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Gold Band 2 – Kapitel 07.2

Friedrich Gerstäcker
Gold Band 2
Ein kalifornisches Lebensbild aus dem Jahre 1849
Kapitel 7
Hetson und Siftly
Teil 2

Am Abend wurde denn auch keine weitere Resolution gefasst. Briars versuchte allerdings noch einmal die Leute zu einem Beschluss aufzureizen, die Fremden gleich von morgen an aus den Minen zu verbannen und Plakate in französischer und spanischer Sprache schreiben zu lassen, nach denen sie augenblicklich die hiesigen Diggings zu verlassen hätten. Die Mehrzahl aber – viele von ihnen froh, der langweiligen Sache für den Augenblick enthoben zu sein, während die ruhigeren der Amerikaner von einem vernünftigen Alkalden auch vernünftigere Maßregeln erwarteten – wollte alles das bis zu der Zeit aufgeschoben haben, wo sie mit ihrem neuen Friedensrichter einen Beschluss darüber fassen konnten. So wurden denn jetzt die Spieltische wieder abgeräumt, den Abend in gewohnter Art, mit Spiel und Trinken, zu verbringen.

Der nächste Morgen brach an, aber keiner der Amerikaner ging heute an seine gewohnte Arbeit, da an diesem Morgen der Ermordete beerdigt werden sollte. Fast alle Amerikaner beteiligten sich dabei, und abwechselnd von sechs Mann wurde der Leichnam des Unglücklichen in die rote Flat hinausgetragen, dort an der Grenze des aufgewühlten Bodens seine stille Ruhestätte zu finden.

Nur Siftly hatte sich dabei entschuldigt, den künftigen Alkalden mit seiner neuen Würde bekannt zu machen und seine Einwilligung zu erwirken. Das Resultat wollte er dann den Männern, wenn sie von dem Begräbnis zurückkehrten, in Kentons Zelt mitteilen.

Siftly hatte Hetson, seit er in dem Minenstädtchen war, noch nicht gesehen, und ihn – er wusste eigentlich selber nicht recht, weshalb, oder wollte sich auch vielleicht keine Rechenschaft davon geben – absichtlich vermieden. Diese Gelegenheit aber war ihm als Einführung doppelt erwünscht, und wie er keinen Augenblick zweifelte, dass Hetson die ihm zugedachte Ehre ohne Weiteres annehmen würde, schritt er nach Sonnenaufgang seinem Zelt zu.

Hetson hatte indessen den vorigen Tag vortrefflich benutzt, seine häusliche Einrichtung um ein Bedeutendes zu verbessern, denn nicht allein war sein Zelt im Inneren so wohnlich eingerichtet worden, als es die Umstände hier oben nur irgend erlaubten, sondern auch sogar noch ein kleines Zelt dicht hinter dem großen aufgebaut, das zum Aufbewahren der Kochgeschirre und Lebensmittel diente, während der zwischen beiden frei gelassene und unbedeckte Raum, der aber im Fall plötzlichen Regens mit einem Zeltdach überspannt werden konnte, zur Küche bestimmt war.

Das Hauptzelt, in eine größere und zwei kleinere Abteilungen getrennt, bildete so ein gemeinschaftliches Wohnzimmer und zwei Schlafgemächer. Das eine war für Manuela eingerichtet, während ihr Vater in dem neu angebauten Zelt schlief, und hier wirtschaftete über Tag das junge Mädchen, das es sich nicht hatte nehmen lassen, die Küche zu besorgen.

