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Felsenherz der Trapper – Teil 15.3

Felsenherz der Trapper
Selbst Erlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 15
Der Medizinmann Omakati
Drittes Kapitel

Im Lager der Apachen

Genau dieselben Befürchtungen äußerte dann auch Felsenherz bei einer Beratung, die die fünf auf dem Eiland Belagerten am Spätnachmittag abhielten.

Inzwischen war von den Apachen nichts mehr zu bemerken gewesen. Auf den beiden Flussufern herrschte eine trügerische Stille. Nicht eine einzige Rothaut war mehr sichtbar geworden, und James Botterley hatte denn auch wiederholt erklärt, die Apachen müssten abgezogen sein.

Da hatte der dicke Abraham wieder schallend losgelacht und gemeint: »Steckt doch mal probehalber Euren Schädel durch die Büsche, und ich wette, die Kugeln werden herüberpfeifen wie ein Wurf Erbsen!«

Aber Botterley hütete sich, dies wirklich zu versuchen.

Bei der Beratung erklärte Felsenherz, dass eine Flucht nur flussaufwärts und zwar sofort nach Dunkelwerden und vor Erscheinen der Gestirne glücken könne.

Worauf Tom kopfschüttelnd sagte: »Massa, wie sollen wir wohl mit dem Floß gegen eine so starke Strömung ankämpfen?«

»Da hast du recht, Tom«, erwiderte der blonde Trapper. »Mithilfe von Stoßstangen lässt sich nichts ausrichten. Wir haben aber sechs Lassos zur Verfügung. Die ergeben zusammen etwa 76 Yards Länge. Wenn wir nun noch ein Rindenbasttau von 87 Yards Länge flechten, und wenn dann jemand von uns außerhalb der Hauptströmung mit diesen beiden zusammengebundenen Seilen zur Insel hinüberschwimmt, dann kann man das Floß vielleicht zunächst bis zu jener Insel ziehen und von dieser weiter an eines der Ufer, die dort kaum mehr von den Apachen bewacht werden dürften, da diese niemals vermuten können, dass wir stromaufwärts fliehen werden.«

»Donnerwetter!«, entfuhr es dem dicken Abraham da. »Das ist ein Vorschlag, der sich hören lässt! Los denn, Weiden gibt es hier genug! Schälen wir sie ab und beginnen wir mit der Herstellung des Taues. Es genügt, wenn einer von uns dauernd unser Eiland umrundet, damit die Bande uns nicht etwa unversehens überfällt. Hm, wer soll aber mit dem Tau hinüberschwimmen?«

»Das übernehme ich«, erklärte Felsenherz schlicht. »Nur ich dürfte die dazu nötigen Kräfte besitzen.«

Niemand hatte dagegen etwas einzuwenden.

So begann man denn mit dem Flechten des Basttaues. Botterley, der für diese Arbeit sich kaum eignete, musste derweil die Insel bewachen und führte dies auch mit großem Eifer und großer Gewissenhaftigkeit aus.

Drei Stunden später war das Tau fertig. Die Dämmerung brach jetzt herein. Noch immer lagen die Uferhöhen und die dichten Waldstreifen wie ausgestorben da.

Nur dort am Ostufer stiegen jetzt über den Baumkronen schwache Rauchsäulen zahlreicher Feuer auf.

Dort befand sich in einem schmalen, langen Tal das Lager des Oberhäuptlings der Apachen, des Schnellen Büffels. Es war kaum hundert Yards von jener Felsterrasse entfernt, auf der am Morgen der unechte Grizzly sich gezeigt hatte.

Im Tal waren einige dreißig Lederzelte dicht an den schroffen Wänden so errichtet worden, dass die Mitte einen freien Platz bildete. Hier brannten die Feuer, hier konnte man das malerische Bild eines Indianerkriegslagers mit all seinen Einzelheiten beobachten.

