Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Der Arzt auf Java – Erster Band – Kapitel 13

Alexander Dumas d. Ä.
Der Arzt auf Java
Ein phantastischer Roman, Brünn 1861
Erster Band
Kapitel 13

Mynheer Cornelis

In einer Art von Halle führte eine Truppe von Tänzerinnen einen Charaktertanz auf. Die Eigentümlichkeit der Kleidung dieser Frauen stand in nichts gegen die Eigentümlichkeit ihrer Tänze zurück. Ihre goldgestreiften Kleider lagen so fest an dem Körper an, dass sie alle Formen desselben zeigten. Silberne Bänder umschlangen ihre Taillen, schlank wie Rohr. Ihre nackten Arme traten aus den engen Leibchen hervor, die ihre Brust stark zusammenpressten. Ihre Arme bewegten sich langsam und schlangen sich mit allen Symptomen des Delirium, welches sich auch mit ergreifender Wahrheit durch ihre wollüstigen Stellungen und die schaukelnden Bewegungen ihres Körpers aussprach. Ihre Finger, mit außerordentlicher Beweglichkeit gerührt, schienen die verschiedenen Phasen einer zügellosen Leidenschaft zu bezeichnen. Verworrene Gesänge, unartikulierte Töne steigerten noch die geheimnisvolle Wirkung dieser Bewegungen. Die Zuschauer folgten, teils sitzend, teils stehend, mit gespannter Neugier allen ihren Wendungen.

Die Zuschauer boten durch die Verschiedenheit ihrer Kleidung, ihres Standes und ihres Alters dem Beobachter ein nicht minder interessantes Schauspiel, als das des Ranguns selbst. Es gab hier Repräsentanten aller Völkerschaften des Kontinents und des indischen Archipels, javanische Herren in ihren langen seidenen Sacongs, an der Seite bewaffnet mit dem Kris, dessen Griff von Diamanten funkelte, und Bauern, eingehüllt in ein Stück groben Batist, den Kopf bedeckt mit einem kugelförmigen Hut. Der chinesische Bankier drängte sich zwischen den Kulis und den Lastträgern des Hafens hindurch. Die europäischen und malayischen Matrosen waren zahlreich vertreten und hier und da wurde diese Masse durch einige Kolonisten und einige Fremde bunt gefärbt, welche entweder die Neugier oder die Gewohnheit hierher zog.

Im Allgemeinen war es der Tanz, welcher das Lieblingsschauspiel der Eingeborenen zu sein schien. Sie nahmen offenbar die lebhafteste Teilnahme an der lebendigen und glühenden Dichtung der Wollust, welche diese Frauen vor ihnen mimisch darstellten. Für sie war diese magnetische Verdrehung der Arme, dieser auf der Schulter umherdrehende Kopf, als wäre er seinem eigenen Gewicht überlassen, dieser entzückte Ausdruck der Augen, dieses unbemerkliche Wiegen des Körpers, dieses schnelle, nie gesehene krampfhafte Bewegen der Finger, in welches sich die ganze Tätigkeit des Lebens geflüchtet zu haben schien, ein mystischer Gesang, dessen verschiedene Phasen sie erkannten.

Die Chinesen, welche positiverer Natur sind, gaben sich ihrer wahnsinnigen Leidenschaft für das Spiel hin. Sie verfolgten mit einer gierigen und fieberhaften Angst das Rollen der Würfel. Das Kupfer floß in Strömen und der unbarmherzige Bankier plünderte die in Lumpen gekleideten Unglücklichen aus.

Gleich den Javanern war Herr Maes voll Entzücken über das wollüstige Schauspiel des Tanzes der Ranguns, aber Eusebius konnte durch nichts von seinem Gedanken abgelenkt werden. Sein Blick suchte unter allen Gruppen den merkwürdigen Hindu, dessen Worte auf eine so lebhafte Weise seine Neugier gereizt und sein Herz zu schnelleren Schlägen gebracht hatten.

»Sehen Sie ihn nicht?«, fragte er seinen Begleiter.

