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Felsenherz der Trapper – Teil 13.6

Felsenherz der Trapper
Selbst Erlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 13
Das Vermächtnis des Buschkleppers
Sechstes Kapitel

Der Hinterhalt

Don Racosta war pünktlich zur Stelle. Seine Ausrüstung und sein Pferd entlockten Felsenherz ein unmerkliches Lächeln.

»Sennor«, meinte er kopfschüttelnd, »das eine hättet Ihr als Farmer schon wissen können: Kein Westmann reitet einen Schimmel! So ein Gaul ist ja meilenweit in der Prärie zu sehen!«

»Es ist mein bestes Pferd«, erwiderte Racosta barschen Tones. »Wenn Ihr wollt, kann ich ihn ja färben!«

Felsenherz zuckte über diesen Witz nur die Achseln. Jedenfalls begann man den gemeinsamen Ritt sofort in etwas gereizter Stimmung.

Racosta, der die Umgebung von Denison gut kannte, wollte jetzt zunächst den Führer spielen und verlangte, man solle quer durch die Wälder bis zum North Fork, einem Quellfluss des Red River, vordringen. Das sei der kürzeste Weg in die Prärien. Er bot sich mit einem so verdächtigen Eifer zum Führer an, dass der Comanche dem Trapper einen langen Blick zuwarf. Sie verstanden sich. Hier stimmte irgendetwas nicht! Hier handelte es sich fraglos um irgendeine Heimtücke des edlen Don Racosta.

Aber sie ließen sich nichts anmerken und folgten scheinbar arglos dem Spanier, der nun in schlankem Trab durch weite Lichtungen die Richtung nach Nordost einschlug.

Am ersten und zweiten Tag ereignete sich nichts Besonderes. Am Morgen des dritten Tages aber, als die Wichita Mountains in der Ferne auftauchten und man längst die letzten Ansiedlungen hinter sich hatte, stieß man in einer von Waldstreifen eingeschlossenen Prärie auf eine Fährte von Reitern mit beschlagenen Pferden, also von Weißen, da ja kein Indianermustang Hufeisen trägt.

Während dieser verflossenen zwei Tage hatte sich das Misstrauen der beiden Westmänner gegen Don Racosta bereits verringert. Sie hatten eigentlich damit gerechnet, dass Racosta ihnen in der Nähe von Denison einen Hinterhalt durch ein paar ihm ergebene Farmer würde legen lassen, um beide nach jenen Aufzeichnungen zu durchsuchen, die er als von Fred Summer herrührend bei ihnen vermutete.

Beim Anblick dieser Fährte benahm sich Racosta jedoch abermals sehr merkwürdig. Er sprang sofort aus dem Sattel und erklärte, er würde Felsenherz und Chokariga jetzt einmal beweisen, dass er etwas vom Spurenlesen verstünde.

Er kniete im Gras nieder und prüfte die Hufeindrücke nur kurze Zeit und rief dann: »Es sind fünf Reiter gewesen. Die Fährte ist etwa drei Stunden alt. Die Reiter hatten recht frische Pferde und haben es nicht besonders eilig gehabt.«

Felsenherz und der Comanche hatten so schnell diese Einzelheiten kaum feststellen können. Es musste ihnen notwendig auffallen, dass Racosta hier eine so merkwürdige Erfahrung im Spurenlesen verriet.

Chokariga schwang sich daher gleichfalls von seinem Rappen und untersuchte nun seinerseits die Fährte.

Nach einer geraumen Weile erklärte er: »Das Bleichgesicht hat recht. Es sind fünf Reiter auf gut ausgeruhten Tieren. Sie sind dort auf die Wichita Mountains zugeritten, die schon zum Jagdgebiet der Osage1 gehören.«

»Wir werden dieser Spur folgen«, meinte Racosta jetzt eifrig. »Vielleicht sind es Buschklepper. Man kann nicht vorsichtig genug sein.«

»Das Bleichgesicht spricht wie ein erfahrener Westläufer«, meinte der Häuptling. »Wir werden uns trennen. Das Bleichgesicht mag der Fährte nachreiten, während mein Bruder Felsenherz dort in dem östlichen Wald streifen und Chokariga sich im westlichen nach Osagespuren umschaut. Dort geradeaus im Norden treffen wir im Wald wieder zusammen.«

Ohne eine Antwort abzuwarten, sprang er in den Sattel und galoppierte nach links davon. Auch der blonde Trapper sagte nur noch »Auf Wiedersehen, Sennor!« und wandte seinen Braunen nach rechts.

