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Die Trapper in Arkansas – Band 3.7

Die-Trapper-in-Arkansas-Band-3Gustave Aimard (Olivier Gloux)
Die Trapper in Arkansas Band 3
Zweiter Teil – Waktehno – der, welcher tötet
Kapitel 10 – Liebe

Donna Luz und Treuherz befanden sich gegenseitig in einer sonderbaren Lage.

Beide waren sie jung und schön und liebten sich, ohne sich es gestanden zu haben, ja beinahe, ohne es zu wissen.

Sie besaßen beide, trotzdem dass sie bisher in geradezu entgegengesetzten Verhältnissen gelebt hatten, eine gleiche Frische der Empfindungen, eine gleiche Reinheit des Herzens.

Die Kindheit des jungen Mädchens war eintönig und langweilig unter den übertriebenen religiösen Gebräuchen jenes Landes verstrichen, wo das Christentum viel mehr Ähnlichkeit mit dem Götzendienst unseres Landes hat.

Nie hatte sie ihr Herz schlagen hören. Sie kannte weder die Liebe, noch den Schmerz.

Sie lebte wie die Vögel unter dem Himmel, indem sie das Gestern vergaß und nicht an den nächsten Morgen dachte.

Die Reise, welche sie unternommen, hatte ihr Leben vollständig umgewandelt.

Ihre Gedankenwelt hatte sich bei den ungeheuren Fernen, die sich in der Prärie vor ihr ausbreiteten, der majestätischen Ströme, welche dieselbe durchkreuzten, der herrlichen Berge, an deren Fuß man häufig vorüberkam, und deren kahle Gipfel bis in die Wolken zu ragen schienen, erweitert. Es war ihr sozusagen eine Binde von den Augen gefallen. Sie begriff, dass Gott sie zu etwas anderem erschaffen habe, als dazu, ein unnützes Leben in einem Kloster zu führen.

Treuherz’s Erscheinung hatte unter den besonderen Umständen, die damit verbunden waren, auf ihre empfängliche Phantasie einen tiefen Eindruck gemacht.

Sie hatte sich in der Nähe des Jägers, dieser edlen Natur, der zwar die Kleidung der Wilden trug, dessen männliche Züge, stolze Miene anmutige Haltung aber ihr auffiel, unwillkürlich zu ihm hingezogen gefühlt.

Ihr Herz hatte, vermöge der geheimen Sympathien, die unter allen Mitgliedern der großen Menschenfamilie bestehen, ihr unbewusst, das verwandte Herz gefunden.

Ihre zarte und schwache Natur bedurfte der Stütze dieses kräftigen Mannes mit dem einnehmenden Blick, dem Löwenmut und eisernen Willen, um sie im Leben zu führen und unter seinen mächtigen Schutz zu nehmen.

Daher war sie mit einem Gefühl unaussprechlichen Behagens vom ersten Augenblick an, dem Zug, der sie zu Treuherz hinzog, gefolgt, und die Liebe hatte sich ihrer Seele bemächtigt, ehe sie es bemerkte und nur daran dachte, ihr zu widerstehen.

Die jüngsten Ereignisse hatten die in ihren Herzen schlummernde Leidenschaft mit unglaublicher Heftigkeit erweckt. Jetzt, wo sie bei ihm war und beständig sein Lob aus dem Mund seiner Gefährten vernahm, kam ihr ihre Liebe wie eine notwendige Bedingung ihres Lebens vor. Sie konnte nicht begreifen, wie sie so lange ohne seine Liebe hatte leben können, ja sie meinte, sie müsse ihn von ihrer Geburt an gekannt haben.

Sie lebte nur noch in und für ihn, ein Blick, ein Lächeln machte sie glücklich. Sie war vergnügt, wenn sie ihn sah, und traurig, wenn er lange entfernt von ihr blieb.

Treuherz war auf anderem Weg zu demselben Resultat gelangt.

