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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Kommandant des Tower 14

Der Kommandant des Towers
Historische Erzählung von W. Harrison Ainsworth
Verlag von Christian Ernst Kollmann, Leipzig, 1863
Zweites Buch
Der Lordprotektor
Sechstes Kapitel

Von dem Wortwechsel zwischen dem Lordprotektor und Sir Thomas Seymour, und wie derselbe beigelegt wurde

Der Tower-Garten war an der Nordseite von einer langen steinernen Galerie begrenzt, die von Lanthorn-Tower nach Salt-Tower führte und durch einen Korridor mit den königlichen Gemächern in Verbindung stand. Seit einiger Zeit hatten zwei Personen aus einem der oberen Fenster in dieser Galerie auf das jugendliche Paar heruntergeblickt. Da das Fenster glücklicherweise offen stand, so war ihnen kein Wort der Unterredung entgangen. Sie horchten mit der größten Aufmerksamkeit, und beide schienen gleich erfreut über das, was sie hörten. Obgleich diese Lauscher von dem jungen Monarchen und seiner Gefährtin vollkommen unbemerkt blieben, so waren sie es doch nicht von Fowler, der, indem er nichts anderes zu tun hatte, seine Augen nach allen Seiten umherschweifen ließ. Aber da er in jenen den Marquis von Dorset, Lady Janes Vater, und Sir Thomas Seymour erkannte, so hielt er es für unnötig, seinem königlichen Herrn deren Nähe anzuzeigen. Obendrein hieß ihn ein Zeichen Seymours, mit dem er ein geheimes Einverständnis zu haben schien, zu schweigen.

Gerade als Edward seinen Diener rief, um ihn und Lady Jane von den Büchern zu befreien, verschwanden die Lauscher vom Fenster.

Da die Galerie in dem Augenblick leer war, sprach Seymour mit stolzem Lächeln zu dem Marquis: »Was denkt Ihr, Mylord, von dem, was Ihr gehört habt? Wie stehe ich mit Seiner Majestät? Habe ich meinen Einfluss auf ihn überschätzt?«

»Nicht im Geringsten«, antwortete Dorset. »Ihr steht so gut mit Eurem königlichen Neffen, dass es Eure eigene Schuld sein wird, wenn Ihr nicht erster Pair des Reiches werdet.«

»Was? Stellt Ihr mich über den Lordprotektor?«, rief Seymour. »Bedenkt, dass das Conseil ihm alle Gewalt gegeben hat.«

»Ich weiß es wohl«, antwortete der Marquis, »aber Ihr habt den König auf Eurer Seite. Bevor es dem Lordprotektor gelingt, Seiner Majestät Liebe zu Euch für sich zu gewinnen, müsst Ihr über kurz oder lang das Übergewicht erlangen.«

»Ihr habt recht, Mylord von Dorset«, sprach Seymour. »Ich werde es nicht nur erlangen, sondern auch behaupten. Und wenn ich steige, sollen andere auch steigen -verlasst Euch darauf. Es ging mir ein Gedanke durch den Kopf, während ich jenem hübschen Paar zulauschte. Ihr sollt ihn erfahren. Die beiden scheinen füreinander geschaffen zu sein. Warum sollten sie nicht durch Heirat verbunden werden, wenn sie das passende Alter erreicht haben?«

»Wenn ich auch dem Gedanken nachgehen dürfte«, antwortete der Marquis, augenscheinlich angenehm berührt von der Andeutung, »so würde es doch Seiner Majestät außerordentliche Jugend und meiner Tochter zartes Alter nicht gestatten.«

»Warum sollte man sie deshalb nicht verloben können«, meinte Seymour. »Das Bündnis kann zustande kommen, ich sage es Euch, Mylord. Nein, die Wahrheit zu sagen, es soll zustande kommen, wenn wir beide uns gut miteinander verstehen.«

»Ja, bester Sir Thomas, ich wäre zu allem bereit, wenn ich wüsste, dass meine Tochter Königin würde. Da Ihr selbst davon redet, will ich Euch nur gestehen, dass Mylady Dorset mir die Sache bereits in den Kopf gesetzt hat. Frauen schwatzen viel unnützes Zeug, wie Ihr wisst. Aber reiflich überlegt, wäre die Verbindung keine unpassende, da Lady Jane selbst von königlichem Blut ist.«

»Die Heirat kann zustande kommen und soll zustande kommen, Mylord Marquis«, sprach Seymour, »aber mir muss die Verfügung über die Hand Eurer Tochter freistehen. Meine Pläne dürfen nicht durchkreuzt werden. Ihr müsst Lady Jane gänzlich meiner Obhut übergeben.«

»Eurer Obhut, Sir Thomas?«, rief der Marquis höchst erstaunt.