Racosta war ein viel zu großes Greenhorn, als dass er herausgefunden hätte, weshalb die beiden Westmänner in den Waldstreifen angeblich nach Osagespuren suchen wollten. Wahrend er nur im Trab und mit einem gewissen Furchtgefühl infolge der Möglichkeit der Anwesenheit von Rothäuten den Spuren der fünf Reiter folgte, die ihm ja keine Fremden waren, mit deren Erscheinen hier er vielmehr bestimmt gerechnet hatte, jagten Felsenherz und der Comanche drüben an den Waldrändern für ihn unsichtbar nach Norden zu, erreichten in zehn Minuten die Nordgrenze des Waldes, der hier bereits recht hügelig war, und trafen an einem dichten, großen Windbruch (eine, Menge übereinander gestürzter, vom Sturm entwurzelter Bäume, die meist von Rankengewachsen völlig überzogen sind) zusammen.

Der Comanche deutete jetzt dorthin, wo die Wichita Mountains lagen, und sagte in der knappen Ausdrucksweise seines Volkes: »Das Bleichgesicht wird uns in den Schluchten der Wichita Mountains durch die fünf Reiter überfallen lassen.

Niemals hätte dieser Racosta die Fährte so rasch lesen können, wenn er die Reiter nicht vorausgeschickt hätte. Es sind seine Freunde ans Denison.«

Felsenherz erwiderte ebenso kurz: »Mein roter Bruder spricht genau das, was ich vermute. Racosta wird uns jetzt in einen Hinterhalt locken. Es geht um die Zeichnung, deren Vorhandensein ich leider nicht genügend geleugnet habe. Nun – dieser Überfall wird nicht glücken! Ebenso wenig würde Racosta aber, falls er glückte, das Lederstück finden. Ich habe es wieder in den Lauf der Steinschlosspistole geschoben, die in meiner Satteltasche steckt. Chokariga hat die in das Leder mit roter Farbe eingeritzte Zeichnung bereits gesehen. Mit ihrer Hilfe ist es leicht, jenen Ort zu finden, wo Fred Summer den Schmuckkasten in den Abgrund warf.«

»Und wie will mein Bruder Harry den Überfall vereiteln?«, fragte der Comanche nun.

»Dadurch, dass wir hier bereits von der Fährte der fünf abbiegen und die Wichita Mountains rechts liegen lassen. Racosta wird sich dagegen natürlich sträuben. Wir werden aber erklären, wir hatten die Spuren einer starken Osage-Abteilung entdeckt, die offenbar die Richtung auf die Wichita Mountains eingeschlagen habe. Deshalb müssten wir die Berge meiden. Auf diese Weise werden wir Racosta nicht argwöhnisch machen. Er wird dann später wahrscheinlich uns auf andere Art allein zu beseitigen versuchen, um in Besitz der Zeichnung zu gelangen. Wagt er dies, so wird er uns weiter als Gefangener begleiten. Sind wir dann an Ort und Stelle, mag er allein zusehen, wie er den Schmuckkasten aus der Schlucht herausholt und damit, falls er ihn wirklich bergen kann, zu den Ansiedlungen zurückfindet. Das Vermächtnis Fred Summers ist für mich dadurch ja erfüllt, dass ich den heimtückischen Verräter an den Ort begleitet habe, wo er die seiner Mutter einst geraubten Kleinodien sich wieder verschaffen kann. Mehr für diesen Elenden zu tun, kann niemand von mir verlangen.«

Chokariga antwortete nur mit einer zustimmenden Handbewegung.

Dann aber ereignete sich etwas, das für die beiden Westmänner, die sich gegen jede Überraschung hier neben dem hohen Verhau des Windbruches durchaus sicher wähnten, wie ein Blitz aus heiterem Himmel kam.

Eine halbe Stunde, bevor die beiden Freunde und Don Racosta nämlich drüben in der Prärie zur Besichtigung der Fährte haltgemacht hatten, war auf den auf die Wichita Mountains zulaufenden Spuren der fünf Reiter ein einzelner längerer Mann, wie ein Farmer gekleidet, bis zum nördlichen Waldrand zu Fuß zurückgekehrt, wobei er nach Möglichkeit jeden deutlicheren Eindruck seiner Stiefel vermieden hatte.

Als dieser gut bewaffnete Farmer die drei Reiter in der Prärie erspäht und eine Weile beobachtet hatte, lief er zu seinen Gefährten zurück, die im Bogen nach Osten zu gleichfalls umgekehrt waren und ein vorläufiges Versteck in demselben Windbruch gefunden hatten, an dessen Südseite danach Felsenherz und Chokariga zusammentrafen.

