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Die Trapper in Arkansas – Band 3.6

Die-Trapper-in-Arkansas-Band-3Gustave Aimard (Olivier Gloux)
Die Trapper in Arkansas Band 3
Zweiter Teil – Waktehno – der, welcher tötet
Kapitel 9 – Diplomatie

Es gehörte vonseiten des Hauptmanns eine unerhörte Dreistigkeit dazu, sich, nach dem, was vorgefallen war, ohne die Möglichkeit eines Widerstandes, in die Hände zu geben, die nicht verfehlen konnten, sich hart an ihm zu rächen.

Die Jäger waren auch über den Schritt des Hauptmanns entsetzt und begannen zu fürchten, dass Verrat dahinter stecke, besonders, wenn sie an die Bedeutung des, vom Hauptmann ergriffenen Mittels dachten.

Sie sahen sehr wohl ein, dass sie ihn nur gefangen genommen hatten, weil er sich hatte wollen fangen lassen, und dass er einen wichtigen Grund haben müsse, weshalb er also handelte, besonders nachdem er sich bemüht, seine Spur vor aller Augen zu verbergen, und einen so versteckten Zufluchtsort gefunden hatte, dass selbst die Indianer, die feinen Spürhunde, die sonst nichts irreführen konnte, es aufgegeben hatten, ihn länger zu suchen.

Was trieb ihn an, sich mitten unter seine ärgsten Feinde zu wagen? Welcher wichtige Grund hatte ihn bestimmen können, die Unvorsichtigkeit zu begehen, sich selbst auszuliefern?

Das fragten sich die Trapper, indem sie ihn mit einer Mischung von Neugierde und Anteilnahme betrachteten, die man unwillkürlich einem Mann zollt, der eine kecke Tat vollbringt, welches auch übrigens sein moralischer Wert sein möge.

»Herr«, sagte Treuherz nach einer kurzen Pause zu ihm, »da Ihr Euch in unsere Hände gegeben habt, werdet Ihr Euch nicht weigern, die Fragen, die wir für angemessen halten werden, Euch vorzulegen, zu beantworten.«

Die dünnen, blassen Lippen des Piraten verzogen sich zu einem seltsamen Lächeln.

»Ich werde«, antwortete er mit vollkommen ruhiger und deutlicher Stimme, »Ihnen nicht nur antworten, meine Herren, sondern, wenn Sie es erlauben, Ihren Fragen dadurch entgegenkommen, dass ich Ihnen freiwillig und sogleich alles mitteile, was sich ereignet hat, welches Ihnen, wie ich gewiss glaube, manches erklären wird, was Ihnen bis jetzt dunkel blieb und Sie vergeblich versucht haben, sich zu erklären.«

Ein Gemurmel der Verwunderung lief durch die Reihen der Trapper, die sich allmählich genähert hatten und aufmerksam zuhörten.

Die Szene ließ sich seltsam genug an und versprach außerordentlich interessant zu werden.

Treuherz besann sich einen Augenblick, dann sagte er zu dem Räuber: »Reden Sie, Herr, wir hören.«

Der Hauptmann verneigte sich und begann dann seine Erzählung in spöttischem Ton. Als er bis zur Einnahme des Lagers gekommen war, fuhr er folgendermaßen fort.

»Das war gut gespielt, nicht wahr, meine Herren? Sie können sicher nicht umhin, mich zu loben, da Sie selbst Meister in solchen Dingen sind. Doch gibt es noch etwas, was Ihnen unbekannt ist und was ich Ihnen sagen will. Der Raub der Schätze, welche der mexikanische General bei sich führt, hatte nur ein beiläufiges Interesse für mich. Ich hatte einen anderen Zweck, welche ich Ihnen mitteilen will. Ich wollte mich der Donna Luz bemächtigen. Ich folgte der Karawane von Mexiko an, Schritt vor Schritt, ich hatte Schwätzer, ihren Führer und meinem früheren Helfershelfer, bestochen. Ich wollte das Gold und die Kostbarkeiten meinen Gefährten überlassen und begehrte nur das junge Mädchen.«

»Doch scheint mir«, sagte Belhumeur mit spöttischem Lächeln, »dass Ihr Euer Ziel verfehlt habt.«

»Meint Ihr?«, antwortete der andere mit unerschütterlichem Gleichmut. »In der Tat, Ihr habt recht. Dieses Mal habe ich meinem Zweck verfehlt, doch ist noch nicht alles verloren, und möglicherweise wird mir es nicht immer misslingen.«

»Ihr sprecht hier inmitten hundertfünfzig der besten Rifles in der Prärie von Eurem schändlichen Vorhaben mit so viel Sicherheit, als ob Ihr Euch in einem Eurer geheimen Schlupfwinkel unter Euren Räubern befändet. Das ist entweder eine große Unvorsichtigkeit oder eine seltene Prahlerei«, sagte Treuherz streng.

