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Romantruhe-Western Band 26

Jim Sheridan
Romantruhe-Western Band 26
Lock die Wölfe in die Falle

Western, Paperback, Romantruhe, Kerpen-Türnich, Mai 2018, 72 Seiten, 4,95 Euro, Titelbild: Romantruhe-Archiv
www.romantruhe.de

Kurzinhalt:
Als Rennie den Sheriff von Lubbock in der Wüste zurücklässt, ist er sicher, den Mann nie wieder zu sehen. Doch Hammond findet einen Weg aus der Wüste und landet in Beaver. Die Menschen misstrauen dem Fremden, aber als der Sheriff ermordet wird, macht der Stadtrichter Hammond zum neuen Gesetzeshüter …

Leseprobe

1

Der Große drehte sich um. Die Luft lag flimmernd über der Wüste, und die Son­ne brannte in Hammonds Augen. Erst jetzt sah er die lederbezogene Flasche in der Hand des Großen. Der Große war Frank Rennie. Der gemeinste Bandit zwi­schen Mississippi und der Westküste.

Rennie schraubte den Verschluss ab und machte einen langen, spielerisch wir­kenden Schritt auf Hammond zu. Rennie hatte breite, knochige Fäuste mit schwarzen Haaren auf den Handrücken.

Die Faust mit der Flasche schoss vor. Der scharfe Whisky sprühte in Ham­monds Augen. Hammond versuchte, mit den Fingern die brennende Flüssigkeit aus den Augen heraus zu reiben, aber das Feuer wurde nur schlimmer davon. Er beugte sich vor. Halb blind tappte er umher.

Die anderen überstürzten nichts. Die Männer auf den Pferden blieben sitzen, solange Rennie sich mit seinem Opfer beschäftigte. Rennie näherte sich dem taumelnden Hammond und trat ihm gezielt in den Bauch. Hammond schrie auf, mehr vor Überraschung als vor dem plötzlichen Schmerz. Er knickte zusammen und fiel auf die Knie.

Mit den Händen stützte er sich im kochend heißen Sand. Er hatte den Mund weit geöffnet und atmete die glühende Luft ein, die schon voller Staub war. Er krümmte die Finger und wartete auf die nächste Gemeinheit.

Nichts geschah. Hammond öffnete die Lider. Alles war verschwommen. Direkt vor ihm standen zwei Beine, die in verschossenen Stiefeln steckten. Breit und wuchtig standen sie da. Hammond hob den Kopf. Rennie grinste bösartig.

Hammond warf ihm eine Handvoll Sand ins Gesicht. Rennie sprang fluchend zurück. Hammond stemmte sich in die Höhe.

Aber jetzt waren die anderen dran. Sie setzten ihre zähen Ponys in Bewegung. Die Hufe wirbelten den feinen Sand auf. Hammond kam auf die Füße und be­gann, sich langsam um seine Achse zu drehen. Rennie war stehen geblieben. Der große Mann hatte die Sonne im Rücken. Hammond taumelte auf ihn zu.

Da traf ihn etwas von hinten. Ein scharfer Schmerz zuckte über seine Brust, dann riss ihn das Lasso von den Füßen. Jemand lachte heiser. Das Lasso wurde mit Gewalt unter seinem Körper weggezogen. Der raue Strick fetzte ihm das Hemd vom Körper.

Die Hufe kamen näher. Die Männer auf den Ponys umkreisten ihn wie die Cowboys einen Stier beim Rodeo.

Hammond versuchte erneut, sich hochzustemmen. Ein wuchtiger Tritt landete in seinen Rippen und presste ihm die Luft aus den Lungen. Keuchend blieb Hammond in dieser Stellung in der Hoffnung, einige Kräfte sammeln zu können. Aber dazu ließen sie es nicht mehr kommen.

Hammond hob den Kopf. Rennie glitt herbei und schmetterte eine seiner harten Fäuste zwischen Hammonds Augen. Ein Tritt traf voll seine Seite, und ein neuer Schlag ließ ihn erschlaffen und zusammensinken.

Hammond wälzte sich im Sand. Alles war heiß und voller Staub.

Und immer noch fegten die Ponys im Kreis herum, im aufgewirbelten Sand kaum noch zu erkennen.

Sie ließen ihn gerade bei Bewusstsein. In regelmäßigen Abständen klatschten jetzt die Lassos über seinen Körper wie Bullenpeitschen. Langsam erstarb jedes Gefühl in Hammond. Bis auf eins, das sie nicht auslöschen konnten, solange er lebte: den Hass.

