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Felsenherz der Trapper – Teil 28.2

Felsenherz der Trapper
Selbst Erlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 28
Das Geheimnis des Farmers
Zweites Kapitel

Die Nacht war bereits angebrochen. Die beiden Trapper ritten in flottem Trab in die weite Prärie hinein, schauten sich mehrfach um, ob auch niemand ihnen nachschliche, und bogen dann scharf nach Norden ab.

In einer Stunde hatten sie sich in großem Bogen dem Rio Benuto wieder genähert und waren jetzt vom Fluss nur noch durch einen breiten Waldstreifen getrennt.

Als sie jetzt an diesem Waldrand entlang trabten, hörten sie links in der offenen Savanne plötzlich zwei Schüsse. Sie zügelten ihre Tiere sofort und der blonde Trapper flüsterte Tom Einaug hastig zu: »Wartet hier, Tom! Ich will einmal nachschauen, was dort vorgefallen ist!«

Er reichte ihm den Zügel seines hochbeinigen Fuchses und war gleich darauf im hohen Präriegras verschwunden. Die beiden Schüsse waren nach seiner Schätzung in etwa zweihundert Meter Entfernung gefallen.

Sehr bald tauchte denn auch vor Felsenherz eine dunkle, hohe Baumgruppe auf. Bevor er sie erreichte, musste er noch einen Bach mit steinigem Bett durchwaten, der sich an den Bäumen vorbei schlängelte.

Dann hatte er die ersten Büsche erreicht. Da der Mond noch nicht aufgegangen war, konnte er nur wenige Schritte weit die nächste Umgebung erkennen. Aus Vorsicht begann er jetzt zu kriechen.

Plötzlich machte er halt.

Ein dumpfes Stöhnen war an sein Ohr gedrungen – offenbar die Schmerzensäußerungen eines verwundeten Menschen.

Lautlos schob er sich weiter vor, bis er neben einer alten Eiche eine dunkle Gestalt am Boden bemerkte.

Er blieb jetzt regungslos liegen. Da sich jedoch nichts Verdächtiges zeigte, kroch er näher an den Verwundeten heran, der wiederholt versucht hatte sich aufzurichten.

Felsenherz sah jetzt, dass er einen der Ansiedler vor sich hatte, einen älteren Deutschen namens Hoffner, der vorhin ebenfalls an der Beratung teilgenommen hatte.

»Landsmann, was ist geschehen?«, flüsterte Felsenherz der ja selbst ein gebotener Deutscher war.

Hoffner keuchte mühsam: »Ah … Ihr seid’s, Felsenherz! Ich … wurde … von hinten erschossen. Zwei Kugeln … durch die Brust! Mit mir – ist aus …«

Er schwieg erschöpft.

Der Trapper nahm ihn vorsichtig in die Arme.

»Ich werde Euch rasch verbinden – dort am Bach, wo ich frisches Wasser zur Hand habe«, meinte er mitfühlend.

Hoffner erwiderte kaum verständlich: »Nein … nein! Lasst mich hier sterben! Flieht! Es sind … Osage in der Nähe! Warnt die anderen in der Ansiedlung und bestellt ihnen, dass sie die … Erben meines – Geheimnisses sein sollen …«

Ein Blutstrom schoss ihm aus dem Mund hervor. Felsenherz erkannte, dass hier jede Hilfe umsonst war. Er legte den Sterbenden wieder in das weiche Moos und fragte eindringlich:

»Landsmann, welcher Art ist Euer Geheimnis? Wer ist Euer Mörder?«

»Weiß – nicht, – wer«, gurgelte der Farmer mit letzter Kraft hervor. »Mein – Geheimnis – der Bach dort – die Höhle, wo – die geknickte Tanne – steht. Habe niemandem – verraten, was ich – fand, bin immer …«

Ein neuer Blutsturz erstickte jedes weitere Wort.

Der starke Körper des kräftigen Mannes bäumte sich im Todeskampf nochmals hoch.

Dann hatte Karl Hoffner, der Junggeselle und Farmer, ausgelitten.

Felsenherz wollte sich wieder erheben.

Da sprang ihn plötzlich von hinten ein Tier an, warf ihn zu Boden.

Er fühlte scharfe Zähne im Genick.

Hörte das Keuchen der Bestie, hörte auch eine leise Stimme: »Zurück, Troll – zurück! Loslassen, verdammtes Vieh – loslassen!«

Der große gelbe Bluthund gehorchte.

Eine Hand legte sich Felsenherz auf die Schulter.

»Steht auf, Mann!«, sagte dieselbe Stimme.

Der Trapper sprang aus die Füße.

Vor ihm stand ein hagerer bartloser Mensch in Farmertracht, auf dem Rücken eine Art Rucksack, in der Hand aber einen dicken, selbst geschnittenen Spazierstock. Zwei riesige Hunde befanden sich dicht neben ihm.

