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Felsenherz der Trapper – Teil 32.1

Felsenherz der Trapper
Selbst Erlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 32
Die Belagerung von Fort Wallace
Erstes Kapitel
Der Kundschafter von Fort Wallace

Die drückende Hitze eines Frühherbstnachmittags, windstill und sonnenklar, lastete über der weiten Prärie, über den grünen Busch- und Bauminseln, die sich vom Grasmeer der Savanne abhoben wie freundliche Oasen in der Sandeinöde einer Wüste, und flimmerte über dem kahlen Boden eines steinigen Tals, das sich als Regenrinne, unfruchtbar und mit lehmigen Rändern, zu einem Bach hin öffnete, um dessen Ufer saftige kleine Grasflächen von der Feuchtigkeit hervorgezaubert worden waren.

Auf dieser Bachwiese am nördlichen Ufer weidete hier ein gesatteltes Pferd. Wenn es sich lebhafter bewegte, schlugen die tief geschnallten Steigbügel klirrend zusammen.

Das waren, außer dem Geräusch der kauenden Pferdekiefer, die einzigen Laute, die das Schweigen dieser Nachmittagsstunde hier unterbrachen.

Das gesattelte Tier, ein Fuchs von etwas plumpen Gliederbau, ließ an verschiedenen Merkmalen des Zaumzeugs und des Sattels erkennen, dass es sich fraglos um ein Kavalleriepferd handelte. Es gehörte wohl einem der Soldaten aus dem etwa zwanzig Meilen nördlich gelegenen Fort Wallace, dem damals am weitesten nach Westen zu vorgeschobenen Grenzfort, dessen 120 Mann starke Besatzung die Aufgabe hatte, die Ansiedlungen zwischen Smoky River und Arkansas gegen die Überfälle der Rothäute zu schützen.

Jenseits des Baches erschien jetzt im Gestrüpp der mit Adlerfedern geschmückte Kopf eines Indianers.

Lautlos richtete sich der schlanke, kräftige Rote auf, nahm das Lasso von der Schulter und bereitete sich zum Wurf vor, nachdem er mit einem blondbärtigen Trapper, der soeben in der Regenrinne aufgetaucht war, mit der Hand Zeichen gewechselt hatte.

Über den kaum vier Meter breiten Bach flog jetzt die Lassoschlinge in elegantem Bogen hinüber und fiel dem grasenden Pferd über den Kopf.

Gleich darauf stand der Indianer drüben neben dem eingefangenen Tier und sagte leise zu dem blonden stattlichen Trapper: »Mein Bruder Felsenherz sieht, dass es ein Soldatenpferd ist. Nun wissen wir, was die Spur des einzelnen Reiters bedeutet, auf die wir vor einer Stunde gestoßen waren. Das Pferd haben wir. Wo ist der Besitzer?«

Felsenherz erwiderte nachdenklich: »Mein roter Bruder Chokariga, der Schwarze Panther der Comanchen, sah wie ich die Bluttropfen neben den Hufeindrücken drüben in der Prärie. Der Soldat war verwundet und auf der Flucht. Er kam von Süden her – wie wir. Vielleicht ist er, als sein Pferd durch den Bach watete, abgestiegen und im Wasser weitergegangen, um keine Spuren zu hinterlassen.«

Der berühmte Comanchenhäuptling sagte darauf kurz: »Wir werden das Blassgesicht finden. Mein Bruder Harry mag nach Osten zu den Bach absuchen, Chokariga nach Westen. Unsere Pferde sind drüben in dem Wäldchen unter Tom Einaugs und des dicken Johnnys Schutz gut aufgehoben.«

Nachdem der Comanche das Pferd mit dem Zügel an eine Birke gebunden hatte, wandte er sich nach rechts am Bachufer entlang, Felsenherz nach links.

Der blonde Trapper konnte auf dem sandigen klaren Grund des kleinen Gewässers nichts von Stiefeleindrücken bemerken. Trotzdem wanderte er, die lange Doppelbüchse schussfertig im Arm, etwa eine halbe Meile weit am Bach dahin, blieb häufig stehen und musterte misstrauisch die Umgebung – die Büsche und Baumgruppen, die Täler, die sich zu dem Bach hin öffneten, und die Ränder der welligen Prärie.

Der Bach machte zahlreiche Krümmungen. Längst hatte Felsenherz den Comanchen aus dem Blickfeld verloren. Schon wollte er umkehren, als sein scharfes Ohr aus einem Haufen von dornenumrankten Steinen, durch die der Bach wie durch einen Engpass schäumend und gurgelnd sich hindurchdrängte, das zweimalige Knacken eines Büchsenhahns, der gespannt wurde, vernahm.

