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Sammlung bergmännischer Sagen Teil 33

Das arme Bergmannsleben ist wunderbar reich an Poesie. Seine Sagen und Lieder, seine Sprache, seine Weistümer reichen in die älteste Zeit zurück. Die Lieder, die wohlbekannten Bergreihen, die Sprachüberreste, die Weistümer sind teilweise gesammelt. Die Sagen erscheinen hier zum ersten Mal von kundiger Hand ausgewählt und im ganzen Zauber der bergmännischen Sprache wiedergegeben. Das vermag nur zu bieten, wer ein warmes Herz für Land und Leute mitbringt, wo diese uralten Schätze zu heben sind; wer Verständnis für unser altdeutsches religiöses Leben hat, wer – es sei gerade herausgesagt – selbst poetisch angehaucht ist. Was vom Herzen kommt, geht wieder zum Herzen, ist eine alte und ewig neue Wahrheit. Hat der Verfasser auch nur aus der Literatur der Bergmannssagen uns bekannte Gebiete begangen, verdient er schon vollauf unseren Dank. Seine Liebe zur Sache lässt uns hoffen, er werde mit Unterstützung Gleichstrebender noch jene Schaetze heben, die nicht an der großen Straße liegen, sondern an weniger befahrenen Wegen und Stegen zu heiligen Zeiten schimmern und zutage gefördert sein wollen.


IV. Vermischte Sagen

21. Die Sage vom Hoffnungsschacht bei Goslar

Vor 300 Jahren befanden sich die Grafen Stolberg-Wernigerode im Besitz mehrerer Erzgruben im Harz. Von einer derselben, die Hoffnung genannt, gibt es folgende Volkssage.

Ganz nahe bei Goslar wohnte ein armer Bergmann, Hans Bunkert genannt, der nahm einst am 23. Dezember des Jahres 1522 seine Axt und wollte während eines schauerlichen Schneegestöbers sein Haus verlassen, während sein hochschwangeres Weib bereits im Schlaf zu liegen schien. Allein dieselbe bemerkte sein Weggehen dennoch und fragte ihn, wohin er wolle. Er sagte, er wolle nur in den Wald gehen, um einen Christbaum für die Kinder zu fällen. Zwar redete sie ihm ab, fortzugehen und sie in ihren Umständen so allein zu lassen, aber er ließ sich nicht halten, ging hinaus in den finsteren Wald und suchte sich unter den dort stehenden Tannenbäumen ein schlankes Stämmchen aus, das er mit einem Hieb seiner Axt fällte. Allein, kaum lag das Bäumchen vor ihm, da stand auch ein hoher Jägersmann hinter ihm und fragte ihn mit ernstem Ton, was er da mache.

Der arme Bergmann entschuldigte sich mit seiner Armut, dass er keinen Pfennig habe, um ein Christbäumchen zu kaufen und doch am heiligen Weihnachtsabend seinen Kindern, denen er weiter nichts bieten könne, wenige stens einen Lichterbaum habe anzünden wollen und dadurch zu diesem Eingriff in fremdes Eigentum verleitet worden sei.

Der Jäger fragte ihn nun nach seinen übrigen Verhältnissen aus. Als er erfuhr, dass er bald Kindtaufe halten werde, da ließ er sich erbitten, schenkte ihm das Bäumchen und sagte, wenn seine Frau ein Mädchen zur Welt bringen werde, so solle er sie Maria nennen. Er selbst wolle zum Taufessen kommen und das Nötige mitbringen. Damit schenkte er ihm noch einen Albertstaler, um seinen übrigen Kindern Spielsachen zu kaufen, und führte ihn selbst zu seinem Haus zurück. Dort angekommen hörte er die Stimme eines neugeborenen Kindes, denn seine Frau war während seiner Abwesenheit von einem kleinen Mädchen entbunden worden.

Am dritten Tag des Weihnachtsfestes war die Taufe und die Paten saßen mit der Bergmannsfamilie beim sehr kläglich bestellten Gevatteressen. Da öffnete sich plötzlich die Tür und herein trat der fremde Jäger und hinter ihm sein Bursche, der einen schweren mit Wein und guten Speisen gefüllten Korb trug. Der Jäger trat hin zu der Wöchnerin, wünschte ihr Glück und bat, sie möge ihm doch ihr kleines Mädchen zeigen. Dies tat sie auch.

