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Romantruhe-Western Band 29

Hal Warner
Romantruhe-Western Band 29
Entscheidung im Comanchenland

Western, Paperback, Romantruhe, Kerpen-Türnich, August 2018, 68 Seiten, 4,95 Euro, Titelbild: Firuz pojular
www.romantruhe.de

Kurzinhalt:
Einsam und ruhelos reitet James Hickoran durch die endlos weiten Prärien von Kansas. Dies ist die große Zeit der Büffeljäger, und James Hickoran war bis vor wenigen Wochen einer von ihnen.
Jetzt aber jagt er keine Büffel mehr. Hickoran sucht die Fährte eines ganz bestimmten Mannes, den er gnadenlos zur Rechenschaft ziehen will.

Der Mann, den James Hickoran sucht, ist sein Bruder Ballard, der schon zahllose Menschen ins Unglück gestürzt hat.
Und im Comanchenland fällt eine bittere Entscheidung.

Leseprobe:

James Hickoran zügelte auf einer Bodenwelle seinen Pinto und lauschte.

Flussabwärts, nicht viel weiter als eine halbe Meile entfernt, war das Dröhnen großkalibriger Sharps-Büchsen zu hören.

»Dort sind Büffeltöter am Werk«, murmelte er, wobei er seinem Pferd den schlanken Hals tätschelte. »Mal sehen, ob die uns was sagen können.«

Er trieb den Pinto wieder an und folgte weiter dem von Bäumen und Buschwerk gesäumten Flussufer.

Vor ihm krachten noch immer die Gewehre. Es verging kaum eine Sekunde, in der nicht eine Sharps wie mit Kanonendonner detonierte. Die Büffeljäger schienen reiche Beute zu machen.

Da und dort schimmerte das Wasser durch das graugrüne Geäst. Wasser, das braun und trübe war und über dem Mückenschwärme tanzten. Büffel, die flussaufwärts zur Tränke gekommen waren, hatten den Uferschlamm aufgewühlt.

James Hickoran saß locker im Sattel. Schweißtropfen glänzten in seinem von der Sonne gebräunten Gesicht.

Nicht weit vor ihm kreisten Geier am Himmel. Krächzend glitten sie tiefer und entschwanden hinter den Baumkronen seinen Blicken. Sie waren für James ein ebenso gewohntes Bild wie die gebleichten Büffelgerippe, die überall die Prärie verunzierten.

Als er um eine Flussbiegung kam, wehte ihm beklemmender Verwesungsgeruch entgegen. Hier lagen erschossene Bisons so dicht beieinander, dass man von einem zum anderen hätte springen können, ohne mit den Füßen die Erde zu berühren.

Einige Kojoten flüchteten von einem Aasklumpen weg ins nahe Gebüsch. Sie waren so vollgefressen, dass ihre Bäuche fast am Boden schleiften. James schenkte ihnen keine Beachtung und ritt mit gerümpfter Nase weiter.

Nach einer Weile verstummte das Schießen. Die Jäger hatten offenbar genug Büffel getötet und mussten nun mit dem Abhäuten beginnen; denn was sie heute nicht mehr schaffen konnten, würde morgen zu einer erschwerten und widerlichen Arbeit werden, weil die Kadaver schon am nächsten Tag aufgebläht waren.

James passierte eine Gruppe weitausladender Cottonwoods und sah dann plötzlich das Camp vor sich. Vier Wagen standen in der Nähe des Flusses auf einer Grasfläche. Während es sich bei dreien um schwere Murphy-Schoner handelte, die zum Befördern der Büffelhäute dienten, war der Vierte leichter und beweglicher. Es war der Küchenwagen, neben dem ein knisterndes Feuer brannte.

Der Verwesungsgestank war hier kaum zu spüren. Stattdessen strömte James der Duft von gebratenem Speck entgegen. Er sah einen Mann am Feuer und eine Frau, die beim Küchenwagen hantierte.

Hinter dem Lager weitete sich die mit toten Bisons bedeckte Prärie. Im Hintergrund, als dunkle Linie erkennbar, stand die Büffelherde. Es war ein Meer aus durcheinanderwogenden, zottigen Leibern. Eine Unzahl von Bisons, die etwas erschreckend Wildes an sich hatte und dennoch so großartig wirkten wie kaum ein zweites Geschöpf in freier Natur.

