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Atlantis Teil 16

Unter dem Vorsitz des Staatschefs Harlessen waren die europäischen Ministerpräsidenten in Bern versammelt. Sorge lag auf allen Gesichtern. Wohl hatte der Beschluss des amerikanischen Kongresses die drückende Atmosphäre, die über Europa lagerte, gereinigt. Die Panik, die Europa ergriffen hatte, war gewichen. Die Führenden aber waren damit der Sorge nicht ledig geworden. Walter Uhlenkort war es, der sie auf verborgene Gefahren aufmerksam gemacht hatte.

Er hatte eine Reihe von Verdachtsmomenten gegen die Canal Cy. und gegen deren Leiter Guy Rouse vorgebracht, die, nur den Regierungsmitgliedern bekannt, diese mit neuer großer Sorge erfüllten.

Uhlenkort, der Hamburger Kaufmann, Kaufmann und Diplomat im Nebenberuf? Nein, und doch ja. Seine umfassende Weltkenntnis, durch jahrelangen Aufenthalt im Ausland erworben, seine großen persönlichen Beziehungen in allen Teilen der Welt, sein kaufmännischer Weitblick, seine rücksichtslose Energie, wo es nottat, hatten ihm einen Namen in der Weltwirtschaft erworben, in der Weltwirtschaft, die sich jetzt enger als je zuvor mit der Weltpolitik verband. Die europäische Außenpolitik hatte schon öfter als einmal den Nutzen seiner Informationen verspürt. Seine Beziehungen zu dieser Politik waren im Laufe der Zeit immer enger geworden. Mehrfach war ihm eine amtliche Stelle angeboten worden, doch hatte er stets abgelehnt. Abgelehnt mit dem Hinweis, dass er in seiner unabhängigen Stellung dem Staat mehr nützen könne.

Er blieb der freie Kaufmann, aber er war in steter enger Verbindung mit den politischen Geschäften. Eine Stellung, die ihm ohne ausgesprochene Vollmachten eine gewisse Handlungsfreiheit gab. Eine Stellung, die bei den Eifersüchteleien der europäischen Staaten sogar offen oder versteckt manchen Protest veranlasste, die aber durch die glückliche Hand, die er in so vielen schwierigen Situationen zeigte, immer mehr gekräftigt wurde.

Als Vertrauensmann des Europäischen Staatenbundes hatte man ihn nach Washington gesandt. In Gemeinschaft mit Vertretern der amerikanischen Regierung sollte er die von dieser angeordneten Sicherheitsmaßregeln noch einmal nachprüfen.

Um drei Uhr wurde er erwartet. Die Uhr schlug drei. Uhlenkort trat in den Raum.

Nach kurzer Begrüßung seines Oheims und der Versammlung erstattete er seinen Bericht. Die Mienen der Zuhörer begannen sich zu entspannen. Die umfassenden Vorsichts- und Kontrollmaßregeln, welche die amerikanische Regierung angeordnet und durchgeführt hatte, wirkten beruhigend.

Er fuhr fort: »Formell und äußerlich ist alles in bester Ordnung …«

Hier machte er eine Pause. Fragend ruhten die Blicke der Versammlung auf ihm.

»Ich sagte soeben: formell und äußerlich. Anders, meine Herren, ist es mit meiner persönlichen Auffassung der Sachlage.« Seine Miene verfinsterte sich, seine Stirn krauste sich. »Trotz allem, ich komme von jenem Verdacht nicht los …«

Im Augenblick umschwirrte ihn ein Fragengewirr.

»Es ist die Persönlichkeit des Leiters der Gesellschaft, es ist jener Mr. Rouse, der mich nicht aufatmen lässt. Seine sprichwörtliche Skrupellosigkeit … diese geradezu zur Schau getragene Indifferenz bei den Kongressberatungen … Die Äußerung des Kapitäns Wesserton, der mit mir die Kontrollreise machte – er ist mir seit Langem persönlich bekannt und machte mir seine Mitteilungen unter vier Augen im Vertrauen –, dass die besten Messmethoden raffinierte Nebenschaltungen nicht aufdecken könnten … das alles, meine Herren, lässt mich nicht zur Ruhe kommen.«

Die Spannung der Versammlung machte sich gewaltsam Luft. Stimmengewirr. Erregte Fragen und Ausrufe. Für und Wider.