Und lebensfrisch und heiter war sie jetzt, das schöne Kind des Südens, das ein böses Geschick an diese unwirtliche Küste geworfen hatte. Ein neues Leben war ihr in dem Zusammensein mit der holden jungen Frau aufgegangen. Die furchtbare Zeit, in der sie ihr Talent für jenen Auswurf der Menschheit opfern, in der sie in den Spielhöllen als Lockvogel unglückliche Opfer hereinziehen musste, lag hinter ihr, und nicht mehr brauchte sie abends mit Todesangst an dem stieren Blick des Vaters zu hängen, wieder und wieder in den bleichen, abgespannten Zügen die Gewissheit zu lesen, dass er aufs Neue seiner Tochter Glück und Ruhe der entsetzlichsten aller Leidenschaften dem heillosen Spiel geopfert hatte. In Arbeit, der sie sich mit Freuden unterzog, wenn die zarten Hände sich auch erst daran gewöhnen mussten, schwanden ihr jetzt die Tage hin, und sie segnete die Hand, die sie aus jenem Sodom fortgeführt hatte.

Auch heute, wie alle Tage, war sie wieder mit Tagesgrauen munter gewesen, hatte das Feuer entzündet und schaffte emsig an dem kleinen eisernen, dort aufgestellten Kochofen, das Frühstück zur rechten Zeit bereitzuhalten. Durch das große Zelt, dabei von der Hauptstraße und dem Verkehr der dort hin und wieder Gehenden vollkommen abgeschieden, hielt sie sich für ungestört, denn in der »roten Erde«, die das hintere kleine Zelt begrenzte, wurde seit jenem verunglückten Versuch gar nicht mehr gearbeitet.

Ganz denn mit ihrer Arbeit beschäftigt, und ein leises, vaterländisches Lied vor sich hinsummend, hatte sie eben die Kaffeekanne auf die Glut geschoben und sprang nach der Seite des Zeltes, von dort noch etwas trockenes Holz herbeizuholen, als sie plötzlich erschreckt zurückfuhr und einen Aufschrei kaum unterdrücken konnte. Ein leises, zitterndes Frösteln lief dabei über ihren ganzen Körper, und wie gebannt haftete ihr Blick an der wie aus dem Boden auftauchenden Gestalt des Mannes, den sie am meisten auf der Erde fürchtete – auf Siftly.

Er war es gewesen, der sie schon in San Francisco unausgesetzt verfolgt hatte – er, der ihren Vater wieder und wieder zu dem ihn und sie verderbenden Spiel verführt hatte, und jetzt, wo sie sich ihm entzogen wähnte, wo sie die waldigen Berge, die weiten öden Strecken segnete, die sich, wie sie glaubte, zwischen ihr und dem Gefürchteten ausdehnten, stand er plötzlich wieder vor ihr, bleich und tückisch lächelnd wie nur je, die kleinen dunklen Augen fest und durchbohrend auf sie geheftet, und um die Lippen jenes höhnische furchtbare Zucken, das mit dem Opfer spielt, es später desto sicherer zu vernichten.

Sie wollte fliehen, aber sie war nicht imstande, ein Glied zu rühren. Sie wollte die Arme abwehrend vorstrecken – sie hingen wie bleiern an ihrem Körper nieder, und nur die Blicke stier auf den Gefürchteten geheftet, stand sie da und schien ihn zu erwarten.

»Ei sieh da, mein spanisches Täubchen«, lachte Siftly, der das in ihren Zügen ausgeprägte Entsetzen gar nicht zu bemerken schien. »Von San Francisco ausgeflogen, heh, den Ölzweig in das Paradies zu bringen? Hahaha, aber das ist vortrefflich, und ich freue mich wahrhaftig, dich wieder anzutreffen. Wie geht es dir?« Er streckte dabei dem Mädchen die Hand entgegen, und so willenlos hatte diese der plötzliche Schreck gemacht, dass sie mechanisch ihre Hand erhob, die der Amerikaner fasste.

Siftly aber hatte jetzt andere Pläne, als sich auf offenem Platz hier mit dem Mädchen weiter zu unterhalten. Er ließ deshalb die kaum gefasste Hand wieder los und sagte in seinem gebrochenen Spanisch: »Ist Sennor Hetson zu Hause?«

«Ia«, antwortete Manuela, noch nicht imstande, ein klares Wort über die Lippen zu bringen.

