anführers stimmten.

»Wenn das Wetter«, sagt der Captain, »rau und unfreundlich war, so beobachteten wir die Wolken, inder frohen Hoffnung, bald den blauen Himmel und die liebe Sonne wieder zu sehen. War unser Speisevorrat zur Neige gegangen, so trösteten wir uns mit der Hoffnung, bald Büffelherden anzutreffen, wo wir nur erlegen und essen könnten.«

Wir zweifeln, ob der muntere Captain nicht seinen eigenen frohen Mut beschreibt, der jedem Gegenstand um ihn eine fröhliche Farbe lieh.

Es lagen jedoch sichere Beweise vor, dass das Land nicht immer ganz von Wild entblößt gewesen war, denn einst erblickten sie an einem Ort ein Feld, das mit Büffelschädel ausgeschmückt war, die Kreise, Bogenlinien und andere mathematische Figuren gleichsam wie zu einer mystisch religiösen Feierlichkeit oder Zeremonie bildeten. Es waren ihrer eine unzählige Menge und schienen von einem, dem großen Geist aus Dankbarkeit dargebrachten Opfer für irgendeine glückliche Jagd herzurühren.

Am 11. Juni kamen sie an die Gabel des Platte River, wo er sich in zwei gleiche und schöne Ströme teilt. Einer dieser Stromarme erstreckt sich nach West-Süd-West bis nahe zu den Quellen des Arkansas hinauf. In der Richtung dieses Stromes lag, wie Captain Bonneville wohl wusste, der Weg zu den Comanchen, Kioway und den nördlichen mexikanischen Niederlassungen. Der Lauf des anderen Stromarmes war ihm unbekannt. Es war möglich, dass seine Quellen zwischen schroffen und unüberwindbaren Klippen lagen, dass sie sich schäumend durch Felsschluchten und über steile Abhänge stürzten. Allein sein Lauf war die wahre Richtung, die der Captain einzuhalten hatte. Diesen Strom hinauf beschloss er seinen Weg zu den Felsgebirgen zu folgen. Da er es unmöglich fand, des Triebsandes und anderer gefährlichen Hindernisse wegen, in dieser Nachbarschaft über den Fluss zu setzen, so zog er zwei Tage lang am südlichen Arm des Stromes, bloß in der Absicht hin, sich einen bequemen Ort zum Übergang zu suchen.

Endlich machte er Halt, ließ die Räder von den Wagen abnehmen, sie mit Büffelhäuten überziehen, mit einer Mischung von Talg und Asche anstreichen und sich auf diese Weise Boote von roher Arbeit anzufertigen. In diesen fuhren sie ihre Effekten über den Strom, der 600 Yard breit war und eine rasche und starke Strömung hatte. Es befanden sich in jedem Boot drei Mann, um es zu steuern. Andere wateten durch und drückten die Barken vor sich her. Auf diese Weise kam alles sicher hinüber. Ein Marsch von 9 Meilen führte sie über wogende Prärien zum nördlichen Strom, wo sie sich an dem willkommenen Anblick von Büffelherden weideten, von denen einige durch die Ebene sprangen, andere grasten oder in den von der Natur gebildeten Wiesen ruhten.

Ein oder zwei Tage lang am nördlichen Stromarm fortziehend und von den Moskitos und Büffelfliegen arg geplagt, erreichten sie am Abend des 17. einen kleinen, aber schönen Hain, aus welchem die verwirrten Töne von Singvögeln kamen, die ersten, die sie angetroffen hatten, seitdem sie über die Grenze von Missouri gekommen waren. Nach so manchen Tagen einer ermüdenden Reise durch eine nackte einförmige und stille Landschaft war es entzückend für sie, noch einmal den Gesang der Vögel zu hören und das Grün eines Haines zu ssehen. Es war ein schöner Sonnenuntergang. Der Anblick der glühenden Strahlen, welche die Baumspitzen und rauschenden Zweige vergoldeten, schien jedes Herz froh zu machen. Sie schlugen ihr Lager im Hain auf, zündeten ihre Feuer an und nahmen froh ihre einfache Mahlzeit ein, worauf sie sich dem süßesten Schlaf überließen, den sie seit ihrer Ankunft in den Prärien genossen hatten.

