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John Tanner – Das Leben eines Jägers 23

John Tanner
Das Leben eines Jägers
oder
John Tanners Denkwürdigkeiten über seinen 30-jährigen Aufenthalt unter den Indianern Nordamerikas
Erstmals erschienen 1830 in New York, übersetzt von Dr. Karl Andree

Dreiundzwanzigstes Kapitel

Als die Aufregung, welche durch diese Geschichte veranlasst wurde, etwas nachgelassen hatte, und die Sendboten des Propheten uns verlassen hatten, um andere, weiter entfernt wohnende Gruppen aufzusuchen, zog ich mit einem zahlreichen Indianertrupp an die oberen Quellflüsse des Red River, wo wir Biber fangen wollten. Wir waren noch niemals dem Land der Sioux so nahe gekommen und wagten es auch dieses Mal wohl nur, weil wir dem Propheten glaubten, der ja gesagt hatte, wir würden den Sioux unsichtbar bleiben. Auf jenem Grenzgebiet aber, wo seit vielen Jahren weder die Sioux noch wir Jagdlager Binnen eines einzigen Monats, und ohne dass ich auch nur einen Schuss tat, fing ich in meinen Fallen weit über hundert Stück. Meine Familie bestand aus zehn Personen, und unter diesen waren sechs vaterlose Kinder. Ich sorgte für alle, obschon ich ganz allein blieb, und mir niemand beim Aufstellen der Fallen hilfreiche Hand leistete. Allmählich wurden aber die Biber seltener, und ich musste ein Elentier schießen. Meiner Familie war es so auffallend, einmal wieder einen Flintenschuss zu hören, dass nun alle aus der Hütte hervorstürzten und in den Wald flohen; denn sie waren der Meinung, ein Sioux habe Feuer auf mich gegeben.

Ich war bald genötigt, meine Fallen weiter weg zu legen, und konnte täglich nur einmal nach ihnen sehen. Mein Gewehr legte ich nicht mehr aus der Hand. Wenn ich etwas zu tun hatte, hielt ich es     mit der einen und arbeitete mit der anderen. Am Tag schlief ich einige Stunden, weil ich allnächtlich Wache vor meiner Hütte hielt. Da in meiner Nähe das Wild seltener wurde, so ging ich in die Wälder, um Moosetiere zu schießen, und erlegte deren an einem Tag vier, welche ich ausweidete und zerschnitt, ohne mein Gewehr auch nur eine Minute lang aus der Hand zu legen. Da ich eben das Letzte in Teile zerlegte, hörte ich, kaum zweihundert Ruten von mir entfernt, einen Flintenschuss fallen.

Ich wusste, dass ich mich der Landesgrenze der Sioux weit mehr genähert hatte, als irgendein anderer Chippewa, und von diesem letzten Stamm war, so viel mir bekannt, kein einziger Mann in dieser Gegend. Also musste jener Schuss von einem Sioux herrühren, und ich rief ihn mit lauter Stimme an. Es gab mir aber niemand Antwort. Nun war ich noch mehr auf meiner Hut als bisher und schlich bei Anbruch der Nacht so vorsichtig, wie immer es möglich war, zu meiner Hütte. Am anderen Tag wagte ich mich zu der Stelle, wo der Schuss gefallen war, und erkannte dort die Spuren eines Chippewa, der auf einen Bären Feuer gegeben hatte. Er mochte aber wohl in der Verfolgung dieses Tieres so hitzig gewesen sein, dass er meinen Ruf leicht überhören konnte.

Bald danach fand ich zahlreiche Spuren und überzeugte mich, dass ich nicht mehr weit von einem Lager entfernt war, das die Chippewa aufgeschlagen und befestigt hatten. Die Häuptlinge dieser Gruppe schickten dreimal hintereinander Boten an mich ab, und ließen mir sagen, meine Lage sei zu gefährlich. Ich gab aber ihren dringenden Einladungen, mich mit ihnen zu vereinigen, nicht nach, weil es allen meinen Neigungen widerstrebte, mich in einen befestigten Platz einzuschließen. Endlich aber, da ich merkte, dass einige Sioux mir nachspähten und meinen Lagerplatz entdeckt hatten, musste ich doch bei jenen Chippewa Zuflucht suchen. Die Nacht, welche dem Tag vorherging, an welchem ich endlich meine Hütte verließ, war für mich eine Nacht des größten Schreckens, und ich empfand eine Besorgnis, wie sie unter Indianern selten ist. Ich sagte eben, dass ich Spuren von Sioux entdeckt hatte. Ich zweifelte nicht daran, dass ein Trupp von ihnen sich unmittelbar in meiner Nähe aufhielt, rechnete auch fest darauf, sie gegen Tagesanbruch heranziehen und über mich herfallen zu sehen.