Gelassen mit leichtem Achselzucken ließ Uhlenkort die Flut abebben.

»Den Vorwurf des Pessimismus, den mir manche von Ihnen gemacht haben, will ich gern auf mich nehmen. Ich bin auch bereit, Mr. Rouse alles abzubitten, wenn …«

Eine Stunde später saß der Staatspräsident mit seinem Neffen zusammen. Noch einmal hatten sie die Lage besprochen. Dann hatte Uhlenkort über sein Zusammentreffen mit Christie berichtet. Die Affäre in Valparaiso … die Abreise Christies dorthin mit weitgehenden Vollmachten. Ruhig hatte er die erregten Einwendungen seines Oheims angehört. Mit den Worten Sie ist eine Harlessen, eine echte Harlessen hatte er den Oheim schließlich gewonnen und war schließlich mit den Worten gegangen: »Deine Telegramme erreichen mich für die nächsten Tage in Spitzbergen.«

 

*

 

Der Tag der Sprengung war gekommen. Um elf Uhr vormittags sollte der elektrische Funke, von Washington ausgesandt, die Minen zur Explosion bringen.

Es lag in der Natur des amerikanischen Volkes, dass ein solches Ereignis auch äußerlich feierlichen Ausdruck fand. Was da geschehen konnte, war geschehen.

Zuerst der Akt der Sprengung selbst. Nach jenem geschichtlichen Vorbild der Sprengung des Höllentors im New Yorker Hafen sollte er vor sich gehen. Ein Drücken eines Kontaktknopfes durch den Repräsentanten der amerikanischen Nation, den Staatspräsidenten, sollte die Sprengung bewirken. Die Betätigung des Kontakts musste die Gewalt der Explosion entfesseln. Die feierliche Handlung sollte im Haus der New Canal Cy. in Washington vor sich gehen. Der Staatspräsident Parker mit den übrigen Mitgliedern der Regierung war zu diesem Zweck in der zehnten Vormittagsstunde vom Weißen Haus herübergekommen.

Eine ungeheure Spannung lag über ganz Amerika … über der ganzen Welt. Der große Hauptsender der New Canal Cy. war in den letzten Wochen um hundert Kilometer von der Kanalstraße weg nach Westen verlegt worden. Aber Hunderte von Leitungen führten von ihm bis zur eigentlichen Sprengzone und waren dort mit ebenso vielen Mikrofonen verbunden. Der Donner der Explosion musste die Membranen dieser Apparate erschüttern, musste auf diesem Weg die große Sendestation steuern. Die Millionen Radio- und Fernsehgeräte der Welt waren in der kritischen Zeit auf die Wellenlänge der Kanalstation eingestellt.

In allen Städten, an allen Verkehrspunkten waren Riesenlautsprecher aufgestellt. In allen Großstädten war von elf Uhr fünfundfünfzig Minuten bis zwölf Uhr fünf Minuten eine Verkehrspause angeordnet, um Unfälle zu vermeiden. Ein Moment, wahrhaft historisch! Denn tatsächlich musste dieses Mal das ganze Erdenrund gleichzeitig Zeuge eines weltbewegenden Vorgangs werden.

In den Staaten war die Erregung besonders groß. Sie stieg von Stunde zu Stunde. Schon lange vor dem Beginn der Verkehrspause ruhten alle Hände. Je näher die bedeutungsvolle Minute heranrückte, desto mehr verstummte jegliches Geräusch … jeder Alltagslärm. Alle Sinne waren auf das Kommende gerichtet.

»Noch fünf Minuten!« Der Staatssekretär des Äußeren hatte es mit einem Blick auf die astronomische Uhr gesagt.

Einen Augenblick schwieg alles. Die Augen flogen zu dem Präsidenten, der in ein Gespräch mit Guy Rouse vertieft war. Er drehte sich um.

