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Der Welt-Detektiv Band 6

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Felsenherz der Trapper – Teil 17.4

Felsenherz der Trapper
Selbst Erlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 17
Der kleine Kundschafter
Viertes Kapitel

Der Kanonenschuss

Die Apachen traten an die Brustwehr und berieten sich leise. Sie trauten dem weißen Jäger nicht. Aber wie alle Naturkinder waren sie überaus wissbegierig ihnen unbekannten Dingen gegenüber.

Schließlich siegte diese Neugier. Einer von ihnen setzte einen Kienspan in Brand. Die anderen zogen sich neben den Vordermast auf das Vorschiff zurück.

Felsenherz sah, dass die Richtung des Rohres die fraglos aus Bleikugeln bestehende Ladung des Geschützes gerade nach der anderen Seite des Vorschiffes lenken musste.

So ungern er stets Menschenblut vergoss: Hier handelte es sich nicht nur um sein eigenes und seines Freundes Leben, sondern auch um das der Ansiedler, ihrer Frauen und Kinder!

Unter diesen Umständen durfte er nicht zögern, die Feinde nach Möglichkeit zu schädigen und ihnen einen solchen Schreck einzujagen, dass sie in kopfloser Flucht schwimmend das Weite suchten.

Deshalb rief er dem Apachen zu, der bereits den brennenden Kienspan mit ängstlich vorgerecktem Arm dem Zündloch des kleinen Schiffsgeschützes nahe hielt:

»Der rote Krieger mag das eiserne Rohr mehr zur Seite schieben, sonst wird er nichts erreichen.«

Der ahnungslose Apache blickte Felsenherz erst misstrauisch an, tat dann aber doch, was dieser ihm geraten hatte.

»Halt!«, rief der Trapper wieder, als er bemerkte, dass das Geschütz nun die gewünschte Richtung hatte. »Wenn der rote Krieger sich fürchtet, mag er mir die rechte Hand losbinden. Felsenherz wird ihm dann beweisen, wie das eiserne Rohr sprechen kann.«

Dieser Zweifel an seinem persönlichen Mut veranlasste den Apachen, den Kienspan rasch auf das Zündloch zu legen.

Kaum drei Sekunden später entlud sich das Geschütz schon mit ohrbetäubendem Knall.

Pfeifend schlug der Bleihagel in den Haufen der dicht beieinanderstehenden Apachen ein.

Gellende Schmerzensschreie schrillten durch die Luft. Nur drei der Rothäute waren unverwundet geblieben. In panischem Schreck sprangen sie über die Brustwehr in den See hinab und suchten schwimmend dem Unheil zu entgehen.

Der Krieger, der die Lunte in der Hand gehabt hatte, war vor Entsetzen rücklings auf das Deck gestürzt, hatte sich dann aufgerafft und war gleichfalls mit einem Satz über die hohe Reling verschwunden.

Vorn lagen Tote und Verwundete in wirrem blutigen Knäuel umher. Hätte Felsenherz diese furchtbare Wirkung des Schusses voraussehen können, dann würde er doch vielleicht gezögert haben, diese verderbliche List anzuwenden.

Das Stöhnen der Verwundeten drang dem blonden, hochherzigen Trapper wie eine schwere Anklage ins Ohr. Nur zu bald sollte sein Gewissen jedoch völlig beruhigt werden.

Aus der hinteren Deckhütte wälzte sich jetzt jener Graubart, den der Trapper vorhin hinter der Brustwehr erkannt hatte, an Deck. Er war an Händen und Füßen gefesselt und machte verzweifelte Anstrengungen, mit den auf dem Rücken zusammengebundenen Händen das Jagdmesser des Apachen zu erfassen, das diesem entfallen war, als der Schuss losging.

Hierbei fiel ihm nun der breitrandige Strohhut vom Kopf, und Felsenherz bemerkte, dass des Alten Haupthaar von schwarzem Blut zu einer dichten Masse verklebt war, während in der Mitte des Schädels ein rundes Stück der Kopfhaut fehlte.