»Wen denn? Die Cradilla?«, antwortete dieser, indem er auf eine Tänzerin deutete, welche durch ihre Rolle in der Pantomime zu einer Art von Solo berufen war. »Ja, gewiss sehe ich sie. Ich finde sie schön, ungeachtet ihrer orangefarbenen Haut und den Ringen in ihren Nasenlöchern. Nein, nie erschien ein friesisches Mädchen mir so reizend.«

»Ich spreche nicht von dieser Rangun, sondern von Harruch. Wo ist er?«

»Ei zum Teufel, suchen Sie ihn, mein junger Freund. Harruch, der war eben gut genug, aber wenn die Ranguns tanzen, könnte man mir sagen, der Generalgouverneur verlangte mich zu sprechen, das Feuer hätte mein Haus ergriffen oder die Javaner äscherten alles ein und ich würde mich nicht vom Platz rühren. Gehen Sie zur Opiumraucherei. Dort werden Sie ihn finden. Er kennt die Entzückungen dieses Genusses, der Schelm.«

Herr Maes überließ sich wieder seinen Betrachtungen. Sein dicker Kopf schlug selbst den Takt und verfolgte in allen Drehungen den Rhythmus, den die Ranguns ihren Körpern verliehen.

Eusebius verzweifelte daran, mehr von ihm zu erlangen, und ging zur Opiumraucherei. Diese bestand in einer Reihe von Hütten, welche an die Umhegungsmauer angelehnt waren. Mehrere dieser Gemächer waren geschlossen. In anderen bemerkte man auf der Matte, welche das ganze Mobiliar bildete, ein kauerndes Individuum, welches alle Phasen des Traumes, der Trunkenheit, der Wut, der Kämpfe durchmachte, die das mächtige Narkotikum des Opiums erregt.

In einer dieser Hütten erkannte Eusebius seinen Inder. Er trat ein und setzte sich neben ihm auf die Matte.

Harruch hielt in der Hand eine kleine Pfeife von versilbertem Kupfer, deren Kopf die Gestalt und die Größe eines kleinen Fingerhutes hatte. Er stopfte sie mit einer bräunlichen Substanz voll, sog davon einige Atemzüge ein und warf sich dann auf der Matte hinten über, ergriffen von einer Art von Extase.

Einen Augenblick zuvor, ehe Eusebius in diese Zelle eindringen wollte, fühlte er sich am Rockschoß zurückgezogen. Er wandte sich um und erblickte einen javanesischen Bettler in einem zerlumpten Sacong.

»Weißer Herr«, sagte dieser Mann, indem er dem Europäer die Hand hinstreckte, »habt Mitleid mit einem armen Unglücklichen, den Buddha mit dem Schwindel schlug, und der sein letztes Geld unter der Krücke des Chinesen ließ.«

Ebenso sehr aus Mitleid mit dem Elendem als in dem Wunsch, sich seiner zu entledigen, gab Eusebius ihm, was er erbat. Der Javaner bedeckte sich den Kopf mit einem Zipfel der Lumpen, die ihm zur Kleidung dienten, und sagte zum Zeichen der Dankbarkeit mit leiser Stimme: »Die Hoffnung des Heiles steige hernieder vom Berg Sumbing und bewahre den Tuan (weißen Mann) vor bösem Zauber.«

Beim Beginn der Trunkenheit, welcher Harruch sich hingeben wollte, hatte er noch genug Fassungsvermögen behalten, um den Sinn der Worte zu erkennen, welche der Javaner sagte.

»Wirst du gehen, Freund, Sohn eines Freundes?«, rief er dem Bettler zu, der sogleich in der Dunkelheit verschwand. »Und Ihr, Saheb, schämt Ihr Euch nicht, Euer Geld diesem niedrigen Geschöpf zu geben, welches es sogleich der Gier des Chinesen zur Beute hinwerfen wird?«

Dieser Ermahnung des Hindu gegenüber, welcher sich einer der schmachvollsten Leidenschaften überließ und dennoch die des Javaners verurteilte, konnte Eusebius sich des Lachens nicht enthalten, wie ernst auch seine Gedanken waren.

»Aber mir scheint«, sagte er, »dass du selbst, Harruch, einen ziemlich schlechten Gebrauch vom Geld gemacht hast, das ich dir soeben gab.«

Harruch zuckte verächtlich die Achseln.

»Ich«, sagte er, »werde sogleich vor Gott sein und gleich den Göttern und mit ihnen werde ich von dem Himmel zur Erde hinab- und von der Erde zum Himmel hinaufsteigen.«

Indem er diese Worte sprach, füllte er aufs Neue seine Pfeife mit Opium gemischtem Tabak und reichte sie Eusebius.