»Ja! Jawohl! Meine Herren … es ist so weit …«

Geleitet von Guy Rouse trat er zu dem Tisch unter der Uhr. Ein kleiner goldener Knopf harrte dort des Druckes. Alle Augen hingen an den Zeigern der Uhr. Elf Uhr neunundfünfzig Minuten. Die Blicke folgten dem Sekundenzeiger. Alle Anwesenden drängten zusammen.

Fünfundfünfzig Sekunden … neunundfünfzig Sekunden …

Guy Rouse nickte dem Präsidenten zu. Ein Zucken ging durch Austin Parkers Gestalt. Seine Augen flogen zu Guy Rouse. Eine Sekunde des Zögerns. Die Hand fuhr zum Knopf.

Ein Druck darauf!

Mit kurzem Aufatmen trat er zurück. Ehe noch ein Menschenwort die Stille gebrochen, erfüllte ein brüllender Schrei den Raum. Der Lautsprecher heulte auf, überschrie sie, ließ alle zusammenfahren.

Tobendes Krachen unaufhörlich! Machtlos jede Menschenstimme dagegen.

Unbeschreiblich die Szenen, die das Krachen der Explosion auf Straßen und Plätzen auslöste. In das Heulen der Sirenen, in den Klang der Glocken, die von allen Türmen schwangen, mischte sich das Jubeln und Schreien der Menge. Im Wettstreit damit das Brüllen von Tausenden und aber Tausenden von Lautsprechern. Die Fernsehgeräte zeigten nur eine ungeheure Staubwolke, sodass zunächst niemand wusste, was tatsächlich geschehen war. Ein Hexensabbat … ein dämonischer Chor aller Töne, deren Menschen- und Naturstimmen fähig sind. Nur langsam ebbte die Flut ab. Stunden vergingen, bis das Leben wieder den gewohnten Gang zeigte.

Die Morgensonne des fünften April lag strahlend auf den Wäldern und Bergen der Landenge von Panama. Der Morgen jenes bedeutungsvollen Tages, an dem menschliche Tatkraft und menschlicher Erfindungsgeist dem Weltverkehr einen neuen Weg eröffnen wollten, die Fluten zweier Weltmeere in breiter Front zusammenströmen sollten.

Die Patrouillenflugzeuge der nordamerikanischen Wehrmacht umsäumten die ganze Kanalroute von Panama im Südosten bis nach Colon im Nordwesten. Seit den frühen Morgenstunden waren über der fünfundsiebzig Kilometer langen Kanallinie fünfhundert Regierungsflugzeuge stationiert und hatten von Stunde zu Stunde einen immer schwereren Stand gegen die allmählich unabsehbar werdende Menge der Flugzeuge, die aus allen Teilen der Welt hier zusammenkamen.

Da waren die gigantischen Passagiermaschinen von New York, Chikago und San Francisco, von denen jedes Einzelne mehrere Tausend Schaulustige an Bord hatte, die nach Hunderten zählenden Flugzeuge der südamerikanischen Verkehrslinien, die heute sämtlich nur das eine Ziel hatten: den Kanal.

Indes, diese großen, den öffentlichen Verkehr dienenden Flugzeuge machten den Wachmaschinen am wenigsten Arbeit. Ihre Kapitäne hielten sich mehr an die vorsichtigen Weisungen ihrer Fluggesellschaften als an die stürmischen und oft recht unvernünftigen Wünsche der Passagiere. So folgten sie auch strikt den Anordnungen der Regierungsflugzeuge, fünfzehn Kilometer seitlich von der Kanalroute in wenigstens acht Kilometer Höhe zu bleiben.

Viel schlimmer waren die so überaus zahlreichen Privatflugzeuge mit Foto-, Film- und Fernsehreportern der ganzen Welt an Bord. Die kümmerten sich um keine Anordnung irgendwelcher Stellen und schlugen den Patrouillenflugzeugen bei jeder Gelegenheit ein Schnippchen. Eben von einer Stelle verjagt, tauchten sie wenige Minuten später schon wieder mitten in der Gefahrenzone auf, nur darauf bedacht, möglichst viel zu sehen, zu erhaschen und aufzunehmen.

