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Indianische Sagen von der Nordpazifischen Küste Amerikas Teil 8

Indianische-Sagen-von-der-Nord-Pazifischen-Kueste-AmerikasFranz Boas
Indianische Sagen von der Nordpazifischen Küste Amerikas
Sonderabdruck aus den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. 1891 bis 1895
Berlin. Verlag von A. Asher & Co. 1895

I. Sagen der Shushwap. Gesammelt in Kamloops.

8. Der Spieler

Es war einmal ein Mann, der hatte drei Söhne und zwei Töchter. Der jüngste Sohn war ein Spieler und verlor alles, was er selbst und seine Schwestern und Brüder besaßen, endlich sogar seiner Schwestern Schuhe. Da er nun nichts mehr zu verlieren hatte, hörte er auf zu spielen. Er war so arm, dass er nichts zu essen hatte und aus Hunger die Steine ableckte und verschluckte, mit denen die anderen Leute gekocht hatten. Da beschloss er fortzuwandern und machte sich eines Nachts auf, ohne dass jemand es merkte. Er wanderte fürbass, ohne zu wissen, wohin er ging. Endlich kam er an ein Haus. Da wohnte eine alte Frau.

Sie sprach: »Du bist ein Fremder.«

»Ja, ich bin ein Fremder«, antwortete er.

»Wohin gehst du?«

»Ich weiß es nicht.«

Sie gab ihm zu essen und er schlief in ihrem Haus.

Am nächsten Morgen sagte die Alte: »Wenn du weiter wanderst, wirst du zwei Frauen singen hören. Achte ja nicht auf sie, sondern gehe ruhig deines Weges, bis du einen alten Mann triffst«.

Und sie sagte ihm, was er dort tun solle. Er ging weiter und bald hörte er die Frauen singen. Er aber dachte daran, was die Alte gesagt hatte, und ging ruhig seines Weges. Bald traf er einen alten Mann, der allein in einem Hause wohnte.

Da dachte er: Das ist Tsüisk·a´lemuQ (Menschenfresser), von dem mir die Frau erzählt hat. Er sah, dass derselbe vor seinem Haus Menschenfleisch trocknete.

Der Alte rief ihm zu: »Holla, du bist ein Fremder.«

Er versetzte: »Ja, ich bin ein Fremder, Großvater.«

»Wohin wanderst du?«

»Ich weiß es nicht«.

Da fing der Alte an zu brummen.

Der junge Mann aber bat: »Tue mir nichts zuleide, Großvater, ich bin ein armer Mann.«

Viermal brummte der Alte, tat ihm aber nichts zuleide. Er hatte vier Kisten im Haus. Die alte Frau hatte ihm gesagt, der Alte werde ihm etwas aus den Kisten anbieten. Er solle nur aus der letzten nehmen.

Der Alte deutete nun auf die erste Kiste und fragte: »Kommst du, um dies hier zu holen?«

Der Fremde verneinte.

Da öffnete der Alte die Kiste und der Fremde sah, dass Menschenköpfe darin waren. Ebenso lehnte er ab, etwas aus der zweiten und dritten Kiste zu nehmen, in denen auch Menschenköpfe waren. Als ihm der Alte nun die vierte Kiste anbot, nahm er sie an.

Da zog jener einen wunderschönen Kopf heraus, der ganz mit roten Federn bedeckt war. Er schnitt den jungen Mann auf und nahm die Steine aus seinem Magen, die er verschlungen hatte. Er wusch ihn und setzte ihm den schönen Kopf auf. Er gab ihm 4 Fellmäntel und nannte ihn Sk·oō´ts.

Früher war der junge Mann sehr hässlich gewesen. Er war den Mädchen so zuwider gewesen, dass, wenn er zufällig ihren Mantel berührte, sie das Stück herausschnitten, das er angefasst hatte. Zehnmal war ihm das passiert, und er hatte alle die Stücke seiner Mutter zum Aufbewahren gegeben.

Ehe der Alte ihn zurücksandte, sagte er: »Als du herkamst, sahst du zwei Mädchen, die immer sangen. Jeder will sie heiraten, aber keiner kann sie bekommen. Jetzt geh du hin. Du sollst sie haben.«

Der junge Mann freute sich sehr. Er ging zurück und hörte sie wieder singen. Da ging er auf sie zu. Die Mädchen lachten ihn an, als sie ihn sahen, so schön war er. Sie wurden seine Frauen, und er nahm sie mit nach Hause.

Sie sangen immer weiter und sagten zu dem jungen Mann: »Ihr dürft unserer nicht müde werden, denn wir müssen immer singen.«

Er gelangte nachts zu Hause an, stieg mit seinen Frauen hinunter und stieß seinen Vater an.

Als dieser ihn sah, weckte er seine Frau. Alle standen auf und machten ein Feuer. Sie freuten sich, zu sehen, wie schön ihr Sehn geworden war und wie schön seine Frauen waren.

Als die Leute ihn am anderen Morgen sahen, sagten sie: »Wir haben so lange nicht gespielt. Lasst uns einmal wieder spielen.«

Der junge Mann war einverstanden.

Coyote dachte schon: Ich werde seine Frauen gewinnen.

Sie fingen an und Sk·oō´ts verlor all seine Sachen und auch die seiner Frauen. Er hatte nur noch einen Stab. Da zeigte ihm seine Frau, wie er spielen sollte, und er gewann nun alles zurück und gewann dann auch die Sachen der anderen Leute. Seine Frauen sagten ihm: »Alle die Mädchen, die früher nichts von dir wissen wollten, werden dich jetzt haben wollen. Achte aber nicht auf sie, sondern stoße sie zurück, wenn sie dich anfassen.«

Die Mädchen gingen zu seiner Mutter und sagten, sie möchten ihn zum Mann haben. Als sie es ihm nun sagte, antwortete er nur: »Ich glaube, sie wollen nur die Stücke Fell haben, die sie aus ihren Mänteln geschnitten hatten.« Er ließ es ihnen geben, verspottete sie und jagte sie fort.