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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Marone – Das Hornsignal

der-marone-drittes-buchThomas Mayne Reid
Der Marone – Drittes Buch
Kapitel 13

Das Hornsignal

Als Cubina den Hof des Jessuron verlassen hatte, eilte er unverweilt zu der Lichtung zurück. Hier unter der großen Ceiba angekommen, setzte er sich auf einen Baumstumpf, um den jungen Engländer zu erwarten. So verblieb er einige Zeit lang ruhig, doch dann ergriff ihn eine ganz außerordentliche Unruhe, da eine Minute nach der anderen verstrich, ohne dass jemand kam. Dazu hatte er nicht einmal eine Tabakpfeife, um seine Ungeduld angemessen zu vertreiben, denn diese war ja in der Hängematte liegen geblieben, in die er sie von der Palme aus geworfen hatte. Indes auch eine Pfeife würde ihn schwerlich beruhigt haben, da seine Aufregung und Ungeduld mit jedem Augenblick größer wurden. Tatsächlich, das Nichterscheinen des jungen Engländers begann ihm ernste Besorgnis einzuflößen.

Was mochte ihn jetzt nur zurückhalten? War Jessuron etwa wach geworden, und hatte dieser Herbert in irgendeiner Weise behindert, fortzugehen? Es war gar kein ordentlicher Grund vorhanden, weshalb der junge Engländer nur zehn Minuten später als er selbst bei der Ceiba ankommen sollte. Fünf Minuten wären doch sicher zu seinem Anziehen hinreichend gewesen, und was in aller Welt hielt ihn dann ab, ihm zu folgen? Zweifelsohne waren doch der an ihn ergangene Anruf, die Hinweise auf die Gefahr, in der seine Verwandten schwebten, sowie die Notwendigkeit der größten Eile gar nicht misszuverstehen und auch jedenfalls dringlich genug, um ihn mit aller Hast ohne alles Säumen in den Wald zu treiben. Warum kam er denn jetzt nicht?

Der Marone vermochte sich dies gar nicht anders zu erklären, als dass er annahm, Jessuron sei aufgewacht und habe ihn gehindert.

Oder konnte es möglich sein, dass Herbert nicht den richtigen Weg zur Ceiba gefunden hatte? Der Fußpfad war nicht überall so ganz sichtbar, denn er wurde nur sehr wenig betreten und es waren viele solcher kleinen Wege da, die nach allen Richtungen hinführten und den richtigen zu der Ceiba mannigfach durchkreuzten, indem die halbwilden Rinder und Füllen des Koppelhalters das Dickicht und die Wiesen nach Willkür durchstreiften. Deshalb war es gar nicht unmöglich, dass der Engländer den rechten Weg verloren und irregegangen war.

Solche Gedanken erfüllten jetzt Cubina, er machte sich lebhafte Vorwürfe, nicht früher daran gedacht zu haben, in der Nähe des Judenhofs geblieben zu sein, um dort Herbert zu erwarten.

»Ha, daran nicht zu denken! Carambo! Wie äußerst dumm von mir!«, sprach er leise zu sich selbst und ging aufgeregt auf und ab, denn seine sich immer mehr steigernde Ungeduld hatte ihn längst von seinem Sitz auf dem Baumstumpf aufgetrieben.

»Am Ende hat er doch den Weg verloren! Ich muss zurückgehen, vielleicht finde ich ihn, und wenn er auf dem rechten Weg ist, so treffe ich ihn ja auf alle Fälle!«

Mit diesen Worten durchschritt er eilig die Lichtung und ging den zu der Judenkoppel führenden Weg wieder zurück, den er eben erst gekommen war.

Die Annahme, dass Herbert den rechten Weg verfehlt habe, war vollkommen richtig. Der junge Engländer hatte den Platz seines merkwürdigen Abenteuers seit jenem Tag nicht wieder besucht, wo er die Bekanntschaft so eigentümlicher Leute gemacht hatte. Auch war er, wie Cubina bereits vermutet hatte, gerade nicht sehr stark darin, sich im Wald zurechtzufinden, noch dazu in einem westindischen Urwald. So war er schon gleich im Anfang vom rechten Weg abgekommen und wanderte nun im Wald herum, um die Lichtung aufzufinden, wo die Riesenceiba stand.