»Meiner«, entgegnete Seymour, »das heißt der Obhut meiner Gemahlin, sobald ich eine haben werde. Ich gedenke binnen Kurzem zu heiraten, Mylord, und dann kann ich Eure Tochter bei mir aufnehmen.«

»Nehmt meinen Glückwunsch, Sir Thomas«, sprach Dorset. »Ich zweifle nicht, dass Eure Wahl eine gute ist, ja, wenn sie auf die erste Frau in diesem Reich gefallen wäre, es würde mich nicht wundern.«

»Ich kann Euch noch nicht in das Geheimnis blicken lassen, Mylord«, antwortete Sir Thomas lächelnd, »aber das kann ich Euch sagen, meine Heirat wird sicherlich nicht meinen Einfluss auf meinen königlichen Neffen oder auf den Adel Englands vermindern. Mein Grundsatz ist, wie Ihr wisst, keinen Schritt anders als nach vorwärts zu tun. Ihr werdet es nicht für eine Demütigung, sondern für das Gegenteil ansehen, Eure Tochter derjenigen anzuvertrauen, welche vielleicht sich herablässt, mich zum Ehegemahl zu nehmen.«

»Ich glaube, ich könnte Euer Rätsel lösen, Sir Thomas, aber ich will es nicht versuchen. Genug, dass Ihr mich überzeugt habt. Erlaubt Ihr, dass ich mit der Marquise über diese wichtige Angelegenheit rede?«

»Noch nicht, Mylord. Frauen können schlecht ein Geheimnis bewahren, und wenn auch die Lady Marquise die Verschwiegenheit ihres ganzen Geschlechts wäre, so hat sie doch ganz gewiss eine gewisse angeborene Neigung zu reden, die es nicht rätlich erscheinen lässt, sie in diesem Augenblick zur Mitwisserin zu machen. Bis alles geordnet ist, muss ich um tiefes Geheimnis bitten. Ich sage es Euch, wenn es Zeit ist, zu reden. Bis dahin lasst Eure Zunge versiegelt sein.

Aber seht, der König und Lady Jane kommen in die Galerie. Eilen wir, Seiner Majestät unsere Aufwartung zu machen.«

Das unverhohlene Entzücken, welches der junge König äußerte, als er seinen Lieblingsonkel sah, würde den Marquis von Dorset vollständig vergewissert haben, welchen Platz jener im Herzen seines Neffen einnehme, wenn die Unterhaltung im Garten, die er eben belauscht hatte, bei dem vorsichtigen Edelmann noch irgendeinen Zweifel übrig gelassen hätte.

Als Edward rasche Schritte hinter sich hörte, drehte er sich um, ließ im selben Moment, als er Sir Thomas erkannte, allem Zeremoniell zuwider – vielleicht auch im Impuls des Augenblicks vergessend, dass irgendein Zeremoniell notwendig sei – Lady Jans Hand los, die er bisher gehalten hatte, lief seinem Onkel entgegen. Ohne ihm einen Augenblick Zeit zur Begrüßung oder auch nur ein Wort zu lassen, schlang er zärtlich seinen Arm um dessen Nacken.

Nie vielleicht schlug des ehrgeizigen Mannes Herz höher als in dem Augenblicke, wo er seines Neffen liebevolle Umarmung erwiderte. Er fühlte, einen wie tiefen Effekt diese Szene auf Dorset und dessen Tochter machen musste. Obschon er kaum imstande war, sein Entzücken zu verbergen, so gab er sich doch den Anschein, als ob des Königs Herablassung ihn überwältige.

»Ew. Majestät erweist mir zu viel Ehre«, sprach er, »so nahe ich Euch auch durch Verwandtschaft stehe, so teuer Ihr mir auch als Neffe seid, so ist es doch meine Pflicht, Euch zu erinnern, dass der Unterschied zwischen uns noch größer geworden ist, als er war, und dass die Beweise Eurer Liebe, mit denen Ihr mich zu überschütten pflegtet, und deren ich stets mit Stolz und Dankbarkeit gedenken werde, nun rechtmäßigerweise eingestellt werden müssten.«

