Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Der Kommandant des Tower 53

Der Kommandant des Tower
Band 2
Historische Erzählung von W. Harrison Ainsworth
Verlag von Christian Ernst Kollmann, Leipzig, 1863
Viertes Buch
Verschwörung und Gegenverschwörung
Neuntes Kapitel

Wie der König von dem Admiral in den Tower geführt wird und was sich daselbst begibt

Der große Tag brach an, der über des Admirals Glück oder Unglück entscheiden sollte.

Obwohl er keineswegs an dem Erfolg seines kühnen Unternehmens zweifelte und durchaus keinen Gedanken an Verrat hegte, so lastete doch jene überaus gedrückte Stimmung auf ihm, die nicht selten einem Unheil vorausgeht. Böse Träume hatten seinen Schlummer gestört und ihn früh vom Lager aufgetrieben. Er brachte die Morgenstunden damit hin, einige Briefe zu schreiben, die er gleich darauf durch zuverlässige Boten abschickte. Einer der Briefe war an die Prinzessin Elisabeth gerichtet und atmete die glühendste Leidenschaft. Ohne sich in Einzelheiten seines Vorhabens einzulassen, was gefährlich hätte sein können, sagte er ihr, dass sie bald wichtige Nachrichten vernehmen würde, und dass er hoffe, binnen Kurzem in der Lage zu sein, wo er sie an die Erfüllung ihres Versprechens erinnern dürfe.

Nachdem die Korrespondenz erledigt war, ließ er seinen ersten Hausbeamten kommen und gab ihm diejenigen Anwei­sungen, die ihm nötig schienen. Andere notwendige Geschäfte füllten die Morgenstunden aus, und bevor die Zeit gekommen war, in der er sich nach Whitehall begeben wollte, war seine düstere Stimmung verschwunden und Ungeduld und Aufregung an ihre Stelle getreten.

Er zog eine schwarze, mit Gold eingelegte Rüstung an und setzte einen Helm mit schwarzer Feder auf. So erschien er auf einem kräftigen, reich geschmückten Ross in Whitehall an der Spitze von ungefähr fünfzig oder sechzig wohlberittenen Leuten. Dieses würde Erstaunen und Argwohn verursacht haben, wenn man es nicht schon längst gewöhnt gewesen wäre, den Admiral mit einem fast königlichen Gefolge zu sehen. Und so erregte diese ungewöhnlich große Anzahl nur wenig Verwunderung.

Man hätte jedoch bemerken können, dass das Gefolge vollständiger bewaffnet war, als in der Regel der Fall, denn die meisten Leute trugen Stahlpanzer, Stahlhemden und Sturmhauben. Alle hatten Feuerrohre und kurze Lanzen. Dicht hinter seinem Herrn ritt der verräterische Ugo Harrington, im Stillen jubelnd, dass die Stunde seiner Rache herannahe.

Der Tag war rau und unfreundlich, es taute nach mehrwöchentlichem Frostwetter und es schien nicht unmöglich, dass der König des widerwärtigen Wetters halber seinen Besuch im Tower aufgeben würde. Aber wenn der Admiral derartige Befürchtungen hegte, so wurden sie bald niedergeschlagen, denn gerade, als er in den Hof des Palastes hineinreiten wollte, traf er mit Edward zusammen.