Der Jäger nahm das Kindchen auf den Arm, küsste und segnete es und hing ihm eine goldene Schaumünze um, mit halb verwischtem Gepräge, indem er sagte: »Verwahrt dieses Kleinod wohl, denn von ihm hängt euer und des Kindes Glück ab.« Sprach es, legte die Kleine wieder in der Mutter Schoß, drückte dem Vater und allen anwesenden Bergleuten die Hand und schied in finsterer Sturmnacht von dannen.

Nicht lange darauf pochte es an der Haustür. Als der Bergmann öffnete, stand eine vor Frost und Ermüdung ganz in sich zusammengesunkene Zigeunerin vor derselben, welche flehentlich bat, sie in dieser Nacht in einer warmen Stube sich ausruhen zu lassen.

Vater Bunkert, dem heute so viel Günstiges begegnet war, gewährte ihr auch ihre Bitte und rief sie herein, labte sie auch mit Speise und Trank und bereitete ihr dann ein weiches Lager am warmen Ofen.

Am anderen Morgen, als sie Abschied nahm, ließ sie sich die Hände des Bergmanns und seiner Gattin weisen, um wenigstens durch ein prophetisches Wort ihren Dank zu bezeugen. Sie betrachtete dieselben genau und sprach: »Das Glück ist bei euch eingekehrt, doch traut ihm nicht, sondern haltet an Gott, so wird euer Ende sanft sein und ein Grab euch in der nämlichen Stunde bergen.«

Jetzt forderte sie auch die kleine Maria, besah dieselbe lange und sagte: »Schön wie ein Engel wird sie werden, nur wahret sie vor der Liebe, sonst ist sie für euch verloren!«

Der Zigeunerin Prophezeiung traf ein. Hans Bunkert machte gute Geschäfte. Wo er einschlug, gab es gute Ausbeute. Zwar nicht reich, aber wohlhabend verlebte er mit seiner fleißigen Hausfrau zufriedene Tage. Seine ärmliche Hütte war zu einem freundlichen Häuschen umgebaut worden und es fehlte der Familie nichts zu einem freundlichen Auskommen. So verflossen fünfzehn Jahre. Weder der Jäger noch die Zigeunerin hatten sich wieder sehen lassen. Die Kinder waren groß geworden und die älteste Tochter sollte das väterliche Haus verlassen, denn sie war eben mit einem schmucken Bergknappen getraut worden. Noch saßen Eltern, Brautleute und Hochzeitsgäste beim Hochzeitsschmaus, während draußen um das Haus Schneesturm und Unwetter brausten. Da pochte es an die Tür. Als dieselbe geöffnet wurde, trat ein schöner junger Jägersmann herein und bat, man möge ihm erlauben, ein Stündlein hier zu rasten, um dem schlimmen Wetter draußen zu entgehen.

Gern wurde ihm seine Bitte gewährt. Er setzte sich zu der zu einer bildschönen Jungfrau herangewachsenen Maria auf die Bank und schaute sie so innig mit seinen großen blauen Augen an, dass dem Mädchen ganz wunderlich ums Herz wurde. Unterdessen legte sich der Sturm, der Mond ging auf und schon schlug die alte Wanduhr eins, da stand der Jäger auf, dankte den Eltern für Herberge und Bewirtung, hing der Braut ein elfenbeinernes, mit Silber eingefasstes Kreuz zum Andenken um den Hals und nahm Abschied, während Maria ihm das Geleit gab.

Von diesem Augenblick an konnte das Mädchen das Bild des Jägers nicht wieder aus ihrem Herzen loswerden. Sie musste jede Minute an ihn denken. Da trug es sich einst zu, dass sie spät am Abend von ihrer verheirateten Schwester zurückkehrte.

Auf einmal stand der junge Jägersmann vor ihr, ergriff sie bei der Hand und fragte sie, ob sie noch manchmal an ihn denke. Das junge Mädchen errötete zwar vor Überraschung, allein bald wurde sie gesprächiger, erzählte ihm von ihren häuslichen Verhältnissen und erwiderte beim Abschied seinen Händedruck.

Der Winterschnee war geschmolzen und die Schneeglöckchen blühten schon, als eines Tages Maria ihrem Vater und den Brüdern das Mittagessen in den Schacht tragen wollte. Da trat ihr im Birkenhain, den sie deshalb durchschreiten musste, der Jäger in den Weg, fragte sie, wohin sie wolle, und bat sie, heute den Weg nicht zu gehen, sondern ihm die Besorgung des Korbes zu überlassen. Er müsse einmal in den Schacht und könne schneller gehen als sie. Zwar wollte das Mädchen erst nicht einwilligen. Allein der Jäger wusste sie zu überreden, und so verbrachte sie längere Zeit mit ihm in freundlichem Kosen, bis er sagte, er müsse fort. Sie kehrte nach Hause zurück.