»Wie das, lieber Onkel?«, sagte Edward. »Ihr liebt mich doch nicht weniger, weil ich König bin? Gewiss, meine Liebe hat diesen Umstand nicht vermindert. Warum sollte ich mich verstellen? Lieber will ich mich freuen, dass ich nun besser imstande bin, Euch meine Zuneigung zu beweisen.«

»Ich kann Euch nicht in Worten danken, Majestät«, sagte Seymour mit dem Ausdruck inbrünstiger Dankbarkeit, »aber ich fürchte, die Vorliebe für mich, welche Ihr so gnädig an den Tag legt, wird Eurem neuen Hofmeister nicht gefallen. Er wird erwarten, dass Ihr alle Liebe für ihn aufspart.«

»Ich sehe nicht ein, wie er das erwarten könnte, aber wenn er es tut, so täuscht er sich«, antwortete Edward. »Ich muss ihm zwar gehorchen, aber ich brauche ihm nicht den ersten Platz in meinem Herzen einzuräumen. Ich werde ihn nie so lieb haben wie Euch, guter Oheim. Das kann ich Euch versichern. Ich habe noch nicht Gelegenheit gehabt, Euch zu sagen, wie sehr es mich gestern verdross, dass das Conseil nicht Euch zu meinem Hofmeister ernannt hat. Mich dünkt, man hätte mich auch darum befragen sollen.«

»Wenn Ew. Majestät mir weniger geneigt wäre, oder wenn ich Eure Zuneigung weniger verdiente, indem ich Euch nicht ganz so ergeben wäre, wie es der Fall ist, so möchte das Conseil … nein, es hätte mich sicher gewählt. Aber Euer Oheim Hertford sah mich mit so eifersüchtigen Augen an, und seine Meinung beherrschte das Conseil.«

»Ich dachte es wohl«, entgegnete der König. »Mylord Hertford ist zu weit gegangen. Er wird nichts dadurch gewinnen, dass er sich meinen ausdrücklichen Wünschen widersetzt. Er wusste ganz genau, was ich gern gehabt hätte.« »Und darum geschah es eben nicht«, sprach Seymour. »Ew. Majestät müssen in Zukunft Ihre Gefühle für mich verbergen, wenn Friede bleiben soll zwischen mir und dem Lordprotektor.«

»Ich hasse die Verstellung«, sagte Edward, »und sie wird mir schwer werden. Aber ich will es versuchen, um allem Streit zwischen Euch und Eurem Bruder möglichst vorzubeugen. Ein solcher würde sehr zu beklagen sein.«

»Geruhen Ew. Majestät«, sprach der Marquis von Dorset vortretend. »Seine Hoheit, der Lordprotektor, kommen des Weges.«

Während er sprach, sah man den Lordprotektor den Korridor, der, wie bereits erwähnt, mit den Staatszimmern des Palastes in Verbindung stand, entlang kommen. Nach der Pracht seiner Kleidung und dem Glanz seines Gefolges zu schließen, konnte man glauben, der Lordprotektor betrachte sich als König. Voran ging ein Zeremonienmeister, neben dem Lord der Kommandant des Towers und Lord Lisle, und ihnen folgte eine Menge von Knappen, Dienern und Pagen in prachtvoller Kleidung. Hertfords Haltung war stolzer als sonst, und jetzt, da er seiner Stellung sicher war, schien er seine Autorität zu vollkommenster Geltung bringen zu wollen.

»Meiner Treu!«, rief Eduard, »mein Onkel macht sich stattlich. Man sollte meinen, er wäre König und nicht Lordprotektor.«

»Lordprotektor ist nur ein anderer Name für König, Ew. Majestät«, bemerkte Seymour trocken.

»Haltet Euch zu mir, lieber Onkel«, sprach Edward. »Seine Hoheit sieht ärgerlich aus. Ich hoffe, er wird mich nicht schelten.«

»Euch schelten, Herr!«, rief Seymour fast stolz aus, »er wird es nicht wagen!«

»Ich bin dessen nicht so gewiss«, entgegnete Edward. »Aber bleibt in meiner Nähe und ich frage nichts danach.«

»Ich verlasse Ew. Majestät nur auf Dero ausdrücklichen Befehl«, antwortete Seymour.

Als der Lordprotektor näher kam, war es unverkennbar, dass er ungehalten und nicht imstande war, sein Missfallen zu verbergen. Sir John Gage machte einige Bemerkungen, auf die er sehr kurz antwortete, während sein Blick unverwandt auf dem König und Sir Thomas ruhte. Letzterer hoffte auf einen Wutausbruch vonseiten seines Bruders, der ihm nur von Nutzen sein konnte, aber Hertford bezwang sich vorläufig, um seinem Ärger nicht die Zügel schießen zu lassen.