Der junge Farmer, der gleich den anderen vier zu den übel berüchtigsten Burschen von Denison gehörte, bog die Hopfenranken des schier undurchdringlichen Dickichts zur Seite und schlüpfte in den in der Mitte nicht völlig ausgefüllten Baum- und Strauchberg hinein.

»Boys, sie sind da!«, meldete er atemlos. »Alles geht nach Wunsch!«

Einer der fünf, etwas älter als die anderen, brummte jetzt missmutig.

»Wir hätten uns auf die faule Geschichte nie einlassen sollen! Ich warne Euch nochmals! Hört auf mich! Lasst den Trapper und den Comanchen ungeschoren! Ich jedenfalls reite nicht mehr weiter! Ich habe keine Lust, mir das Fell mit einem Stück Blei …«

Da meldete sich auch schon ein Zweiter.

»Walker hat ganz recht! Die Sache kann übel ausgehen! Was helfen uns Don Racostas Versprechungen, wenn dieser Felsenherz uns vorher das Lebenslicht ausbläst!«

Doch der soeben zurückgekehrte junge Bursche lachte höhnisch auf und rief verächtlich: Memmen seid Ihr, Boys, elende Memmen!«

Seihe aufreizenden Worte verfehlten ihre Wirkung.

Die vier anderen hatten jetzt, wo die Entscheidung nahte, den Mut verloren. So wurde denn der eine überstimmt, und man beschloss, hier in dem Windbruch zu bleiben, die drei Reiter vorüberzulassen und dann eilends heimzureiten.

Dass alles dann anders kam, war ein bloßer Zufall. Derselbe Bursche, der als Einziger an der mit Racosta getroffenen Vereinbarung festhalten wollte, erkletterte die Krone eines der entwurzelten Bäume und versuchte nach den drei Reitern auszuspähen. Plötzlich kam er sehr rasch wieder herabgestiegen und flüsterte erregt: »Felsenherz und der verdammte Rote nähern sich von verschiedenen Seiten hier dem Windbruch.«

Die fünf Farmer griffen unwillkürlich zu den Büchsen.

Ein paar Minuten angstvoller Spannung vergingen. Dann vernahmen sie draußen Stimmen. Felsenherz und Chokariga waren von ihnen nur durch eine gründ Blätterwand getrennt. Jedes Wort war zu verstehen.

Der junge Bursche, der Verwegenste der fünf, deutete den anderen hastig durch Zeichen an, dass man diese gute Gelegenheit ausnutzen müsse, die beiden Westmänner zu überrumpeln.

Die vier Ängstlichen wurden wieder schwankend. Racosta hatte ihnen viel Geld versprochen, wenn der Streich gelänge. Die Habgier siegte über die Furcht, zumal die vier einsahen, dass der Überfall hier gar keine Gefahr für sie selbst mit sich brachte.

Und dann – dann ereignete sich eben das, was den Dingen eine ganz andere Wendung geben sollte.

Plötzlich rief eine drohende Stimme aus dem Dickicht: »Halt – keine Bewegung! Werft Eure Büchsen auf die Erde! Dann – Hände hoch!«

Des Trappers und des Comanchen Köpfe fuhren herum.

Fünf Büchsenläufe ragten aus der grünen Wand dicht neben ihnen heraus – fünf Läufe von Doppelbüchsen!

Die Lage war verzweifelt! Das erkannten die beiden Westmänner auf den ersten Blick.

Und abermals dieselbe Stimme: »Vorwärts – gehorcht! Oder Ihr und Eure Gäule werden diesem Platz nie mehr verlassen!«

Der Comanche fragte, indem er seine Büchse tatsächlich aus den Händen ins Gras gleiten ließ: »Die fünf Bleichgesichter dort im Windbruch mögen uns sagen, was …«

»Halt’s Maul, Rothaut!«, brüllte dieselbe Stimme. »Wenn du nicht sofort deine Arme gen Himmel reckst, fährst du selbst gen Himmel – oder in die Hölle!«

Auch Felsenherz hielt es für am klügsten, sich zunächst einmal gefangen zu geben.

Der junge Bursche und der Farmer Walker kamen dann aus dem Dickicht hervor und fesselten den beiden Überrumpelten die Hände auf den Rücken.

