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Die Trapper in Arkansas – Band 3.1

Die-Trapper-in-Arkansas-Band-3Gustave Aimard (Olivier Gloux)
Die Trapper in Arkansas Band 3
Zweiter Teil – Waktehno – der, welcher tötet
Kapitel 4 – Der Doktor

Während die erwähnten schrecklichen Ereignisse vor sich gingen, botanisierte der Doktor ganz ruhig.

Der würdige Gelehrte hatte in seinem Entzücken über die üppige Flora, die er vor sich hatte, alles andere vergessen und dachte nur noch an die reiche Ernte, welche er hier halten konnte. Er ging gebückten Hauptes vor sich hin, blieb vor jeder Pflanze stehen und bewunderte sie lange, ehe er sich entschloss, sie zu pflücken.

Als er sich mit einer ungeheuren Menge von Pflanzen, welche alle in seinen Augen von unschätzbarem Wert waren, beladen hatte, beschloss er endlich, sich am Fuß eines Baumes niederzulassen, um sie mit aller Sorgfalt, welche grundgelehrte Leute auf dieses mühsame Geschäft verwenden, zu ordnen, wobei er einige Stückchen Zwieback, die er in der Jagdtasche trug, verzehrte.

Er war seit geraumer Zeit in diese Beschäftigung vertieft, welche ihm einen jener außerordentlichen Genüsse bot, die nur Gelehrte zu würdigen verstehen, indessen sie dem gewöhnlichen Haufen unbekannt bleiben. Wahrscheinlich hätte er sich bei der Arbeit so lange vergessen, bis ihn die einbrechende Nacht genötigt hätte, ein Obdach zu suchen, als sich plötzlich ein Schatten zwischen ihn und die Sonne drängte und sich über die Pflanzen, die er sorgfältig ordnete, warf.

Er hob unwillkürlich den Kopf. Ein Mann, der sich auf eine lange Büchse stützte, stand vor ihm und beobachtete ihn mit spöttischer Aufmerksamkeit.

Der Mann war der Schwarze Hirsch.

»Oho!«, sagte er zum Doktor, »was macht Ihr denn da, mein würdiger Herr? Es soll mich doch der Teufel holen, wenn ich nicht geglaubt habe, als ich das Gras sich bewegen sah, das möglicherweise ein Reh da stecken könnte, und ich war im Begriff, Euch eine Kugel zuzuschicken.«

»Den Teufel auch!«, rief Doktor und sah ihn erschrocken an, »seht Euch vor. Wisst Ihr wohl, dass Ihr mich hättet töten können?«

»Freilich«, erwiderte der Trapper lachend, »doch fürchtet nichts. Ich habe meinen Irrtum zu rechter Zeit eingesehen.«

»Gott sei Dank!« Hier bückte sich der Doktor, der eben eine seltene Pflanze erblickt hatte, eifrig, um sie zu pflücken.

»Ihr wollt mir also nicht sagen, was Ihr da macht?«, fuhr der Jäger fort.

»Ihr seht es ja, mein Freund.«

»Ich sehe nur, dass Ihr Euch die Zeit damit vertreibt, das Unkraut in der Prärie auszureißen, das ist alles. Und ich begreife nicht, was Euch das helfen kann.«

»O! Unwissenheit!«, murmelte der Gelehrte und fügte mit dem pathetischen, herablassenden Ton, welcher den Jüngern Äskulaps eigen ist, hinzu: »Freund, ich sammele Pflanzen, welche ich in mein Herbarium aufnehmen will. Die Flora der Prärie ist herrlich, ich bin überzeugt, dass ich wenigstens drei neue Arten des Chirostemon pentadactylon, das in das Geschlecht der Flora mexicana gehört, entdeckt habe.«

»So!«, sagte der Jäger, riss die Augen unmäßig weit auf und gab sich die größte Mühe, dem Doktor nicht ins Gesicht zu lachen. »Ihr glaubt drei neue Arten des …«

»Chisostemon pentadactylon, mein Freund«, sagte der Gelehrte sanft.

»Ach was!«

»Vielleicht gibt es deren sogar vier.«

»So! So! Das ist wohl sehr nützlich?«

»Was! Ob es nützlich ist?«, rief der Doktor empört aus.

»Erbost Euch nicht, ich weiß es ja nicht.«

»Richtig«, fuhr der Gelehrte, den der Ton der Stimme des Schwarzen Hirsches besänftigt hatte, »Ihr könnt die Wichtigkeit einer Arbeit, welche die Wissenschaft bedeutend fördert, nicht begreifen.«

»Seht nur an! Und Ihr seid nur in die Prärien gekommen, um Gräser auszureißen?«

»Aus keinem anderen Grund.«

Der Schwarze Hirsch betrachtete ihn mit der Bewunderung, mit der man irgendein unerklärliches Phänomen anstaunt. Der Jäger konnte sich nicht zusammenreimen, wie es möglich sei, dass sich ein vernünftiger Mensch so leichtsinnig entschließen könne, sich einem Leben voll Gefahren und Entbehrungen auszusetzen, zu dem, seiner Meinung nach unerhörten Zweck, Pflanzen auszureißen, die ihm doch nichts nützen. Daher kam er nach kurzem Besinnen zu der Überzeugung, dass der Gelehrte verrückt sei. Er warf ihm kopfschüttelnd einen mitleidigen Blick zu. Sein Gewehr über die Schultern werfend, schickte er sich an, weiter z gehen.