Nach dem bekannt gegebenen Programm sollte die Sprengung in der Mitte des Isthmus einsetzen und dann etappenweise nach beiden Seiten weitergehen, sodass in hundertfünfzig Minuten alle Etappen von Panama bis Colon gesprengt sein mussten. Auf dieses Programm beriefen sich die Reporter und Fotografen. Auf keine Weise wollten sie sich beibringen lassen, dass schon jetzt die ganze Strecke der Kanaltrasse freizuhalten sei. Es bedurfte der schärfsten Maßnahmen seitens der Wachflugzeuge, um die befohlenen Absperrungsmaßregeln durchzusetzen. Erst als der Führer der Patrouillenflugzeuge sich zum Äußersten entschloss und zu feuern begann … erst blind, dann scharf … als ein paar Reportermaschinen flügellahm beidrehen und niedergehen mussten … erst als die allzu Neugierigen begriffen, dass sie gar nichts sehen und ihre Maschinen verlieren würden, wenn sie den Anordnungen der Regierungsflugzeuge nicht Folge leisteten … erst dann gelang es Ordnung in die Massen zu bringen.

In dichten Bändern zogen sich nun die Luftfahrzeuge zu beiden Seiten der Kanaltrasse im vorgeschriebenen Abstand von einem bis zum anderen Ozean. In weiten Halbkreisen lagen viele Hunderte von Wasser- und Luftfahrzeugen vor Panama und Colon auf der See.

Die Stunden verrannen darüber … und immer näher rückte die bedeutungsvolle Minute heran, in der Austin Parker in Washington auf den Knopf drücken sollte, in der das Feuer in die Minen fliegen musste, die hier kilometertief in den Eingeweiden des urwaldbewachsenen Isthmus steckten.

Einen vorzüglichen Ausblick hatten die Passagiere der Empire City, des größten New Yorker Flugzeugs, das in zwölf Kilometer Höhe östlich von der Kanalroute stand. Von Bord der Empire City aus sah man im Norden den tiefblauen Spiegel der Karibik, im Süden die Azurfluten der Bai von Panama. Zwischen beiden Meeren den Isthmus. Wälder von tropischem Grün, dazwischen die roten und grauen Zacken der Höhen von Culebra. Und dann die Überreste des alten Kanals. Wasserstreifen, unterbrochen von Felsstürzen, über die stellenweise schon wieder der Urwald hinwegwucherte: die Trümmer der großen Gatunschleuse, die im Anfang des Jahrhunderts als Weltwunder gepriesen wurde. Wo sich damals der große Stausee hinter den Schleusen ausdehnte, stand jetzt ein üppiger Palmenwald.

Sah man, wie erbarmungslos der vulkanische Boden des Isthmus dem alten Kanal im Laufe der letzten Jahrzehnte mitgespielt hatte, so konnte man es den Amerikanern kaum verdenken, dass sie hier ganze Arbeit machen und einen neuen Kanal schaffen wollten, der gegen alle unterirdischen Kräfte gefeit sein sollte.

Der Zeiger rückte weiter. Fünf Minuten vor zwölf. Die Passagiere der Empire City drängten sich an die Fenster, verglichen die Uhren, starrten wie hypnotisiert auf die Mitte der Landenge.

Vier Minuten vor zwölf … drei Minuten vor zwölf …

Ein letztes Mal jagten die Patrouillenmaschinen die Fronten der Luftflotte entlang.

Eine Minute vor zwölf … dreißig Sekunden vor zwölf.

Ein Sturmstoß fasste die Empire City und warf das riesige Flugzeug wie ein dürres Lindenblatt hin und her. Ein Sturmstoß wirbelte die ganze gewaltige Flotte zu beiden Seiten der Sprengung wie einen Haufen welker Blätter durcheinander. Patrouillenmaschinen stürzten ab. Wer sich an Bord der Empire City nicht an Griffen festgeklammert hielt, wurde zu Boden geschleudert. Diejenigen, die noch sehen konnten … sahen, wie die ganze Trasse von Colon bis Panama sich gleichzeitig hob … wie die Urwälder dort unten wie wilde See wogten … wie die Erde zu bersten schien.

Feurig rot flammte es einen Moment auf der ganzen Linie aus den wogenden, steigenden Wäldern. Das Land schien Land in den Äther zu speien. Bis in Meilenhöhe wurde das zerrissene Eingeweide des Isthmus emporgeworfen, ein grausiges Gemenge zerschmetterter Felsmassen und zerfetzten Urwaldes.