Es mussten Zehntausende sein. Eine gewaltige Herde, der verschiedene Jägertrupps seit Wochen auf den Fersen waren, um täglich mehrere Hundert von den Tieren zu töten. Trotzdem hatte sich diese Herde noch nicht gelichtet.

James Hickoran jedoch wusste, dass die Bisons bei Weitem nicht mehr so zahlreich waren wie in den vergangenen Jahren. Die Fleischbeschaffer der Bahnbauer hatten bereits vor Jahren barbarisch die Herden vermindert.

Er blickte wieder zum Chuckwagen, wo man sein Kommen bemerkt hatte.

Die Frau rief dem Mann am Feuer etwas zu und wies mit ausgestreckter Hand in James’ Richtung. Der Mann ging daraufhin zu ihr hinüber.

Er schien ein schlimmes Bein zu haben, denn sein Gang war hinkend. Über das herabgelassene Schlussbrett hinweg langte er in den Wagen und brachte ein Gewehr zum Vorschein, das er auf Hickoran anlegte.

»Das ist weit genug!«, rief er, als James nur noch zwölf oder fünfzehn Yard vom Küchenwagen entfernt war.

James zügelte seinen Wallach und setzte sich im Sattel gerade, wobei er es vermied, seine Hände in die Nähe seiner Waffen zu bringen.

»Wer sind Sie?«, forschte der Hinkende.

»Mein Name ist Hickoran. James Hickoran.«

»Und was wollen Sie?«

»Ich suche meinen Bruder.«

»So? Den werden Sie hier nicht finden, schätze ich«, brummte der Oldtimer abweisend.

»Er sieht nicht übel aus«, sagte zu ihm die Frau. »Lass ihn herkommen, Will.«

Will Denver winkte daraufhin mit der Linken und rief: »Lass dich aus der Nähe ansehen, Hickoran!«

Da legte James die kurze Strecke zurück, die ihn noch vom Lager der Büffeljäger trennte. Zwischen dem Feuer und dem Küchenwagen zügelte er den Pinto und tippte mit zwei Fingern grüßend an seinen Hut.

»Sie suchen also Ihren Bruder?«, fragte die Frau, nachdem sie den AnkömmIing ausgiebig gemustert hatte.

James nickte.

»Ja, Ma’am. Ballard sieht mir sehr ähnlich. Er ist nur etwas größer als ich und zwei Jahre jünger.«

»Ich habe ihn nicht gesehen. Aber hier kommt mein Mann. Fragen Sie ihn, er ist der Wagenboss.«

Nahender Hufschlag verkündete die Ankunft eines Reiters. Ein Mann mittleren Alters jagte auf einem Rappen ins Camp. Er parierte das Pferd und rutschte aus dem Sattel. Dann betrachtete er den breitschultrigen Fremden von oben bis unten.

James fiel auf, dass die Leute sehr misstrauisch waren. Will Denver hatte noch immer sein Gewehr auf ihn gerichtet. James wandte sich an den Anführer der kleinen Mannschaft und wiederholte seinen Namen und die Frage nach seinem Bruder.

»Ich heiße Claflin Rennahan«, stellte sich daraufhin der Jäger vor. »Wenn Sie Kaffee woIlen, wird Ihnen meine Frau welchen geben. Will, nimm endlich die Knarre weg!«

Der Hinkende ließ das Gewehr sinken, und die Frau füllte zwei Becher mit schwarzem Kaffee.

James Hickoran stieg ab und klopfte sich den Staub von seinem Hirschlederanzug.

»Sie sind weit geritten«, meinte Rennahan bedächtig.

»Ja«, erwiderte James. »Ich war fast den ganzen Tag im Sattel.«

Rennahan ließ keinen Blick von ihm. Er schob seinen Hut in den Nacken und fragte: »Sieht Ihnen Ihr Bruder sehr ähnlich, Hickoran?«

»Ja.« James nickte.

»Und Sie selbst waren vor einer Woche nicht in Fort Gibson?«

»Nein.«

»Dann habe ich Ihren Bruder gesehen. Er war in BegIeitung einiger Männer und hat wie ich BüffeIhäute verkauft.«

James verbarg nur mühsam seine Erregung.

