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Der Schwur – Dritter Teil – Kapitel 4.2

Der-SchwurDer Schwur
Historischer Roman aus dem mexikanischen Unabhängigkeitskrieg

Dritter Teil
Der See Ostuta

Kapitel 4.2
Don Cornelio glaubt seinen Kopf verloren zu haben

Es geschah keineswegs ohne einen langen und heftigen Kampf zwischen ihrer Liebe und ihrem Stolz und nicht ohne verzweifelte Anstrengungen, aus ihrem Herzen eine Liebe zu reißen, die darin unumschränkt herrschte, als Gertrudis sich entschlossen hatte, Don Rafael das Zeichen zu senden, bei welchem er geschworen hatte, ohne Zögern zu gehorchen und sollte er auch den Arm erhoben haben, um seinem tödlichsten Feind den Todesstoß zu versehen.

Wir wissen, dass ihr Aufbruch von Oajaca gleich nach dem Abgang des Boten stattgefunden hatte.

Als sie dem glühenden Wunsch, der sie beseelte, nachgegeben hatte, dem nämlich, noch einmal Don Rafael wiederzusehen, und geschähe es auch nur, um aus seinem Mund zu vernehmen, dass er sie nicht mehr liebe, war sie dennoch weit davon entfernt, ein solches Geständnis von ihm zu fürchten. Ihre erste Regung war daher die einer herzlichen Freude. Das Leben schien für sie von Neuem zu beginnen. Sie war erstaunt, solange gegen sich selbst gekämpft zu haben. Voller Vertrauen zweifelte sie nicht, dass Don Rafael ebenso viel Freude empfinden würde, ihre Botschaft zu erhalten, als sie empfand, sie ihm zu übersenden. Deshalb hatte sie in Gaspar, um sich seiner Treue zu versichern, die Hoffnung rege gemacht, dass der Oberst Tres-Villas ihn reichlich belohnen würde. In den kritischen Umständen, in denen sich der Bote befand, war es ein Glück, dass sie ihm eine glänzende Belohnung in Aussicht gestellt hatte, denn wenn diese Botschaft ihre Bestimmung endlich erreichen sollte, so konnte es allein nur vermöge dieses mächtigen Beweggrundes geschehen.

Dennoch war die Freude Gertrudis’ nur von kurzer Dauer. Bald traten an die Stelle der Gewissheit Zweifel und Misstrauen. Zwischen ihr und Don Rafael waltete unzweifelhaft mehr als ein von den gebieterischen Umständen erzeugtes Missverständnis ob.

Sie glaubte sich nicht mehr geliebt, die fernen Beweise des Andenkens waren ihr jetzt nur ein Spiel des Zufalls, und wenn der Oberst sie aus seinem Herzen verbannt hatte, so war es nur darum geschehen, weil er eine andere liebte.

So von schmerzlichen Gedanken gebeugt, mit von der schwarzen Eifersucht zerrissenem Herzen trat sie ihre Reise an. Die Gefahren aller Art, denen ihr Bote in einem von Bürgerkriegen zerfleischten Land ausgesetzt war, und die Ungewissheit seiner Rückkehr vermehrten noch ihre Unruhe. Der Kummer zehrte sie auf und ihr Herz brach. Ihre bleichen Wangen verkündeten, wie schrecklich die Qualen waren, welche sie erduldete.

Don Mariano sah mit außerordentlichem Schmerz das Leben seiner Tochter stufenweise erkranken. Die Nutzlosigkeit seiner Anstrengungen erkennend, die er bis jetzt gemacht hatte, um ihre Liebe dadurch, dass er ihr Don Rafael gleich treulos gegen Geliebte und Vaterland darstellte, versuchte er nun das, was er gesagt hatte, zu mildern. Aus einem strengen Kläger, der er ehemals gewesen war, wurde er der wohlwollende Verteidiger des Obersten. Der Adel und die Offenheit seines Charakters sollten nun von ihm jeden Verdacht der Treulosigkeit fernhalten. Sein Schweigen erklärte sich auf ganz natürliche Weise durch das Zusammentreffen mehrerer von seinem Willen unabhängiger Umstände und durch die Hindernisse, welche die politischen Ereignisse unüberwindlich gemacht hätten.

