Timetraveller – Episode 21
Prolog
I
Nahe San Francisco, 2006
»Du meine Güte!«, entfuhr es Claire Bancroft, als sie das Tiefgeschoss des Stanford Research Institutes erreichten.
Sie hatte angenommen, einen muffigen Keller zu betreten, in dessen Räumen die geheime Forschung durchgeführt wurde. Sie kannte die Zeitmaschine, mit der sie ihre ersten Abenteuer bestanden hatten und auch die Einrichtung von Roger Müller aus der Parallelwelt. Hier jedoch schien alles drei Nummern größer, prächtiger und … gewaltiger … zu sein.
Die Wände waren mit weißen Platten verkleidet. Dahinter liefen Kabelstränge, wie verschiedene Aufschriften zeigten. Rauchmelder und automatische Löschsysteme waren in die Decke integriert worden, das milchig-weiße Licht erhellte das Tiefgeschoss auf eine angenehme Art. Es roch nach Minze, Luft wurde durch Gebläse zugeführt. Es gab keine Fenster, die hinaus auf den Campus des Instituts geführt hätten.
Die Wände, welche die Büros, Laboratorien und Werkstätten abteilten, bestanden aus dickem, aber glasklarem Kunststoff. Man konnte jederzeit sehen, was die Angestellten und Wissenschaftler gerade taten.
Wachen waren hier unten ebenfalls stationiert. Sie saßen in einem Raum, dessen Tür die Aufschrift Sicherheitszentrale trug und neben dem Rotkreuz-Raum lag, in dem ein Arzt sowie zwei Krankenschwestern Dienst taten.
»Schau dir das an«, wisperte Ken fast ehrfürchtig. Der junge Japaner griff nach Claires Hand. »Ich fühle mich, als habe mich jemand auf die USS Enterprise versetzt. Gleich kommt Captain Picard um die Ecke …«
»Nein, das glaube ich nicht«, erwiderte Agentin Francine Carpet. Sie schenkte Ken ein leicht spöttisches Lächeln. »Wir erforschen nicht das All, sondern fremde Welten. Das ist ein großer Unterschied.«
»Wem sagen Sie das?«, fragte Dan mürrisch. »Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen. Auf die Zeitmaschine, auf die Welt, in die wir reisen werden …«
»Geduld. Obwohl wir nicht wissen, was unseren Wissenschaftlern widerfahren ist, dürfen wir kein Risiko eingehen. Ich zeige Ihnen die Zeitmaschine. Dann haben Sie alle einen Termin bei Doktor Elliot. Er ist unser … Flugarzt … Ohne sein Okay wird niemand in den Glider steigen.«
»Glider?«, fragte Ken. »Einsteigen? Sie meinen …«
Agentin Carpet lächelte hintergründig. Sie führte die drei Freunde zu einem breiten, verschlossenen Tor. Anders als bei den sonstigen Türen bestand dieses nicht aus Glas, sodass der dahinter liegende Raum nicht zu sehen war.
Die Mitarbeiterin der CIA zog ihre Codekarte durch ein Lesegerät, gab eine sechsstellige Nummer ein und drückte zum Abschluss einen grünen Knopf unter dem Tastenfeld.
Laut ratternd schoben sich die beiden Flügel des Tors zur Seite.
»Ich will verdammt sein!«, entfuhr es Dan, als er die Anlage dahinter erblickte. »Das hat … Es ist anders als das, was wir bislang kennen!«, bekannte er. »Unsere Maschine war klein, wir konnten sie programmieren. Diese hier ist …«
»Ein Shuttle!«, erkannte Claire. »Wir steigen ein und reisen damit in fremde Welten.« Sie blickte die Agentin an. »Das ist nicht sonderlich subtil, oder?«
»Nein, eher nicht«, gab Francine Carpet zu. »Aber es ist eine sichere Methode, um fremde Welten und Zeiten zu besuchen. Wir benutzen eine weit fortgeschrittene Technik. Sie … stammt nicht aus dieser Welt. Die Grundlagen wurden von zwei deutschen Wissenschaftlern gelegt. Der Antrieb ist faszinierend und gefährlich. Ihn in eine tragbare Maschine zu sperren, an der sich die Reisenden festhalten, würde die Temponauten – oder Timetraveller – schlicht töten.«
»Warum?«, fragte Dan verständnislos.