»Boueno, mein Herz«, gab der Mann lachend von sich, »dann sei so gut und sage ihm einmal, dass ihn ein alter Freund …«

»Siftly?«, rief in diesem Augenblick Hetson, der die Stimme schon lange gehört und erkannt hatte, und in den hinteren Eingang des Zeltes getreten war. »Du hier im Paradies?«

»Das ist ein Platz, mein alter Bursche«, sprach Siftly, »wohin wir später oder früher alle einmal zu kommen hoffen; je früher wir also da eintreffen, desto besser. Übrigens habe ich dir gute Nachrichten zu bringen.«

»Du mir?«, rief Hetson rasch, und das Blut schoss ihm in Strömen in die Schläfen. »Doch nicht hier«, setzte er schnell hinzu, »komm vorn herum, zu dem vorderen Eingang des Zeltes. Ich will dir dort öffnen, und wir machen dann, so wie ich mich angezogen habe, einen Spaziergang ins Freie hinaus.«

»Es ist kein Geheimnis«, konterte aber Siftly mit einem Lachen, »doch ich gehe vorn herum, und dort können wir dann das Weitere besprechen.«

Er nickte Manuela zu und verschwand ebenso rasch, wie er gekommen war, hinter dem Zelt, während Hetson mit einer eigenen Art von Aufregung sein Hauptzimmer betrat, den Jugendfreund dort zu begrüßen. Hatte er aber auch über den wahren Charakter desselben keine Ahnung, so war es ihm doch, er wusste selber kaum, weshalb, ein unangenehmes Gefühl, irgeneinen Menschen hier anzutreffen, der ihn oder die seinen kannte. In diesen wilden, von jeder Zivilisation entfernten Bergen hatte er gehofft, still und unbemerkt eine Zeit lang hausen zu können und dann durch Ruhe und die reine Luft gekräftigt sich nach den Sandwichinseln einzuschiffen – vielleicht konnte er dann vergessen, was ihm die Seele in den letzten Monden wund gedrückt hatte. Jetzt trat ihm, mit dem Mann, dem er in San Francisco sein Herz ausgeschüttet hatte, auch die Möglichkeit wieder entgegen, dass ein anderer – Gefürchteter – ihn ebenso leicht hier würde auffinden können, und seine ganze Hoffnung von Sicherheit und Frieden, die er sich glücklich träumend aufgebaut hatte, schien drohend über ihm zusammenzubrechen.

»Guten Morgen, Hetson«, sagte übrigens Siftly, als er ihm den Eingang geöffnet hatte, so unbefangen und ruhig, als ob sie einander erst gestern Abend getroffen und nicht zufällig hier nach langen Wochen wieder zusammengekommen wären.

»Wie geht es dir hier oben? Du siehst immer noch bleich und angegriffen aus. Nun, die Bergluft wird dir bald wieder auf die Beine helfen. Famose Luft hier und ein prachtvolles Klima in dem Kalifornien, das muss man ihm lassen, und wir haben da, mit dem Gold noch in den Kauf, mit Mexiko gar keinen so schlechten Handel gemacht. Hahaha, die Sennores werden jetzt nicht böse fluchen, dass wir ihnen das Gold so vor der Nase weggefischt, und sie hier die langen Jahre in dem Nest gesessen haben, ohne auch nur die Spur davon zu merken.«

»Und was hattest du mir zu sagen, Siftly?«

»Ja, Wetter noch einmal, die Hauptsache hätte ich beinahe vergessen.«

»Betrifft es – ihn?«, flüsterte Hetson leise, indem er den Arm des Mannes fast krampfhaft fasste und hielt.

»Ihn?«, sagte dieser wie erstaunt. »Ja so, du meinst deinen …«

»Pst – nicht so laut – man hört hier jedes Wort.«

»Nein, sei außer Sorgen, Mann«, sprach der Spieler mit einem Lächeln auf dem Gesicht, »und gib endlich einmal die tolle Furcht vor jenem Laffen auf. Und wenn er hierher käme …« »So weißt du, wo er ist?«, fragte hastig, aber mit unterdrückter Stimme der junge Mann.