Breit und fächerförmig fiel die gehobene Masse wieder nach beiden Seiten zurück, eine mächtige Rinne an der Stelle zurücklassend, an der sie aufgestiegen war. Und im Niederstürzen eine Staubwolke verbreitend, die den Blicken der Schaulustigen alles Weitere verhüllte … selbst wenn sie noch fähig gewesen wären, weiter zu schauen.

Denn jetzt erreichte der erste Donner der Explosion die Höhe der Flugzeuge. Ein Schall, dessen Art und Wirkung sich nicht mit Worten wiedergeben lässt.

Vierundsiebzig Sekunden nach zwölf Uhr erreichte der Donner die Empire City. Man hatte sich an Bord vorgesehen. Die Passagiere hatten Watte in den Ohren und starrten mit offenem Mund auf die Vorgänge in der Tiefe. Aber trotz dieser Vorsichtsmaßregeln war die Wirkung der enormen Schallwellen fürchterlich. Alle entsetzten sich … erschraken bis ins innerste Mark. Fast alle erblassten, und viele stürzten besinnungslos zu Boden. Denn dieser schmetternde, Nerven zermalmende Explosionsdonner hörte nicht auf. Mit beinahe unverminderter Stärke hielt er nach dem ersten Einsetzen minutenlang an. Von der ganzen Länge der Kanaltrasse über eine Entfernung von beinahe zehn Meilen her drang der grässliche Ton zu den einzelnen Flugzeugen, zermarterte viele Minuten lang die Nerven der Insassen.

Bis er endlich nachließ, nur noch grollte wie ein abziehendes Gewitter … leiser und leiser wurde, bis er endlich verstummte … bis die Herzen und Sinne der Zuschauer wieder freier wurden. Und dann erkannten sie, was geschehen war. Zehntausende hatten im gleichen Moment den gleichen Gedanken.

Bei Gott, es ist alles auf einmal gesprengt! Der ganze Isthmus ist auf einmal in die Luft geflogen! Wie wird das enden? Wie wird das werden?

Noch versperrte die ungeheure, von Panama bis Colon reichende Staubwolke jede Sicht. Nur das war sicher … war allen, die das gigantische Schauspiel mit angesehen hatten, unumstößlich klar: Mit einem Schlag waren alle Minen von Panama bis Colon aufgeflogen.

Ein neuer Ton drang in die Lüfte. Ein fernes Rauschen und Brausen zuerst. Immer gewaltiger, dann … zischend und donnernd zuletzt.

Der Niagara … Nein! Nein, viel lauter, viel gewaltiger.

So sprachen diejenigen unter den Passagieren, die einmal an den Fällen gewesen waren, das gewaltige Schauspiel des Stromes gesehen hatten, der sich dort in tausend Meter Breite fünfzig Meter in die Tiefe stürzt.

O nein … nein, nein! Viel schlimmer … viel fürchterlicher als der Niagara.

Ein Sturmwind schien gleichzeitig von beiden Meeren her auf den Isthmus loszufahren. Er zerfetzte die dunstige Staubwolke, schuf freie Sicht … und sie sahen.

Da lag die ungeheure Rinne, die von der Gewalt des Sprengstoffes mit einem Schlag in den Leib der Landenge gerissen war. Über die ganze Länge ziemlich gleichmäßig drei Kilometer breit, in der Mitte mehrere Hundert Meter tief.

Jetzt begriff auch mehr als einer unter den Zuschauern, welchen Vorteil die Sprengung mit einem Schlag für sich hatte. Wären die Minen hintereinander gesprengt worden, so hätte jede Etappe einen Trichter ausgeworfen. Das Kanalbett hätte eine zusammenhängende Reihe derartiger Trichter gebildet, und hätte noch mancher Baggerarbeit bedurft, um ein vollständiges Kanalbett zu schaffen. Dadurch aber, dass der atomare Sprengstoff die ganze Masse mit einem Schlag auswarf, war dieses überall gleich breite und gleich tiefe Kanalbett entstanden. Fast wie mit der Reißfeder gezogen nahm es sich für die Passagiere der Empire City aus.

