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Der Vampir von Düsseldorf

Der Vampir von Düsseldorf

Dämmerung lag über der Stadt.

Der Wind strich vom Parkhotel, einem riesigen, sandsteinfarbenen Klotz mit abgeflachtem Dach und unzähligen Fenstern an der Vorderfront, leise durch die angrenzenden Grünanlagen und kräuselte das Wasser des naheliegenden Weihers.

Ein junger Schwan zog einsam seine Kreise auf dem blaugrünen Wasser.

Es war mild, ungewöhnlich mild für einen 7. Dezember. Die Temperaturen bewegten sich seit Tagen zwischen 9 und 12 Grad.

Deshalb war die hagere Gestalt, die an diesem schicksalhaften Tag des Jahres 1929 durch das Gebüsch des Düsseldorfer Hofgartens schlich, auch nur mit Anzug, Hemd und Krawatte bekleidet. Mäntel und dicke Jacken sollten erst 8 Tage später zum Stadtbild gehören, als sich das Wetter schlagartig änderte und praktisch über Nacht Regen und dann Kälte und Schnee nach Deutschland kamen.

Da sich in diesem Teil des Parks niemand aufhielt, bemerkte der Schwan ziemlich rasch, dass sich da etwas in den umliegenden Büschen bewegte.

Als es im Ufergebüsch des Weihers erneut zu rascheln begann, hob der Vogel den Kopf und schwamm neugierig auf die Sträucher zu, die sich vor ihm hin und her bewegten. Dabei kam er dem Ufer ziemlich nahe.

Zu nahe!

Wie aus dem Nichts schoss eine Hand aus dem Gebüsch hervor, packte das Tier am Hals und zerrte den flügelschlagenden Jungvogel ins Unterholz. Bevor der Schwan wusste, wie ihm geschah, durchstach ihm eine Schere erst den Hals und dann die Brust, einmal, zweimal, zwanzigmal. Das Tier war auf der Stelle tot, die hagere Gestalt aber beugte sich über den Kadaver, vergrub das Gesicht in dem Gefieder und schlürfte das Blut, das aus den unzähligen Wunden floss.

In diesem Moment mutierte der Mann zu jener Gestalt, die auch heute noch traurige Berühmtheit in der deutschen Kriminalgeschichte besitzt.

Der Mann, Peter Kürten, wurde an diesem Tag zum Vampir von Düsseldorf.

 

***

 

Man muss keine Psychologie studieren, um zu erkennen, dass Peter Kürtens Weg vorbestimmt war. Er wurde im Dreck geboren, wuchs im Dreck auf und wurde schließlich zu Dreck, menschlichem Dreck.

Peter Kürten wurde am 26. Mai 1883 in Mülheim, einer boomenden Industriestadt nahe Köln geboren. Hier wuchs er als Drittältestes von 13 Geschwistern in einem für die damalige Zeit typischen Arbeiterviertel auf. Sein Vater war ein Sandformer und Alkoholiker, der seinen Lohn in Schnaps umsetzte, Frau und Kinder schlug und sich an den Töchtern verging. Bereits mit 5 Jahren versuchte Peter ständig der Enge der elterlichen Wohnung zu entfliehen, wo auf 2 bis 3 Zimmern 15 Personen lebten, kochten und schliefen und es keinerlei separate sanitäre Anlagen gab. Dabei erlangte er die Bekanntschaft eines Hundefängers, die ihn entscheidend prägte. Statt wie andere Kinder im Sandkasten oder mit Holzfiguren zu spielen, sah er lieber dabei zu, wie der Hundefänger Tiere einfing, quälte und tötete.

Als er mit ansah, wie der Mann zwei junge Welpen im Rhein ertränkte, manifestierte sich dieses Erlebnis für immer bis in sein tiefstes Innerstes.

Kürten war gerade einmal neun Jahre alt, als er bereits Dutzende Tiere ertränkt oder mit Messerstichen verletzt hatte. Unbestätigten Berichten nach stieß er auch mehrere gleichaltrige Kinder ins Wasser, von denen zwei davon 1893 am Mülheimer Rheinufer ertrunken sein sollen. Ein Umstand, der bis heute nicht eindeutig nachzuweisen ist. Was aber nachweisbar ist, war seine Lust am Töten und seine sexuelle Erregung, wenn er Blut sah.

Mit 14 mutierte er dann endgültig zum Monster.

Sein Lebenslauf danach gleicht einer Chronologie des Schreckens.

Zechprellerei, Einbruch, schwerer Diebstahl und Körperverletzung in 34 Fällen, leichter Diebstahl in 12 Fällen und Brandstiftung in 24 Fällen, wobei die Dunkelziffer ungefähr doppelt so hoch war, füllten seine Polizeiakte.

Am 18. Mai 1913 misshandelte er bei einem Einbruch eine 16-Jährige schwer, konnte aber unerkannt entkommen.

Am 25. Mai des gleichen Jahres verübte er den ersten, ihm eindeutig nachgewiesenen Mord. Bei einem Einbruch in die Wohnung eines Gastwirts schnitt er der dort schlafenden neunjährigen Christine Klein die Kehle durch und floh, ohne Wertsachen gefunden zu haben. Er hatte unwahrscheinliches Glück, das man ihn danach nicht sofort verhaftete. Kürten ließ nämlich am Tatort ein blutdurchtränktes Taschentuch mit seinen Initialen PK zurück. Da aber der Hauseigentümer und Vater Peter Klein dieselben Initialen hatte, wurde er anfangs verdächtigt und später dann sein Bruder Otto Klein, der wegen Erbschaftsstreitigkeiten ein Motiv besaß. Danach folgten weitere unzählige Angriffe mit Messer, Schere und Beil auf Männer, Frauen und Kinder sowie Brandstiftungen en masse, die dafür sorgten, dass Peter Kürten an seinem 38. Geburtstag bereits 20 Jahre seines Lebens im Gefängnis verbracht hatte.