Er lag auf dem Gesicht, spürte das Trommeln der Hufe in seinem Schädel. In seinem Mund war Sand, in den Augen das Feuer.

Hammond wollte nicht sterben, aber er wusste, dass er sich nicht mehr wehren konnte. Es war zu spät. Er hätte sie über den Haufen schießen sollen, sofort, als er ihre Absichten erkannt hatte. Nun war alles zu spät.

Das dumpfe Geräusch der Hufe erstarb plötzlich. Hammond registrierte es nicht sofort. Erst, als er die Stimme hörte. Sie klang weit, weit entfernt.

»Du sollst verrecken, du Schwein«, sagte Rennie. »Du wirst uns nicht mehr in die Quere kommen, verstehst du? Verrecken wirst du hier!«

 

2

 

Hammond konnte es nicht glauben, aber es war wahr. Sie ritten davon. Seine Stute nahmen sie mit.

Hammond blieb im Sand liegen. Er wollte sich ausruhen. Nur ein wenig ausru­hen. Er wollte nicht sterben. Er wollte leben, um Rennie und seine Komplizen zu erledigen.

Die Sonne verbrannte seinen Nacken. Hammond spürte es nicht. Die Schmer­zen in seinem Leib waren schlimmer. Er wollte warten, bis sie etwas nachließen. Ein wenig nur

Er hörte den weichen Flügelschlag, als der erste Geier neben seinem Kopf auf­setzte. Hammond riss die Augen auf. Der hässliche Vogel schwang seinen lan­gen Hals herab, der gekrümmte Schnabel schoss auf sein rechtes Auge zu. Hammond zuckte zurück, und der Geier krächzte wütend. Schwankend machte er einen Schritt, um einen zweiten Hieb gegen Hammonds Augen zu versuchen.

Hammond hob die Hände schützend vor sein Gesicht. Mühsam zog er die Bei­ne unter seinen Körper, und laut stöhnend richtete er sich auf. Er nahm die Hän­de herab. Der Geier breitete die schwarzen Schwingen aus. Hammond trat nach ihm. Der Geier schrie zornig auf. Hammond setzte nach und traf ihn mit einem harten Tritt vor die Brust. Der Vogel kreischte, breitete die Schwingen aus und hob ab.

Hammond war dem Raubvogel beinahe dankbar. Er war so müde und so kraft­los. Vielleicht wäre er liegen geblieben und nicht mehr aufgewacht. So hatten Rennie und seine Banditen sich das gedacht. Dabei hatten sie zwei entscheidende Fehler begangen. Sie hatten nicht berücksichtigt, dass Hammond die Llanos kannte, und sie rechneten nicht mit seinem Hass und seinem Willen zu leben.

Hammond war zäh, er war ein Mann, der sich in der Wüste behaupten konnte, aber normalerweise hätte Hammond tatsächlich keine Chance gehabt, lebend zur nächsten Stadt zu kommen. Das Kaff, es hieß Laplada, war fast vierzig Meilen entfernt. Es bestand nur aus ein paar Hütten um ein armseliges Wasserloch her­um, aber mehr hätte Hammond gar nicht gebraucht. Rennie konnte sicher sein, dass Hammond Laplada niemals erreichte.

Rennie wusste nicht, dass die neue Eisenbahnlinie mitten durch die Llanos führte. Rennies Karten taugten nichts. Sie waren zu alt. Ein höllischer Fehler, wenn man sich an einen Trail durch die Wüste wagte.

Bis zu dem einsamen Schienenstrang waren es ziemlich genau zwanzig Meilen. Zwanzig einsame, verfluchte, höllische Meilen. Aber Hammond würde sie schaf­fen. Ohne ein Quäntchen Wasser, ohne eine Waffe.

In zwei Stunden ging die Sonne unter. Im Morgengrauen passierte der Postzug von Amarillo nach Pecos diesen Teil des Llano Estacado. Oder der Staked Plains, wie die Wüste hieß, seit Texas Mitglied der Vereinigten Staaten war. Drüben, in New Mexico, hielten sie an der alten Bezeichnung fest.

Hammond machte sich auf den Weg.

 

3

 

Hammond hörte das schrille Pfeifen der Lokomotive in der Ferne, und die Ent­täuschung ließ ihn beinahe zusammenbrechen. In seinem Rücken warf die Sonne ihre ersten Strahlen über die scharf gezackten Kämme der Plainviews im Westen, und Hammond folgte taumelnd seinem eigenen langen Schatten.