Wie ein Blitz war der Trapper hinter den nächsten Büschen verschwunden, lief im Bogen um die Steinblockgruppe herum und kroch nun auf allen vieren dem Bach wieder zu, um von hinten an den im Gestrüpp stehenden Feind heranzukommen.

Plötzlich fiel aus dem Gestrüpp rechts ein Schuss.

Felsenherz sah das Feuer aus der Büchsenmündung herausfahren, sah, dass der Schuss nicht ihm gegolten haben konnte, duckte sich tiefer in die hier üppig wuchernden Ginsterstauden und wusste nun auch, dass der Mann dort zwischen den Steinblöcken der gesuchte Soldat war, da er zwischen dem Grün einen Moment das rotbraune Tuch des Rocks eines der Kavalleristen der Fortbesatzung wahrgenommen hatte.

Der Trapper wartete, was sich weiter ereignen würde.

Minuten vergingen.

Diese unheimliche Stille, die doch so trügerisch war, hielt noch immer an.

Felsenherz blickte fortgesetzt zu den hoch aufgetürmten Steinblöcken hin, deren Dornen- und Rankenvorhänge jetzt nichts mehr von dem dort verborgenen Kavalleristen erkennen ließ. Der Mann hatte offenbar seinen Platz gewechselt, nachdem er den Schuss abgegeben hatte.

Der blonde Trapper wollte jetzt nicht länger untätig an dieser Stelle verharren, sondern sich überzeugen, wer dort weiter bachaufwärts in den Büschen steckte, denn dorthin hatte der Soldat gefeuert.

Er begann mit größter Vorsicht sich rückwärts aus den Sträuchern in die offene Prärie hinauszuschieben, hatte jedoch noch keine fünf Yards zurückgelegt, als von den Steinen her ein neuer Schuss knallte.

Dann dicht links neben Felsenherz hallte ein gellender Schrei auf.

Ein Siouxkrieger, der bereits den Tomahawk zum tödlichen Hieb erhoben gehabt hatte, sank mit einem Loch in der Stirn quer über den jäh hochschnellenden Trapper, der nun erst erkannte, in welch ernster Lebensgefahr er geschwebt hatte.

Auf diesen zweiten Schuss hin ertönte nun auch eine Stimme aus dem Gestrüpp der Felsblöcke: »Hierher, Master, hierher …! So wahr Euch Euer Leben lieb ist! Die Prärie wimmelt von Sioux!«

Der berühmte Jäger zögerte denn auch keinen Augenblick, stürmte dem Steinhügel am Ufer des Baches zu, sah einen Arm winken, fand in dem hohen Dornverhau so die einzig passierbare Stelle und kroch in das Gestrüpp hinein, bis er eine Art Mulde auf der Spitze des flachen Hügels erreicht hatte, wo ihn nun der junge, sonnengebräunte Kavallerist begrüßte.

»Ihr seid Felsenherz, Master! Ich kenne Euch vom Ansehen aus Fort Wallace her. Hier sind wir fürs Erste geborgen. Ob wir unsere Skalpe hier freilich längere Zeit verteidigen können, ist fraglich. Da, seht mal drüben am Südufer des Bachs. Alles wimmelt von berittenen Sioux!«

Felsenherz richtete sich etwas auf und schaute durch die schlanken Weidenschösslinge hindurch. Tatsächlich, der Soldat hatte nicht übertrieben. Da waren mindestens achthundert Sioux sichtbar, die in enger, dreifacher Linie auf den Bach zukamen.

»Was bedeutet das?«, fragte der Trapper kopfschüttelnd. »Das sind ja mindestens die Hälfte aller waffenfähigen Krieger des Siouxstammes.«

»Das bedeute einen Angriff auf Fort Wallace, Master«, erklärte der junge Kavallerist sehr ernst. »Die Sioux haben vor vier Wochen einen neuen Oberhäuptling gewählt, Sastawura, den Schleichenden Fuchs, einen der blutdürstigen Weißenhasser, den es gibt. Als der Kommandant von Fort Wallace, Captain Steamer, dies erfuhr, ahnte er schon, dass Sastawuras erster Kriegszug dem Fort gelten würde, welches ja gerade den Sioux seit drei Jahren dort am Smoky River dicht vor der Nase errichtet wurde. Bisher haben sie sich nicht herangetraut. Nun aber hat Sastawura ein Bündnis mit den weiter nördlich wohnenden Shoshoni und Utah zustande gebracht, und im Ganzen rücken jetzt gegen zweitausend Rothäute von Süden, Westen und Norden heran, um das Fort zu stürmen. Seit einer Woche bin ich mit drei Kameraden ununterbrochen als Späher unterwegs. Wir haben Captain Steamer bereits Nachricht gesandt, was dem Fort droht. Meine drei Kameraden sind auch glücklich entwischt. Ich bekam einen Streifschuss am Hinterkopf, wie Ihr seht, blieb zurück, sank gerade im Bach bewusstlos vom Pferd, wachte durch das Bad sofort wieder auf und schwamm und watete bachabwärts bis hierher. Ich heiße Jack Router, Master Felsenherz, und bin nur ein einfacher Soldat, aber doch nicht ganz unerfahren. Ich hoffe Euch nicht zur Last zu fallen.«

