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Sherlock Holmes Detektivkomödie in vier Aufzügen Teil 16

Sherlock Holmes
Detektivkomödie in vier Aufzügen
Frei nach Motiven aus Conan Doyles Romanserie
Verlag von Philipp Reclam jun. Leipzig. 1906

Personen:
Sherlock Holmes, Detektiv; Dr. Mors; Lady Katogan; Inspektor Knox; Inspektor Smallweed; Frau Chease, Vermieterin; ein Straßenkehrerjunge; Forbs, Musiker; Harway; Govern; Sybill; Jim; Mento; Jack; Lord Oberrichter; Professor Johnson; Lormonzoff, Klaviervirtuose; Mrs. Wyler; Miss Wyler; Miss Lenox; Mr. Tower; Mrs. Tower; Mr. O’Brien; Miss O’Brien; Mr. Taylor; Mrs. Wellburn; Miss Garden; Polizisten; Gauner

Ort der Handlung: London

Zeit: Die Gegenwart

Uraufführung am 2. Juli 1906 an Ferdinand Bonns Berliner Theater in Berlin.

Dritter Aufzug

Düsteres verfallenes Zimmer in einem alten Haus.

Im Boden eine Falltür, eine eiserne Gittertür in der Mitte. Gerümpel, leere Fässer usw. In der Mitte ein Tisch. Es ist völlig dunkel. Ab und zu scheint der Mond, den oft Wolken bedecken, zu der runden Öffnung herein, die aufs Dach führt.

Erster Auftritt

Knox. Drei Polizisten. Straßenkehrerjunge. Später Smallweed.

Knox. (kommt mit drei Polizisten und einem Straßenkehrerjungen aus der Mitteltür).

Junge. So, meine Herren, hier sind wir.

Knox. Ouh! Das heißt schwitzen! Na, einsam genug ist die Gegend. Und die vielen Ratten, das kann ich schon gar nicht vertragen.

Junge. Da sollen Sie erst mal runter in den Keller kommen, Herr Knox. Da tanzen sie Ballett, und der Rattenkönig sitzt in der Mitte und guckt zu.

Knox. Na, nun wäre so weit alles richtig. Ein verdammt ungemütlicher Aufenthalt ist das.

Junge. Aber ein gutes Loch, wenn man’s nicht weiß, kaum zu finden. Aber ich habe es ausbaldowert, ich ganz allein. Herr Sherlock Holmes hat mir auch zwanzig Schilling dafür gegeben.

Knox. Und wie lautet jetzt die weitere Instruktion des hochmögenden Herrn Privatdetektiv? Es ist hart, wenn man schon im Bett liegt, raus und zwei Stunden in der Droschke holpern. Um was handelt sich’s denn eigentlich?

Junge. Hm. Herr Sherlock Holmes meinte, ich soll es Ihnen erst hier an Ort und Stelle sagen.

Knox. Warum denn?

Junge. Vielleicht dachte er, Sie wollten vielleicht sonst nicht mitgeben.

Knox. Bursche! Ich hau’ dir eine herunter, dass du deinen Besen für eine Rakete hältst.

Junge. Sparen Sie nur Ihre Kräfte, Herr Knox. Sie werden sie heute noch brauchen.

Knox. Also los doch! Ich will wieder ins Bett.

Junge. Herr Sherlock Holmes will jetzt hier mit dem Doktor Mors zusammen kommen.

Knox. Teufel auch. Das kann interessant werden.

Junge. Na eben. Und Herr Holmes meinte, es wäre doch schade, wenn Sie das verschliefen!

Knox. Hat er ihn denn an der Angel?

Junge. Ich denke wohl.

Knox. Ah – Donnerwetter. Das ist was anderes. Wenn’s gilt, den Riesenfisch ans Land zu ziehen, da bin ich dabei, aber ihn an die Angel zu kriegen, dazu hat Herr Holmes eben mehr Glück als meiner Mutter Sohn. Ich habe ihm damals versprochen, sobald er ihn fest hat, soll’s an mir nicht fehlen. Nur gegen das Unsichtbare fecht’ ich nicht gern. Dazu hat ja Holmes ein unleugbares Geschick. Na, Kinder, seid froh, dass ihr mit dabei sein dürft. Einen solchen Fall kriegt ihr nicht wieder. Das ist der gefährlichste Kerl der Welt. Erzähl mir die näheren Umstände.

Junge. Ich soll mich nicht verquatschen, hat Herr Holmes befohlen; sie dürften bald da sein, und sie kommen ganz geräuschlos von unten. Unter dem Keller geht nämlich ein Themsekanal.

Knox. Werden die beiden allein sein, Holmes und Mors?

Junge. Die Lady Katogan ist auch dabei.

Knox. Ah …!

Junge. Nämlich … horch, es rührt sich was! Nee, es war nischt! Nämlich sie machen einen Kuhhandel!

Knox. Einen Kuhhandel, du Kalb?

Junge. Ja, ja, Herr Holmes gibt dem Doktor das Testament, und der Doktor Herrn Holmes die Lady.

Knox. Und das nennt das Mondkalb einen Kuhhandel!

Junge. Das liest man oft in der Zeitung, im politischen Teil.

Knox. Hm. Sobald der Doktor Mors das Testament hat, wird er die Lady und den Holmes dazu abfassen wollen.

Junge. Darum sollen Sie sich ja auf dem Dach verstecken, und im geeigneten Moment eingreifen.