Der König trug einen Purpurmantel von Samt, mit Hermelin besetzt, der ihn vortrefflich gegen die Kälte schützte. Auf seinem weißen Zelter ritt er an seines Oheims Seite zum Tower. Seine eigene Leibwache ließ er zurück, denn das Gefolge des Oheims schien ihm zu seinem Schutz völlig ausreichend. Wenig ahnte er, welch eine seltsame Rolle er spielen sollte. Ebenso wenig ahnte er, dass er fast wie ein Gefangener in den Tower geführt wurde, und dass sein ehrgeiziger Oheim ihn gewaltsam dort festzuhalten beabsichtigte, bis er seinen Wünschen nachgekommen war. Was den Admiral betrifft, so war er so ungeduldig, dass er seinen königlichen Neffen fast mehr zur Eile antrieb, als es sich mit der Etikette vertrug. Ein Vortrab ritt voraus, sodass sich ihnen kein Hindernis in den Weg stellte. Aber trotzdem, dass der Admiral so schnell ritt und den König aufforderte, Schritt mit ihm zu halten, bemerkte er doch sehr wohl, dass an gewissen Straßenecken Leute standen, die ihm verstohlen Winke gaben.

Eine halbe Stunde brauchten sie nach Tower Hill, und Seymours Herz schlug heftig, als nun die alte düstere Festung vor ihnen lag. Hätte er gewusst, was seiner harrte, hätte er eine Ahnung von der Schlinge gehabt, die ihm gelegt worden war – nimmer würde er diese Tore passiert haben, sondern eilig umgekehrt sein. Er hätte seine Leute kehrtmachen lassen, hätte dem Pferd die Sporen gegeben und wäre davongejagt – ums Leben.

Die grauen Mauern der Festung sahen finster und drohend aus, aber für ihn hatten sie nichts Erschreckendes. Neben ihm befanden sich die hölzernen Pfeiler des Schafotts, aber er würde ihnen nicht einmal einen Blick geschenkt haben, wenn nicht der König seine Aufmerksamkeit auf eine dunkle Gestalt gelenkt hatte, die danebenstand, indem er schaudernd bemerkte, dass es der Henker war.

»Es ist Mauger, Sir,« sagte der Admiral und für sich setzte er hinzu: »Ich werde Arbeit für ihn haben.«

Nachdem sie die beiden äußeren Tore und die Brücke, die über den Graben führte, hinter sich hatten, kamen Sir John Gage und der Towerlieutenant dem jungen Monarchen und dessen Oheim entgegen.

Der Kommandant begrüßte den König in ehrerbietigster Weise, blickte dann Seymour bedenklich an und schien Gelegenheit zu suchen, ihm ein paar Worte allein zu sagen, aber der Admiral ritt dicht hinter dem König in den unteren Hof hinein und achtete nicht auf Sir John.

Jetzt aber drängte sich dieser an ihn heran und sagte leise: »Lasst Euch raten, und kehrt um. Noch ist es Zeit, ich will Euch helfen.«

»Ich will nicht umkehren, Sir John«, entgegnete Seymour, »Ihr erratet, warum ich den König hierher gebracht habe.«

»Zu Eurem eigenen Verderben habt Ihr ihn hierher gebracht. Flieht auf der Stelle, wenn Euch Euer Leben lieb ist.«

»Ihr denkt mich zu schrecken«, antwortete Seymour, »aber meine Absicht steht fest.«

»Die Tore sind geschlossen – es ist zu spät«, sprach Gage und ritt zum König.

Edward stieg vor dem Palast ab und trat in Begleitung des Admirals und des Kommandanten ein.

Der Palast sah öde aus, denn er war um jene Zeit fast unbewohnt, aber in dem großen, mit Teppichen behangenen Zimmer, wohin sie sich begaben, brannte ein helles Feuer und gab ihm einen behaglicheren Anstrich. Nachdem Edward sich einen Augenblick gewärmt hatte, wandte er sich nach seinem Oheim um, der in einiger Entfernung von ihm stand, und sagte: »Ihr habt Uns etwas zu sagen, liebster Onkel. War es denn nötig, dass Wir zum Tower kamen, um es zu hören?«