In der Prärie, angesichts der Gottheit aufgewachsen, die er sich gewöhnt hatte in den großartigen Werken, die er beständig vor Augen hatte, zu verehren, hatten ihn die fortwährenden Kämpfe, die er teils mit den Indianern, teils mit den wilden Tieren zu bestehen hatte, moralisch und physisch auf das großartigste entwickelt. So wie er vermöge seiner Muskelstärke und seiner Geschicklichkeit beim Gebrauch der Waffen alle Hindernisse überwand, die ihm entgegentraten, so war er durch die Erhabenheit seiner Gedankenrichtung und die Zartheit seiner Empfindungsweise fähig, alle Dinge zu begreifen. Er war für alles Gute und Edle zugänglich. Wie bei allen auserwählten Naturen, die, ohne anderen Schutz als sich selbst, frühzeitig mit dem Unglück kämpfen müssen und den Wechselfällen des Lebens ins Auge geblickt haben, hatte sich seine Seele gewaltig entfaltet, trotzdem sie für gewisse Empfindungen, die ihm, wenn nicht ein wunderbarer Zufall einträte, vermöge der Lebensweise, welche er führte, ewig unbekannt bleiben mussten, eine seltene Frische besaß.

Die täglichen Bedürfnisse des bewegten und gefahrvollen Lebens, welches er führte, hatten den Keim der Leidenschaften in ihm erstickt. Seine eiserne Lebensweise hatte ihn unbewusst zur Beschaulichkeit hingeführt.

Er kannte keine andere Frau als seine Mutter, denn die Indianerinnen hatten durch ihre Sitten nur seinen Widerwillen erregt. So war er sechsunddreißig Jahre alt geworden, ohne die Liebe empfunden zu haben, ja ohne sie zu kennen, und, was noch mehr sagen will, ohne auch nur das Wort, das in vier Buchstaben so vieles zusammenfasst und in der Welt die Quelle so vieler erhabener Taten und schändlicher Verbrechen ist, auch nur gehört zu haben.

Wenn er sich nach einer langen, ermüdenden Jagd durch Wälder und Schluchten, oder nachdem er sich während fünfzehn bis sechszehn Stunden mit dem Fangen des Bibers beschäftigt hatte, des Abends mit seinem Freund Belhumeur, der über diesen Gegenstand ebenso unwissend war, allein am Biwakfeuer in der Prärie niederließ, so drehte sich ihre Unterhaltung nur um die Ereignisse des Tages.

Es vergingen Wochen, Monde und Jahre, ohne eine Abwechslung in sein Leben zu bringen, außer einer unbestimmten Unruhe, ohne scheinbaren Grund, die ihn heimlich verfolgte, und die er sich nicht erklären konnte.

Die Natur hat ihre unumgänglichen Rechte, denen sich kein Mensch entziehen kann, in welcher Lebenslage er sich auch befinde.

Daher flog sein Herz von derselben Sympathie getrieben, die unwiderstehlich auf das junge Mädchen gewirkt hatte, ihr entgegen, als ihn der Zufall mit ihr zusammenführte.

Der Jäger, der sich über die plötzliche Teilnahme wunderte, die er für eine Fremde, welche er wahrscheinlich nicht wiedersehen würde, empfand, war beinahe geneigt, ihr deshalb zu grollen, und legte eine Sprödigkeit in sein Benehmen gegen sie, die ihm nicht natürlich war.

Er fühlte sich wie alle stolzen Menschen, die daran gewöhnt sind, sich alles ohne Widerstand vor ihnen beugen zu sehen, von der Herrschaft, welche das junge Mädchen über ihn ausübte, verletzt – und doch konnte er sich diesem Einfluss nicht mehr entziehen.

Aber als er, nach dem Brand in der Prärie, das Lager der Mexikaner verließ, nahm er, trotz der Eile, mit der er abreiste, die Erinnerung an die Fremde mit sich.

Diese Erinnerung wuchs in der Entfernung.

Trotz der Mühe, die er sich gab, um zu vergessen, hörte er doch beständig die süßen Töne der Stimme des jungen Mädchens vor seinem Ohr. Wachend oder schlafend, immer sah er sie vor sich, wie sie ihm zulächelte und ihren bezaubernden Blick auf ihn richtete.

Der Kampf war heftig. Treuherz wusste trotz der Leidenschaft, die ihn verzehrte, welche unüberwindliche Schranke ihn von Donna Luz trenne, wie unsinnig und unmöglich seine Liebe sei. Er ersparte sich keinen der Einwürfe, die man in solchen Fällen machen kann, um sich selbst zu überzeugen, dass er verrückt sei.