Ein ungeheurer Graben, in den von beiden Seiten her die See mit der hundertfachen Gewalt der Niagarafälle hineinbrach. Das waren die Quellen dieses neuen, brausenden Donners. Zwei schäumende, strudelnde Wasserwände, die von Panama und von Colon her mit Fluggeschwindigkeit in die Rinne hineinjagten. Sturm lief vor ihnen her. Bäume, von der ersten Explosion verschont, zerbrachen wie Glas. Felsbrocken von der Größe eines Hauses kamen in Bewegung, liefen wie die Kegelkugeln daher, bis sie von den dahinjagenden Wassermassen ergriffen, überschüttet und verschlungen wurden.

Glasig grün und schäumend weiß jagte die See den einbrechenden Frontwellen nach.

Es waren Wetten abgeschlossen worden … viele Wetten … hohe Wetten, wer zuerst den neuen Kanal befahren würde. Keiner von den Wettern gewann. Ein anderes, unbeteiligtes Fahrzeug vollbrachte die Tat … wider den Willen seines Führers und seiner Besatzung.

Eine große Jacht lag in der Bucht von Panama vor Anker. Diese packte der Strom der in den Kanal einbrechenden See. Einen Augenblick strafften sich die Ankertrossen, spannten sich, klangen hell auf und zerrissen.

Das weiße Schiff lief mit dem Strom … lief schnell und immer schneller und schoss in die Rinne hinein … Wie ein Pfeil schoss es dahin … und langsam … langsam, aber unaufhaltsam, kam es der brechenden Frontwand immer näher.

Die Passagiere auf der Empire City hielten den Atem an. Auf die Minute ließ sich voraussagen, wann die vorströmenden Wasser die hilflose Jacht bis an die vor ihr herjagenden Frontwelle herangezogen haben würden … wann das Schiff vierhundert Meter tief auf den nackten Fels des noch ungefüllten Kanalbettes hinabgeschleudert und in Atome zerschmettert werden würde … Da trafen die Frontwellen, die von Colon und von Panama her vier Meilen in sechzehn Minuten zurückgelegt hatten, zusammen …

Kochende See bis zum Himmel! Ein Wasserberg türmte sich auf, stieg hoch über das umgebende Land, überflutete in unhemmbarem Schwall weite Uferflächen … und dann stand die See. Atlantik und Pazifik standen gegeneinander wie zwei Ringer, die in mächtigem Ansprung aufeinandergestoßen sind und nun ihre Kräfte messen.

Das Tosen und Brausen der Wassermassen klang ab. Ruhig wurde die Luft, und ruhig, scheinbar ruhig auch die See. In breitem, blinkendem Spiegel füllte sie das neue Kanalbett der ganzen Breite und Länge nach. Die Zuschauer in den Lüften hätten keine Bewegung mehr gemerkt, wenn nicht jene Jacht, dieses im letzten Augenblick dem Rachen des Todes entgangene Fahrzeug, in mäßiger Fahrt auf Colon zu durch den neuen Kanal getrieben wäre. Die Flut im Atlantik gewann die Oberhand und erzeugte eine merkliche Strömung von Panama nach Colon.

Die in den Lüften sahen die Fahrt der geretteten Jacht, und nun stürzte es sich von allen Seiten her auf die Fläche des neuen Kanals Flugzeuge … große und kleine Schiffe … in wenigen Minuten war die Wasserfläche bedeckt, und alle Versuche der Patrouillenboote, es zu hindern, waren vergeblich.

Man sah ja, es war alles gut gegangen.

Trotz der Sprengung der ganze Kanallinie in einer einzigen Etappe war nichts passiert. Alle Bedenken der Sachverständigen waren grundlos gewesen. Der Kanal war da, der alte Isthmus, seit Jahrtausenden von Erdbeben und Vulkanausbrüchen misshandelt, hatte auch diese letzte Misshandlung, die gleichzeitige Explosion der Masse atomaren Sprengstoffs, ertragen, und die Zuschauer waren bei diesem Schauspiel voll auf ihre Kosten gekommen … mehr jedenfalls, als wenn man etappenweise gesprengt hätte.