Aber es kam noch schlimmer.

1929 wurde für die Menschen in Düsseldorf und Umgebung zu einem Schreckensjahr.

Am 3. Februar stach ein adrett gekleideter Herr mit hoher Stirn und schnurgeradem Seitenscheitel im Düsseldorfer Osten auf die 55-jährige Apollonia Kühn ein. Fünf Tage später tötete derselbe Mann im Stadtteil Flingern die erst achtjährige Rosa Ohliger mit einer Schere. Kaum wurde die mit Petroleum verbrannte Leiche des Kindes entdeckt, gab es am 12. Februar keinen Straßenzug vom Fundort der Leiche entfernt den nächsten Toten.

Jemand hatte den 54-jährigen Invaliden Rudolf Scheer erstochen, als sich dieser auf dem Weg zu seinem Schrebergarten befand.

Die Polizei tappte völlig im Dunkeln.

Nach Zeugenaussagen und Untersuchungen an den Opfern fahndete man nach einem Mann Mitte 20, der mit einem Messer durch das Rheinland zog und wahllos mordete. Peter Kürten, der doppelt so alt war, bedeutend jünger wirkte und sich vor seinen Taten auch noch auf jugendlich schminkte, hatte niemand im Visier. Außerdem benutzte er eine Kaiserschere, eine große scharfe Schere, sogenannt, da auf ihr Wilhelm der II. samt Gattin abgebildet war.

Mit diesem falschen Täterprofil trat die inzwischen auf 40 Mann angewachsene Sonderkommission auf der Stelle und auch die 15000 Mark Belohnung, im Zeichen der damals herrschenden Wirtschaftskrise eine geradezu gigantische Summe, die heutzutage in etwa mit einem Millionengewinn im Lotto zu vergleichen ist, brachte keine Fortschritte.

Dafür ging das Morden weiter.

 

***

 

Am 11. August lud Kürten, angeblich Angestellter der städtischen Gaswerke, die Hausangestellte Maria Hahn zum Mittagessen mit einem anschließenden Ausflug ins Neandertal ein. Dort drückte ihr der Mörder die Kehle zu und stach mehrmals auf sie ein. Er trank ihr Blut, erbrach es aber kurz darauf wieder.

Danach tötete Kürten innerhalb weniger Wochen die 14-jährige Luise Lenzen, die 5-jährige Gertrud Hamacher, die 31-jährige Ida Reuter und Elisabeth Dörrier, gerade mal 22 Jahre alt. Gertrud Albermann, sein letztes Opfer, vergewaltigte er am 7. November mehrfach und fügte der Fünfjährigen danach mit der Kaiserschere über 30 Stiche zu, an denen sie schließlich verstarb. Dabei ist erwiesen, dass Kürten vom Blut von mindestens drei der Frauen getrunken hatte. Die Angst und Hysterie der Bevölkerung kannte nun keine Grenzen mehr.

Bürgerwehren patrouillierten in Düsseldorf, hinter jedem dritten Baum der Stadt hatte sich ein Polizist versteckt, Schulbusse wurden überwacht, aber der Erfolg war gleich null.

Inzwischen sorgte der Vampir von Düsseldorf sogar für Schlagzeilen in dem amerikanischen Magazin Time.

Es war seine Gier nach Blut und die Lust am Quälen und Töten von Menschen, die ihn schließlich zu Fall brachte.

Im Mai 1930 lernte Kürten Maria Budlies kennen, lud die junge Frau zum Essen ein und machte mit ihr anschließend einen Ausflug ins Grüne. Maria, die glaubte, einen Kriminalbeamten an ihrer Seite zu haben, folgte ihm arglos.

Kürten würgte und vergewaltigte die Frau, ließ sie aber aus irgendeinem Grund am Leben.

Tags darauf am 24. Mai 1930 wurde Kürten vor der Düsseldorfer Rochuskirche verhaftet.

Sein einziger Kommentar war: »Da habt ihr aber lange für gebraucht.«

Am 13. April 1931 begann das Verfahren gegen ihn.

Was zunächst aufgrund der Fülle der Taten nach einem Mammutprozess aussah, entwickelte sich durch Kürtens Geständnisse zu einer kurzen Angelegenheit. Man verurteilte ihn am 22. April zum Tode.

Peter Kürten wurde im Morgengrauen des 2. Juli 1931 in der Haftanstalt Köln- Klingelpütz durch das Fallbeil hingerichtet.

Selbst heute, über achtzig Jahre danach, hat das Wort Vampir in Düsseldorf und Umgebung immer noch einen bitteren Beigeschmack.

Wie nachhaltig diese Bestie in Menschengestalt die Nachwelt beschäftigt, zeigen unzählige Beispiele aus Literatur, Kunst, Film und Musik.

Der Film M von Fritz Lang nimmt ebenso Bezug auf seine Taten wie Stephen Kings Roman Brennen muss Salem, Alisha Bionda mit ihrem Werk Der Vampir von Düsseldorf und die Gothic Metal Band The Vision Bleak mit dem Song I Dined with the Swans.

Um nur einige zu nennen.

Quellenhinweis:

(gs)

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