Endlich, als es ihm gelungen war, sich selbst einzureden, dass ihn eine unüberwindliche Kluft von der Geliebten trenne, fuhr er, statt einzusehen, dass er besiegt sei und sich der Leidenschaft, die jetzt seine einzige Freude war, zu überlassen – fort, trotzdem er von dem harten Kampf mit sich selbst erschöpft war, vielleicht aber doch eine Hoffnung hegte, die kräftige Männer selten verlässt, sich heimlich dagegen aufzulehnen, und bemitleidete sich zugleich wegen der tausend kleinen Betrügereien, die er wegen seiner Liebe beging.

Er vermied es mit einer Hartnäckigkeit, die dem jungen Mädchen hätte befremdlich erscheinen können, mit ihr zusammenzukommen, wenn ihn der Zufall zwang bei ihr zu bleiben. Wurde er schweigsam, düster, beantwortete kaum die Fragen, die sie an ihn richtete, und ergriff mit dem Ungeschick, welches den noch unerfahrenen Liebenden eigen ist, den ersten besten Vorwand, sie zu verlassen.

Das junge Mädchen folgte ihm traurig mit den Augen, seufzte heimlich, zuweilen rollte eine flüssige Perle lautlos über ihre rosige Wange, wenn sie sein Benehmen sah, das sie für Gleichgültigkeit hielt, und das nur Liebe war.

Doch in den wenigen Tagen, die seit der Einnahme des Lagers verflossen waren, hatten die jungen Leute, ohne es zu merken, bedeutende Fortschritte gemacht, und zwar um so mehr, als Treuherz’ Mutter, mit dem Scharfblick, der wahrhaft zärtlichen Müttern eigen ist, die Leidenschaft und Kämpfe ihres Sohnes erraten, zur heimlichen Vertrauten derselben gemacht hatte, indem sie ihm, ohne dass er es wusste, half und aus allen Kräften beschützte, indessen jeder der Liebenden überzeugt war, dass sein Geheimnis tief im Herzen verborgen sei.

So standen die Dinge zwei Tage nach den Vorschlägen, welche der Hauptmann Donna Luz gemacht hatte.

Treuherz schien gedankenvoller und trauriger zu sein als gewöhnlich. Er ging mit großen Schritten in der Höhle auf und ab, gab Zeichen einer heftigen Unruhe und warf besorgte Blicke um sich.

Endlich lehnte er sich an eine der Wände der Höhle, ließ den Kopf auf die Brust sinken und überließ sich tiefen Gedanken.

Er stand schon eine geraume Zeit so da, als eine sanfte Stimme in sein Ohr flüsterte: »Was ist dir, mein Sohn? Warum liegt so tiefe Traurigkeit auf deinen Zügen? Hast du unangenehme Nachrichten erhalten?«

Treuherz richtete sich empor, wie aus dem Schlaf auffahrend.

Seine Mutter und Donna Luz standen vor ihm und hielten sich umfasst.

Er warf einen schwermütigen Blick auf sie und sagte mit einem unterdrückten Seufzer: »Ach, Mutter! Morgen ist der letzte Tag! Ich habe noch kein Mittel finden können, um Donna Luz zu retten und ihr ihren Onkel zurückzugeben.

Beide Frauen erbebten.

»Morgen«, flüsterte Donna Luz, »es ist ja wahr, morgen soll der Mann kommen.«

»Was gedenkst du zu tun, mein Sohn?«

»Weiß ich es, Mutter?«, sagte er mit fieberhafter Ungeduld, »der Mann ist stärker als wir! Er hat alle unsere Pläne vereitelt! Es ist bis jetzt nicht möglich gewesen, zu entdecken, wo er sich aufhält. Alle unsere Nachforschungen waren vergeblich.«

»Treuherz«, sagte das junge Mädchen sanft, »wollen Sie mich erbarmungslos dem Räuber überliefern? Warum haben Sie mich dann gerettet?«

»Ach!«, sagte der junge Mann, »den Vorwurf kann ich nicht ertragen!«

»Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, Treuherz«, sagte sie schnell, »doch bin ich sehr unglücklich. Bleibe ich, so führe ich den Tod des einzigen Verwandten, den ich auf Erden habe, herbei. Gehe ich, so bin ich entehrt.«