Kaum war dies geschehen, als auch schon Don Racosta erschien und frohlockend rief: »Gut so! Das heißt Glück haben! Boys, das habt ihr fein gemacht!« Dann wandte er sich an Felsenherz. »Schau an – der berühmte Trapper von ein paar armseligen Farmern überwältigt!«, meinte er mit satanischem Hohn. Die ganze Gemeinheit seines Charakters prägte sich auf seinem Gesicht deutlich aus. »Du aber, Hund von einem Comanchem«, schrie er den Häuptling schadenfroh an, »du sollst jetzt merken, was es heißt, einen reinblütigen Spanier wie mich mit dem Messer zu bedrohen! Denke an die Nacht, an den Wald dicht bei Denison!«

Er versetzte Chokariga einen Fußtritt.

Inzwischen hatte Walker schon aus dem Lauf der Steinschlosspistole das Lederstück triumphierend herausgeholt.

Racosta stieß einen jubelnden Schrei aus, als er die Zeichnung erblickte.

»Her damit, Walker, her damit! Bindet die beiden dort an die Eichen – rasch! Wir nehmen ihre Pferde und Waffen mit und überlassen die berühmten Sennores hier ihrem Schicksal!«

Drei der Farmer widersprachen. »Das ist Mord«, erklärte Walker, der sich zu einer solchen Schurkerei doch nicht hergeben mochte.

Aber die anderen drei waren in ihrem Siegestaumel keinem mahnenden Wort zugänglich. Besonders Racosta und der junge Bursche, ein gewisser Linsam, kümmerten sich nicht im Geringsten um den Widerspruch der anderen und hatten in Kurzem die beiden Gefangenen an zwei dünne Eichen so raffiniert und so brutal festgebunden, dass ein Abstreifen der als Fesseln benutzten Riemen ganz unmöglich war.

Dann ritten die sechs eilig davon.

Linsam führte den Rappen und den Braunen am Zügel.

Es war nun ungefähr neun Uhr vormittags. Felsenherz und der Comanche warteten, bis der Hufschlag der Davongaloppierenden auf dem weichen Waldboden verklungen war. Dann wandte der blonde Trapper den Kopf und sagte zu dem Häuptling mit jener unerschütterlichen Ruhe, die ihm eigen war: »Mein Bruder Chokariga weiß, dass unsere Freunde, die beiden Trumms, uns folgen wollen. Falls es inzwischen nicht regnet, werden sie auf unseren Fährten bleiben, die für die Augen eines Westmannes bis dahin sichtbar sind. In zwei bis drei Tagen können wir frei sein.«

»Mein Bruder Harry rechnet umsonst auf die Hilfe der Trumms«, entgegnete der Häuptling ebenso gelassen. »Es wird regnen und zwar sehr bald. Dort im Westen lagerte schon bei Sonnenaufgang gelblicher Dunst und der Wind hat seine Richtung dreimal gewechselt. Es wird regnen, und die Nässe wird die Lederriemen unserer Hände und Füße weich und dehnbar machen. Wir werden am Abend frei sein. Dann wird Chokariga sich den Skalp des Bleichgesichtes holen, das sich Racosta nennt.

Die Vorhersage des Schwarzen Panthers bewahrheitete sich.

Gegen Mittag hatte sich der Himmel mit schwarzem Gewölk bedeckt. Bald goss es in Strömen. Dieser wolkenbruchartige Regen hielt zwei Stunden an.

Chokariga gelang es zuerst, die linke Hand freizubekommen. Als der Regen nachließ, liefen die beiden Freunde bereits mit gleichmäßigen, weit ausholenden Schritten direkt nach Norden. Dort lag einen Tagesritt entfernt ein Osagedorf in einem weiten fruchtbaren Tal.

Die Pferde der Osage weideten außerhalb des Dorfes in der Prärie. Für Felsenherz und den Häuplling war es ein Leichtes, zwei Mustangs unbemerkt zu entführen.

Inzwischen hatten sie sich zwei Lanzen mit Steinspitzen und zwei primitive Tomahawks, ebenfalls mit Steinschneider, hergestellt. Ihnen genügten diese Waffen. Sie wussten ja, dass sie ihre Büchsen sehr bald zurückerhalten würden.

Die beiden Mustangs waren zäh und ausdauernd. Immerhin hatte Racostas Trupp bereits einen solchen Vorsprung gewonnen, dass die Freunde erst am siebenten Tag unweit der Quellflüsse des Arakanas auf eine Fährte von acht Pferden stießen, von denen sechs beschlagen waren. Jetzt hatten sie also die Gesuchten vor sich, denn die unbeschlagenen Tiere konnten nur der Rappe und der Braune sein.

Show 1 footnote

  1. Die Osage sind kein Reiterwolk wie die Apachen und Comachen, sondern nur zum Teil beritten.