Es war bereits die Nacht mehr als zur Hälfte verflossen, und noch hatte keiner von uns ein Auge zugetan, da ließ sich plötzlich unweit von uns ein Geräusch vernehmen. Unseren Hunden sah man an, dass sie erschrocken waren, und so sagte ich denn meinen Kindern, die Stunde des Todes sei herangenaht. Ich stellte mich an die Vorderseite der Hütte, öffnete die Tür ein wenig und hielt meinen Gewehrlauf gerade aus, um den Feind in Empfang zu nehmen. Ich hörte deutlich Geräusche, das von Schritten herrühren musste. Allein die Nacht war dunkel und ich konnte nichts erkennen. Endlich sah ich ganz langsam einen kleinen schwarzen Gegenstand näherkommen. Er war nicht größer als ein Menschenkopf. Er näherte sich langsam und auf geradem Weg meiner Hütte, und nun überzeugte ich mich, welchen Einfluss Furcht und Schrecken auf den Gesichtssinn ausüben. Denn der Gegenstand hob sich, wie es mir vorkam, mehrmals bis zur Größe eines Mannes empor, und wurde gleich darauf wieder ganz klein. Zuletzt brachte ich aber heraus, dass ich hier mit nichts anderem als einem kleinen Tier zu tun hatte, ging also vor die Tür, erkannte ein Stachelschwein und schlug es mit meinem Tomahawk tot. Ich schlief die ganze Nacht und eilte am frühen Morgen eiligst dem Lager zu.

Nach meiner Ankunft hielten die Häuptlinge eine Beratung und schickten dann zwei junge Männer ab, welche meine in der Hütte zurückgebliebenen Habseligkeiten holen sollten. Ich wusste aber, dass die Sioux dort umherspähten. Wenn nun die jungen Krieger Schaden erlitten hätten oder wohl gar erschlagen worden wären, so würden ihre Freunde ein solches Unglück mir zur Last gelegt haben. Deshalb eilte ich ihnen auf einem Richtweg nach, fest entschlossen, ihr Schicksal zu teilen. Meine Hütte war noch unverletzt, und auch auf dem Rückweg zu der Festung wurden wir von keinem belästigt.

Die Sioux kamen von Zeit zu Zeit bis dicht in die Nähe unseres Lagers, wagten aber keinen Angriff darauf. Anfang des Frühlings zogen alle Chippewa an ein und demselben Tag ab. Ich aber musste zurückbleiben, weil ich mich für einen damals nicht anwesenden Handelsmann mit einer Fracht Pelzwerk belastet hatte, die ich allein nicht hätte fortschaffen können. Die Häuptlinge stellten mir vor, dass zurückbleiben so viel heiße, als seinen Untergang mutwillig herbeirufen, denn die Sioux müssten notwendig bald erkannt haben, dass die übrigen Krieger fortgegangen wären, und würden dann über mich Einzelnen herstürzen. Diese traurigen beunruhigenden Vermutungen wurden noch dadurch vermehrt, dass sie mir Beispiele von Männern, Frauen und Kindern erzählten, welche an derselben Stelle von jenen erschlagen worden wären. Indessen musste ich bleiben.

Am Abend verrammelte ich alle Eingänge zum Lager so gut ich konnte, befahl meiner Familie, sich ganz still zu verhalten, und hielt dann Wache. Die Nacht war noch nicht weit vorgerückt, da sah ich beim hellen Mondschein, dass zwei Männer gerade auf den gewöhnlichen Eingang zuschritten, als sie denselben verrammelt fanden, rings um die ganze Verschanzung gingen und an allen Türen stehen blieben, um zu versuchen, ob sie diese nicht öffnen könnten. Es war anfangs meine Absicht, Feuer zu geben, ohne sie anzurufen. Jedoch fiel mir ein, dass sie vielleicht gar keine Sioux wären. Ich hielt deshalb, ohne mir selbst eine Blöße zu geben, mein Gewehr unablässig angeschlagen, und verfolgte sie mit dem Lauf desselben auf Tritt und Schritt. Die beiden Männer aber waren eben der Handelsmann, welchen ich erwartete, und ein Franzose. Mit Freuden öffnete ich das Lager. Da ich solchergestalt Verstärkungen erhalten hatte, konnte ich den übrigen Teil der Nacht ruhiger bleiben. Am anderen Morgen folgten wir, mit unserem Gepäck beladen, den Spuren der Chippewa.