»Eure Majestät mag urteilen«, entgegnete der Admiral. »Das wirkliche Motiv, warum ich Euch hierher gebracht habe, werde ich jetzt angeben. Ich wollte Euch an einem sicheren Ort wissen, von wo aus Ihr ohne die Dazwischenkunft anderer Eure Befehle erteilen könnt. In Whitehall steht Ihr unter des Lordprotektors Kontrolle. Hier könnt Ihr tun, was Euch beliebt. Einmal schon machte ich den Versuch, Euch von Eures Oheims Knechtschaft zu befreien. Meine Absicht wurde damals vereitelt, aber heute wird sie es nicht, wenn Eure Majestät nur fest sein will. Nie habt Ihr mehr der Festigkeit bedurft, als in diesem Augenblick.«

»Ich will meine ganze Entschlossenheit aufbieten, wenn ich weiß, zu welchem Zweck«, sagte Edward, ihn fest anblickend.

»Hört mich, Sire, und seid überzeugt, dass die Mitteilungen, welche ich Euch machen werde, alle bewiesen werden können. Seit dem Tod Eures erhabenen Valers sind alle Regierungsakte und Ernennungen von seinen Testamentsvollstreckern ausgegangen. Sie haben einen Präsidenten ernannt und ihn unter dem Titel eines Lordprotektors mit fast souveräner Macht bekleidet. Sie haben Conseil gehalten und die Staatsgeschäfte verwaltet. Aber ihre ganze Autorität beruhte auf dem königlichen Testament.«

»Wahr. Der König, mein Vater, befahl, dass die sechszehn Personen, die er zu Testamentsvollstreckern ernannte, das Privatconseil bilden und während meiner Minderjährigkeit die Exekutivgewalt der Krone ausüben sollten.«

»So wollte es Euer königlicher Vater, Sire, aber …«

»Was aber?«, fragte Edward. »Ist nicht allen Verfügungen nachgekommen?«

»Hört mich, Sire. Der König, Euer Vater, hatte das Testament sorgfältig ausgearbeitet, aber da er von etwas wandelbarer Sinnesart war, so verschob er die Unterzeichnung desselben – bis es zu spät war.«

»Zu spät!«, rief Edward bestürzt. »Wurde das Testament nicht unterzeichnet?«

»Es wurde gestempelt, als Seine Majestät bereits unfähig war, zu reden und sich zu bewegen, und im Sterben lag. Folglich ist das Testament nichtig und damit alle sich darauf stützenden Akte. Es gibt keine Testamentsvollstrecker, kein Privatconseil, keinen Protektor. Zerfällt das Testament in nichts, so kommt die Krone an des Königs unbestrittenen Erben, an Eure Majestät. Kein Vormund oder Testamentsvollstrecker hat Euch etwas zu sagen.«

»Aber weiß mein Oheim, der Lordprotektor, von diesem Mangel im Testament?«

»Ob er davon weiß?«, rief Seymour. »Auf seinen Anlass wurde das Testament gestempelt. All seine Hoffnungen auf Macht und Größe waren auf dieses Dokument gestützt, und da er sich durch des Königs Saumseligkeit derselben beraubt sah, so griff er zu dem verzweifelten Mittel. Doktor Butts half ihm bei dem Betrug. Als dieser auf dem Sterbebett lag, peinigte ihn sein Gewissen, und er legte ein schriftliches Bekenntnis ab, welches ich in Verwahrung habe und Eurer Majestät vorlegen werde.«

»Das ist eine entsetzliche Anklage, Mylord, die Ihr da gegen Euren Bruder vorbringt«, sagte Edward. »Aber Ihr sagt, Ihr könnt sie beweisen?«

»In allen Einzelheiten. Butts Bekenntnis ist sehr ausführlich. Sir John Gage und ich traten den Augenblick darauf, nachdem der königliche Wille gestempelt worden war, in des Königs Gemach und wir können beide des Königs Aussehen bezeugen. Er musste schon lange bewusstlos gewesen sein. War es nicht so, Sir John Gage?«, wandte er sich an den Kommandanten, der in ehrerbietiger Entfernung stand.

»Ich kann es nicht in Abrede stellen«, antwortete Gage.