»Bah! Die Gefahr für mich ist nicht so groß wie ihr mir möchtet glauben machen. Ihr wisst, dass ich nicht leicht einzuschüchtern bin, deshalb verschont mich gefälligst mit Euren Drohungen und lasst uns wie gesetzte Männer miteinander reden.«

»Wir alle hier, Jäger, Trapper und indianische Krieger, die wir in dieser Höhle versammelt sind, haben das Recht, im Interesse der gemeinschaftlichen Sicherheit, das Gesetz der Prärie, Auge um Auge, Zahn um Zahn, auf Euch, die Ihr, wie aus Euren eigenen Geständnissen hervorgeht, des Diebstahls, des Mordes und des Entführungsversuches überführt seid, anzuwenden. Das Gesetz soll sogleich an Euch vollzogen werden. Was habt Ihr zu Eurer Verteidigung vorzubringen?«

»Jedes Ding zu seiner Zeit, Treuherz. Wir werden sogleich darüber sprechen, doch beenden wir zuvor, wenn ich bitten darf, was ich Euch zu sagen habe. Seid ganz ruhig, es sind nur wenige Minuten des Verzugs. Ich werde selbst auf die Frage, die Euch so sehr am Herzen zu liegen scheint, zurückkommen, da Ihr Euch aus eigner Machtvollkommenheit zum Richter in der Wildnis aufgeworfen habt.«

»Das Gesetz ist so alt wie die Welt und kommt von Gott selbst. Es ist eine Pflicht, die allen ehrlichen Leuten obliegt, ein wildes Tier zu verfolgen, wenn es sich auf ihrem Wege findet.«

»Der Vergleich ist zwar nicht schmeichelhaft«, sagte der Räuber unbewegt, »doch bin ich nicht empfindlich und werde ihn nicht übel nehmen. Wollt Ihr mich ein für alle Mal reden lassen?«

»So redet denn, dass es ein Ende habe.«

»Das ist’s ja gerade, was ich wünsche, so hört denn. In dieser Welt fasst ein jeder das Leben auf seine Weise auf. Einige legen einen großartigen Maßstab an, andere einen kleinlichen. Mein Streben ist, mich in einigen Jahren zurückzuziehen, um in einer unserer schönen mexikanischen Provinzen mit einem mäßigen Einkommen zu leben. Sie sehen, dass ich nicht ehrgeizig bin. Vor einigen Monaten, als ich durch meinen Mut und meine Gewandtheit einige ziemlich vorteilhafte Geschäfte in der Prärie abgeschlossen hatte, befand ich mich im Besitz einer hübschen, runden Summe, welche ich, meiner Gewohnheit gemäß, anzulegen beschloss, um mir später das bescheidene Einkommen zu sichern, welches ich schon erwähnt habe. Ich ging nach Mexiko, um meine Kapitalien bei einem ehrenwerten französischen Bankier zu deponieren, der in jener Stadt lebt und sie für mich verwaltet, den ich Ihnen übrigens bei dieser Gelegenheit empfehlen kann.«

»Was geht uns das Geschwätz an?«, unterbrach ihn Treuherz heftig. »Meint Ihr uns zu verspotten, Hauptmann?«

»Nicht im Geringsten, ich fahre fort. In Mexiko fügte es der Zufall, dass ich Donna Luz einen ziemlich wichtigen Dienst erweisen konnte.«

»Ihr!«, rief Treuherz zornig aus.

»Warum nicht?«, erwiderte der andere. »Die Sache ist übrigens einfach folgende: Ich befreite sie aus den Händen von vier Räubern, die eben dabei waren, sie gründlich zu berauben. Ich sah sie und verliebte mich sterblich in sie.«

»Herr!«, sagte der Jäger und errötete vor Ärger, »das überschreitet alle Grenzen. Donna Luz ist ein junges Mädchen, von der man nur mit der größten Ehrerbietung reden soll. Ich dulde nicht, dass sie in meiner Gegenwart beschimpft wird.«

»Darüber sind wir beide ganz gleicher Meinung«, fuhr der andere spöttisch fort, »doch bleibt es deshalb nicht minder wahr, dass ich mich in sie verliebte. Ich zog geschickt Erkundigungen ein, erfuhr, wer sie sei, welche Reise sie machen würde und bis auf den Zeitpunkt der Abreise, ich hatte, – wie Sie sehen. Glück. Mein Entschluss war nun gefasst. Zwar ist mein Plan, wie Sie vorhin richtig bemerkten, gänzlich gescheitert, dennoch habe ich ihn noch nicht ganz aufgegeben.«

