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Der Welt-Detektiv Band 6

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Gold – Kapitel 10.4

Gold-Band-1Friedrich Gerstäcker
Gold
Ein kalifornisches Lebensbild aus dem Jahre 1849
Kapitel 10 Teil 4
Der indianische Häuptling

Draußen auf dem Hügel hatten indessen die beiden jungen Mädchen regungslos neben den Pferden ihren Platz behauptet, nur mit den Blicken die verschiedenen Gestalten der Fremden scharf fixierend, die in ihren Bereich kamen. Die beiden Indianerjungen plauderten dabei zusammen und zeigten sich hier und da eine, für sie mehr oder weniger auffallende Persönlichkeit, über die sie dann lachten. Kam der aber, über den sie noch eben ihren Spaß gehabt hatten, in ihre Nähe oder gar an ihnen vorbei, so waren sie beide plötzlich ganz still und ernst, und schauten schweigend vor sich nieder, bis er vorüber war. Dann ließen sie ihrer tollen Laune wieder freien Lauf.

Das verhinderte sie jedoch nicht, mit ihren Adleraugen scharf umherzuspähen. Nichts entging ihnen, das sich in ihrem Gesichtskreis bewegte. Besonders scharf beobachteten sie die aus der Flat heimkehrenden Arbeiter, bis ein einzelner, unten auf der Straße vorübergehender Mann ihre Aufmerksamkeit vorzüglich weckte. Sein Gesicht konnten sie freilich nicht erkennen, denn er hielt es von ihnen abgewandt. Nach ein paar rasch miteinander geflüsterten Worten nahm aber der eine von ihnen die Zügel sämtlicher Tiere in die Hand, während der andere wie eine Schlange den Hügel hinunterglitt und dem Fremden folgte. Doch noch ehe er ihn überholte, hatte er sich schon Gewissheit verschafft. Der lange Bursche nämlich hörte die leichten Schritte dicht hinter sich und drehte danach oder vielleicht auch nur zufällig den Kopf. Kaum aber hatte die junge Rothaut nur einen flüchtigen Blick auf sein Gesicht geworfen, als er, wie von einem Schlage getroffen, in die Knie knickte.

Der Lange zog die Brauen finster zusammen und verfolgte, ohne weiter auf den Burschen zu achten, seinen Weg. Des Knaben ausgestreckter Arm deutete aber hinter ihm her. Wunderbar war die Wirkung, die dieses Zeichen auf die, oben am Hügel haltenden Mädchen ausübte.

Melangaju, »die Wespe«, wie sie der junge Häuptling genannt hatte, zuckte empor. Ihr langes rotes Kleid zusammenraffend, war sie mit einem Sprung bei ihrem Pferd. Kaum hatte der kleine Bursche Zeit, den Zügel loszulassen, so riss sie denselben schon über den Nacken des Tieres, griff ihm mit der linken Hand in die zottige Mähne, schwang sich auf seinen Rücken und flog im nächsten Augenblick schon in toller Hast den Hügel abwärts.

Kaum zwei Minuten später hatte sie den breiten Weg, wo ihr die Weißen kaum rasch genug lachend und fluchend Raum geben konnten, mit den nächsten Sprüngen auch schon den Fremden erreicht, den sie nicht für einen Moment aus den Augen verloren hatte.

Dieser drehte sich, als er die den harten Boden schlagenden Hufe so dicht hinter sich hörte, rasch danach um, um aus dem Weg zu springen. In dem Augenblick hatte Melangaju aber auch schon ihr Pony herumgeworfen. Ihm die Hacken in die Flanken pressend, hob sie es zum Sprung, flog über den Weg hinüber, dicht vor den darüber doch Erschreckten, und stieß dabei jenen triumphierenden Schrei aus, der, wie sie recht gut wusste, den Häuptling in wenigen Sekunden an ihre Seite bringen würde.

»Hast du ihn, Mädchen?«, rief dieser ihr auch schon von Weitem zu, wie er nur, aus dem Zelte springend, die Szene überschaute.

»Das ist er!«, jauchzte aber das Mädchen dem Indianer entgegen. »Sieh nur, wie bleich er geworden ist. Das sind die Zeichen meiner Nägel, die ich ihm in Stirn und Wange gegraben habe.«

»So nahe ist er dir gewesen?«, zischte der Indianer zwischen den Zähnen durch, während er einen Blick tödlichen Hasses auf den Amerikaner warf. »Seht da, Sheriff«, wandte er sich sodann an diesen, der sich dicht an seiner Seite gehalten hatte. »Ist das einer Eurer Landsleute oder nicht? Ich dächte, sein Vaterland stände ihm deutlich genug auf der Stirn geschrieben.