»Mein Name ist Bleec«, sagte der Fremde. »Entschuldigt, dass mein Troll Euch so hart anpackte – »Was ist hier vorgefallen?«, fügte er leicht erregt hinzu. »Das ist ja Hoffner! Karl Hoffner aus unserer Ansiedlung! – Mann, wer seid Ihr? Habt Ihr etwa die beiden Schüsse abgefeuert, die mich hierher lockten?«

»Man nennt mich Felsenherz, Mister Bleec«, entgegnete der Trapper. »Ich brauche Euch wohl nicht zu versichern, dass ein anderer, nicht ich, Hoffner niederschoss.« Dabei blickte er Bleec durchdringend an, dass dieser rasch den Kopf zur Seite wandte und sich mit, seinen beiden Bluthunden zu schaffen machte, die jetzt den Leichnam beschnupperten.

Die gelben Bestien waren fraglos Abkömmlinge jener Tiere, die in den Sklavenstaaten zur Jagd auf flüchtige Negersklaven benutzt wurden. Ihre breite Brust und der ganze Körperbau verrieten ebenso viel Kraft wie Gewandtheit.

Diese Bluthunde haben eine noch feinere Nase als der beste Jagdhund. Selbst eine schon mehrere Tage alte Spur verfolgen sie mit unfehlbarer Sicherheit.

»Legt Euch, Troll und Jack!«, befahl Bleec jetzt. Die Bestien knurrten, aber gehorchten doch. Sie schienen ihren Herrn nicht gerade zu lieben.

Felsenherz sagte dann zu Bleec, der sich nun tief über den Toten gebeugt hatte: »Ich werde Hoffner in die Ansiedlung bringen.

Seid Ihr aus dem Heimweg, Master? Ich weiß Ihr wohnt auf der Halbinsel im Rio Benuto.«

Bleec erhob sich. »Stimmt – auf dem Heimweg! Habe Käfer gesammelt und einige Nachtkröten gefangen. – Ihr scheint ja in Draakensberg gut bekannt zu sein. Nun – mit mir haben die Ansiedler leider nicht viel im Sinn. Ich bin ihnen zu gelehrt!«

Die beiden Bluthunde waren plötzlich unruhig geworden, richteten sich halb auf und knurrten leise.

»He – was gibt’s denn, Troll und Jacks! – Legt Euch!«

Er bedrohte sie mit dem Stock, worauf sie sich wieder niedertaten.

Felsenherz fiel jetzt die Warnung des toten Farmers ein.

»Hoffner hatte noch so viel Kraft, mir zuflüstern zu können, dass Osage in der Nähe seien«, meinte er, indem er sich argwöhnisch umschaute und sich die Büchse schussbereit in den Arm hängte.

Harry Bleec lachte ironisch. »Osage?! Wie sollten die hierher kommen? Ist ja Unsinn! Ich behaupte, dass Hoffners Mörder einer jener Landstreicher ist, wie sie jetzt ja leider nur zu häufig die Grenzniederlassungen heimsuchen, weil ihnen der Boden in den größeren Städten zu heiß geworden ist.«

Der blonde Trapper wusste nun, was er von diesem Bleec zu halten hatte. Gerade der Umstand, dass Bleec die Anwesenheit von Osage hier in der Nähe der Ansiedlung abzuleugnen suchte, bewies, dass er mit den Rothäuten unter einer Decke steckte, und das Knurren der Bluthunde soeben verriet nun Felsenherz gleichfalls, dass er in ernstester Gefahr schwebte und sogar wahrscheinlich schon umzingelt war, was Bleec auch fraglos genau wusste.

Ebenso glaubte er jetzt, hinsichtlich der Ermordung Hoffners genügend klar zu sehen: Dieser Bleec war der Mörder! Dass er keine Büchse bei sich hatte, war nicht weiter von Belang, da Bleec seine Schusswaffe ja inzwischen hier irgendwie versteckt haben konnte. Wer sollte wohl in dieser Dunkelheit nach einer Büchse suchen?

Felsenherz fühlte geradezu, dass seine Freiheit und sein Leben jetzt lediglich von seiner Schlauheit abhingen. Mit Gewalt war hier gegenüber Bleec, den Bluthunden und den ohne Zweifel im Hinterhalt liegenden Osage nichts auszurichten. Nur Kaltblütigkeit und List konnten helfen.

So flüsterte er denn Bleec jetzt zu, indem er einen recht vertraulichen Ton anschlug: »Ihr könntet mir einen Gefallen tun, Master. Ich habe mein Pferd dort nach Süden zu in einer Talmulde zurückgelassen, wo auch zwei Freunde von mir, der Comanchenhäuptling schwarzer Panther und der Trapper Tom Einaug sich befinden. Vielleicht holt Ihr sie hierher. Ich möchte bei dem Toten bleiben, da es nicht ausgeschlossen ist, dass der Mörder sich wieder zu seinem Opfer zurück wagt. Wenn Ihr genau nach Süden geht, müsst Ihr die Mulde finden. Außerdem braucht Ihr auch nur leise des Häuptlings Namen Chokariga zu rufen. Der Comanche hat vorzügliche Ohren und wird sich dann schon melden.«

Bleec konnte eine Bewegung freudigen Erstaunens nicht unterdrücken.