»Wo er dir für den Augenblick nichts schaden kann«, sagte Siftly, der von Charles Golway so wenig wusste, wie Hetson selber, in dessen Plan es aber lag, das Bild des Gefürchteten in der Seele des Unglücklichen festzuhalten. »Ich bin jedoch imstande, dir jetzt etwas anzubieten, das dir die Macht gibt, ihn unschädlich zu machen, selbst wenn er in diesem Augenblick dein Zelt beträte, und zu keiner glücklicheren Stunde hätte ich nach diesen Minen kommen können, wie gerade jetzt.«

»Was meinst du?«

»Du hast von dem Mord gehört, der vor einigen Tagen an einem von unseren Landsleuten verübt worden ist?«

»Ja, allerdings – die gerühmte Sicherheit der Minen scheint sich nicht zu bestätigen.«

»Bah«, rief der Spieler, »du wirst solcher Art noch mehr kennen lernen. Die Welt will nun einmal betrogen sein, und Leute, die das übernehmen, gibt es überall genug. In den zivilisiertesten Städten der Welt kommen übrigens solche Dinge vor, warum nicht hier in den wilden Bergen, wo es von Indianern, Mexikanern und losgelassenen deportierten englischen Verbrechern wimmelt. Es ist ein Wunder, dass noch so selten etwas Derartiges geschieht, und wir in unseren dünnen Leinwandzelten doch eben hier so sicher wohnen, wie daheim in fest verschlossenen und verwahrten Backsteinhäusern. Nichtsdestoweniger haben die guten Bürger dieser »Stadt« beschlossen, derartigen Übeln für die Zukunft vorzubeugen. Gestern Abend hatten wir eine Volksversammlung, der du eigentlich hättest beiwohnen sollen, und dort ist vor der Hand als erster Schritt ein entschlossener Mann, ein Amerikaner natürlich, zum Alkalden gewählt worden.«

»Aber was kümmert das mich?«

»Was dich das kümmert?«, gab Siftly lachend von sich, »mehr, als du vielleicht glaubst. Die Bürger des Paradieses sind nämlich vernünftig genug gewesen, nicht etwa einen ihrer tollköpfigen Kehr-dich-an-nichts-Burschen zu wählen, von denen das Lager schwärmt, sondern dich.«

»Mich?«, rief Hetson, erstaunt von dem Stuhl aufspringend, auf den er sich bei den letzten Worten neben Siftly niedergelassen hatte. »Du träumst – wer kennt mich hier?«

»Ich kenne dich, mein alter Freund«, sprach aber Siftly, »und das war genug. Wer mit derartigen Leuten nur ein wenig umzugehen weiß, kann sie zu allem bringen, wohin er sie haben will, zum Guten wie zum Bösen. Ich habe dich deshalb vorgeschlagen, und du bist einstimmig gewählt worden. Jetzt sind sie draußen, den Kadaver zu begraben, den sie sich aus den Bergen herausgeholt haben, und wenn sie wieder zurückkommen, wirst du deine feierliche Bestätigung erhalten.«

Hetson war mit unterschlagenen Armen ein paar Mal in seinem Zelt auf- und abgegangen. Jetzt blieb er plötzlich vor Siftly stehen, streckte diesem die Hand entgegen und sagte: »Ich danke dir, Bill, für deine Freundschaft, denn ich weiß, du hast geglaubt, dass du mir damit einen Dienst erweist, aber ich kann und werde die mir zugedachte Ehre nicht annehmen.«

»So? Und weshalb?«

»Weil ich – weil ich nicht weiß, wie lange ich hier bleiben werde – ja, weil ich wahrscheinlich schon in den nächsten Tagen wieder weiterziehe. Ob ich zum Alkalden eines solchen Minenplatzes tauge, ist eine andere Frage, die aber zu erörtern jetzt nicht nötig sein wird. Du kennst mich nur noch von der Heimat her. Ich bin seitdem rastloser, ungeduldiger, unsteter geworden, und zum Alkalden, wie ich mir den Posten denke, müssen die Leute jemanden haben, der mit ihnen gleiche Interessen hat, der mit ihnen aus­hält und Freude an der Sache findet. Deshalb glaube ich nicht, dass den Minern mit einem solchen Mann zu ihrem Friedensrichter gedient sein würde.«