»Macht es so wie ich«, sagte er, »und gleich mir werdet Ihr dann sehen, was nur für die Augen der Geister geschaffen wurde.«

Eusebius wies sanft die Pfeife zurück, welche der Hindu ihm bot. Dieser, dessen Hirn die Überreizung des Narkotismus zu fühlen begann, murmelte mit einer Stimme, welche zugleich etwas vom Gespräch und einer Art von Psalmodieren hatte: »Die Sonne ist die Mutter des Feuers und das Feuer ist der Gott der Menschen. Sein flammender Hauch treibt die Liebe durch ihre Adern, die Liebe, welche das Leben befruchtet, die gleich dem Feuer läutert und schafft.«

»Sprich, Harruch«, sagte Eusebius, welcher zitterte, die Betrunkenheit des Hindu möchte so groß sein, dass sie ihn verhinderte, auf die Frage zu antworten, die er an ihn zu richten vor Verlangen brannte.

»Antworte mir und du sollst eine Belohnung empfangen, die im Verhältnis zum Dienst steht, den du mir geleistet haben wirst. Du kanntest Basilius, den weisen Arzt?«

»Die Wissenschaft erhält sich durch das Schweigen. Der weise Mensch ist der, welcher zu schweigen weiß«, antwortete Harruch, »und der Hindu gilt für einen Weisen unter den seinen.«

»Sage mir, was du von dem Doktor weißt, und du sollst dich über meine Freigebigkeit nicht zu beklagen haben. Sprich, Harruch, ich beschwöre dich.«

»Der holländische Saheb hat gesagt, er würde sein Herz bezwingen«, antwortete der Hindu, indem er seinen psalmodierenden Ton wieder annahm. »Der holländische Saheb hat geschworen, die Regungen der Liebe, die uns verzehrt, zu bezwingen! Der Saheb ist ein Unsinniger. Verrückt ist der, welcher behauptet, der Herr des Feuers werden zu können, welches unser aller Herr ist. Verrückt ist der, welcher den Flammen, die die Jungen verbrennen, zuruft: Du sollst dies verbrennen und nicht weitergehen!«

Diese Worte, welche unter ihrer rätselhaften Form einen Sinn verbargen, über den Eusebius sich nicht täuschen konnte, ergriffen ihn lebhaft. Er wollte vom Hindu nähere Erklärungen verlangen, aber der Dunst des Opiums verdunkelte allmählich das Gehirn Harruchs. Seine Augen wurden starr, gläsern, funkelnd und irre. Aus seinen vertrockneten Lippen rang sich einschneidendes Röcheln hervor, welches nichts Menschliches hatte. Vergebens befragte Eusebius den Gübern. Dieser antwortete ihm nicht mehr; die Extase, in der er sich befand, nahm bestimmte Formen an und sein bewegliches Gesicht verriet all die verschiedenen Gefühle, die er durchmachte.

Eusebius wollte die Zelle verlassen, als er ein lautes Geräusch an der Tür vernahm. Im Augenblick, als er den Fuß auf die Schwelle setzte, bemerkte er den Notar Maes, der, begleitet von zwei ihm unbekannten Männern, auf ihn zukam.

»Nun«, rief der Notar seinem jungen Klienten zu, »was sagen Sie von Mynheer Cornelis? Wollen Sie noch immer die lustige Stätte fliehen oder finden Sie gleich mir, dass es nichts Besseres gibt, als unter solchen Lustbarkeiten einen Tag der Arbeit zu beschließen?«

»Alles, was ich hier erblickte, ist wenig nach meinem Geschmack, wie ich Ihnen gestehen muss, Herr Maes«, erwiderte Eusebius, »und dennoch werde ich Mynheer Cornelis nicht eher verlassen, bis ich einige Augenblicke mit Harruch habe sprechen können.«

»Teufelsbraten! Dann müssen Sie ein wenig Geduld haben. Denn wenn ich mich nicht täusche, hat der Schelm sich seinem Lieblingslaster hingegeben und es wird längere Zeit verfließen, ehe er aus den Wolken, durch die er in diesem Augenblick hingaloppiert, müde auf die Erde zurückkehrt!«

»Wie lange kann diese Trunkenheit dauern?«

»Ein oder zwei Stunden, aber wenn er daraus erwacht, befindet er sich in einem Zustand der Erschöpfung und der Betäubung, der es ihm unmöglich macht, Ihnen zu antworten.«

»Wo kann ich ihn morgen finden?«, sagte Eusebius, der nicht böse gewesen wäre, Mynheer Cornelis zu verlassen und das Schauspiel dieser zügellosen Leidenschaften zu fliehen, so groß auch sein Verlangen war, die Verbindungen kennenzulernen, welche zwischen Harruch und Basilius bestanden haben konnten.