»Ah – Chokariga und Tom Einaug«, meinte er. »Gut, ich hole sie – ich hole sie! Keine Sorge, ich verlaufe mich nicht. Also auf Wiedersehen, Master Felsenherz.

Felsenherz blickte ihm finster nach. »Geh’ nur, elender Schurke«, dachte er. »Du hoffst, jetzt auch Chokariga und Tom durch deine roten Spießgesellen fangen zu können! Du ahnst nicht, dass du der Gesnasführte bist!«

Dann drückte er sich ganz dicht an die starke alte Eiche heran, deren Stamm mannshoch dicht mit Moos bewachsen war. Felsenherz wusste, dass bei dieser Dunkelheit selbst das schärfste Indianerauge seine Gestalt auf diesem dunklen Hintergrund nicht zu unterscheiden vermochte. Nun trat er ebenso vorsichtig hinter den Baum, duckte sich und streckte sich lang auf dem Boden aus, nahm die Büchse in die Linke und kroch so langsam im Boden auf den Bach zu, stets in der Überzeugung, dass er von den Osage bereits eingekreist sei.

Wie richtig seine Vermutung gewesen, zeigte sich sehr bald. Als er sich jetzt völlig lautlos durch die Randbüsche der Baumgruppe schob, vernahm er plötzlich links von sich eine flüsternde Stimme, der eine tiefere dann ebenfalls leise, antwortete.

Nachdem er die Büsche glücklich hinter sich hatte, machte er kehrt und kroch auf die Stelle zu, wo er die flüsternden Stimmen vernommen hatte. Sehr bald unterschied er vor sich zwei Rothäute, die hinter einem Strauch knieten und regungslos zu der Eiche hinüber starrten.

Jetzt drehte der eine den Kopf, sodass Felsenherz das Gesicht im Profil erkennen konnte. Der Trapper traute seinen Augen nicht, glaubte im ersten Moment, dass eine Ähnlichkeit ihn täuschte.

Doch nein: Der Indianer dort war kein Osage! Es war Mattari, der Starke Büffel, der Oberhäuptling der wilden Apachennation, die vor vierzehn Tagen am Cimarron durch Felsenherz eine böse Schlappe erlitten hatten, als sie die Goldsucher dort ausplündern wollten!

Mattari als Bundesgenosse der Osage …! Dann war die Gefahr hier noch weit ernster, als Felsenherz bisher angenommen hatte.

Schleunigst kroch er wieder rückwärts, erreichte den Bach und stieg in das Wasser hinein, das ihm kaum bis an die Schultern reichte. Vorsichtig schnitt er einen dick belaubten Ast einer Erle ab und legte sich den Ast über den Kopf. So watete er nun hundert Meter im Bach nach Südost, verließ dann das Bachbett wieder und hoffte nun, den Ring der Feinde hinter sich zu haben.

Unangefochten gelangte er denn auch an den Waldrand, wo er sehr bald auf Tom stieß, bei dem sich jetzt auch inzwischen der Comanche eingefunden hatte.

Hastig berichtete Felsenherz, was er soeben erlebt hatte.

»Wir müssen die Ansiedler warnen«, flüsterte er zum Schluss. »Mattari ist offenbar mit seinen achtzig Kriegern, die ihm nach der Niederlage am Cimarron noch übrig blieben, uns und den Goldsuchern beständig, gefolgt und hat sich nun mit den Osage verbündet. Wo die Apachen ihre Hand im Spiel haben, geht es nie ohne Morden und Brennen ab.«

Chokariga nickte.

»Gut, mag mein Bruder mit Tom rasch zur Niederlassung eilen. Ich werde hier Mattari und das verräterische Blasgesicht mit den Bluthunden weiter beobachten.«

»Chokariga kennt die feinen Nasen der Bluthunde nicht! Er mag uns begleiten. Sonst wird er nur zu bald Mattaris Gefangener sein!«, sagte er eindringlich.

»Mein Bruder kann getrost davon reiten«, erklärte der Häuptling darauf. »Dort nach Norden zu gibt es eine Strecke Sumpfland, wo viele Katta-Barri (Pestwurzpflanze) wachsen. Wenn Chokariga sich mit deren Blüten sein Jagdhemd und seine Mokassins einreibt, werden die Hunde ihn nicht wittern.«

Felsenherz war jetzt beruhigt, denn auch er hatte bereits wiederholt die Katta-Barri Blüten dazu benutzt, den struppigen Kötern feindlicher Rothäute beim Beschleichen eines Lagers zu entgehen.

So ritt er denn nun mit Tom quer durch den dunklen Wald der Niederlassung zu, wobei er es seinem edlen Pferde überließ, sich den gangbarsten Weg zu suchen.