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Felsenherz der Trapper – Teil 32.2

Felsenherz der Trapper
Selbst Erlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 32
Die Belagerung von Fort Wallace
Zweites Kapitel
Die Flucht

Gleich darauf kroch Felsenherz hinter Jack Router den Schlupfweg des Fischotters entlang in den Bach hinab.

Der blonde Trapper behielt unter Wasser die Augen offen, schob sich am steinigen Grund des kleinen Gewässers vorwärts und erreichte auch glücklich das andere Ufer, von dessen hoher Böschung Wurzelranken und Schlingpflanzen so dicht herabhingen, dass er sich, zumal das Ufer unterwaschen war, hinter diesem Vorhang ganz so, wie der tapfere Jack es ihm geraten hatte, sich unbemerkt vorwärts arbeiten konnte.

Kam einmal eine Stelle, wo das Ufer flacher wurde, so passierte er diesen gefährlichen Zwischenraum abermals unter Wasser.

Er mochte auf diese Weise etwa hundertsechzig Yards zurückgelegt haben und glaubte sich bereits außer aller Gefahr, als vor ihm das gellende Geheul der Sioux, Schüsse und lautes Planschen im Wasser darauf hindeuteten, dass Jack entdeckt und von den Rothäuten beschossen worden sei.

Felsenherz, der gerade unter besonders dichten Ranken halb im Wasser an der Uferböschung stand, wollte schon Jack zu Hilfe eilen, als das Gebrüll der Sioux ebenso jäh verstummte.

Kein Laut mehr – nichts – tiefe Stille wieder.

Was war geschehen? War Jack Router tot, gefangen genommen oder entwichen?

Der Trapper wartete und lauschte, nahm die Büchse in die Linke und das Messer stoßbereit in die Rechte. Er war überzeugt, dass die Sioux nun auch nach ihm suchten, denn die noch immer anhaltende trügerische Ruhe besagte, dass die Sioux fraglos irgendetwas im Schilde führten.

Felsenherz hielt es dann doch für richtiger, wieder zu tauchen und zu der anderen Bachseite hinüberzuschwimmen, wo, wie er soeben durch einen Blick durch die Ranken festgestellt hatte, dichtes Röhricht sich eine weite Strecke hinzog.

So glitt er denn langsam auf den Grund des Baches hinab, abermals mit offenen Augen, kroch vorwärts und gewahrte plötzlich vor sich etwas wie einen dunklen Schatten.

Es war ein Sioux, der offenbar in derselben Weise unter Wasser dem Trapper entgegenkam.

Felsenherz wusste, dass jede heftigere Bewegung auf dem Grund des Gewässers sich an der Oberfläche durch Wellen kundtun musste und dass die Sioux sofort ahnen würden, was hier vorging, wenn es ihm nicht gelang, den Feind, ohne dass dieser sich zur Wehr setzen könnte, unschädlich zu machen.

So ließ er denn seine Büchse fallen und schnellte sich auf den anderen Schwimmer zu, bekam auch dessen Kehle zu packen und stieß ihm gleichzeitig das lange Jagdmesser mit aller Kraft ins Genick.

Felsenherz war dafür bekannt, dass er einen Feind nie unnötig tötete. Diesmal verlangte es seine eigene Sicherheit, dass er alle Weichherzigkeit zurückdrängte.

Der Stoß seines Jagdmessers trennte dem Sioux das Rückenmark durch. Es trat daher auch eine sofortige völlige Lähmung bei dem tödlich Verletzten ein. Im Nu hatte Felsenherz dann auch die Leiche mit einem Stein so beschwert, dass die Strömung sie nicht mit fortführen konnte.

Hastig schob er sich nun weiter dem Röhricht zu, seine Büchse hatte er schnell wieder aufgerafft, drängte sich vorsichtig zwischen die hohen dünnen Schösslinge und brachte nur den Mund über die Wasseroberfläche, um atmen zu können.

Nachdem er genügend Luft geschöpft hatte, suchte er durch dünne bewachsene Stellen des Rohrdickichts seinen Weg fortzusetzen, indem er sich hütete, den Kopf auch nur ein einziges Mal über den Wasserspiegel vorzustrecken.

Es gelang ihm denn auch dank seiner oft erprobten Gewandtheit und vielfachen Erfahrung, weitere hundert Yards bachabwärts zu kommen.

Nun hörte aber das Röhricht auf. Die Ufer waren flach, und die Büsche traten von den Bachrändern immer mehr zurück. Nirgends gab es hier eine Deckung.

Felsenherz hatte sich rasch aus den Rohrstängeln und den Rohrwedeln etwas wie eine Maske für Kopf und Brust zurechtgemacht, kniete nun im Wasser und äugte vorsichtig nach den Sioux aus.

Er sah, dass sie etwa achtzig Yards weiter aufwärts eine Kette von Kriegern im Bach aufgestellt hatten, die andauernd mit den langen Stoßlanzen vor sich ins Wasser stachen, während andere die Ufer und das Röhricht in derselben Weise absuchten.

Sie verhielten sich dabei völlig ruhig. Auch an den Ufern standen mindestens dreißig Krieger mit schussfertigen Flinten. Felsenherz beobachtete etwa sechzig Feinde.

Gerade aus dem lautlosen Treiben der Sioux ging klar hervor, wie wichtig es ihnen war, den blonden Trapper in ihre Gewalt zu bekommen, der ihnen vor drei Wochen weiter südlich entschlüpft war, nachdem er seine Freunde Chokariga und Tom Einaug befreit hatte.