Der Marquis von Dorset und Lady Jane traten an Edwards Seite, um dem Lordprotektor Platz zu machen, während der unglückliche Fowler, der noch nicht entlassen worden war, hinter dem jungen Monarchen stehen blieb. Sir Thomas wich nicht von seines königlichen Neffen Seite, sondern reckte sich zu voller Höhe empor.

In der von der Etikette vorgeschriebenen Entfernung vom König machten der Kommandant des Towers und Lord Lisle halt. Der Lordprotektor aber trat weiter vor. Nach einer tiefen Verbeugung, welche vonseiten seines königlichen Neffen und Mündels höflich erwidert wurde, sprach er mit erzwungener Fassung. »Ich komme eben aus Ew. Majestät Zimmer und zwar höchlich erstaunt, von Eurem Kaplan zu vernehmen, dass Ihr bereits seit einer Stunde und fast ohne Gefolge ausgegangen wart, um im Garten zu lesen. Erlaubt mir, Ew. Majestät zu bemerken, dass ein solches Verfahren durchaus nicht im Einklang mit dem fürstlichen Decorum und der nötigen Zurückhaltung steht. Ich muss Euch ersuchen, künftig solange das Zimmer zu hüten, bis ich Euch meine Aufwartung machen kann. Dann werde ich darüber entscheiden, ob Ew. Majestät ausgehen wird und wohin.«

»Beim Himmel! Er wird Ew. Majestät nächstens ganz am Zügel führen«, murmelte Seymour.

»Gedenkt Ew. Hoheit mich jeglicher Freiheit zu berauben?«, rief Edward mit etwas scharfem Ton. »Kann ich nicht zu jeder Zeit gehen, wenn ich Lust habe, besonders wenn mich nichts in Anspruch nimmt? Wenn das ist, so wäre ich lieber wieder in Hertford denn als Gefangener im Tower.«

»Fern sei es von mir, Ew. Majestät irgendeinen Zwang aufzuerlegen«, erwiderte Hertford. »Wenn es Euch beliebt, früh Morgens spazieren zu gehen, so werde ich nichts dawider haben. Nur muss ich Ordre geben, dass Ihr passende Begleitung habt und dass niemand …« Dabei blickte er drohend zu seinem Bruder hin. »… Euch ohne meine Zustimmung nähert.«

»Niemand hat sich mir genähert außer meiner Cousine Lady Jane Gray und meinem Onkel Sir Thomas«, antwortete der König. »Fowler wird Ew. Hoheit Alles erklären, wenn Ihr ihn befragt.«

»Das will ich auch«, sprach der diensttuende Gentleman, indem er ein paar Schritte näher kam und sich tief verbeugte. »Lady Jane Gray kam in den Garten, um zu lesen und begegnete da Sr. Majestät, die in gleicher Weise beschäftigt war. Es würde Ew. Hoheit erfreut haben, wie wenig sich diese beiden aufgeregten jungen Leute um die Kälte kümmerten, obwohl ich halb tot gefroren war.«

»Was hat Lady Jane so früh draußen zu tun?«, sagte der Lordprotektor stirnrunzelnd den Marquis von Dorset. »Ihr müsst sie im Zimmer halten, Mylord. Der Tower-Garten ist für des Königs alleinigen Gebrauch, und niemand außer ihm darf ihn betreten.«

»Ich weiß das wohl, Ew. Hoheit«, erwiderte der Marquis. »Ich wusste nicht, dass meine Tochter also gefehlt hatte, und bedaure es. Merke dir, Jane, was der Lordprotektor gesagt hat.«

»Seid versichert«, sprach sie sanft, »ich werde mir die Rüge Sr. Hoheit gewiss zu Herzen nehmen, aber ich fehlte aus Unwissenheit.«

»Ihr werdet in den Garten gehen, wenn Ihr Lust habt, Jane, solange Ihr im Tower bleibt«, sprach Edward, indem er ihre Hand nahm. »Ich, der König, erlaube es. Mag Nein sagen, wer will. Fürchtet nicht, mich zu stören, ich werde nicht mehr hingehen.«

Der Lordprotektor biss sich auf die Lippen und sah betroffen drein. Als er aber bemerkte, dass sein Bruder sich über seine Verwirrung freute, kehrte sich seine Wut gegen ihn. »Wie kommt es, dass ich dich beim König finde?«, sagte er scharfen Tones.