Der Mann war also von den roten Bestien bei lebendigem Leibe skalpiert worden!

Jetzt hatte der Alte das Messer wirklich erfasst. Jetzt arbeitete er sich zu Felsenherz hin, richtete sich stöhnend etwas auf und durchsägte dessen Fußsesseln.

Gerade als er dann auch die anderen Riemen halb durchschnitten hatte, war einer der leicht verwundeten Apachen auf die Vorgänge auf dem Achterdeck aufmerksam geworden. Sein rechter Oberarm war zerschmettert. So riss er denn mit der Linken das lange Skalpiermesser aus dem Gürtel und schnellte sich, wenn auch taumelnd, mit drei Sätzen vorwärts.

Der Warnungsruf des Trappers kam zu spät. Schon hatte der blutbespritzte Krieger dem alten Manne das Messer von hinten ins Herz gestoßen, gab dem Umsinkenden dann einen Fußtritt und wollte die Klinge jetzt Felsenherz in die Brust jagen.

Der blonde Westmann wusste, dass Leben und Sterben nun von seiner Gewandtheit allein abhing. Seine Beine waren frei. Sein rechter Fuß flog empor, traf den Apachen vor den Unterleib.

Wie ein Ball rollte der Krieger über das Deck.

Ein paar kraftvolle Rucke, und Felsenherz hatte auch die bereits halb zerschnittenen letzten Riemen zerrissen.

Zwei Sprünge – und er hatte den Tomahawk des vor Schmerzen sich krümmenden Apachen in der Hand.

Zwei weitere Sprünge, und das funkelnde Schlachtbeil durchhieb des Schwarzen Panthers Fesseln.

Kaum war Chokariga der Bande ledig, als er einem anderen Apachen Messer und Tomahawk abnahm.

Felsenherz wandte sich um. Er wollte nicht Zeuge der Blutarbeit sein, die der Comanchenhäuptling nun verrichtete. Krachende Tomahawkhiebe und letzte Sterbeschreie, Aufklatschen der ins Wasser Geworfenen und der schrille Kriegsruf des Häuptlings drangen ihm ins Ohr, als er sich über den sterbenden Graubart beugte, der ihm noch mit verzweifelter Anstrengung zuflüsterte: »Rettet meine Gefährten! Rettet die Frauen! Eine Bucht zieht sich in die Insel hinein. Dort am Ufer in dem größten Blockhaus verteidigen sie sich. Es sind nur noch sechs Männer. Alle übrigen tot. Meine Tochter Luzie ist entführt worden …«

Dann sank sein Kopf matt zur Seite, und er hauchte mit einem schmerzlichen Seufzer sein Leben aus.

Felsenherz, der neben ihm gekniet hatte, erhob sich.

Der Schwarze Panther trat auf ihn zu. »Mein Bruder Harry mag die große Büchse wieder laden«, sagte er kurz. »Die Pimos sollen den Charikahua-See für alle Zeiten fürchten lernen.«

Eine finstere Entschlossenheit sprach aus des Comanchen edlen Zügen.

Felsenherz Blicke ruhten prüfend auf dem Nordufer des Sees. Dort war das Tal zu erkennen, in dem die Freunde am Morgen von den Apachen umzingelt so bange Minuten durchlebt hatten. Dort bewegten sich jetzt am Ufer fünf Reiter, ohne Zweifel Weiße, wie man trotz der Entfernung unterscheiden konnte.

»Wir werden Tim Brax an Bord nehmen«, erklärte Felsenherz und deutete auf die Reiter.

»Mein weißer Bruder hat recht«, gab der Häuptling mit einem Nicken zu verstehen. »Es ist Tim Brax mit seinen Freunden.«

Dann wurde das Flachboot losgebunden, und die Westmänner ruderten das schwere Fahrzeug langsam dem Nordufer zu.