»Wir werden uns bemühen, darüber zu wachen.«

»Daran werden Sie wohl tun, wenn Sie es können.«

»Dieses Mal, vermute ich, sind Sie am Ende.«

»Noch nicht, wenn ich bitten darf, doch für das, was ich noch zu sagen habe, ist Donna Luz’ Gegenwart unumgänglich nötig. Sie allein kann über das Gelingen meiner Botschaft an Sie entscheiden.«

»Ich verstehe Sie nicht.«

»Sie brauchen mich jetzt auch nicht zu verstehen, Treuherz. Doch seien Sie ruhig, das Rätsel wird bald gelöst sein.«

Der Räuber hatte während dieser Unterredung die Geistesgegenwart, spöttische Miene, höhnende Sprache und Sicherheit des Benehmens, welche die Jäger in Erstaunen setzte, keinen Augenblick verloren.

Er benahm sich eher wie ein Edelmann, der seine Nachbarn auf dem Land besucht, als ein Gefangener, der auf dem Punkt steht, erschossen zu werden. Die Gefahr, die ihm drohte, schien ihn nicht im Geringsten zu kümmern. Sobald er ausgeredet hatte, beschäftigte er sich, während sich die Trapper mit leiser Stimme berieten, damit, eine Zigarette aus Maisstroh zu drehen, die er ruhig am Feuer anzündete. »Donna Luz«, fuhr Treuherz mit schlecht verhehlter Ungeduld fort, »hat in dieser Sache nichts zu sagen, ihre Gegenwart ist nicht nötig.«

»Da irren Sie gänzlich, bester Herr«, antwortete der Räuber gleichmütig, indem er eine Rauchwolke von sich blies. »Sie ist unentbehrlich, und zwar aus folgenden Gründen. Sie werden gewiss schon begriffen haben, dass ich ein zu schlauer Fuchs bin, um mich so leichtsinnig in Ihre Hände zu liefern, wenn ich nicht jemanden hätte, dessen eben für das meine einsteht. Dieser jemand ist der Onkel dieses jungen Mädchens. Wenn ich um Mitternacht nicht in meinem Schlupfwinkel, wie Sie ihn zu nennen belieben, unter meinen wackeren Kameraden bin, so wird mit dem Schlag zwölf der ehrenwerte Edelmann ohne Gnade erschossen.«

Ein Beben des Zornes durchlief die Reihen der Jäger.

»Ich weiß sehr wohl«, fuhr der Pirat fort, »dass Sie sich nicht persönlich um das Leben des würdigen Generals kümmern und es großmütig für das meine opfern würden. Doch glücklicherweise wird Donna Luz, wie ich überzeugt bin, nicht Ihrer Meinung sein und legt im Gegenteil großen Wert auf das eben ihres Onkels. Haben Sie daher die Güte, sie zu bitten, herzukommen, damit sie den Vorschlag, den ich ihr zu machen habe, anhören könne. Die Zeit vergeht, der Weg bis zu meinem Lager ist weit. Wenn ich zu spät käme, so wären Sie allein für das Unglück verantwortlich, das aus dieser unwillkürlichen Verzögerung entspränge!«

»Hier bin ich«, sagte Donna Luz und kam herbei, denn sie hatte, unter der Menge verborgen, alles gehört, was gesprochen worden war.

Der Räuber warf die halb verbrannte Zigarette weg, verneigte sich höflich vor dem jungen Mädchen und begrüßte sie.

»Señora, die Ehre, die Sie mir erweisen, macht mich sehr glücklich.«

»Genug der spöttischen Redensarten, ich höre, was haben Sie mir zu sagen?«

»Sie verkennen mich, Señora«, antwortete der Pirat, »doch hoffe ich, mich später in Ihren Augen rechtfertigen zu können. Erkennen Sie mich denn nicht? Ich glaubte, Ihrem Gedächtnis gegenwärtiger geblieben zu sein.«

»Es ist wohl möglich, dass ich Sie einige Zeit in gutem Andenken behalten habe«, antwortete das junge Mädchen bewegt, »doch, nach dem, was vor einigen Tagen vorgefallen ist, kann ich nur einen Verbrecher in Ihnen sehen.«

Verzeihen Sie, ich bitte, wenn ich Sie beleidigt habe, doch habe ich mich von dem Schrecken, den Sie mir verursacht haben, noch nicht ganz erholt, und Ihr heutiges Benehmen ist nicht geeignet, in zu vermindern. Seien Sie daher so gut, mir Ihre Absichten mitzuteilen.«