Felsenherz blieb zunächst hier am Ende des Röhrichtfeldes. Er hoffte, sich irgendwie darüber Aufschluss verschaffen zu können, ob Jack Router wirklich gefangen genommen war.

So vergingen gut zehn Minuten. Die Sioux schienen nun doch überzeugt zu sein, dass der berühmte Jäger nicht im Bach steckte und machten Miene, die Suche weiter abwärts fortzusetzen. Felsenherz durfte nicht länger zögern. Er holte tief Atem, tauchte und setzte seine Flucht fort, indem er die Röhrichtmaske mit sich nahm.

Als der Luftmangel ihn zwang, wieder an die Oberfläche zu kommen, schob er die Maske, die wie ein einzeln wachsender Büschel Röhricht wirken musste, langsam heraus und konnte so auch den Kopf mit emporbringen.

Ein Blick nach rückwärts zeigte ihm, dass zehn Sioux am linken Ufer keine fünfzehn Schritt mehr entfernt waren. Zwei dieser Krieger waren jetzt doch auf den Röhrichtbüschel aufmerksam geworden, riefen den anderen ein paar Worte zu und stürmten vorwärts.

Der Trapper sah ein, dass ihn jetzt nur schleunige Flucht ans Ufer und ein kräftiger Dauerlauf retten könnten. Die Rothäute hatten ja ihre Mustangs nicht bei der Hand, und dort drüben nach Norden zu zog sich ein dichter Wald entlang.

Als Felsenherz die Uferböschung erklommen hatte und nun hinter ihm alle Teufel der Hölle losgelassen zu sein schienen, der nächste Sioux im Laufen hinter ihm her feuerte, da bewies der berühmte Jäger, dass er auch auf die Kraft und Ausdauer seiner Beinmuskeln sich ebenso verlassen konnte wie auf sein sicheres Auge und seine nie fehlende Büchse.

Bald hatte er einen Vorsprung von fünfzig Yards erreicht. Nun schonte er seine Lungen, lief langsamer, entfernte die Graspfropfen aus den Läufen und steckte neue Zündhütchen auf die Pistons.

Näher und näher kam er dem rettenden Wald.

Jetzt waren aber doch hinter ihm ein Dutzend berittene Sioux aufgetaucht. Jetzt ritten die Rothäute im Bogen an ihm vorüber, schnitten ihm den Weg zum Wald ab, sprangen von ihren Mustangs und machten sich schussfertig, indem sie die Flinten auf die Satteldecken auflegten.

Der Trapper schien verloren. So leicht aber war Felsenherz doch nicht zu fangen! Das sollten die Sioux jetzt zu ihrem eigenen Schaden merken!

Er wusste ja, dass die Steinschlossflinten der Sioux auf ein bewegliches Ziel wenig zuverlässig waren. Mochten die Sioux auch mit die besten Reiter der indianischen Präriestämme sein: als Schützen konnten sie es mit keinem weißen Trapper aufnehmen.

So lief Felsenherz denn jetzt in Zickzacksprüngen auf die Linie der zwölf Feinde zu.

Noch fünfzig – noch vierzig Yards.

Dann die ersten Schüsse.

Felsenherz hatte sich tief gebückt, hatte sich zur Seite geschnellt, zählte genau die Schüsse.

Nun feuerte der Letzte, der noch eine Kugel im Lauf hatte, feuerte auf kaum fünfzehn Schritt.

Die Kugel ging Felsenherz haarscharf am Ohr vorbei.

Jetzt aber – feuerte er selbst.

Zwei Mustangs brachen mit Kopfschüssen zusammen. Dann war er schon vor einem der Feinde, schmetterte ihm den Büchsenkolben vor die Stirn, warf sich auf das Pferd.

Tomahawks sausten auf ihn zu. Eins der Wurfbeile traf den Mustang gegen die Weichen.

Das arme Tier machte einen wilden Satz, schoss vorwärts, hinter sich eine Bahn von Blut zurücklassend.

Dann schon die ersten Bäume – der Wald.

Im Galopp raste das verwundete Pferd über eine Lichtung eine Anhöhe hinauf.

Und – stutzte am Rand eines schroffen Abhangs, am Rand des Steilufers eines schmalen lang gestreckten Waldsees. Felsenherz presste dem Mustang die Hacken in die Seiten.

Und – da setzte es zum Sprung an – hinab die zwanzig Yards in den von Wasserpflanzen dicht bedeckten See.

Überschlug sich in der Luft.

Der Reiter glitt aus dem Sattel, versank neben dem Tier, das noch einmal zum Vorschein kam und dann für immer in dem verkrauteten See verschwand.

Oben am Uferrand hielten acht Sioux zu Pferde, warteten, dass Felsenherz irgendwo wieder erscheinen würde.

Doch – leer blieb die Seeoberfläche. Nirgends ein menschlicher Kopf – nirgends.

Auch die zu Fuß herbeigestürmten Sioux standen mit ihren Flinten bereit.

Der von Wellen zunächst noch gekräuselte Seespiegel beruhigte sich.

Zwei Stunden später verließen die Rothäute den See, nachdem sie ihn mit einem Baumfloß genau abgesucht hatten.

Und drei Stunden später, als Wald und See bereits von den Schatten der Nacht bedeckt waren, stieg Felsenherz lautlos an Land, der bis dahin am Südufer unter den dichten Blättern der Wasserrosen gesessen und durch den dicken hohlen Stängel einer Wasserpflanze wie durch eine Glasröhre die nötige Luft ein- und ausgeatmet hatte, ohne den Kopf auch gut ein einziges Mal über die Wasseroberfläche zu erheben.