»Ach! Und nichts tun zu können«, rief er verzweiflungsvoll aus, »Sie weinen sehen und unglücklich zu wissen, und nichts tun können! Ich möchte mein Leben opfern, um Ihnen eine Sorge zu ersparen! Gott allein weiß, was ich bei dieser Untätigkeit leide!«

»Hoffe, mein Sohn«, sagte die alte Dame mit Überzeugung, »Gott ist gut, er wird dich nicht verlassen.«

»Hoffen, meine Mutter, was sagst du da? Seit zwei Tagen haben meine Freunde und ich das Unmögliche versucht, ohne Erfolg. Hoffen! Und in wenigen Stunden wird der Elende die Beute, nach der er trachtet, fordern! Ich will lieber sterben, als einen solchen Frevel mit anzusehen!«

Donna Luz warf ihm einen eigentümlichen Blick zu, ein schwermütiges Lächeln spielte um ihre Lippen, und sie legte ihre kleine, zarte Hand auf seine Schulter.

»Treuherz«, sagte sie mit ihrer melodischen und eindringlichen Stimme. »Lieben Sie mich?«

Der junge Mann fuhr zusammen, ein Zittern überlief seinen ganzen Körper.

»Warum diese Frage?«, sagte er mit bebender Stimme.

»Antworten Sie mir ohne Umschweife, wie ich Sie frage, der Augenblick ist feierlich. Ich habe eine Bitte an Sie.«

»Reden Sie, Señora. Sie wissen, dass ich Ihnen nichts abschlagen kann.

»Antworten Sie mir«, sagte sie über und über zitternd, »lieben Sie mich?«

»Wenn es Liebe ist, dass ich wünsche, mein Leben für Sie opfern zu können, wenn es Liebe ist, dass es mich tötet. Ihre Tränen, die ich mit meinem Blut zurückkaufen möchte, fließen zu sehen, wenn es Liede ist, dass ich den Mut habe, Sie das Opfer, das man morgen von Ihnen fordern wird, um Ihren Onkel zu retten, vollbringen zu sehen, ja, Señora, dann liebe ich Sie mit ganzer Seele. Deshalb reden Sie ohne Furcht, was Sei auch verlangen werden. Ich will es mit Freuden tun.«

»Gut, mein Freund«, sagte sie, »ich rechne auf Ihr Versprechen. Morgen, wenn der Mann kommt, werde ich Sie daran erinnern. Doch vorher muss mein Onkel gerettet werden, sollte es auch mein Leben kosten. Ach, er ist mir ein Vater gewesen, er liebt mich wie eine Tochter, meinetwegen ist er den Räubern in die Hände gefallen. Schwören Sie mir, Treuherz, dass Sie ihn befreien wollen«, fügte sie mit dem Ausdruck einer unbeschreiblichen Angst hinzu.

Treuherz wollte antworten, als Belhumeur und der Schwarze Hirsch in die Höhle kamen.

»Endlich!«, sagte er und eilte auf sie zu.

Die drei Männer sprachen einige Augenblicke miteinander, dann kehrte der Jäger eilig zu den Frauen zurück.

Sein Gesicht strahlte.

»Du hattest recht, Mutter«, sagte er mit heller Stimme, »Gott ist gut, er verlässt diejenigen nicht, die ihm vertrauen. Jetzt, Donna Luz, sage ich Ihnen: Hoffen Sie, bald werde ich Ihnen Ihren Onkel wieder zuführen.«

»O!«, sagte sie erfreut, »wäre es möglich?«

»Hoffen Sie, sage ich! Lebe wohl, Mutter! Bitte Gott, dass er mir beistehe, ich werde seiner Hilfe mehr als je zuvor bedürfen.«

Der junge Mann stürzte ohne ein Wort weiter, aus der Höhle. Der größte Teil seiner Gefährten folgte ihm.

»Was wollte er damit sagen?«, flüsterte Donna Luz ängstlich.

»Kommen Sie, meine Tochter«, antwortete die alte Dame traurig, »wir wollen für ihn beten!«

Sie zog sie sanft mit fort und ging mit ihr in ihr besonderes Gemach.

Es blieben nur ungefähr zehn Mann in der Höhle zurück, die über die Sicherheit der Frauen zu wachen hatten.