Die bescheidene Art des jungen Mannes, der doch offenbar bei seinen Vorgesetzten großes Vertrauen genoss, da man ihn zu einem so gefährlichen Dienst wie dem eines Kundschafters verwandt hatte, sagte Felsenherz so sehr zu, dass er Jack Router fest die Hand drückte.

»Auf gute Kameradschaft, Jack!«, antwortete er herzlich. »Die Sioux werden uns beide hier nun bald eingekreist haben. Wenn wir uns nur bis zum Abend ihrer erwehren können, dürften wir wohl mit dem Leben davonkommen.«

Als Bestätigung hallten jetzt jedoch von allen Seiten Schüsse. Wie Hagelschlag prasselten die Kugeln in das Gestrüpp.

Die beiden Gefährten hatten sich rasch tiefer in die Mulde hineingedrückt, deren zackiger, aus bemoosten Steinen bestehender Rand sie genügend schützten. Die Sioux gaben diesem zwecklosen Beschuss denn auch sehr bald auf. Die Prärie und die Bachufer lagen wieder still und einsam da. Und doch lauerten ringsum rachgierige, erbarmungslose Feinde, stets bereit, die beiden Weißen durch Kugeln niederzustrecken, sobald sie auch nur den Rand ihrer Hüte sehen ließen.

Jack Router, der durch die Schüsse verhindert worden war, Felsenherz zu antworten, sagte jetzt leise mit einem schlauen Lächeln: »Master, ich kenne diesen Steinhügel bereits, der ja eigentlich aus zwei Hügeln besteht, zwischen denen der Bach hindurchfließt. Ich habe mich hier vor einem halben Jahr in ähnlicher Lage befunden wie wir jetzt. Damals waren so gegen dreißig Utah hinter mir her. Sie erschossen mir mein Pferd, und ich musste ebenfalls hier ins Gestrüpp am Nordufer kriechen, in dem wir jetzt stecken. Ich verhielt mich ganz still, da die Rothäute meine Fährte verloren hatten. Genau wie heute hatte ich mich hier bis in diese Mulde zwischen den Steinen emporgearbeitet, und ich wäre wohl schon damals meinen Skalp losgeworden, wenn mich nicht ein Fischotter gerettet hätte. Ihr seht mich so erstaunt an. Es ist die Wahrheit: ein Fischotter! – Das Tier kroch plötzlich dort aus jenem großen Dornenbusch hervor, witterte mich und verschwand blitzschnell. Ich sagte mir, dass es also wohl in dem Busch eine recht breite Lücke geben müsste. Sonst wäre der Fischotter – es war ein kapitaler Bursche – wohl kaum durch die Dornen hindurchgekommen. Ich schaute mir den Busch also genauer an. Wartet, Master, ich will Euch gleich zeigen, wie ich es tat!«

Er schob sich mehr nach links, nach Süden zu, also näher an den Bach heran, hob nun mit dem Flintenlauf die dicht am Boden liegende Dornenmasse hoch und enthüllte so einen durch übereinandergestürzte Steine gebildeten, schräg abwärts führenden Gang von kaum ein Fuß Durchmesser, der unten mit Wasser gefüllt war.

Auch der blonde Trapper hatte sich vorsichtig der Stelle genähert, blickte hinab und erklärte lebhaft: »Ah! Ich verstehe, Jack! Ihr seid durch den Gang in den Bach hinabgekrochen und dann …«

»… dann drüben unter dichten überhängenden Rankengewächsen glücklich am Südufer entlang entwischt!«, ergänzte Jack munter. »Dasselbe werden wir jetzt tun, wenn es Euch recht ist, Mr. Felsenherz. Ich will ja einem so berühmten Mann, wie Ihr es seid, beileibe keine Vorschriften machen. Aber ich denke mir, wir verdrücken uns heimlich, bevor die roten Banditen uns zu nahe auf den Leib kommen!«

»Ganz recht, Jack! Also vorwärts denn! Schrauben wir unsere Pulverhörner recht fest zu und treiben wir in die Mündungen unserer Büchsen dicke Graspfropfen hinein, damit die Ladung ebenfalls trocken bleibt. Dann können wir getrost unter Wasser eine Strecke schwimmen, ohne unsere Büchsen unbrauchbar zu machen.«