Ich muss aufrichtig bedauern, dass Sie mich so falsch verstanden haben, Señora, und ich beschwöre Sie, alles, was vorgefallen ist, nur der Heftigkeit der Leidenschaft zuzuschreiben, die ich empfinde, und seien Sie versichert …«

»Herr, Sie beleidigen mich!«, unterbrach ihn das junge Mädchen und richtete sich stolz auf. »Welche Gemeinschaft kann zwischen mir und einem Räuberhauptmann bestehen?«

Bei dieser empfindlichen Beleidigung überzog eine fieberhafte Röte das Gesicht des Räubers. Er biss zornig auf seinen Schnurrbart, doch bezwang er sich, kämpfte seine Empfindungen gewaltsam nieder und antwortete in ruhigem und ehrerbietigem Ton: »Es sei Señora, schmettert mich nieder, ich habe es verdient.«

»Ist es, um mir solche Gemeinplätze vorzusagen, dass Sie meine Gegenwart verlangt haben? In diesem Fall werden Sie mir gestatten, dass ich mich zurückziehe. Ein Mädchen meines Standes ist nicht daran gewöhnt, sich so begegnen zu lassen, noch solchen Reden zuzuhören.«

Sie wandte sich um, um wieder zu Treuherz’ Mutter zurückzukehren, die ihr entgegenkam.

»Einen Augenblick, Señora«, rief der Räuber zornig aus. »Da Sie meine Bitten verachten, so vernehmen Sie meine Befehle.«

»Eure Befehle!«, brüllte der Jäger und sprang mit einem Satz auf ihn los. »Elender, habt Ihr vergessen, wo Ihr seid?«

»Genug der Drohungen, mein Bursche!«, fuhr der Pirat mit durchdringender Stimme fort, kreuzte die Arme über der Brust, warf den Kopf zurück und blickte die Anwesenden mit unaussprechlicher Verachtung an. »Ihr wisst wohl, dass Ihr mir nichts tun könnt, dass nicht ein Haar auf meinem Haupt gekrümmt werden wird.«

»Das ist zu arg!«, schrie der Jäger.

»Halten Sie ein, Treuherz«, sagte Donna Luz und stellte sich vor ihn. »Jener Mann ist Ihres Zornes nicht würdig. So gefällt er mir besser, er zeigt sich als Räuber, er hat wenigstens die Maske fallen lassen.«

»Ja, ich habe die Maske fallen lassen!«, schrie der Räuber wütend. »Hören Sie mich an, unbesonnenes, junges Mädchen. Ich werde in drei Tagen wiederkommen. Sie sehen, wie gut ich bin«, sagte er mit düsterem Lächeln. »Ich gebe Ihnen Bedenkzeit. Wenn Sie mir dann nicht folgen, wird Ihr Onkel die grausamste Marter bestehen. Als letztes Andenken von mir werde ich Ihnen seinen Kopf schicken.«

»Ungeheuer! …«, rief das junge Mädchen verzweiflungsvoll aus.

»Was wollen Sie!«, sagte er achselzuckend mit satanischem Hohngelächter, »ein jeder liebt auf seine Weise. Ich habe geschworen, dass Sie meine Frau sein werden.«

Das junge Mädchen konnte ihn nicht mehr hören. Sie war, von Schmerz überwältigt, ohnmächtig in die Arme der Mutter des Jägers und des Eusebio gesunken, die sich beeilt hatten, sie fortzutragen.

»Genug«, sagte Treuherz mit schrecklicher Stimme und legte die Hand auf seine Schulter. »Dankt Gott, dass er Euch gestattet, lebend aus unseren Händen zu entkommen!«

»In drei Tagen, um dieselbe Stunde, werdet Ihr mich wiedersehen, meine Burschen«, sagte er verächtlich.

»Bis dahin können sich die Dinge verändert haben«, sagte Belhumeur.

Der Pirat antwortete nur mit einem Hohngelächter. Dann verließ er die Höhle achselzuckend, und mit so ruhigem, festen Tritt, als ob nichts Besonderes vorgefallen wäre, ja ohne sich nur umzusehen, so gewiss war er des Eindruckes, den er hinterlassen hatte.

Kaum war er verschwunden, als Belhumeur, der Schwarze Hirsch und Adlerkopf aus den übrigen Ausgängen der Höhle heraustraten und seiner Spur folgten.

Treuherz blieb einen Augenblick in Gedanken vertieft stehen, dann ging er mit bleicher, sorgenvoller Miene sich nach dem Befinden der Donna Luz zu erkundigen.