»Wo Sie ihn finden?«, erwiderte Herr Maes, »fragen Sie mich, wo Sie morgen die Wolke finden, die in diesem Augenblick über die Silberscheibe des Mondes hingleitet, und ich könnte Ihnen ebenso gut auf die eine wie auf die andere Frage antworten. Harruch gleicht dem Sumpfvogel. Er geht und kommt, ohne dass man jemals weiß, welcher Tag ihn verschwinden sehen, welcher Wind ihn wieder zu uns zurückführen wird. Warten Sie daher, bis einige Stunden nach seiner Betäubung verflossen sind, und diese Stunden werden Ihnen nicht mehr lang erscheinen, wenn Sie dieselben lustig in unserer Gesellschaft zubringen.«

»In Ihrer Gesellschaft?«

»Ja, mit uns, denn ich habe hier, mein Herr van der Beek, zwei lustige Brüder rekrutiert, die besser als irgendjemand geeignet sind, der Zeit die Flügel zu kürzen. Gestatten Sie mir, Freund, Ihnen, als ob wir in unserer guten Stadt Amsterdam wären, Ti-Kai vorzustellen, einen reichen Chinesen, der in der Nähe von Mynheer Cornelis etabliert und mein vertrauter Freund ist.«

Der Chinese streckte die Hand aus, welche Eusebius ziemlich verdrießlich drückte. Der Notar, welcher einen Schritt zur Seite trat, zeigte die zweite Person, die er mit sich gebracht hatte.

Dieser war ein Javaner von kaum 30 Jahren, gekleidet in ein ausgezeichnetes reiches Nationalkostüm. Seine Kopfbekleidung, sein Dolch und seine Babuschen waren mit Diamanten bedeckt.

»Glauben Sie nicht«, fuhr der Natur fort, »dass Sie die Nacht in schlechter Gesellschaft zubringen sollen. Ich habe Ihnen Plutus unter der Gestalt dieses dicken Chinesen mit den aufgedunsenen Wangen, der blauen Toja und der geflochtenen Mähne vorgestellt und mache Sie jetzt mit einem Oedasi-Halbgott des alten javanischen Bodens bekannt. Dies ist Tuan Thsermai, Aria Karta di Bantane, der Abkömmling der alten Soesoenans oder Sultans von Java, der trotz der Bedaya, welche die Langeweile seiner Vorfahren vertreiben, gleich mir diesen Abend gefunden hat, dass in Beziehung auf den Tanz für alle Welt die Ranguns weder minder verführerisch noch minder schön sind.«

Der Javaner, dessen Herr Maes erwähnte, mochte, wie gesagt, 30 Jahre alt sein. Seine Stirn war offen, seine Haare schwarz und kraus, sein Gesicht regelmäßig schön; aber der scharfe Schnitt seiner Adlernase, die schmalen Lippen, welche beinahe immer zurückgezogen waren und kleine spitze Zähne von blendender Weiße zeigten, verliehen seiner Physiognomie eine entfernte Ähnlichkeit mit der eines Raubtiers.

Er folgte nicht dem Beispiel, welches der Chinese ihm gegeben hatte. Statt Eusebius die Hand zu reichen, begnügte er sich damit, leise mit dem Kopf zu nicken, worauf er sich zu dem Notar wendete und sagte: »Das ist der Mann des Testaments?«

Er lächelte dabei auf eine eigentümliche Weise und sprach so leise, dass Eusebius seine Worte nur halb verstehen konnte. Der Notar antwortete bejahend und mit dem Ausdruck übler Laune. Er erinnerte sich des der Madame van der Beek gegebenen Versprechens, ihrem Mann die sonderbare Klausel zu verschweigen, die der Doktor seiner Wohltat hinzugefügt hatte.

»Von welchem Testament spricht dieser Mensch?«, fragte Eusebius, indem er sich des Armes des Notars bemächtigte und den Chinesen und den Javaner vorangehen ließ.