»Nun! Nun!«, sagte er in einem Ton, wie man zu Kindern und Verrückten redet. »Ihr habt recht, mein wackerer Herr, reißt nur Pflanzen aus, immer reißt sie aus, Ihr tut niemandem unrecht und es bleiben deren noch genug übrig. Glück auf! Auf Wiedersehen!«

Darauf pfiff er seinen Hunden, ging einige Schritte, kehrte aber sogleich wieder um und sagte zu dem Doktor, der schon nicht mehr an ihn dachte und sich bereits wieder eifrig der Beschäftigung überließ, welche zu unterbrechen der Jäger ihn gezwungen hatte.

»Noch ein Wort.«

»Sprecht«, antwortete er und blickte auf.

»Hoffentlich befindet sich die junge Dame, die in Begleitung ihres Onkels meinen Hatto besucht hat, wohl. Sie können nicht glauben, welchen Anteil ich an dem armen lieben Kind nehme, mein wackerer Herr.«

Der Doktor sprang plötzlich auf und schlug sich vor die Stirn. »Ich Dummkopf!«, sagte er, »das hatte ich ganz vergessen.«

»Vergessen, was denn?«, fragte der Jäger erstaunt.

»So geht es mir immer!«, murmelte der Gelehrte, »glücklicherweise ist der Schaden nicht groß. Da Ihr da seid, lässt er sich leicht wieder gutmachen.«

»Wovon sprecht Ihr?«, fragte der Trapper mit aufsteigender Besorgnis.

»Stellt Euch vor«, fuhr der Doktor ruhig fort, »dass mich die Wissenschaft so beschäftigt, dass ich darüber Essen und Trinken vergesse, wie viel mehr, nicht wahr, die Aufträge, die man mir gibt.«

»Zur Sache! Zur Sache!«, sagte der Jäger ungeduldig.

»Mein Gott! Die Sache ist einfach folgende: Ich habe mit Tagesanbruch das Lager verlassen, um mich zu Eurer Hütte zu begeben. Aber, hier angekommen war ich so entzückt über die Pflanzen, die ich mit Füßen trat, dass ich, anstatt meinen Weg fortzusetzen, angehalten habe, um anfangs nur eine Pflanze zu pflücken. Hierauf sah ich noch eine, die mir in meinem Herbarium fehlte, dann wieder eine, und so weiter. Kurz, ich habe gar nicht mehr daran gedacht, Euch aufzusuchen. Ja, ich war in meine Untersuchungen so vertieft, dass mir nicht einmal bei Eurem Erscheinen vorhin eingefallen ist, dass ich einen Auftrag an Euch habe.«

»Ihr habt das Lager also bei Tagesanbruch verlassen?«

»Mein Gott, ja.«

»Wisst Ihr, wie spät es jetzt ist?«

Der Gelehrte sah zur Sonne. »Ungefähr drei Uhr«, sagte er. »Doch, ich wiederhole es, darauf kommt nicht viel an. Da Ihr hier seid, werde ich Euch sagen, was mir Donna Luz aufgetragen hat. Und damit wird, hoffe ich, alles in Ordnung sein.«

»Gebe Gott, dass Eure Nachlässigkeit nicht ein großes Unglück herbeigeführt habe.«

»Was meint Ihr?«

»Ihr werdet es bald erfahren. Hoffentlich irre ich mich. Sprecht, ich höre.«

»Donna Luz hat mir nämlich aufgetragen, Euch Folgendes zu sagen.«

»So ist es Donna Luz, die Euch zu mir geschickt hat?«

»Sie selbst.«

»Ist im Lager etwas Wichtiges vorgefallen?«

»Es könnte allerdings vielleicht wichtiger sein, als ich anfangs gedacht habe. Die Sache verhält sich nämlich so. Diese Nacht hat einer unserer Führer …«

»Schwätzer?«

»Er selbst. Kennt Ihr ihn?«

»Ja. Weiter?«

»Nun! Es scheint, dass der Mann mit einem anderen gleichgesinnten Banditen verabredet hatte, dass sie das Lager, wahrscheinlich an Indianer, überliefern wollten. Zufällig hat Donna Luz die Unterhaltung der beiden Spitzbuben mit angehört. In dem Augenblick, als sie an ihr vorüberkamen, um sich aus dem Staub zu machen, hat sie zwei Pistolenschüsse auf sie abgefeuert.«

»Hat sie sie getötet?«

»Nein, unglücklicherweise hat der eine, obgleich er wahrscheinlich schwer verwundet war, flüchten können.«

»Welcher von den beiden?«

»Schwätzer.«

»Und was ist weiter geschehen?«

»Donna Luz hat mich schwören lassen, dass ich Euch aufsuchen und Euch sagen wollte … ja, wartet nur«, sagte der Gelehrte sich besinnend.