»Wissen Sie sonst noch etwas über ihn?«, fragte er. »Ich meine, wo sich mein Bruder im Augenblick aufhalten könnte?«

»Leider nein.«

»Schade. Na, macht nichts. Ihre Auskunft ist für mich trotzdem wertvoll. VieIen Dank, Rennahan.«

»Keine Ursache.«

Rennahans Frau brachte den Kaffee. Dankend nahm James den Becher entgegen.

»Ich bin flussaufwärts auf mehrere Jägermannschaften gestoßen«, sagte er, als er einen Schluck getrunken hatte. »Sind auch flussabwärts welche?«

»Ja«, antwortete Rennahan. »Aber ich kenne die Leute nicht. Sehen Sie sich die Camps an. Vielleicht treffen Sie Ihren Bruder in dem einen oder anderen.«

James nickte. Er trank den Becher leer und gab ihn der Frau zurück. »Besten Dank, Ma’am! Der Kaffee war ausgezeichnet!«

Die Frau lächelte geschmeichelt.

»Sie können mit uns auch zu Abend essen«, sagte Claflin zu Hickoran. »Das dauert allerdings noch zwei Stunden. Haben Sie es sehr eilig?«

»Nein. Ich nehme gern an. Aber ich will mir mein Essen verdienen. Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich beim Abhäuten der Büffel helfe?«

»Nicht das Geringste«, antwortete der Jägerboss grinsend. »Wir haben gestern bis Mitternacht geschuftet. Vielleicht werden wir heute früher fertig, wenn Sie uns helfen.«

»Da können Sie ganz sicher sein. Also dann, machen wir uns gleich an die Arbeit.«

Rennahans Crew bestand aus insgesamt acht Leuten. Als sich James Hickoran und sein BegIeiter bei einer Gruppe toter Büffel von den Pferden schwangen, kamen einige der Jäger auf sie zu. Rennahan stellte James vor, und die Männer hegrüßten ihn nach anfänglichem Misstrauen freundlich und stellten die üblichen Fragen. Dann verteilte sich die Mannschaft über das Grasland.

James nahm sich einen riesigen Büffelbullen vor, der noch im Tode furchterregend aussah. Gekonnt setzte er das Reißmesser, das ihm Rennahan gegeben hatte, unter die zolldicke Haut und spaltete sie. Dann löste er die Haut vom Fleisch, und schon nach zwei Minuten zog er sie dem Bullen über die Ohren.

Er nantierte so schnell und geschickt, dass es aussah, als wäre das Abhäuten eines Büffels ein Kinderspiel. Dabei war das eine Arbeit, die einem Mann alle Kräfte abverlangte.

James ging zum nächsten Büffel. Wieder war er mit ihm nach wenigen Minuten fertig. Sein Pinto graste inzwischen seelenruhig in der Nähe. Er war den Anblick von Büffeln längst gewöhnt und hatte keine Angst mehr vor ihnen. Als eine Stunde vergangen war, hatte James fast zwanzig Häute abgezogen. Sein Tempo versetzte die Jäger in Erstaunen und eiferte sie an. So Ieisteten sie an diesem Tag auch selbst mehr.

Einmal hielt James inne, um sein Messer zu wetzen. Er sah Will Denver, der mit einem Korb umherwanderte, den toten Büffeln die Zungen herausschnitt und dann ins Lager zurückkehrte. James machte weiter und kam schließlich in Rennahans Nähe.

»Noch mehr Arbeit?«, fragte er ruhig.

Rennahan richtete sich schwitzend auf.

»Nein, das hier war der letzte Büffel.«

»Dann können wir ja Feierabend machen. Schätze, es wird bald dunkel sein.«

Rennahan wischte sich den Schweiß von der Stirn und blickte James bewundernd an.

»Alle Achtung, mein Freund. Sie haben mehr geschafft als jeder von uns, machen aber den Eindruck, als hätten Sie soeben ein Schläfchen gemacht. Sie sind wohI selbst Büffeljäger?«

»Ich war im Vorjahr oben am Platte River«, antwortete James.

