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Der bayerische Hiesel – Teil 49

Abschiedsgedanken des bayerischen Hiesels und seiner Kameraden
an ihrem Tod-und Sterbenstag,nachdem dieselben von einer
Kurfürstlichen Dillingischen Justiz nach Urteil und Recht
vom Leben zum Tode gebracht worden

Mit Erlaubnis der Oberen, Augsburg,
gedruckt bei Franz Joseph Fetscher, 1771.

1.

Nun Welt! Nun gute Nacht, das sind die letzten Zeilen,
die dir der Hiesel wird zum Abschied noch erteilen.
Das Schwert ist schon gewetzt,die Bühne samt dem Rad,
zu meiner Strafe auch, so fertig wie parat.
Jedoch ich hab’s verdient, hätt’ ich mich warnen lassen,
so wür’ kein solcher Lohn auf mich zur Marter passen.

2.

Wie viel Erinnerung und warnungsvolle Lehren
ließ mancher gute Freund aus seinem Munde hören.
Allein ich lachte nur und dachte nicht daran,
dass Gott auf einmnal schnell die Bosheit strafen kann.
Und siehe! Ich erfuhr’s, der Ort bei Osterzellen,
der war’s, den mir Gott tat zu meinem Fall bestellen.

3.

Wollust und Müßiggang nebst schlimmen Kameraden
sind des Verderbens Weg, worauf ich mir zum Schaden
gewandelt lang genug! O arme Festigkeit,
die mancher dumme Mensch von mir sich prohezeit.
So lang kein Schuss mich traf und niemand nahm gefangen,
solange konnte ich als fester Hiesel prangen.

4.

Allein Herr Schedel kam, nebst seinen braven Leuten,
und nahm sammt meiner Rott’ uns alle Festigkeiten.
Kurz! Meiner Bosheit war nunmehr das Ziel gestellt.
Statt Wälder, freier Luft und angenehmen Feld
ward uns nun das Quartier in Bouchlen angewiesen,
bis wir nach Dillingen gefesselt fahren müssen.

5.

Und hier ist nun der Ort, wo wir heut sterben sollen,
weilwir zum Abschied nun euch etwas bitten wollen.
So hört! Wir rufen euch, auf uns’rer Todesbahn,
um eure Fürbitt noch zu Gott im Himmel an,
dass er uns gnädig sei in unseren letzten Stunden,
durch Jesu Blut und Tod, durch seine off’ne Wunden.

6.

Ihr wisst, die Bosheit war von uns sehr weit getrieben.
Am Anfang ging’s aufs Wild! Dann wurden wir zu Dieben.
Und mancher büßte gar durch uns sein Leben ein.
Wie nötig haben wir, dass Gott wohl gnädig sein.
Ja, möcht’ die Todesstraf, die wir heut auszustehen,
so mancher böse Mensch zu seiner Warnung sehen.

7.

Wir aber wenden uns hiermit vor Gottes Throne
und bitten gnädiglich, durch Jesum seinen Sohne,
dass er uns Sündern in Gnade stehe bei
und alle uns’re Sünd’ vergebe und verzeih.
Dass unsere Buße mög’ von Herzen ihm gefallen,
und nicht ein Donnerwort an jenem Tag erschallen.

8.

In unserer Todesstraf, die wir nun bald empfangen,
lass jeden Seufzer er, dem Himmel zu gelangen.
Wie gerne stehen wir hier uns’re Marter aus,
dann wir verdienten’s ja, wann jenes Himmelshaus,
und jene Herrlichkeit, nur dort in jenem Leben,
von Gott dereinstens uns geschenkt wird und gegeben.

9.

So lebet demnach wohl, die ihr mir günstig waret,
mir manches Gut’s getan, und truppenweis gepaaret,
bald hie, bald da, bald dort, wo ich zu treffen an,
Dank sei für all’s, was ihr mir habet Gut’s getan.
Nun ist dies all’s vorbei, o möcht es doch geschehen,
dass man nach mir nicht noch möcht andere Hiesel sehen.

10.

Ihr Wäld- und Felder, die ihr mich oft habt verstecket,
ernähret durch das Wild, verborgenb und gedecket.
Euch dank ich auch nochmal; doch Gottes Angesicht,
entrissetet ihr mich auf keine Weise nicht.
Das Sprichwort wird heute wahr, nichts wird so klein gesponnen,
es kommt zu seiner Zeit doch endlich an die Sonnen.

11.

Nun geht’s aufs Sterben los, lebt wohl aufs Allerbeste.
Gott aber steh mir bei, sein Arm halt uns feste.
Ja meine Seele nimm er zu Genaden an,
wie er am Kreuze dort, dem Schächer auch getan.
In meiner letzten Stund tröst mich sein Todesschweiße,
bis endlich gar mein Geist erblickt das Paradeise.