Noch war sie nicht lange daselbst wieder angekommen, als ihr Vater und ihre Brüder ängstlich ins Haus gestürzt kamen und nach ihr fragten. Verwundert fragte sie, warum sie so besorgt gewesen seien. Da hörte sie, dass drei Bergmannsfrauen, mit denen sie gewöhnlich einzufahren pflegte, eben ums Leben gekommen seien. Die morsche Fahrt sei gebrochen und sie alle seien auf der Stelle tot geblieben. Obwohl sie nun nicht gesehen worden sei, habe der Korb mit dem Essen bei ihnen gestanden und sie hatten daher geglaubt, sie müsse sich auf irgendeine Weise entweder gerettet haben oder noch im Schacht sein. Deswegen seien sie heraufgekommen, um selbst nach ihr zu sehen.

Maria bat ihren Vater, nicht weiter mit Fragen in sie zu dringen, sondern damit zufrieden zu sein, dass sie gerettet wäre. Im selben Augenblick pochte es ans Fenster. Draußen stand die Zigeunerin, die ihr einst kurz nach ihrer Geburt prophezeit hatte.

Sie wurde von der Bergmannsfamilie gut aufgenommen, ließ sich die Hand des Mädchens zeigen und sprach: »Meine Tochter, willst du bei deinen Eltern und in der frischen Jugendwelt bleiben und dich der Sonne und des Mondes freuen, so meide den Jäger!« Mit diesen Worten verschwand sie.

Die Eltern glaubten nun, dieser bösen Prophezeiung nicht anders die Spitze abbrechen zu können, als dass sie ihre Tochter anderweitig verheirateten. Dazu bot sich auch bald Gelegenheit, denn der Sohn des Obersteigers im Bergwerk, wo Hans Bunkert arbeitete, hatte schon lange um sie gefreit, und diesem bewilligten sie ihre Hand. Maria liebte zwar den jungen Mann nicht, allein sie wagte doch nicht, sich ihren Eltern zu widersetzen. So wurde die Verlobung mit demselben festgesetzt.

Am Abend vor dem dazu bestimmten Tag saß sie mit ihrem Zukünftigen im Garten hinter dem Haus in einer Fliederlaube. Da stand auf einmal der Jäger zwischen ihnen und sprach mit fester Stimme: »Freund, sucht unter den Jungfrauen der Stadt eine andere Braut, diese ist nicht für Euch!«

Wie unter einem geheimen Bann stehend vermochte der junge Mann nicht, sich zu widersetzen. Er verließ den Garten. Allein dafür kam die Mutter der Braut herbei, fragte den Jäger, was er hier zu suchen habe, und hieß ihn nicht mit den freundlichsten Worten gehen, was er auch sofort tat.

Am Morgen darauf saß Maria voll tiefer Gedanken in ihrer Kammer. Da stand plötzlich wieder der Jäger vor ihr, fragte, was ihr fehlte und ob sie ihn noch liebe und seine Frau werden wolle. Sie müsse aber mit ihm weit fortziehen. Maria weigerte sich zwar lange, aber endlich ließ sie sich doch überreden und versprach, ihm zu folgen, wohin es auch sei. Da bat sie der Jäger um die goldene Kette samt der Schaumünze an ihrem Hals als Unterpfand ihrer Treue und Liebe. Auch dieses teure Andenken konnte sie ihm nicht abschlagen. Allein, kaum hatte sie es hingegeben und ihr der Jäger zum Dank einen Kuss auf die Lippen gedrückt, als sie auf einmal entschlummerte und beim Erwachen sich nicht mehr in ihrer Kammer, sondern in einer schönen Grotte erblickte, auf weichem Mooslager, an ihrer Seite aber einen engelschönen Jüngling – nicht mehr der Jäger, nunmehr der König der Erdgeister. Zwar schauderte sie anfangs vor solcher Vermählung, doch die Liebe zog sie wieder hin zu ihrem Gatten. Sie schmiegte sich an ihn, um auf ewig die seine zu bleiben.

Als am anderen Morgen Maria nicht zum Frühgebet herunter zu ihren Eltern kam und diese hierauf in ihre Schlafkammer eilten, um sie zu holen, fanden sie ihr Bett unberührt und die Stube leer. Auf dem Kopfkissen ihres Lagers aber lag, von Myrten und Rosen umkränzt, eine geknickte Lilie.