Er würde den Postzug nicht erreichen. Er sah den Zug nicht. Die Lok kroch hinter den Hügeln her, ein, zwei lumpige Meilen entfernt, aber für den erschöpf­ten Mann weiter weg als der Mond, der ihm während des einsamen Marsches den Weg gewiesen hatte.

Hammond warf sich in den Sand. Er war noch kühl. Da war ein Stein. Ham­mond leckte den Tau ab, bevor die Sonne den letzten Tropfen Feuchtigkeit aus der Wüste saugen würde.

Jetzt hörte Hammond sogar das Schlagen der Räder auf den Schienen in der klaren Luft. Und wieder stieß die Lok ihren schrillen Pfiff in den kühlen Morgen, der nichts anderes tat, als ein paar Wüstenspringmäuse und Sandflöhe aufzu­scheuchen.

Hammond schleppte sich weiter. Das Schlagen der Räder verklang in der Fer­ne. Die Sonne stieg über die Berge. Innerhalb weniger Minuten brachte sie die Luft zum Flimmern. Hammond sog sie durch seine ausgedörrte Kehle. Er wollte zur Bahn und sich dort auf die Schienen legen. Bis der Gegenzug kam, war er ohnehin bewusstlos.

Wann kam der Zug von Pecos? Hammond konnte sich nicht erinnern. Sein Ge­hirn fühlte sich an, als sei es mit Sägemehl ausgestopft. Irgendwann am Nachmittag. Nur wann? Früh? Der Zug verließ Roswell am frühen Morgen, wenn der Zug aus Amarillo frisches Wasser aufgenommen hatte. Wasser. Hammond hätte jetzt sogar Maschinenöl getrunken. Fünf Stunden brauchte er mindestens bis hierher.

Fünf qualvolle Stunden.

Hammond sah den Schotter mit den glänzenden Schienen darauf vor sich in der Sonne glitzern. Sie kamen aus endloser Ferne und verschwanden in eine andere Endlosigkeit. Hammond stellte sich zwischen die beiden Stahlbänder und starrte nach Süden, als ob er den Zug herbeizaubern könnte.

Er legte die Hände auf den Kopf. Sein dünnes blondes Haar schützte kaum den kantigen Schädel. Er würde hier bei lebendigem Leib verbrennen.

Er drehte sich um und starrte nach Norden. Das gleiche monotone Bild. Sand und flimmernde Luft, Felsbrocken und etwas Schwarzes in der Ferne. Etwas Schwarzes!

Fast mechanisch setzte er sich in Bewegung. Seine Stiefel waren verschlissen. Er spürte die spitzen Schottersteine durch die dünnen Sohlen hindurch, aber hatte nicht die Kraft, die Gleise zu verlassen und neben ihnen durch den nachgiebigen Sand zu stapfen.

Der schwarze Umriss wurde größer, aber er nahm noch keine Konturen an. Hammonds Lungen pumpten wie Blasebälge, und sein Atem trug die letzte Feuchtigkeit aus seinem ausgedörrten Körper hinaus. Er setzte Fuß vor Fuß, oh­ne den Weg noch erkennen zu können. Sein Blick war unverwandt auf das schwarze Ding gerichtet, das nicht hierher gehörte, wo alles weiß und ausge­brannt zu sein hatte.

Er stolperte und schlug auf den Schotter. Er blieb liegen. Noch einmal musste er sich aufraffen. Noch ein einziges Mal.

Er schaffte es. Vorsichtiger setzte er seinen Weg fort. Ein neuer Sturz konnte das Ende bedeuten. Und die Geier kreisten wieder über ihm.

Hammond stolperte über die Schienen, als er den flachen Damm verließ. Das Schwarze war Holz. Die Bretter einer zusammengefallenen Hütte, die den Bahn­arbeitern als Unterkunft oder als Geräteschuppen oder als Sonnendach gedient haben mochte. Harnmond ließ sich auf die Knie fallen. Er zog den Kopf ein und kroch durch einen schmalen Spalt in den winzigen Hohlraum, der sich unter den zusammengebrochenen Wänden gebildet hatte.

Es war schon heiß hier drin, aber die Sonne würde ihn nun nicht mehr verbren­nen und die letzte Kraft aus seinen geschundenen Knochen saugen.

Er lehnte sich mit dem Oberkörper gegen den Rest eines Pfahles. Hier konnte er bleiben. Er spürte, wie sein Lebenswille neu erwachte. Er lebte, und er fühlte sich stark genug, um sogar eine Stunde Schlaf riskieren zu können. Eine einzige Stunde.