Die Rothäute waren gerade dabei, über den Feuern mehrere Büffellenden zu braten. Während einige so für die Allgemeinheit die Köche spielten, saßen andere vor den Zelten, reinigten ihre Flinten, gossen Kugeln oder schärften ihre Jagdmesser und Tomahawks.

Das Tal hatte zwei Ausgänge. In diesen standen je drei Wachen. Weitere zwanzig Krieger waren am Ostufer als Wachen verteilt. Aber auch drüben am Westufer lagerten gegen hundert Apachen, deren Anführer der Unterhäuptling Taschulapa, das Lange Messer, war.

Soeben hatte Taschulapa dem Oberhäuptling einen Boten geschickt, der unterhalb des Eilandes den Fluss passiert hatte. Das Lange Messer ließ melden, dass in den letzten Stunden von den Belagerten nichts mehr zu sehen gewesen sei.

Der Schnelle Büffel schickte den Boten mit dem Befehl wieder zurück, Taschulapa solle dreißig Mann weiter stromaufwärts senden und dort ein neues Floß bauen lassen. Ein zweites würde hier am Ostufer hergestellt werden, und beide sollten dann, sobald der Mond über die Ränder der Uferberge hochstieg, die Insel mit je sechzig Kriegern angreifen.

Der Oberhäuptling, ein großer, überaus kräftiger Krieger mit listigem, narbigem Gesicht, hatte den Boten kaum abgefertigt, als am Nordausgang des Tales laute Rufe erschallten.

Der Schnelle Büffel, der bisher vor seinem Zelt gesessen hatte, erhob sich und gewahrte nun ebenfalls die Gestalt eines riesigen Bären, der aufrecht durch die Menge der Krieger schritt und sich ihm näherte.

Des Oberhäuptlings Gesicht verfinsterte sich.

Dort nahte ja sein gefährlichster Rivale, der Medizinmann Omakati, dessen Einfluss auf den Stamm der Apachen fast noch den des Schnellen Büffels übertraf.

Der Oberhäuptling ließ sich am Feuer nieder und blickte dem Medizinmann wenig freundlich entgegen.

Omakati öffnete vorn das Bärenfell und setzte sich gleichfalls. Von seinem Gesicht war jedoch nichts zu sehen. Sein Kopf steckte völlig in dem ausgehöhlten Schädel des Bären. Nur seine Augen funkelten durch die leeren Augenlöcher seltsam unheimlich hindurch.

Der gefürchtete Medizinmann griff ohne Weiteres nach einem Stück Büffellende, das man dem Oberhäuptling soeben gebracht hatte, und begann zu essen, indem er mit seinem Messer das Fleisch gewandt zerschnitt.

»Omakati ist lange fern gewesen«, sagte der Schnelle Büffel nach einer Weile.

»Omakati ist überall«, erwiderte der Medizinmann so laut, dass auch die umstehenden Apachen es hören konnten, »Omakati sah, wie die Krieger der Apachen den berühmten Jäger verfolgten, wie Felsenherz dann die Prärie anzündete und wie unsere Krieger vor dem Feuer fliehen mussten.«1

Im Kreise der Roten wurden Rufe des Staunens laut. Auch der Schnelle Büffel fragte gespannt: »So war mein Bruder Omakati ebenfalls in den nördlichen Prärien?«

»Omakati hat alles gesehen und war doch anderswo«, entgegnete der Medizinmann kurz. »Wie gedenkt der Schnelle Büffel die Männer auf der Insel in seine Gewalt zu bekommen?«, fragte er dann.

Der Oberhäuptling hielt dies für eine gute Gelegenheit, das Ansehen Omakatis zu schädigen, und meinte: »Wenn Omakati alles weiß, wird er auch dies wissen.«

Der Medizinmann machte eine halb verächtliche Handbewegung. »Omakati weiß genau, dass die fünf Männer entkommen werden«, sagte er sehr bestimmt. »Der Schnelle Büffel wird sie so, wie er es beabsichtigt, nicht fangen. Er mag warten. Diese Nacht steht unter schlechten Zeichen.«

Der Oberhäuptling sah sich geschlagen. Er wusste nur zu gut, dass seine Krieger die Insel nicht angreifen würden, wenn der Medizinmann einen Misserfolg prophezeite.