»Du willst wieder fort? Und wohin?«

»Ich weiß es selber nicht«, seufzte Hetson. »Ich habe mir das Leben in den Bergen anders, ruhiger gedacht, als ich es jetzt hier finde. Das ist das Drängen und Treiben einer großen Stadt in diesem kleinen Nest von Zelten, nur in etwas anderer Art und auf den einen Punkt nur konzentriert. Machte ich mich da selber zu dem Zentrum, um das sich alles dreht, treibt und drängt, wie sollte ich da das finden, was ich hier gesucht habe?«

»Komm, nimm deinen Hut«, sagte da Siftly, der ihm geduldig zugehört hatte. »Was ich dir noch zu sagen habe, spricht sich besser im Freien. Ich sehe auch, euer Tisch ist schon gedeckt, und ich möchte deine Frau nicht gern in ihrem Frühstück stören. Überdies«, setzte er flüsternd hinzu, »sind hier die Wände zu dünn, und was ich dir noch zu sagen habe, braucht kein anderer zu hören.«

Hetson sah ihn ängstlich an, tat aber, wie ihm geheißen, nahm rasch seinen Hut und folgte dem Spieler hinaus vor das Zelt.

Dort nahm Siftly ohne Weiteres seinen Arm, und ihn die Straße hinabführend, in der sie jetzt nur einzelne Menschen trafen, fuhr er fort: »Du wolltest also noch weiter in die Berge hineinziehen?«

»Ja«, sagte Hetson nach einigem Zögern, »wenn ich auch noch nicht weiß, in welche Richtung.«

»Und glaubst du nicht, dass du da dem, dem du ausweichen willst, gerade so leicht begegnen kannst?«

»So weißt du, wo er ist?«, rief Hetson rasch und heftig.

»Bah«, erwiderte ruhig der Spieler, »wer kann hier in den Minen von einem Menschen sagen, er ist hier oder da, – wo die ganze Bevölkerung fortwährend auf den Beinen ist, sich einen reicheren Arbeitsplatz zu suchen – besonders wenn einer vielleicht noch außerdem was anderes im Auge hat. Heute triffst du ihn dort, und morgen begegnest du ihm schon wieder, die Decke auf dem Rücken, mitten im Wald, sich einen neuen Aufenthalt für vielleicht ebenso kurze Zeit zu suchen.«

»Und wenn er mich – wenn er Jenny hier findet?«

»So wärst du in die unangenehme Lage versetzt«, sagte Siftly ruhig, »ihm eine Kugel durch den Kopf zu schießen, und das könnte immer, wenn es auch gerade keine ernstliche Folgen hätte, zu unangenehmen Weitläufigkeiten führen, sobald du nämlich hier eben nur als Privatmann lebst.«

»Und was könnte ich tun, wenn ich Alkalde wäre?«, fragte Hetson kopfschüttelnd.

»Was?«, rief aber jetzt Siftly, »den Teufel auch, alles! Mit dem übrigen ähnlichen Gelichter hältst du dir den Burschen ebenso gut vom Leib, und dass wir dir darin beistehen werden, ich dächte doch, brauchte ich dich weiter nicht zu versichern.«

»Du sprichst in Rätseln.«

»Weil du gestern unserer Versammlung nicht beigewohnt und die Beschlüsse nicht gehört hast, die dort gefasst wurden. Wir sind nämlich fest entschlossen, die Fremden, die unsere Berge unsicher machen, besonders aber die Mexikaner, Engländer und Iren, meist lauter nach Australien deportierte und von dort herübergeschickte oder entflohene Verbrecher nicht länger hier zu dulden. Jener Charles – wie hieß der Bursche gleich?«