»Das ist in der Tat traurig«, sprach Edward.

»Es ist ein großes Unrecht und muss wieder gut gemacht werden«, fuhr der Admiral fort. »Darum habe ich Eure Majestät hierher gebracht. Der Lordprotektor muss seines Amtes entsetzt, das Conseil aufgelöst werden. Über­lasst es mir, die Angelegenheit zu ordnen. Volksunruhen können ausbrechen, aber durch energische Maßregeln, die ich vorschlagen will, werden sie bald unterdrückt werden. Eure Majestät muss geruhen, im Tower zu bleiben, bis alles vorbei ist. Es ist nur eine Beschränkung auf höchstens ein paar Tage, und dann werdet Ihr Euch einer Freiheit erfreuen, wie Ihr sie noch nicht gekannt habt.«

»Ihr meint also, ich solle nicht nach Whitehall zurückkehren?«

»Nicht eher, bis alles getan ist, Sire. Hier seid Ihr, im Falle eines Tumultes oder wenn der Lordprotektor irgendeinen verzweifelten Versuch machen sollte, Eurer Person habhaft zu werden, vollkommen sicher. Ich habe ein Mandat in Bereitschaft, welches mir Vollmacht gibt, für Euch zu handeln. Ihr braucht es nur zu unterzeichnen.«

Er zog ein Schreiben hervor und legte es vor den König hin.

In diesem Augenblick trat Sir John Gage, der sich bisher in ehrerbietiger Ferne gehalten hatte, näher und sprach: »Es ist Zeit, dass ich mich einmische. Eure Majestät darf das Mandat nicht unterzeichnen.«

»Darf es nicht unterzeichnen, Sir John!«, rief der Admiral aus. »Ihr wagt es, Eurem Herrscher Vorschriften zu machen?«

»Ich wage es, ihm in einem solchen Augenblick zu raten. Was Euch betrifft, Mylord, so muss ich Euch sagen, dass Ihr am Rande eines Abgrundes steht. Einen Schritt weiter, und Ihr stürzt hinein.«

»Ihr habt den Lordprotektor im Sinn, nicht mich, guter Sir John«, erwiderte der Admiral in verächtlichem Ton.

»Seine Hoheit steht auf festerem Boden, als Ihr meint, Mylord«, entgegnete der Kommandant. »Aber Ihr habt von dem Bekenntnis Butts gesprochen. Könnt Ihr es vorzeigen?«

»Das kann ich«, antwortete der Admiral und suchte in einer Samttasche, die an seinem Gürtel hing.»Ha! Es ist fort!«

»Das ist schlimm, Mylord«, bemerkte der Kommandant. »Die Vorzeigung des Bekenntnisses hätte alle Zweifel niederschlagen können.«

»Setzt Ihr irgendeinen Zweifel in die Wahrheit meiner Behauptung, Sir John?«, rief Seymour heftig.

»Eine so schreckliche Anklage sollte nicht ohne Beweis ausgesprochen werden«, sagte der Kommandant.

»Das ist wahr«, stimmte der König bei.

»Das Dokument ist mir erst jetzt abhandengekommen.«

»Ich sage nochmals, das ist schlimm – sehr schlimm, denn ein solches Dokument hätte Euch aus der Not helfen können. Mylord, ich sage Euch, begebt Euch in des Königs Schutz und fleht ihn um Gnade an. Sonst seid Ihr verloren!«

»Was soll das heißen, Sir John?«, fragte Seymour, »habt Ihr mich verraten?«

»Ihr seid verraten, aber nicht durch mich«, antwortete der Kommandant. »Der Lordprotektor und das Conseil sind hier. Ich warnte Euch, als Ihr den Tower betratet. Aber Ihr wolltet mich nicht hören.«

» Flieht! Bester Onkel! Flieht, solange es noch Zeit ist!«, rief Edward.