Unterdessen ging der Marone eilends den zur Judenkoppel führenden Pfad zurück, ohne jedoch den Engländer oder dessen Spur auffinden zu können. Bereits betrat er schon die dem Haus dort naheliegenden Felder und stieg vorsichtig über die verfallene Mauer des früheren Obstgartens. Vorsicht war jetzt höchst notwendig, denn es war nun lichter Tag. Wäre das Unterholz nicht gewesen, er hätte keinen Schritt weiter zu machen vermocht, ohne die größte Gefahr, vom Haus aus gesehen zu werden. Jetzt erreichte er den Platz, auf dem er einige Stunden zuvor gewesen war und von wo aus er die Veranda zu übersehen vermochte. Jessuron befand sich auf ihr, allein er schlief nicht mehr in seinem Lehnstuhl, sondern ging schnell wie in Aufregung umher. Sein Aufseher stand an der Treppe und schien auf einige von Jessuron erteilte Befehle zu hören. Die Hängematte war noch auf ihrem alten Platz, sie war jedoch leer. Nirgends, weder auf der Veranda noch sonst wo in dem ganzen Gebäude, konnte Cubina den jungen Engländer entdecken.

Der Marone überlegte nun, ob er noch länger da verweilen und die Bewegungen der beiden Männer beobachten solle, als es ihm einfiel, dass, wenn der junge Engländer wirklich fortgegangen war und den rechten Weg eingeschlagen habe, er einen etwas sumpfigen und schmutzigen Platz gerade außerhalb der Gartenmauer betreten haben müsse. Deshalb ging er unter dem Schutz der Bäume vorsichtig dahin und gewahrte auch sofort eine frische Fußspur in dem weichen Schmutz. Der Hacken war dem Haus zugekehrt und die Fußspitze zum Waldpfad gerichtet. Es war zweifelsohne die Spur des jungen Engländers, er musste in der Richtung zu der Lichtung hingegangen sein. Aber wo war er jetzt?«

»Vielleicht ist er nun während meiner Abwesenheit doch auf der Lichtung angekommen und wartet da auf mich?«, war der Gedanke des Maronen, mit dem er nun in größter Eile zu der Lichtung zurücklief. Allein unter der Ceiba war kein Engländer zu sehen, keine Spur von ihm zu entdecken. Sobald er jetzt wieder hinreichend zu Atem gekommen war, begann er zu rufen. Anfangs mäßig laut, dann immer stärker und zuletzt aus voller Kraft. Allein trotz alles wiederholten Schreiens und Rufens erfolgte keine Antwort, außer dem Echo des Waldes.

»Carambo!«, rief der Marone, dem plötzlich ein anderes Mittel, sich bemerkbar zu machen, eingefallen zu sein schien. »Vielleicht, wenn er mein Horn hört, erinnert er sich daran und kennt es wieder. Wenn er nur im Umkreis einer halben Stunde Wegs ist, so muss er es hören!«

Der Marone setzte sein Horn an den Mund und blies einen langen lauten Ton, dreimal hintereinander. Auf dieses Signal erfolgte sofort eine Antwort, die aber freilich nicht von dem jungen Engländer herrühren konnte. Sie bestand in drei halben Hüfthorntönen. Als der Marone diese hörte, horchte er aufmerksam. Da erschallte ein nur halb so starker Ton, aus derselben Richtung herkommend.

»Drei und einen halben«, rief der Marone für sich aus. »Richtig, es ist Quaco! Er kommt von Savanna-la-Mer zurück. Ich habe ihn nicht so früh erwartet, aber es ist ganz gut, vielleicht werde ich ihn nötig haben.«

Nach diesem Selbstgespräch stand der Marone in tiefes Nachsinnen versunken.

»Carambo!«, rief er dann höchst verdrießlich aus. »Was ist denn nur aus dem Engländer geworden? Ich muss noch einmal blasen, denn Quacos Horn möchte ihn getäuscht haben. Diesmal aber, werter Leutnant, schweig still!«

Damit blies er einen einzelnen, aber ganz von dem früheren verschiedenen Ton. Nach einer Pause wiederholte er diesen Ruf ganz in demselben Ton. Allein auf keinen erfolgte jetzt Quacos Antwort. Kurze Zeit darauf aber stellte sich der Gerufene seinem Hauptmann in eigener Person vor.