Das Land wurde nun schroff und uneben. Die Vorsprünge hoher Klippen gingen bis an den Fluss und zwangen die Reisenden bisweilen seine Ufer zu verlassen und ihre Richtung in das Innere zu nehmen. In einem der wilden und einsamen Pässe wurden sie durch die Fährte von 4 oder 5 Indianern erschreckt, von denen sie mutmaßten, dass sie Spione von einem Raublager, entweder der Arikara oder Crow sein könnten. Dieses nötigte sie, ihre Wachsamkeit bei Nacht zu verdoppeln und vorzüglich gute Aufsicht auf ihre Pferde zu halten.

In diesen ebenen und hoch liegenden Regionen sahen sie zum ersten Mal den schwarzschwänzigen Hirsch; eine Gattung, die größer als die gewöhnliche ist, und hauptsächlich in felsigen und gebirgigen Gegenden gefunden wird. Sie hatten ebenfalls eine große Büffelherde2 erreicht. Captain Bonneville stieg einen hohen Felsvorsprung hinauf, der eine weite Aussicht auf die umliegenden Ebenen bot. So weit sein Blick reichen konnte, schien die Gegend ganz geschwärzt von unzähligen Büffelherden zu sein. Keine Sprache, sagte er, könne eine hinlängliche Idee von der unendlichen, lebendigen Masse beibringen, die sich so seinem Blick dargeboten habe. Er bemerkte, dass die Ochsen und Kühe sich in abgesonderten Herden sammelten. Dem Lager dieses Platzes gegenüber befand sich eine sonderbare Erscheinung, die zu den Seltenheiten des Landes gehört. Man nennt sie Kamin. Der untere Teil besteht aus einem konischen Damm, der sich aus der nackten Ebene erhebt. Vom Gipfel schießt ein Schaft oder eine Säule ungefähr 120 Fuß in die Höhe, woher er seinen Namen hat. Die Höhe des Ganzen beträgt nach Captain Bonneville 175 Yard. Er ist aus verhärtetem Ton und abwechselnden Lagen von rotem und weißem Sandstein zusammengesetzt und kann über 30 Meilen weit gesehen werden.

Am 21. schlugen sie ihr Lager mitten unter hohen und überhängenden Klippen von verhärtetem Ton und Sandstein auf, welche Türmen, Schlössern und befestigten Städten ähnlich sahen. In einiger Entfernung war es kaum möglich, sich zu überzeugen, dass die Hand der Kunst nicht geholfen habe, diese grillenhafte Gebilde der Natur zu vollenden. Sie haben, eines traurigen Umstandes wegen, den Namen Scottsklippen erhalten.

Vor langen Jahren kam eine Partie vom oberen Fluss in Booten herab, als ihre schwache Barken umschlugen und all ihr Pulver verdarb. Ihre Büchsen wurden ihnen daher unnütz. Sie konnten sich mithin keine Nahrung durch die Jagd verschaffen und mussten sich zu ihrem Unterhalt auf Wurzeln und wilde Früchte verlassen. Nachdem sie außerordentlich vom Hunger gelitten hatten, kamen sie an die Gabel des Laramie River, ein kleiner Nebenfluss, der sich ungefähr 60 Meilen oberhalb der eben erwähnten Klippen in den nördlichen Arm des Platte River ergießt. Hier wurde einer von der Partie, namens Scott, von einer Krankheit befallen. Seine Begleiter mussten haltmachen, bis er entweder genesen sei oder sich wieder soweit erholt habe, um die Reise fortsetzen zu können.

Während sie sich ringsum nach essbaren Wurzeln umsahen, entdeckten sie eine frische Fährte von weißen Männern, die offenbar erst kurz vor ihnen dieses Weges gekommen waren. Was sollten sie tun? Durch einen angestrengten Marsch konnten sie die Partie einholen und so ihre Heimat sicher erreichen. Verweilten sie, so konnten alle vor Hunger und Erschöpfung umkommen. Scott war indessen unfähig, sich zu bewegen. Sie waren zu schwach, ihm fortzuhelfen, und fürchteten, dass eine solche Bürde sie hindern würde, die vorausgegangene Partie einzuholen. Sie entschlossen sich daher, ihn seinem Schicksal zu überlassen. Unter dem Vorwand nach Nahrung und Kräuter suchen zu gehen, die in seiner Krankheit wirksam sein könnten, verließen sie ihn und eilten der Fährte nach. Es gelang ihnen, die Partie, welche sie suchten, einzuholen, verheimlichten aber, dass sie Scott so treulos verlassen hatten, und gaben vor, dass er an einer Krankheit gestorben sei.