»Flucht ist unmöglich, Sire«, sprach der Kommandant. »Wenn der Admiral das Zimmer verlässt, so ist er ein Gefangener. Im Vorzimmer und im Korridor befinden sich Wachen, und alle Ausgänge des Palastes sind auf Befehl des Lordprotektors besetzt.«

Es folgte eine kurze und entsetzliche Pause. Den Admiral verließ, obwohl er sich in der äußersten Gefahr befand, nicht der Mut. Er schien sich auf einen Kampf der Verzweiflung gefasst zu machen.

Endlich nahm der König das Wort. »Sir John Gage«, sprach er entschlossen, »mein Oheim, Lord Seymour, soll nicht verhaftet werden. Hört Ihr, was ich sage, Sir John? Lord Seymour soll nicht verhaftet werden. Ihr müsst es verhindern.«

»Ach! Sire, Ihr fordert mehr von mir, als in meiner Macht steht«, entgegnete der Kommandant. Der Lordprotektor ist hier allmächtig.«

»Hört Ihr es, Sire?«, rief Seymour. »Es ist, wie ich Euch sagte. Der Lordprotektor ist alles, Eure Majestät nichts! Ich hätte Euch von diesem Joch befreit und muss meine Ergebenheit nun mit dem Leben bezahlen.«

»Ihr sollt nicht in seine Hände fallen, wenn ich es verhüten kann, Oheim«, sagte Edward. »Sir John Gage, bei Eurem Lehnseid befehle ich Euch, zu gehorchen! Verhelft dem Admiral zur Flucht.«

»Ich flehe Euch um Verzeihung an!«, rief der Kommandant und warf sich dem König zu Füßen. »Ich kann, ich darf Euch nicht gehorchen!«

»Darf nicht! Sir John, solches hätte ich von Euch nicht erwartet.«

»Ich würde mit meinem Kopf dafür büßen müssen. Aber ich wollte ihn gern hingeben, nur kann ich nicht Verrat und Rebellion unterstützen. Das Conseil hat einen Haftbefehl gegen den Admiral erlassen, und ich kann nicht dawider handeln.«

»Sir John«, fuhr der König in strengem Ton fort, »ich befehle Euch, ihn in Freiheit zu setzen.«

»Aber, Sire …«

»Keine Weigerung! Wenn die Tore des Towers in des Lordprotektors Namen geschlossen worden sind, so lasst

sie in meinem Namen öffnen. Geht gleich mit ihm!«

»Es ist umsonst, Sire. Man wird meinem Befehl nicht gehorchen. Die Wachen werden sich weigern, die Tore zu öffnen.«

»Nicht, wenn Ihr mein Siegel vorzeigt«, antwortete der König, indem er den Ring von seinem Finger nahm und ihn dem Kommandanten gab.

»Ich will Eurer Majestät gehorchen«, sprach Sir John Gage aufstehend, »aber nur unter der Bedingung, dass der Admiral mir sein Wort gibt, alle Pläne wider seinen Bruder aufzugeben, wenn ich ihn in Freiheit setze.«

»Ich will das Wort nicht geben!«, rief Seymour auffahrend. »Ihr habt des Königs Befehlen zu gehorchen und keine Bedingungen zu machen!«

»Verliert keine Zeit, Sir John, sondern tut, wie ich Euch befehle«, sagte Edward. »Mein Siegel schützt Euch.«

»Ich achte der Gefahr nicht«, antwortete der Kommandant. »Da Eure Majestät es befiehlt, so gehorche ich.«

»Gebt mir mein Pferd, Sir John. Begleitet mich an die Tore. Das ist alles, was nötig ist!«, rief Seymour. »Ich weiß nicht, ob ich Euer Pferd finden kann«, antwortete der Kommandant. »Wahrscheinlich ist Euer Gefolge zersprengt worden. Ich weiß, dass deshalb Order gegeben worden ist.«