»Und jetzt?«

»Bis vor wenigen Wochen bin ich mit Häutetransporten zur Santa-Fé-Bahn gefahren. Ich mache mir nichts mehr aus der Jagd. Mir tun die Büffel leid. Was hier überall geschieht, ist eine Schlächterei.«

»Das stimmt«, gab Rennahan zu. »Aber wenn es keine Büffel mehr gibt, verschwinden auch die Indianer. Dann werden große Landstriche für die Siedler frei. Was die Armee in langen Jahren nicht schaffen konnte, werden die Büffeljäger in kurzer Zeit möglich machen.«

»Das ist auch richtig«, erwiderte James. »Aber das Vernichten der Büffelherden bleibt trotzdem ein Massenmord, den man vielleicht bereuen wird, wenn es zu spät ist.«

Rennahan zuckte die SchuItern.

»Darüber habe ich mir noch nie den Kopf zerbrochen. Für mich zählt das, was für alle zählt: die Dollars! Die Häutejagd macht sich bezahlt. Hätten Sie keine Lust, bei uns mitzumachen?«

»Nein. Ich möchte meinen Bruder finden.«

»Verstehe. Sie wollen sein Partner werden.«

»Ja«, sagte James nach kurzem Zögern.

Vom Camp her rumpelte nun ein Wagen, der die erbeuteten Häute aufnehmen sollte. James Hickoran blickte in diese Richtung und wandte sich dann wieder an Rennahan.

»Bei meiner Ankunft bin ich starkem Misstrauen begegnet, das ich bis jetzt noch bei keiner anderen Mannschaft bemerken konnte«, sagte er. »Hat das einen Grund?«

Der Boss der Büffeljäger erwiderte James’ BIick und gab zurück: »Vor zwei Wochen sind uns nachts an die sechshundert Häute geraubt worden. Seit damals stellen wir nach Einbruch der Dunkelheit eine Wache auf und sind Fremden gegenüber zurückhaltend.«

»Habt ihr die Häutediebe erwischt?«

»Leider nein. Wir haben nicht mal einen Anhaltspunkt, wer es gewesen sein könnte. Aber vielleicht habe ich mal das Glück, einen dieser Hundesöhne vor den Lauf meines Gewehrs zu …«

Der schwere Murphy-Wagen, der neben den beiden Männern angehalten wurde, ließ Rennahan den Satz abbrechen. Der Fahrer sprang vom Bock. Mit vereinten Kräften luden die Männer die frischen Büffelhäute auf, um sie ins Lager zu bringen.

Später saß James mit den Jägern am Feuer. Er stopfte seine Pfeife und rauchte. Wie die anderen hatte er gekochte Büffelzunge gegessen, dazu Bohnensalat aus Büchsen.

AIs er seine Pfeife fertig geraucht hatte, klopfte er sie aus und erhob sich.

»Ich werde jetzt aufbrechen«, sagte er. »Vielen Dank für die Gastfreundschaft.«

»Wir haben Ihnen zu danken«, entgegnete Rennahan, über James’ Absicht ein wenig üherrascht. »Ich dachte, Sie würden hier übernachten.«

»Nein, Rennahan. Wenn man allein ist, sollte man besser nachts reiten.«

»Sie denken wohl an Rothäute?«

»Stimmt.«

»Haben Sie in den letzten Tagen welche gesehen?«

»Nein. Aber ich habe zweimal Spuren von unbeschlagenen Pferden gefunden.«

Nach diesen Worten ging James zu seinem Wallach und sattelte ihn. Rennahan folgte ihm und räusperte sich verlegen.

»Hickoran«, sagte er endlich. »Sie haben Muskeln aus Stahl. Ich hätte Sie gern in meiner Mannschaft. Wollen Sie sich mein Angebot nicht doch noch überlegen? Sie würden einen fairen Anteil erhalten.«

»Nein, danke«, antwortete James mit Bestimmtheit. »Ich reite nach Fort Gibson.«

»Dann wünsche ich Ihnen viel Glück«, erwiderte Rennahan mit einem verhaltenen Seufzen. »Sie kennen doch den Weg ins Fort?«

»Ja. In diesem Land weiß ich so ziemlich Bescheid.«

James verabschiedete sich von der Büffeljägermannschaft. Dann schwang er sich in den Sattel und ritt aus dem Lager.