»Ei, zum Henker, von dem Ihres Oheims!«

»Was ist denn daran so sonderbar, dass es zur Kenntnis aller Welt gelangt?«

»Zum Teufel«, sagte der Notar, »man macht dergleichen nicht alle Tage.«

»Herr Maes«, sagte Eusebius, dem der ironische Blicks auffiel, welchen das Gesicht des Notars angenommen hatte. »Herr Maes, Sie haben mir etwas verborgen. Im Namen des Wohlwollens, welches Sie mir zeigten, im Namen meiner Rechte, wenn es sein muss, fordere ich Sie auf, mir die Wahrheit zu sagen.«

»O, bei tausend Hüten Zucker!«, erwiderte der Notar voll Ungeduld, »was wir hier sprechen, ist schmachvoll für die Echos des Mynheer Cornelis. Wollen Sie denn, dass sie die hässlichen Worte vom Gerichtsverfahren statt der süßen oder lärmenden Äußerungen wiederholen, an die sie gewöhnt sind? Kommen Sie morgen auf mein Kontor und meiner Treu, wenn Sie es durchaus wissen wollen, sollen Sie es erfahren.«

»Nein, Sie werden mit mir nach Weltevrede zurückkehren und während des Weges mir mitteilen, um was es sich handelt.«

»Mynheer Cornelis zu dieser Stunde verlassen? Während der französische Wein sich in dem Eis abkühlt, während lustige Genossen auf mich zählen? Ei, was fällt Ihnen ein, mein lieber Herr?«

»Sie werden doch nicht einen Mangel an Rücksichten gegen den schmutzigen Chinesen und einen vorgeblichen Abkömmling der Soesoenans mit einem Dienst vergleichen, den ein Landsmann, ein Freund, von Ihnen erbittet?«

»Zum Teufel mit dem Doktor Basilius!«, rief der Notar, indem er voll Verzweiflung mit der Hand durch die Haare fuhr. »Der Mensch hat das Mittel ausfindig gemacht, die Leute selbst noch nach seinem Tod zu quälen. Doch lassen Sie sehen. Es wäre möglich, alles miteinander zu vereinigen. Ich bin Ihnen in der Tat die Wahrheit schuldig, denn früher oder später müssen Sie doch von der Annahme des Testaments durch Madame van der Beek unterrichtet werden. Nun wohl, essen Sie mit uns zu Abend und ich werde Ihnen die Sache erklären. Übrigens sind so sonderbare Verfügungen wohl wert, unter der Begleitung dieses Lärmes, mitten unter Gelächter und Tanzen, besprochen zu werden.«

»Aber Esther erwartet mich!«, sagte Eusebius, dessen Zärtlichkeit für seine Frau durch das Verlangen bekämpft wurde. Harruch wieder zu sehen sowie durch die Neugier, zu hören, was der Notar ihm mitzuteilen hatte.

»Ei, Ihre Esther wird nicht böse sein, wenn Sie etwas weniger sorgenvoll zurückkehren, als gewöhnlich. Kommen Sie also und es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn Sie nach dem Dessert, welches Ihnen dieser holländische Doktor dem Inhalt seines Testaments vorsetzt. Nicht nach Hause zurückkehren, lachend wie ein Buckliger oder wie ich.«

Eusebius ließ sich bereden und folgte dem Notar. Beide erreichten den Chinesen und den Javaner und schritten einer Ecke des Platzes zu, in welcher man ein kleines, glänzend beleuchtetes Haus bemerkte.

Während des Weges kam der Bettler, dem Eusebius ein Almosen gegeben hatte, auf sie zu, als wollte er noch einmal mit diesem sprechen. Im Vorübergehen streifte er die Kleidung des Tuan Thsermai. Der Javaner erhob eine Gerte von Rhinozerosschweif, die er in der Hand hielt und ließ sie auf die Schultern des armen Teufels niederfallen, der einen Schmerzensschrei ausstieß.

»Weshalb schlagen Sie so diesen Menschen?«, fragte van der Beek, von Mitleid ergriffen.

»Und mit welchem Recht fordern Sie eine Erklärung meiner Handlung?«, fragte der javanesische Prinz mit mürrischem Ton.

»Mit dem Recht, das ein Mensch von Herz hat, den Schwachen zu verteidigen, den der Starke unterdrückt.«

»Das ist eine schwere Aufgabe, die Sie sich da stellen«, erwiderte der Eingeborene mit dem Ausdruck der größten Bitterkeit. »Mir hätte es geschienen«, fuhr er höhnisch lachend fort, »Sie müssten genug damit zu tun haben,, sich selbst zu verteidigen, statt sich für diesen gemeinen Sprössling eines verworfenen Geschlechtes zu verwenden.«

»Alle Menschen sind gleich, alle Menschen sind Brüder«, entgegnete der Europäer.