Knox. Dort oben hören wir aber nichts.

Junge. Herr Holmes meinte – es sei eine alte Ofenröhre hier – ah, da ist sie ja, da werden Sie ganz bequem hören.

Knox. Aufs Dach – na, bequem ist das gerade nicht, gibt’s da keinen anderen Platz?

Junge. Bscht! – Ich höre was! – Das kommt die Treppe herauf geschlichen – Die Laterne zu!

Knox. Das ist er! Das ist Mors! Was brauchen wir denn auf Holmes zu warten. Die Ehre dieses Abenteuers können wir allein haben!

Smallweed (von außen). Hier ist der Platz! (Er kommt bei der eisernen Gittertür herein.)

Knox (drauf los, packt ihm). Hab’ ich dich endlich, Halunke!

Smallweed. Hilfe!

Junge (öffnet die Laterne).

Knox. Smallweed!!

Smallweed. Sie sind ein Schafskopf, Knox, ein ganz ordinärer Schafskopf!

Knox. Zum Teufel, was schleichen Sie so daher?

Smallweed. Na, Holzschuhe werd’ ich nicht anziehen, wenn ich einen Doktor Mors fangen will.

Knox. So – Sie – wollen den Doktor fangen? Sie platzen noch mal vor Neid. Kaum wittern Sie, dass ich einen guten Fall habe, dann sind Sie auch hinter drein. Hätte ich Sie nur ein wenig fester angepackt.

Smallweed. Danke! Es war ganz genügend. Aber jetzt schweigen Sie still, sonst bring’ ich Sie noch in die illustrierte Zeitung, wie Sie Ihren Kollegen abfassen! Ein wahres Glück für Sie, dass ich Sie gleich an Ihrem dicken Bauch erkannte, sonst hätt’ ich los geknallt!

Knox. Na, gut. Machen wir Frieden.

Junge. Sind Sie denn auch von Sherlock Holmes hergeschickt?

Smallweed. Geschickt?! Geschickt?! Dummer Junge! Sherlock Holmes hat mich ersucht, ich möge ihm meine bewährte Kraft zu dem Unternehmen leihen, und da bin ich mit zwölf Mann angerückt. Zehn hab’ ich unten verteilt in den Nebengässchen.

Knox. Sie sagten neulich, Sie seien Familienvater und wollten mit Mors nichts zu tun haben?

Smallweed. Tja! Eben als Familienvater muss ich schließlich doch dran! Gern tu ich’s nicht. Aber was denken Sie, die Beförderung und Belohnung, wenn ich ihn fasse. Und den Skandal von meiner lieben Frau, wenn Sie den fetten Bissen schluckten! Nein, mein Lieber, ob ich leibhaftig zur Hölle fahre oder ob ich die Hölle zu Hause habe, das kommt auf eins heraus!

Knox. Na, ich bin Junggeselle! Stellen Sie sich nur hinter mich, Smallweed, ich decke Sie ja zehnmal zu.

Smallweed. Ich bin zwar klein, aber so tapfer wie Sie, bin ich auch noch, und jedenfalls biete ich einem Revolver nicht so viel Trefffläche wie Sie.

Junge. Meine Herren, ich meine, es wäre Zeit an den Platz zu gehen.

Smallweed. Und jedenfalls brauche’ ich mir nicht erst Mut zu trinken, wie Sie, Sie stinken ja nach Grog wie ein …

Knox. Ärgern Sie mich nicht, Smallweed, heute müssen wir zusammenhalten.

Smallweed. Also vorwärts, rauf auf das Dach.

Knox. Hören Sie mal, ich halte diese Kletterpartie für Unsinn.

Smallweed. Sie könnten ausrutschen, und welchen Fettfleck gäbe das auf der Straße.

Knox. Ich meine nur, wenn Mors nicht allein ist und Holmes in Gefahr kommt – bis wir erst da herunterklettern!

Junge. Aber Herr Sherlock Holmes verlässt sich drauf, dass Sie dort oben sind.

Knox. Na, wenn wir näher dran sind, würd’s ihm ja noch lieber sein.

Junge. Wer weiß? Übrigens hat er doch so befohlen.

Smallweed. Befohlen!? Was denn nicht noch! Seit wann hat uns Herr Sherlock Holmes zu kommandieren?

Knox. Meiner Ansicht nach, wäre hier ein gutes Versteck – so eine Art Holzkammer. Sehen Sie mal …!

Smallweed. Nur schnell! Es bleibt uns keine Wahl mehr, ich höre Geräusch! Vorwärts, Junge …

Junge. Aber Herr Sherlock Holmes hat doch bestimmt …

Alle (gehen hinter der eisernen Gittertür ab).

(Es öffnet sich die Falltür im Boden, und Harway mit einer Laterne erscheint, gefolgt von Govern, Jack und vier andern Mitgliedern der Bande, teils elegant, teils zerlumpt. Sie setzen sich stumm auf Fässer und Kisten. Zwei haben ein großes Bündel herauf geschleppt, das mit einem Tuch verhüllt ist, und legen es auf die Erde. Einer zündet die Lampe auf dem Tisch in der Mitte steht an. Harway bemerkt eine Spur auf dem Fußboden, untersucht sie, pfeift leise den anderen. Sie kommen zu der Überzeugung, dass Fremde hier waren.)

(Große Pause.)