»Charles Golway …«

»Gut, jener Golway ist ebenfalls ein Engländer, und wäre es ein Ehrenmann, so verfolgte er nicht die Frau eines anderen. Wie er sich also hier nur blicken lässt – und ausfindig werden wir ihn bald genug machen – bekommt er seine Weisung, den Platz zu verlassen, und gnade ihm Gott, gehorcht er der nicht bald. Wird ein anderer zum Alkalden gewählt, in dem Fall, dass du die Stelle hartnäckig verweigern solltest, so stehe ich dir aber für nichts. Mit Gold ist hier in den Minen fast alles auszurichten, und bekämen wir einen Burschen wieder her, wie der Frühere gewesen sein soll, so brauchte es nur, vonseiten jenes Golway, ein paar Unzen, ihm seinen Aufenthalt hier ohne Weiteres zu sichern. Die Leute sind zufrieden, wenn sie sich die Masse vom Leibe halten, und werden einen Einzelnen, für den der Alkalde selber gut sagt, nicht behelligen.«

»Siftly – wenn ich wüsste …«

»Sei kein Tor«, entgegnete aber der Spieler, »eine bessere Gelegenheit wird dir in der Welt nicht geboten, dir Frieden zu verschaffen. Und dann, zum Henker, bist du ja auch hier an die Scholle nicht gebunden. Wenn es dir in vierzehn Tagen oder vier Wochen in den Kopf kommt, das Paradies zu verlassen, wer will dich halten? Wir sind freie Menschen hier, und jeder kann gehen und kommen, wie er will – jeder Amerikaner wenigstens, denen der Boden eigentümlich gehört.«

»Und wenn ich die mir zugedachte Auszeichnung wirklich annähme?«, fragte Hetson zögernd.

»Dann wirf nachher die Sorge über Bord«, beschwichtigte der Spieler. »Du hast dann weiter nichts zu tun, als in allem treu zu uns Amerikanern, zu deinen eigenen Landsleuten zu halten, eine Sache, die sich eigentlich von selbst versteht. Wenn du Arme brauchst, dich in den notwendigen Maßregeln zu unterstützen, dann sei versichert, dass wir auch dich nicht im Stich lassen.«

»Komm zurück mit in mein Zelt«, sagte da Hetson, plötzlich stehen bleibend, den Rückweg anzutreten. »Du frühstückst mit uns, und – dort frage ich dann meine Frau, ob ihr die Berge hier so gefallen, sich eine kurze Zeit hier aufzuhalten.«

»Ich danke dir – ich habe schon gefrühstückt«, sagte Siftly, »und was deine Frau betrifft, so könnte sie sich eine reizendere Umgebung, als sie hier die Berge bieten, in ganz Kalifornien kaum aussuchen. Ich bin auf meinen Wanderungen sowohl durch die nördlichen als auch südlichen Minen gekommen, habe aber selbst am Feather River oben kaum solch ein liebliches Tal gefunden, wie dieses hier. Unsere Landsleute, die sonst mit ihren Ortsbenennungen wohl sehr patriotisch, aber gewöhnlich entsetzlich ungeschickt sind, hätten dem Platz wirklich keinen besseren Namen geben können.«

»So begleite mich wenigstens …«

»Von Herzen gern; erst müssen wir nur mit den dort eben zurückkommenden Leuten sprechen«, sagte Siftly. »Sie haben uns schon gesehen und wissen, dass ich heute Morgen ihren Auftrag ausrichten wollte. Gingen wir jetzt in das Zelt, wo sie gerade auf uns zuhalten, so sähe es eben so aus, als ob wir uns vor ihnen aus dem Staub machten. Je kecker und entschiedener man derartigen Burschen gleich von Anfang an entgegentritt, desto besser. Du kennst die Leute ja noch von den Staaten her.«

Hetson blieb unschlüssig stehen, denn er wusste in diesem Augenblick wirklich noch nicht, was er tun solle: die ihm zugedachte Auszeichnung annehmen oder sie zurückweisen.