Gertrudis lächelte schmerzlich bei den Worten ihres Vaters. Ihr Herz blieb darum um nichts weniger verbittert.

So verbrachten sie die ersten drei Tage ihrer Reise von Oajaca zu den Ufern der Ostuta, ohne Abenteuer zwar, aber nicht ohne das beunruhigende Gerücht über die Raubzüge und Mordtaten des blutdürstigen Arroyo, die ihnen unterwegs zu Ohren kamen, sie in beständiger Aufregung erhielten. Am dritten Tag ihrer Reise hatten sie gegen Abend den Ort erreicht, wo wir sie haben haltmachen sehen, in der Nähe der Furt der Ostuta. Während der Nacht hatte Don Mariano, durch verwirrte, unbestimmte Töne, die er im Wald hörte, beunruhigt und auch von der Furcht ergriffen, dass einige Gefahr bei dem Übergang über den Fluss zu besorgen sei, einen seiner Leute abgeschickt, auf dessen Erfahrung und Mut er volles Vertrauen setzte, um die Ufer der Ostuta zu untersuchen.

Zwei Stunden später war der Diener mit der Nachricht zurückgekehrt, dass auf der einen Seite der Furt zahlreiche Feuer leuchteten. Das waren, wovon sie schon aus ihrer Reise unbestimmte Gerüchte gehört hatten, die Lagerfeuer Arroyos und seiner Banditen. Der Diener fügte hinzu, dass er glaube, bei seiner Rückkehr von jemandem verfolgt worden zu sein. Nach diesem Bericht nun hatte man sich beeilt, das Feuer auszulöschen, das man angezündet hatte, und machte, wie wir gesehen haben, Anstalten zum schleunigen Aufbruch.

Derweil sie längs des Flusses hinzogen und den See, den er bildet, umgingen, machte der Diener Don Marianos sich anheischig, jenseits desselben Sees eine andere Furt zu finden, die sie durchwaten könnten, um auf einem ganz anderen Weg die Hazienda San Carlos zu erreichen. Freilich war dies mit den Umwegen, die gemacht werden mussten, ein Reisetag mehr. Man hatte dabei die Wahrscheinlichkeit, den Händen der Banditen Arroyos zu entgehen.

So wandten sich nun die Reisenden zum See Ostuta. Der Weg war lang und mühselig.

Die Unmut Gertrudis’, die Vorsicht, die man infolge der schlechten Wege anwenden musste, auf denen die Maultiere, welche die Sänfte trugen, sich kaum mit ihrer Last halten konnten. Alles trug dazu bei, die Reise der Flüchtlinge zu verzögern. Es war ungefähr zehn Uhr abends, als die Reisenden endlich an einen Ort gelangten, wo der See sein trübes und wehmütiges Wasser vor ihren Augen ausbreitete.

Von allen gefürchteten oder verehrten Orten, denen die Indianer ehedem einen Kult gewidmet hatten, gab es keinen, welcher der Gegenstand von mehr alten Traditionen gewesen wäre, als der See Ostuta und der Berg, der sich mitten in seinem Wasser erhebt. Der Berg führt den Namen Monapostiac oder der verzauberte Hügel, dessen düsterer und eigenartiger Anblick den Beschauer mit einer Panik erfüllt, dessen er sich nicht erwehren kann.

Der Augenblick ist bald gekommen, die Einzelheiten dieses schreckenerregenden Ortes näher zu beschreiben, zu dem die Notwendigkeit und die Sorge für die Sicherheit Mariano Silvas und seiner Tochter sie geführt hatte. Wir begnügen uns zu sagen, dass der Hain, welcher den See umgibt, den Reisenden ein undurchdringliches Asyl darbot, aus dem man nicht daran denken durfte, vor Tagesanbruch aufzubrechen, um die Furt aufzusuchen, deren Vorhandensein der Diener angedeutet hatte.