»Aber mein Zelter muss da sein!«, rief Edward. »Nehmt den oder irgendein Pferd, das Ihr finden könnt. Geht! geht! Sie werden gleich hier sein!«

»Wir können nicht durch das Vorzimmer gehen. Es ist, wie ich sagte, bewacht«, bemerkte der Kommandant, indem er zu einer anderen Seite des Zimmers hinschritt, wo er ein Stück Tapete anhob, sodass eine geheime Tür sichtbar wurde. »Lebt wohl, mein gnädiger Herr!«, rief Seymour mit einer tiefen Verbeugung vor seinem königlichen Neffen. »Binnen Kurzem sollt Ihr von mir hören.«

Damit schritt er in Begleitung des Kommandanten durch die geheime Tür und die Tapete fiel wieder davor nieder.

Kaum hatte der König Zeit, sich niederzusetzen, als die große Tür weit aufgetan wurde und der Lordprotektor, gefolgt von Warwick und den anderen Mitgliedern des Conseils, eintrat. Hinter Letzteren kam eine Abteilung Hellebardiere, an deren Spitze sich Ugo Harrington befand. Erstaunen und Verdruss malte sich auf den Gesichtern der ganzen Gesellschaft, als man sah, dass der König allein war.

Somerset konnte seine Wut und seine Enttäuschung nicht verbergen.

»Wo ist der Verräter?«, fragte er wütend.

»Wenn Eure Hoheit den Lordadmiral meinen«, antwortete der König ruhig, »so ist er unter sicherem Geleit fortgegangen. Ich habe Sir John Gage beauftragt, ihn aus dem Tower zu bringen.«

»Sir John soll sich vor dem Conseil und vor mir wegen dieses gröblichen Ungehorsams gegen unsere Befehle verantworten. Er weiß, das ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden ist.«

»Er gehorchte meinem Befehl!«, sprach Edward würdevoll. »Eure Majestät weiß nicht, welch eines abscheulichen Verbrechens der Admiral sich schuldig gemacht hat, oder Ihr würdet ihm nimmer zur Flucht verhelfen haben«, sagte der Protektor.

»Sind diejenigen, die ihn anklagen, selbst frei von Schuld?«, fragte Edward streng.

»Was will Eure Majestät damit andeuten?«, rief der Protektor aus.

»Wir werden eine passendere Gelegenheit finden, um zu sagen, was Wir meinen«, sagte Edward. »Bis dahin wird Eure Hoheit wohl daran tun, sich selbst zu prüfen, ob nichts auf Eurem Gewissen lastet, dessen Ihr Euch zu schämen habt.«

Somerset sah verlegen aus und wusste nicht, was er antworten sollte.

In diesem Moment trat der Graf von Warwick auf ihn zu und sagte leise: »Während wir reden, entwischt der Admiral. Gelingt es ihm, aus dem Tower zu kommen, so bricht der Aufstand aus, und dann stehe ich für keinen von all unseren Köpfen ein.«

»Was ist zu tun?«, fragte Somerset leise. »Der König hat ihn in Freiheit gesetzt.«

»Kümmert Euch nicht darum. Wir teilen die Verantwortung wegen seiner Verhaftung mit Euch. Entkommt er, so ist es um uns alle geschehen.«

Indem sie so redeten, trat Ugo Harrington zu ihnen. »Verzeiht mir, wenn ich Eure Hoheit unterbreche«, sagte er, »aber jeder Augenblick ist kostbar. Wenn Ihr es wünscht, so werde ich ihn auf alle Fälle verhaften.«

»So tue es sogleich, guter Bursche!«, rief Warwick. »Seine Hoheit wird dir danken und dich belohnen. Hier ist der Befehl – geh!«

»Ja, geh und nimm eine Wache mit«, sagte der Protektor. Darauf entfernte sich Ugo, indem er einem Dutzend Hellebardiere ihm zu folgen befahl.