Er schwieg deshalb. Aber in seinem Herzen flammten Wut und Rachsucht. Er war neidisch auf Omakati, der jetzt gelassen hinzufügte: »Man bringe mir die Verwundeten. Ich will sie verbinden. Die Büchsen der Blassgesichter schießen Kugeln, die von einem Ufer des Pecos zum anderen gehen. Die Krieger der Apachen flohen von der nördlichen Insel vor diesen Kugeln.«

Die Verwundeten waren bereits vorher herbeigeschafft worden, da man zu Omakatis ärztlicher Kunst seit jeher das größte Vertrauen hatte.

Der Schnelle Büffel sah finster zu, wie der Medizinmann aus den Taschen, die das Bärenfell innen enthalten musste, ein paar kleine Tongefäße mit Wundsalben hervorholte und rasch und geschickt neue Verbände anlegte.

Nachdem die Verwundeten wieder weggetragen worden waren, trat Omakati abermals an das Feuer heran und sagte zu dem Oberhäuptling: »Der Große Geist wird meinen Brüdern zürnen, wenn sie auch fernerhin Felsenherz und dem Häuptling der Comanchen nach dem Leben trachten. Omakati hat seine Brüder schon lange gewarnt, nicht aus blinder Rachgier das Kriegsbeil auszugraben. Meine Brüder hatten keinen Grund, den blonden Jäger und den Schwarzen Panther seit vielen Monaten zu verfolgen und mit dem Tode zu bedrohen. Manitu, der Große Geist, liebt seine weißen und roten Kinder gleichmäßig. Meine Brüder mögen daran denken, wie viele tapfere Krieger sie bereits verloren haben, nur weil sie nicht davon abließen, den beiden berühmten Jägern nachzustellen. Ich habe gesprochen …«

Er wollte sich umwenden und davongehen.

Der Schnelle Büffel jedoch war schon hochgeschnellt und rief: »Krieger der Apachen, hört nicht auf die Worte Omakatis, der einsam durch die Prärien, Berge und Wälder schleicht und seit Jahren nie mehr einen Tomahawk im Kampf geschwungen hat! Felsenherz war es, der Euren berühmtesten Häuptling, den Großen Bär, tötete! Soll dessen Tod ungerächt bleiben?«

Jetzt erhob sich wirklich ein allgemeines Beifallsgemurmel.

Omakati erwiderte nichts, reckte nur die Hand nach dem Feuer aus und – zog aus der Glut eine lange Klapperschlange hervor, die sich blitzschnell um seinen Arm ringelte, indem sie gleichzeitig wütend nach seinen Fingern schnappte und mehrmals ihre Giftzähne in seine Hand vergrub.

Dann schleuderte Omakati sie wieder in die Flammen und sagte mit dumpfen, geheimnisvollen Kehltönen: »Der Schnelle Büffel mag sich hüten! Manitu hat in den ewigen Jagdgründen Mangel an tapferen Kriegern!«

Das hieß nichts anderes, als dass der Oberhäuptling bald sterben würde.

Der Schnelle Büffel stierte denn auch wortlos dem jetzt Davonschreitenden nach und achtete nicht auf das erneute Gemurmel der Umstehenden, die nunmehr ihren Oberhäuptling verloren gaben. Wenn Omakati jemandes Tod vorausgesagt hatte, war der Betreffende bisher stets in Kurzem gestorben – entweder verunglückt oder sonst wie umgekommen.

Der Kreis der Apachen zerstreute sich dann. Der Schnelle Büffel blieb allein vor seinem Zelt zurück, setzte sich wieder und warf mit dem Büchsenlauf die tote, verbrannte Schlange hinter das Zelt.

Omakati hatte indessen das Tal verlassen, war im Wald untergetaucht und wandte sich derselben Terrasse zu, wo Botterley auf ihn gefeuert hatte. Hier verschwand er im Gestrüpp.