»Wäre eine verdammt schlechte Empfehlung für das Vaterland«, brummte der Sheriff leise in den Bart. Es blieb ihm übrigens keine Zeit zu langen Verachtungen, denn der so Gestellte hatte sich von seiner ersten Überraschung erholt und rief jetzt ziemlich barsch, was das zu bedeuten habe. Zugleich zog er einen Revolver aus der Tasche und sah sowohl den Sheriff als auch den Indianer trotzig an.

Der Sheriff war übrigens nicht der Mann, sich von einer gezogenen Waffe einschüchtern zu lassen. Im Gegenteil stimmte das noch eher seine Meinung zugunsten des Indianers, dessen gerechte Klage er wenigstens keinen Augenblick bezweifelte.

»Bitte, steckt Eure Pistole wieder ein«, sagte er deshalb ruhig. »Ihr habt keinen Anfall zu befürchten, denn ich bin der Sheriff dieses Townships.«

»Und was habe ich mit dem Sheriff zu tun?«, sagte der Lange, indem er jedoch der Aufforderung Folge leistete und den Revolver in eine außen angebrachte Seitentasche seines Rockes zurückschob.

»Das werdet Ihr gleich hören. Wie ist Euer Name?«

»Smith.«

»Sehr wohl, Mr. Smith. Haltet Ihr Euch hier im Paradise auf?«

»Wie Ihr seht, ja.«

»Wo schlaft Ihr?«

»In Dolkins Zelt.«

»Gut. Der Indianer hier hat eine Klage gegen Euch eingebracht, in sein Lager eingefallen zu sein und einen alten Mann seines Stammes mit dem Messer verwundet zu haben.«

»Der Bursche träumt«, sagte der Lange finster. »Seit ich in Kalifornien bin, habe ich kein Lager dieser braunen Schufte betreten.«

»Das lügst du, Weißer!«, rief ihm da trotzig der Häuptling entgegen.

Und wieder zuckte die Hand des Amerikaners nach der Waffe.

Rasch aber trat der Sheriff zwischen die beiden und sagte ernst: »Auf offener Straße kann die Sache nicht geklärt werden. Ihr werdet Euch morgen im Zelt des Major Ryoth einfinden.«

»Auf das Zeugnis eines Indianers?«, gab Mr. Smith höhnisch lachend von sich. »Seit wann gelten in den Vereinigten Staaten diese Gesetze?«

»Ihr werdet Euch nicht weigern, Euch einer Jury zu stellen«, sagte der Sheriff finster.

»Gewiss nicht«, konterte der Amerikaner lachend, »aber natürlich nur einer Jury von weißen Männern, falls Ihr etwa eine andere Absicht hättet.«

»Es ist gut«, erwiderte der Sheriff, ohne auf die höhnische Bemerkung weiter ein Wort zu entgegnen. »Es wird meine Sorge sein, dass Ihr morgen um die bestimmte Zeit noch hier an Ort und Stelle seid.«

»Ich werde mich Eurer edlen Gerichtsbarkeit nicht entziehen«, bemerkte Smith lachend und schritt langsam durch die schon angesammelte und ihm Raum gebende Menge die Straße hinab.

»Und lassen sie den Mörder fort?«, rief erstaunt das junge Mädchen dem Häuptling zu.

Der Indianer biss seine Zähne fest aufeinander und wandte sich, dem Hügel zuzugehen, auf dem seine Pferde standen.

»Kommt morgen zur rechten Zeit in die Stadt, Kesos«, rief der Sheriff. »Ist es irgend möglich, so bringt den Verwundeten mit.«

»Und glaubt Ihr, dass Euer Stock von Richter mich auch nur hören wird?« sagte der Indianer finster.

»Er kann es nicht gut verweigern«, erwiderte der Sheriff. »Viel Erfolg verspreche ich Euch freilich selber nicht, wenngleich Ihr jenem Buben gegenüber das Recht auf Eurer Seite habt. Hättet Ihr nur einen einzigen Weißen zu Eurem Zeugen. Kommt aber nur. Mir liegt selber daran, dass einer gewissen rauflustigen, vor nichts zurückschreckenden Menschenmasse wenigstens bewiesen werde, dass das Gesetz die Indianer unter seinen Schutz stellt. Ihr habt dann weniger zu befürchten, von ihnen belästigt zu werden.«

»Ich werde kommen!«, sagte der Häuptling, ergriff den Zügel des neben ihm reitenden Mädchens und schritt langsam mit ihr den nahen Hügel zurück.

Wenige Minuten später sprengte der kleine Trupp wieder in voller Flucht, dieses Mal die Stadt selber umreitend und außen an den Zelten vorbei, den Bergen zu.

Ende des ersten Bandes


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