»Weil ich zufällig bei Sr. Majestät bin, indem du mich suchst, Bruder. Einen besseren Grund weiß ich nicht«, erwiderte Seymour kühl.

»Ich suche dich nicht, aber ich finde dich, wo ich dich nicht haben will«, sprach Hertford streng. »Hüte dich! Als Oberhofmeister des Königs steht es mir allein zu, darüber zu entscheiden, wer für seine Gesellschaft taugt und wer nicht, und deshalb verbiete ich dir, dich Sr. Majestät ohne meine Zustimmung zu nähern.«

Ein verächtliches Lächeln war Seymours einzige Antwort.

Noch wütender fuhr der Lordprotektor fort: »Wenn du nach dieser Warnung durch irgendwelche indirekte Mittel eine Zusammenkunft mit Sr. Majestät zu bewerkstelligen sucht, so werde ich dich vor das Conseil fordern, vor welchem du dich über deinen Ungehorsam gegen meine Befehle verantworten sollst.«

Seymour warf einen Blick auf seinen königlichen Neffen, und da dessen Zorn jetzt erregt war, entsprach derselbe schnell der stummen Aufforderung.

»Ew. Hoheit befindet sich ganz und gar im Irrtum«, versetzte er, indem er sich mit großer Entschlossenheit an den Lordprotektor wandte. »Mein sehr geliebter Onkel Sir Thomas gibt mir immer die besten Ratschläge, und zwar solche, die Ihr und das Conseil durchaus billigen müsstet, wenn Ihr sie kenntet. Ich will seine Gesellschaft nicht entbehren, sagt das dem Conseil. Nein, ich will es ihm nötigenfalls selbst sagen.«

»Es sind einige Herren vom Conseil hier gegenwärtig, welche ohne Zweifel ihren Kollegen die Erklärung Ew. Majestät berichten werden«, sprach Seymour, indem er den Kommandanten des Towers und Lord Lisle anblickte.

»Das Conseil wird ohne Zweifel die Sache in sofortige Erwägung ziehen, wenn Ew. Majestät einen solchen Wunsch ausspricht«, nahm Sir John Gage das Wort. »Aber verpflichtet, wie es ist, die Autorität dessen, den es zu Ew. Gnaden Oberhofmeister ernannt hat, aufrecht zu erhalten, zweifle ich kaum, wie die Entscheidung ausfallen wird. Ich glaube jedoch, dass Seine Hoheit der Lordprotektor in seiner Weisheit und Einsicht das seinem Bruder, Sir Thomas Seymour, auferlegte Verbot zurücknehmen wird, um so mehr, da es hart und unangemessen erscheint und Tadel erregen muss.«

»Ich bin gleicher Meinung mit Euch, Sir John«, sprach Lord Lisle. »Wenn dieses Verbot ruchbar wird, so wird man sagen – und anscheinend mit Recht – dass zwischen Sr. Majestät Oheimen wenig brüderliche Liebe herrsche.«

»Ich möchte nicht, dass man dergleichen sagt, weil es nicht der Wahrheit entspricht – wenigstens, was mich betrifft«, erwiderte Hertford. »Darum will ich Euren Rat, der immer so ehrlich wie einsichtsvoll ist, befolgen, Sir John Gage, und will meinem Bruder ebenso freien Verkehr mit meinem königlichen Mündel gestatten wie bisher. Nur warne ich ihn, Seiner Majestät ein Vorurteil gegen die Regierung oder gegen mein Tun in den Kopf zu setzen, wodurch meine Autorität ihr Gewicht und meine Ratschläge ihre Wirkung verlieren könnten.«

»Das will ich in Sir Thomas Namen versprechen«, sagte Edward. »Darf ich das nicht, lieber Oheim?«

»Gewiss dürft Ihr das, mein gnädiger Herr«, erwiderte Seymour. »Ich werde Euch nichts einflüstern, was recht und gut ist, und aller Einfluss, den ich auf Ew. Hoheit besitze, soll nur dazu angewandt werden, Euch auf die Ausübung der Gewalt vorzubereiten, die eines Tages in Eure Hände übergehen wird. Ein solches Verfahren werden sowohl der Lordprotektor als auch das Conseil nur billigen können.« »Eure Versöhnung freut mich von Herzen, meine beiden guten Oheime«, sagte Edward, vom einen zum anderen blickend. »Ich hoffe, weder meinetwegen noch aus irgend anderen Gründen wird ferner eine Differenz zwischen Euch entstehen.«