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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der bayerische Hiesel – Teil 15

Der-bayerische-HieselFriedrich Wilhelm Bruckbräu
Der bayerische Hiesel
Wildschützen- und Räuberhauptmann, landesverrufener Erzbösewicht

List und Notwehr

Weit und breit zeigte sich keine Spur einer Streife, und Hiesel ärgerte sich gewaltig, durch sein blindes Vertrauen auf die Warnung des Trüffelhundes nicht bloß die volle Befriedigung seiner Rachsucht gegen Laner, sondern auch den Glauben seiner Kameraden an die Kunst des Vorhersagens nahender Gefahr verloren zu haben.

Elf seiner Kameraden entließ er also mit dem Auftrag, einen Jagdzug in die Grenzforste zu machen. Er selbst aber, vom schnellen Marsch ermüdet, beschloss, auf den Krauthöfen, eine Einöde Gräflich-Fuggerisch-Dietenheimischen Gebiets, mit 3 Kameraden zu übernachten.

Es war schon 11 Uhr nachts vorüber, als der ausgestellte Posten eilig in die Stube trat, den fest schlafenden Hiesel mit der Nachricht überraschte, dass er von drei Seiten eine Streife anrücken sah, die sich mit schnellen Schritten der Hütte näherten.

»Hab’ ich’s nicht vorausgesagt«, erwiderte Hiesel triumphierend. »Auf, und die Gewehre in Ordnung! Verrammelt alle Türen! Wenn die Streife uns auffordert, uns zu ergeben, so antwortest du ihnen, Sebastian, ihr wärt gerade damit beschäftigt, mir eine Kopfwunde zu verbinden, die ich heute früh von einem Jäger erhalten hätte. Wenn sie versprächen würden, uns nichts zu Leide zu tun, so wolltest du die Tür friedlich aufschließen.«

Wie es Hiesel vorausgesehen hatte, so geschah es. Das Streifenkommando hatte die Entsendung von 11 Kameraden des Hiesel wahrgenommen und zweifelte nun keinen Augenblick, dass es ihm gelingen werde, den gefürchteten Wildschützenhauptmann lebendig zu fangen.

Das Haus wurde sogleich umstellt, und die 21 Mann der Streife machten sich schussfertig. In ihrer Großmut erließen sie aber durch einen Gerichtsdiener, der durch das offene, jedoch mit Eisenstangen verwahrte Fenster in die finstere Stube hineinsprach, die Aufforderung an Hiesel und seine Gefährten, sich ohne Zaudern zu ergeben, sonst würden sie Gewalt brauchen und alle niederschießen.

Sebastian antwortete nach Hiesels Befehl. Die Streife glaubte aber keineswegs dieser Antwort, sondern blieb gefasst, wie zuvor.

Auf einmal ging die Tür der Stube auf, die in den Gang führte. Die drei Wildschützen trugen Hiesel, damit sie im Gehen das natürliche Schleppende eines mühesamen Gehens nachahmen konnten. So näherten sie sich dem verrammelten Eingang und machten mit dem vorgeschobenen Querbalken ein Geräusch , als wollten sie die Tür öffnen. Hier also schien der Streife die Gefahr losbrechen zu wollen. Sie zog also ihre Hauptmacht auf diesen Punkt und ließ die kleine hintere Stalltür nur mit 5 Mann besetzt. Nur ein Wildschütze polterte noch immer an der Tür, um die Erwartung der Streife zu erhöhen. Hiesel war bereits mit seinen zwei anderen Kameraden im Stall, wo er zwei Kälber packen und durch die plötzlich geöffnete Stalltür voran hinausschieben ließ.

In der stockfinsteren Nacht hielten die drei Posten der Streife diese vierfüßigen Ausreißer für Wildschützen , und feuerten ihre Gewehre auf sie ab. Hiesel aber, dem die Übrigen rasch folgten, gewann das Weite, und nun stürzte ihm erst die ganze Streife nach, welche über diese Kriegslist fluchte, die ihr den Braten aus den Krallen riss.

Schon hielt sich Hiesel für gerettet, als ein herrschaftlicher Jäger, aller Seitenwege kundig, ihm den Vorsprung abgewonnen hatte und aus einem Gebüsch, dicht an einem Bach, dessen Wasserspiegel einiges Licht auf die flüchtenden Wildschützen warf, in einer Entfernung von 15 bis 20 Schritte auf den Hiesel das Gewehr abdrückte. Es versagte. Der Blitz des aufbrennenden Pulvers leuchtete dem Hiesel. Er schoss den Jäger augenblicklich durch die Brust. Eine halbe Stunde später gab er seinen Geist auf.

 

***

 

Körperliche Stärke und Gewandtheit sind nicht immer hinreichend, den Menschen aus großen Gefahren zu erretten. Geistesgegenwart und Schlauheit überwinden oft die mächtigsten Feinde. Hiesel war augenscheinlich verloren. Sein kluger Einfall hat ihn gerettet. Er gab bei dieser Gelegenheit einen Beweis, was unter anderen Verhältnissen aus ihm hätte werden können.

Verzagt in keiner Gefahr, wie groß sie auch sein möge! Nur keine Furcht, sonst ist die Geistesgegenwart verloren! Wenn es dem Bösewichte gelingt, auf diese Weise sich zu retten, so darf der redliche Mann umso weniger verzweifeln , da ihm das Vertrauen auf Gottes Hilfe zur Seite steht, welches die Tugend nicht zu Schanden werden lässt.