»Schwarzer Hirsch, die Stunde schlägt?«, unterbrach ihn der Jäger hastig.

»Ganz recht!«, sagte der Gelehrte und rieb sich vergnügt die Hände. »Es schwebte mir auf der Zunge. Ich gestehe, dass mir die Sache ziemlich dunkel vorgekommen ist und ich sie durchaus nicht begriffen habe. Doch jetzt werdet Ihr mir erklären, nicht wahr?«

Der Jäger fasste ihn energisch beim Arm, näherte sein Gesicht dem des Doktors und sagte mit flammenden Blick und zornentstellten Zügen: »Elender Narr! Warum seid Ihr nicht eiligst zu mir gekommen, anstatt die Zeit zu vergeuden wie ein Dummkopf? Euer Zögern wird vielleicht den Tod Eurer Freunde zur Folge haben.«

Wäre es möglich!«, rief der Doktor entsetzt und dachte nicht daran, die etwas unsanfte Art, wie ihn der Jäger schüttelte, übel zu nehmen.

»Eure Botschaft war eine über Tod und Leben entscheidende, Narr, der Ihr seid! Was ist jetzt zu tun? Vielleicht ist es zu spät.«

»Ach! Sagt das nicht!«, rief der Gelehrte voll Unruhe aus. »Ich würde vor Verzweiflung umkommen, wenn dem so wäre.«

Der arme Mann brach in Tränen aus und gab die unverkennbarsten Zeichen der größten Betrübnis.

Der Schwarze Hirsch sah sich genötigt, ihn zu trösten.

»Nun, nun! Fasst nur Mut, mein wackerer Herr«, sagte er sanfter zu ihm. »Den Teufel auch! Vielleicht ist noch nicht alles verloren.«

»Ach, wenn ich ein so großes Unglück verschuldet hätte, so würde ich es nicht überleben.«

»Kurz, was geschehen ist, ist geschehen! Wir müssen uns damit abfinden«, sagte der Trapper philosophisch. »Ich werde darauf sinnen, wie man ihnen zu Hilfe kommen kann. Ich bin Gott sei Dank nicht so verlassen, wie man glauben könnte. Ich hoffe in wenigen Stunden ungefähr dreißig der besten Büchsen in der Prärie versammelt zu haben.«

»Nicht wahr, Ihr werdet sie retten?«

»Ich werde wenigstens alles, was mir möglich ist, tun, und wenn es Gott gefällt, wird es mir vielleicht gelingen.«

»Das gebe Gott!«

»Amen!«, sagte der Jäger und bekreuzigte sich fromm. »Doch hört, jetzt werdet Ihr in das Lager zurückkehren.«

»Sogleich.«

»Aber, nicht wahr, Ihr werdet keine Blumen wieder pflücken oder Blumen ausreißen?«

»Nein! Ich schwöre es Euch! Verflucht sei die Stunde, wo ich angefangen habe, zu botanisieren!«, rief der Gelehrte mit komischer Verzweiflung aus.

»Nun gut! Das ist also abgemacht. Ihr werdet die junge Dame und ihren Onkel beruhigen, ihnen anempfehlen, wachsam zu sein und im Fall eines Angriffs energischen Widerstand zu leisten, und ihnen sagen, dass sie bald Freunde zu ihrer Hilfe herbeieilen sehen!«

»Das werde ich ihnen sagen.«

»Gut, nun aufs Pferd und im Galopp zum Lager gejagt.«

»Schon gut! Aber was werdet Ihr jetzt tun?«

»Kümmert Euch nicht um mich, ich werde nicht müßig bleiben. Seht nur zu, dass Ihr sobald wie möglich bei Euren Freunden seid.«

»Guten Mut! Und Glück auf den Weg! Vor allen Dingen verzweifelt nicht!«

Der Schwarze Hirsch ließ die Zügel des Pferdes los, welche er bisher gehalten hatte. Der Gelehrte sprengte im gestreckten Galopp davon, wobei der gute Mann, der an diesen Schritt nicht gewöhnt war, große Mühe hatte, das Gleichgewicht zu behalten.

Der Trapper blickte ihn einen Augenblick lang nach, dann ging er mit großen Schritten in den Wald.

Er war kaum zehn Minuten gegangen, als er Eusebio begegnete, der die Mutter von Treuherz ohnmächtig vor sich auf dem Sattel trug.

Diese Begegnung erschien dem Trapper wie ein Glückszufall, welchen er dazu benutzte, um den alten Spanier nach näheren Nachrichten von dem Jäger auszufragen, welche ihm der Greis sofort mitteilte.

Hierauf begaben sich die beiden Männer zu der Hütte des Trappers, von welcher sie nicht weit entfernt waren, und in welcher sie vorläufig die Mutter ihres Freundes unterbringen wollten.