»Weil diese Maschine in den Zeitstrom eintaucht und eine Navigation während des Fluges ermöglicht. Man drückt nicht einen Knopf und wird versetzt. Man reist durch die Schwärze einer … Dimension … eines … Hyperraums … und erreicht auf diese Weise sein Ziel.«
Die Agentin rang um Worte, die das Reisen mit dem Glider beschreiben sollten, aber es war für die drei Freunde offensichtlich, dass ihr dies nur unzureichend gelang.
Claire hatte den großen Raum inzwischen betreten und betrachtete das Shuttle, den Glider, nahezu ehrfürchtig.
Er hatte die Größe eines schnittigen Sportwagens. Vier Sitze befanden sich im Inneren; zwei im vorderen Bereich und zwei im hinteren Teil. Kontrollen und eine Steuereinheit sah sie ebenso wie verschiedene Monitore. Starke Gurte hielten die Insassen, Räder hatte der Glider hingegen nicht. Seine Hülle glänzte metallisch, Scheinwerfer und Düsen waren zu erkennen.
Auf den Türen, der Schnauze und dem Heck prangte die Flagge der USA. Dahinter, in Großschrift, stand die Bezeichnung des Shuttles: MTRD TW/TT-Glider – 2-E
Claire deutete auf die Schrift.
»Transworld/Transtime-Glider 2-Experimental«, erklärte die Agentin. »Unsere Aufgabe ist es, die Trümmer und die Crew von TW/TT-Glider – 1-E zu finden.«
»Kann man solch einem Gefährt keinen besseren Namen geben?«, fragte Dan. Er runzelte die Stirn. »Etwas Lyrisches vielleicht.«
Francine Carpet lächelte schwach. »Die Glider tragen inoffizielle Namen. Dieser hier heißt Thunderbird.«
»Das ist doch was!« Dan klatschte begeistert in die Hände. »Und wie hieß der verlorene Glider?«
»T-Rex«, gab die Agentin zu. »Er war etwas größer, mit breiter Schnauze und einem bösen Blick, was die Scheinwerfer und Lackierung betraf.«
»Ich nehme nicht an, dass man im Stand die Weltenreise beginnt. Oder?«, fragte Ken. Auch er ging um den Glider herum, strich dabei jedoch mit der Hand über die Außenhülle. Sie fühlte sich glatt und warm an.
»Nein.« Die Agentin deutete auf den Schlitten unter dem Shuttle. »Die Maschine wird mit elektromagnetischen Wellen auf 250 Meilen beschleunigt und verschwindet am Ende der Halle im Zeitstrom.«
Claire starrte auf die weit entfernte Wand. »Und was ist, wenn …«
Sie brachte den Satz nicht zu Ende.
»Es gibt eine Notabschaltung. Sollte sich das Raum-Zeit-Feld nicht aufbauen, bremst der Glider ab. Es gab jedoch vor ein paar Monaten einen Unfall, der für den Insassen tödlich endete. Zum Glück war es nur ein Hund.«
»Was geschah mit ihm?«, wollte Dan wissen, obwohl er die Antwort bereits kannte.
»Das Raum-Zeit-Feld kollabierte kurz vor dem Übertritt. Das Tier hatte nicht zu leiden …«
Claire schloss die Augen. Die Vorstellung, mit 250 Meilen gegen die Wand der Halle zu donnern, ließ Übelkeit in ihr aufsteigen.
»Nun ja!«, rief Ken. »Niemand sagt, dass Weltenreisen ungefährlich wären. Wir wussten nie, wo wir landen. Wir hatten schlicht Glück, nicht einfach in einen tiefen Sumpf zu stürzen, oder auf dem Gipfel eines Achttausenders zu landen.«
»Ja …« Claire seufzte. »Die unbekannten Risiken lassen sich besser verkraften, wie ich finde, denn nach ein paar Sprüngen rechnet man nicht mit dem Schlimmsten. Aber ich weiß schon jetzt, dass ich jedes Mal an den Hund denken werde, wenn ich in den Glider steige.«
Dan und Ken nickten. Sie ahnten, dass es ihnen nicht anders ergehen würde …
II
»Die Uniform steht dir gut!«, sagte Ken kess, als Claire die Kantine der MTDR betrat. Er und Dan saßen an einem runden Tisch, Tassen mit heißem Tee und Teller mit roter Götterspeise vor sich.