Es war jetzt völlig dunkel geworden.

Auf dem Eiland ließ sich soeben Felsenherz vorsichtig vom Ufer in den Fluss gleiten und schwamm mit kräftigen Stößen der anderen Insel zu. Um seine Brust war ein Lasso geschlungen. Und so zog er die zusammengebundenen Lassos und das Basttau hinter sich her.

An Waffen hatte er nur seinem Tomahawk und sein Messer mit. Die Strömung war hier außerhalb der Hauptrinne des Flusses nicht allzu stark. Freilich – es gehörten des blonden Trappers Riesenkräfte dazu, mit der Last des Basttaues hinter sich vorwärtszukommen.

Endlich hatte er das Südufer des nördlichen Eilandes erreicht. Keuchend vor Anstrengung schob er sich hier zwischen die Büsche, ruhte erst minutenlang aus, bevor er sich erhob, das Lasso um einen Baum schlang und dann die Insel nach Apachen abzusuchen begann.

Sie war leer. Nur an der Nordseite lagen noch die Leichen der toten Rothäute, die durch die Elefantenbüchse niedergestreckt worden waren.

Jetzt durfte Felsenherz in Ruhe ans Werk gehen; jetzt begann er das Floß mit nervigen Armen heranzuziehen; jetzt kam alles darauf an, ob seine Kraft dazu ausreichen würde, es vollends bis an diese Insel zu schaffen.

Des Öfteren machte er eine Pause, um zu verschnaufen. Dann band er das straff gespannte Tau stets an einem Baum fest. Er hoffte bestimmt, dass er die schwere Arbeit würde bewältigen können. Hatte er doch bereits die sechs Lassos eingezogen und auch schon einige Yards des Basttaues durch die Hände gleiten lassen.

Der Schnelle Büffel war durch die Prophezeiungen Omakatis so niedergedrückt worden, dass er es nicht länger untätig vor seinem Zelt aushielt, sondern seine Büchse ergriff und zum Flussufer hinabstieg. Er wollte die hier aufgestellten Wachen ablösen lassen und sich auch überzeugen, ob die Krieger weiter oberhalb das Floß bereits fertig hätten.

Tiefe Finsternis lagerte über dem Pecos. Der Oberhäuptling konnte nicht einmal die Insel erkennen, auf der die Belagerten seiner Vermutung nach bereits alles zur Flucht vorbereiteten. Er wollte ihnen zuvorkommen; er wollte sich nicht um Omakatis Warnung kümmern. Sobald der Mond aufging, und das musste bald geschehen, würde er die Insel mit den beiden Flößen angreifen.

Lautlos schlich er weiter flussaufwärts.

Dann – war das nicht das Schnauben eines Pferdes gewesen, war dieses Schnauben nicht von der Mitte des Stromes an sein Ohr gedrungen?

Ein rascher Entschluss, und der Schnelle Büffel legte die Büchse, Pulverhorn und Kugelbeutel ab und ließ sich ins Wasser gleiten, schwamm schräg gegen die Strömung an.

Da – abermals ein Schnauben.

Und nun erblickte er auch links von sich auf dem Fluss eine dunkle Masse; nun stieß er plötzlich mit der Hand gegen das straff gespannte Basttau.

Sein Jagdmesser begann schon das Tau zu zerschneiden. Die letzten Fasern rissen von selbst.

Mit schrillem Schrei wandte er sich dem Ufer wieder zu.

Gellend tönte sein Alarmruf durch die stille Nacht.

Die Wachen am Ufer gaben sofort ein paar Schüsse ab. Auch am Westufer knallten Schüsse als Antwort.

Dann flammten die von den Wachen vorbereiteten Reisighaufen auf.

Fünf, sechs Riesenfeuer loderten an jedem Ufer empor und warfen ihren zuckenden Lichtschein über den gurgelnden Strom.

Show 1 footnote

  1. Vergleiche Tom Brack, der schwarze Häuptling, Band 14