Als im folgenden Sommer dieselben Individuen diese Gegenden in Gesellschaft mit anderen besuchten, stießen sie plötzlich auf die gebleichten Gebeine und den grinsenden Schädel eines menschlichen Skeletts, das sie an gewissen Merkmalen für die Überreste von Scott erkannten. Dies war 60 Meilen weit von dem Platz, wo sie ihn verlassen hatten. Es scheint, dass der unglückliche Mann diese ungeheure Strecke fortgekrochen war, ehe der Tod seinem Elend ein Ende machte. Die schroffen und malerischen Klippen in der Nähe von seinem einsamen Grab haben seit dieser Zeit seinen Namen geführt.

In der Mitte dieser wilden und auffallenden Naturszene erblickte Captain Bonneville zum ersten Mal Herden von Dickhornschafen, ein Tier, das sich in großer Anzahl in diesen Klippen aufhält. Sie passen zu der Natur einer solchen Szene und tragen viel zu ihrer romantischen Wirkung bei, indem sie gleich Ziegen von Klippe zu Klippe springen und sich oft unter Anführung eines ehrwürdigen Patriarchen um die hohen Felsplatten der Gebirge scharen, dessen Hörner sich unter seine Schnauze herabwinden, bisweilen auch über den Rand der Abgründe schauen, so hoch, dass sie kaum etwas größer als eine Krähe erscheinen. In der Tat scheinen sie ihr Vergnügen daran zu finden, die schroffsten und furchtbarsten Plätze zu ihrem Standpunkt zu ersehen; ohne Zweifel aus einem Gefühl von Sicherheit.

Das Tier wird gewöhnlich das Gebirgsschaf genannt und häufig mit dem sogenannten wolligen Schaf verwechselt, das man nördlicher um das Gebiet der Flathead findet. Das Letztere bewohnt gleich falls im Sommer Klippen, steigt aber im Winter in die Täler herab. Es hat weiße Wolle gleich einem Schaf, die spärlich mit langen Haaren durchwachsen ist. Es hat aber kurze Beine, einen tief herabhängenden Bauch und einen Bart gleich einer Ziege. Seine Hörner sind ungefähr 5 Zoll lang, etwas nach hinten gekrümmt, pechschwarz und schön poliert. Seine Klauen sind von derselben Farbe. Dieses Tier ist keineswegs so tätig wie das Dickhorn. Es springt nicht viel, sondern sitzt meist auf seinen Hinterfüßen. Es ist auch nicht so häufig und wird selten mehr als zu zwei oder drei auf einmal beieinander gesehen. Seine Wolle allein gibt ihm eine Ähnlichkeit mit dem Schaf. Es gehört eigentlich mehr zum Ziegengeschlecht. Das Fleisch soll einen muffigen Geruch haben. Einige haben sein Fell für sehr schätzbar gehalten, da es so fein wie jenes der Ziegen von Kashmir sein soll. Man kann solche aber nicht in hinlänglicher Anzahl erhalten.

Das Argali oder Dickhorn hat im Gegensatz kurze Haare wie ein Hirsch und gleicht ihm an Gestalt, hat aber den Kopf und die Hörner eines Schafs. Sein Fleisch soll dem köstlichsten Hammelfleisch gleichkommen. Die Indianer halten es für süßer und schmackhafter als alles andere Wildbret. Es hält sich häufig in den Felsgebirgen auf, vom 50. Grad nördlicher Breite bis ganz herab nach Kalifornien gewöhnlich in der höchsten Region, die der Vegetation fähig ist. Bisweilen wagt es sich in die Täler hinab. Allein bei dem geringsten Lärmen eilt es zu seinen Lieblingsklippen und steilen Anhöhen zurück, wo es dem Jäger gefährlich, wo nicht unmöglich wird, ihm zu folgen.

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  1. Im 18. Jahrhundert war der Fluss bei den französischen Fellhändlern auch als Nebraska River bekannt.
  2. Von den amerikanischen Jägern uneigentlich so gennnt. Der Büffel der Prärien ist der Bisonochse.