Sie alle hatten sich von Doktor Elliot untersuchen und für diensttauglich erklären lassen.
Anschließend waren sie angekleidet worden. Rotblaue Uniformen mit der Flagge der USA auf den Armen, dem Schriftzug der MTDR sowie ihrem Namen auf der Brust.
Auch trugen sie Waffen. Jeder von ihnen hatte eine Energiepistole erhalten, die aus den gleichen Laboratorien wie der experimentelle Zeit-Welten-Antrieb stammte. Hinzu kamen Messer, wie sie auch Piloten der US-Air-Force trugen.
Die Schuhe, welche zur Uniform gehörten, waren fest und schützten auch die Knöchel, ein Helm war während des Fluges Pflicht. Da er Anschlüsse für Atemgeräte bot, die im Glider bereitlagen, konnte es nötig sein, ihn auch während eines Einsatzes zu tragen. Es gab unzählige Welten dort draußen und nicht jede bot eine Stickstoff-Sauerstoff-Atmosphäre wie jene, aus der sie stammten.
»Danke«, replizierte die junge Frau. Sie nahm neben ihrem Freund Platz und schenkte ihm einen innigen Blick. Nichts war von jenem Häuflein Elend übrig, das auf Rauenfels in einem Bett gelegen und mit seinem schrecklichen Schicksal gehadert hatte.
Ken war stärker und schneller. Er war auch leidenschaftlicher, ungestümer. Seine Ausstrahlung war eine andere, seine Augen schauten teils fordernd, teils begehrend, wenn er sie anblickte.
Nichts, was ihr hätte Sorgen bereiten müssen, denn ihr gefiel dies. Sie mochte es, sich in seine Arme flüchten zu können. Zu wissen, dass er da sein würde, wenn sie ihn brauchte.
Dan schaute zur Seite, als er die Blicke seiner Freunde bemerkte. Noch immer quälte ihn Eifersucht. Er hätte Claire so gerne für sich gewonnen, doch sie hatte sich für seinen Freund und Rivalen entschieden.
Warum nur?
»So, hier seid ihr also!«, rief Agentin Carpet, während sie die Kantine durchmaß, in der Hand ein Tablett mit verschiedenen Speisen und einem Becher Coke Light. »Ich hörte schon, dass ihr alle fit, gesund und bester Dinge seid.« Sie schaute zu Ken. »Besonders gesund, wie Doktor Elliot meinte.«
»Also steht unserem ersten Flug nichts im Wege?« Dan wollte sich ablenken, wollte nicht fühlen, was er empfand.
»Absolut nicht. Morgen früh um Null-Achthundert beginnt das Training mit dem Simulator. In drei Tagen steht die erste Reise an. Ziel ist Welt 2-0-5 Alpha.«
»Aha, das habe ich mir gedacht«, scherzte Ken. »Ähm – was bedeutet das?«
»Eine Welt mit ähnlichen oder identischen Umweltbedingungen; eben eine Alpha-Welt. Sie wurde von unseren Sonden klassifiziert und nummeriert. Rein willkürlich, nach der Reihenfolge ihrer Entdeckung.«
»Wie sieht diese Welt aus?«, wollte Claire wissen.
»Das werden wir sehen, wenn wir dort sind. Die Sonden liefern keine Bilder. Nur essenzielle Daten. Der Rest ist Aufgabe der Feldforschung.«
»Echte Pionierarbeit also«, freute sich Dan. »Wer darf den Glider eigentlich steuern?«
Agentin Carpet schaute zu Ken. »Er, denn er hat laut Doktor Elliot die besten Reflexe. Claire ist die Co-Pilotin, wir beide werden die wissenschaftlichen Stationen im Fond des Donnervogels bedienen.« Ein zufriedenes Lächeln huschte bei diesen Worten über ihr Gesicht.
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