Siftly überhob ihn aber bald der Mühe, für sich selber zu denken, denn den Hut nach den nicht mehr fernen, gerade durch die rote Flat herüberkommenden Amerikanern schwenkend, rief er: »Hallo, Boys, hierher, dass ich euch euren neuen Alkalden vorstellen kann!«

»Siftly, du zwingst mich hier zu etwas, das ich vielleicht später …«

»Nie bereuen werde«, unterbrach ihn lachend der Spieler. »Danken wirst du mir es im Gegenteil und unser Paradies sich auch nicht schlechter dabei befinden. «

Weitere Zeit zum Reden blieb ihnen aber nicht mehr, denn die Vordersten der vom Begräbnis des unglücklichen Johns zurückkehrenden Schar waren nur noch wenige Schritte von ihnen entfernt und kamen jetzt gerade auf sie zu.

Unter ihnen befand sich übrigens Hale, und auf Hetson zutretend, dessen Hand er nahm und derb schüttelte, sagte er: »Mr. Hetson, ich freue mich, dass Sie unsere Wahl angenommen haben. Ein sehr ruhiges Leben werden Sie dadurch freilich nicht bekommen, denn ein unruhiges Völkchen treibt sich hier in den Bergen herum, das einem oft zu schaffen macht. Wenn wir aber alle fest zusammenhalten, brauchen wir nicht zu fürchten, dass wir unter Wasser kommen. Ich bin der Sheriff und mein Name ist Hale.«

»Mr. Hale«, erwiderte Hetson immer noch verlegen, » die mir zugedachte Ehre hat mich eigentlich als vollkommen Fremden hier in Ihrer kleinen Stadt so überrascht, dass ich …«

»Bitte«, sagte Hale, »ich glaube, Sie stellen sich die Sache anders vor, wie sie eigentlich ist – verdammt wenig Ehre dabei zu holen, denn eine ärgere Bande von Lumpengesindel, wie wir hier im Ort haben, kann es nicht leicht woanders geben. Das schadet aber nichts; wir haben auch einige ordentliche Kerle dazwischen, Männer von echtem amerikanischen Korn, und mit deren Hilfe wollen wir schon zusammen durchschwimmen.«

»In Gottes Namen denn«, sagte Hetson, den Handdruck herzlich erwidernd, »und seien Sie versichert, Mr. Hale, dass ich dem in mich gesetzten Vertrauen Ehre machen werde.«

»So«, meinte Hale, »die Sache wäre also abgemacht. Nachher, wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich zu Ihnen ins Zelt kommen, dass wir die paar Papiere durchsehen, die unser alter Major in der Eile zurückgelassen hat. Zu schreiben bekommen Sie nicht viel – ausgenommen, Sie laden sich selber auf, denn die Sachen machen wir hier fast alle mündlich ab, und deshalb ist auch das Amt gerade nicht so schwer. Die Meldung müssen wir aber gleich zum County Court hinüberschicken, dass wir die Bestätigung von dort erhalten, und nachher haben wir die Arme frei.«

»Gut, Mr. Hale«, sagte der neue Alkalde, »tun Sie, was Sie für nötig finden, und bedenken Sie, dass ich in der ersten Zeit noch sehr von Ihrer praktischen Erfahrung abhängig sein werde.«

»Wollen uns schon einrichten, Mr. Hetson«, sagte aber Hale treuherzig, »das sind alles Nebensachen. Die Hauptfache ist, dass Sie ein bisschen etwas von dem verstehen, was rechtens ist und das Herz auf dem rechten Fleck haben.«

»Ich hoffe, Sie werden beides so finden, Mr. Hale!«

»Desto besser für uns alle«, erwiderte der Sheriff, nickte dem neuen Alkalden freundlich zu und schritt dann, sich nicht weiter um die übrige Gruppe kümmernd, die Straße hinauf, seinem Zelt zu.