Die armen Eltern ahnten den Zusammenhang und betrauerten die Tochter manches Jahr.

Währenddessen hatte ihr ältester Bruder Gotthold sich auch verheiratet und nur ihr jüngster Bruder Joseph war noch zu Hause. Der hatte aber die verlorene Schwester nicht vergessen können und dachte immer und immer an sie.

So saß er einst mit seinen Eltern beim Mittagsbrot in der Grube und sprach: »Ach meine gute Maria, wo magst du umherirren und Jammer und Elend ertragen?«

»Vertraue auf Gott!«, mahnte scheltend der Vater, »Marias und unser Schicksal liegt in seiner Hand.«

Und damit falteten alle die Hände und beteten für das verlorene Kind. Kaum hatten sie aber Amen gesprochen, da rollte über ihnen Donnerkrachen, Gesteinsmassen stürzten herab und verschütteten die Grube. Joseph meinte zwar, es sei noch möglich, sich hindurchzuarbeiten und legte auch bereits Hand an, allein immer mehr verdichtete sich die Lust. Jammernd sanken Vater, Mutter und Sohn zusammen.

Nun erschien, wie einst am Kindtauffest, der Jäger, eine Fackel in der Hand, und sprach: »Retten kann ich euch nicht, aber erlösen vom qualvollen Tode.« Damit berührte er sie, und sie versanken in ewigen Schlaf. Der Berggeist aber, dessen Wohnung neben dem Schacht zur Hoffnung lag und der in den Felsen eine Kristallspalte angebracht hatte, durch welche Maria täglich ungesehen ihre Verwandten erblicken konnte, hatte den Zusammensturz wohl bemerkt, aber nicht verhindern können. Er rief also seine Gemahlin, nahm sie bei der Hand und führte sie hin zu den Schlummernden. Die Felsenblöcke bildeten auf sein Geheiß ein Gewölbe über ihnen, und hier schliefen sie, von einer glänzenden Flamme beleuchtet, den Todesschlaf.

Mehrere Jahre waren seit diesem Vorfall verflossen, da beschloss man zu Goslar, die Grube wieder gangbar zu machen und womöglich die Verschütteten wiederzufinden. So zog denn am 26. Juni des Jahres 1563 ein langer Zug Bergleute zu diesem Zweck dahin, an ihrer Spitze Gotthold Bunkert, nun Obersteiger, und Johannes, sein jüngster Bruder, nun Pfarrer zu Elbingerode. Nach einer rührenden Rede, in welcher der Geistliche seiner hier ums Leben gekommenen Anverwandten gedachte, tat der Obersteiger einen gewaltigen Schlag in das feste Gestein. Hell tönte es wider, und ein blinkendes Licht strahlte ihm entgegen.

Der Prediger aber trat, die Bibel in der Hand, hin zur Hoffnung, aus welcher das Feuer erglänzte, und sprach: »Wer du auch sein magst, Geist oder Kobold, ich beschwöre dich im Namen der heiligen Dreieinigkeit, dein Blendwerk zu lassen und die frommen Knappen nicht in ihrer Arbeit zu stören!«

Da dröhnten unter ihm die Felsenstücke, der ganze Berg schien sich zu bewegen, mit furchtbarem Geräusch rollte ein Granitblock vor ihnen hinab, und die beiden Brüder sahen vor sich ein hell erleuchtetes Gewölbe, auf Felsstücken ruhend und mit den lieblichsten Blumen geschmückt, und drinnen lagen freundlich lächelnd Hans Bunkert mit seiner Barbara und seinem Joseph, neben diesen Maria, die holde Jungfrau, einen Kranz frischer Rosen im Haar, und in einer Vertiefung ein Jüngling in grünem Gewand, der ihnen ernst zurückwinkte. Da sanken alle betend auf die Knie. Als das Gebet vollendet war, da rollte es wie ferner Donner, ein Felsen stürzte herab, dicht vor den Erschrockenem und verschloss ihren Augen das geschmückte Flammengrab. Als ein frevelnder Knappe das Eisen ansetzte und einen verwegenen Schlag auf den Granitblock tat, da wankte der Felsen und ein furchtbarer Donnerschlag erschütterte die schwüle Luft. Alles eilte hinauf. Als aber der letzte Mann zutage war, da dröhnte die Erde und mit furchtbarem Geprassel stürzte die Hoffnung zusammen.

So oft man später versuchte, die Grube zu befahren, stürzte bei Nacht wieder ein, was bei Tage gearbeitet worden war. Seit zwei Jahrhunderten hat man den Versuch nicht wieder gemacht.