»Nein«, entgegnete Thsermai, »die Menschen sind nicht gleich und die Menschen sind nicht Brüder. Der Beweis ist, dass die Europäer, Ihre Landsleute, auf dem Kontinent als auch im Archipel die freien und rechtmäßigen Besitzer des von Gott gesegneten Bodens, welchen die Sonne drei Mal befruchtet, beraubt haben. Es kleidet einen der Menschen, welche unser Land unterjochen, wohl, es unrecht zu finden, dass Tuan Thsermai, dessen Vorfahren groß unter seinem Volk waren, einen der Untertanen züchtigt, den ihre Habgier ihnen gelassen hat.«

»Thsermai, Thsermai!«, rief der Notar, welcher die Strenge kannte, mit der die holländische Regierung bei den Eingeborenen jede Regung der Unabhängigkeit unterdrückte und der deshalb sehr erschrocken über die Wendung war, die das Gespräch nahm.

»Ich bin nicht mehr dein Untertan«, sagte der Bettler, »ich bin ein treuer Anhänger Buddhas. Deine Vorfahren haben die meinen vom Gehorsam freigesprochen, den sie ihnen gelobten, indem sie ihren Gott für den des Islam verlängerten — sie haben ihr Land den Männern des Okzident verkauft. Der Bauer folgt dem Boden, der seine Mutter ist, und ich gehöre dir nicht mehr! Was dich betrifft, und ungeachtet all deiner Arglist, ungeachtet deines falschen Scheines, schließest du Verträge und handelst mit den Herren. Wenn selbst die Insel wieder frei würde, so wärest du dennoch unwürdig, auf dem Thron den Rang einzunehmen, den deine Väter bekleideten.«

Der javanesische Prinz schäumte vor Wut und wollte sich auf den Bettler stürzen. Der Notar Maes und der chinesische Kaufmann hatten die größte Mühe, ihn zurückzuhalten. Da näherte der Mensch in Lumpen sich Eusebius.

»Soeben«, sagte er, »legtest du mir die Freude und die Hoffnung in die Hand, ohne zu fragen, ob ich davon einen guten oder einen schlechten Gebrauch machen würde. Du hast dich jetzt zwischen meinen Rücken und den Stock des Rajah gelegt. Das sind zwei Dienste, die deine Großmut in mein Herz legte. Sie werden darin Keime schlagen und das große Gestirn der Dankbarkeit hervorbringen«.

Der elenden Lage des Redenden wegen zögerte Eusebius, ihm zu antworten. Der Bettler erkannte den Grund seines Schweigens.

»Buddha«, sagte er, »der nicht will, dass der Same, den der Wind in seinem Wirbel fortträgt, verloren gehe und der stets einen Winkel der Erde zu seiner Aufnahme bereitet, wird nicht dulden, dass deine gute Handlung ohne Belohnung bleibe. Ich vertraue auf die Macht Buddhas und bin bereit an dem Tag, an welchem er mir sagte: Der Tag der Ernte ist gekommen. Der, welcher gesät hat, will ernten. Du musst hundertfach vergelten, was du von ihm empfangen hast.«

Indem der Bettler diese Worte sprach, welche Eusebius nur geringe Aufmerksamkeit richtete, entfernte er sich mit großen Schritten, während zu gleicher Zeit Eusebius Gesellschaft sich diesem nähern.

»Zum Teufel«, sagte der Notar, »noch nie hat mir ein Abend so viel Böses zu schlucken gegeben, wie dieser. Ich möchte, er wäre ganz der Freude gewidmet und mir scheint, als sich ein böser Geist Vergnügen daran, alle meine schönen Pläne zu stören. Lassen Sie uns eintreten, ein Becher französischen Weines wird das alles vergüten und meine Freunde, van der Beek und Se. Excellenz der Tuan Thsermai werden unter dem wohltuenden Einfluss des Necktars nur noch daran denken, sich die Hände zu reichen.

Der Tisch war in einer Art von Häuschen gedeckt, welches aus ebenso vergänglichen Materialien ausgeführt war, wie die Hütte, in der wir Harruch, den Schlangenbeschwörer, Opium einsaugen sahen. Aber das Häuschen war mit einer Sorgfalt und einem Geschmack eingerichtet, welche bewiesen, dass es ebenso für Europäer wie für die reichen Eingeborenen bestimmt war, die Mynheer Cornelis besuchten.