Es lag übrigens nicht in meiner Absicht mit dieser Gruppe umher zustreifen. Deshalb ging ich einige Zeit mit meiner Familie in die Wälder und schloss mich später einigen Chippewa vom Red River an, deren Häuptling Be-gwa-is (der die Biberhütte umhaut) hieß. Seit einigen Tagen schon hatten sämtliche Jäger dieser Gruppe alles aufgeboten, um ein altes Moosetiermännchen zu erlegen, das ihnen oft entgangen war und daher für ein höchst wachsames schlaues Tier galt. Als ich das erste Mal auf die Jagd ging, sah ich es wohl, konnte aber nicht daran kommen, doch schoss ich ein anderes. Am nächsten Tag ging ich wieder aus, fest entschlossen, jenes zu schießen, wenn es nur irgend möglich wäre. Wind und Wetter waren mir günstig; ich erlegte es. Der Zufall hat wohl auch das seine dabei getan, allein die Indianer rühmten meine Geschicklichkeit sehr, und ich galt nun für den besten Jäger in der ganzen Gruppe.

Wir begaben uns bald danach, zwölf an der Zahl und von Be-gwa-is angeführt, in das Land der Sioux, um dort Biber zu jagen. Unsere Frauen ließen wir aber zurück. Auf diesem Jagdzug wurden alle meine Gefährten vom Schnee geblendet, und ich, dessen Augen allein verschont geblieben waren, musste mehrere Tage hintereinander für alle übrigen Sorge tragen. Als der Schnee weggeschmolzen war, besserte es sich mit ihnen, und wir teilten uns nun in drei gleich starke Häuflein. Das eine derselben wurde von den Sioux am Büffelfluss angegriffen, ein Chippewa getötet, ein anderer verwundet und gefangen genommen.

Ich hatte mir zufällig mit dem Tomahawk selbst eine Wunde beigebracht, und zwar am Fußknöchel; konnte daher nicht schnell gehen. Meine Gefährten waren von unglaublichem Schrecken ergriffen. Sie meinten, die Sioux wären uns auf der Spur und den Fersen. Sie liefen daher so schnell sie konnten, ohne auf meinen Zustand die geringste Rücksicht zu nehmen.

Der Frühling war noch nicht weit vorgerückt, und den ganzen Tag über Schnee und Regen gefallen. In der Nacht erhob sich ein starker Nordwestwind, und das Wasser gefror. Ich folgte meinen Gefährten in der Ferne, erreichte sie spät und fand sie halb tot auf ihrem Lagerplatz, denn sie waren Anhänger des Propheten und hatten als solche nicht gewagt, ein Feuer zu machen. Wa-me-gon-a-biew gehörte zu diesen Menschen, und er verließ mich immer am allerersten, sobald auch nur ein Anschein von Gefahr sich zeigte. Am anderen Morgen war das Eis schon so dick, dass wir über den Fluss gehen konnten. Wir litten aber von der Kälte um so mehr, da kurz vorher sehr warmes Wetter gewesen war. Nachdem wir uns vier Tage an der Stelle aufgehalten hatten, wo unsere Frauen Zucker ernteten, zogen wir wieder zum Land der Sioux zurück und stießen unterwegs auf zwei Indianer, welche bei dem erwähnten Angriff unseren Feinden glücklich entgangen waren. Sie sahen sehr elend und abgehungert aus.

Wir trafen außerdem unterwegs mit einem amerikanischen Handelsmann zusammen, an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnere. Er war aber mir gegenüber sehr gütig und gab sich alle mögliche Mühe, mich zu überreden, dass ich die Indianer verlassen und mit ihm nach den Vereinigten Staaten zurückkehren möchte. Ich war arm, besaß nur geringen Vorrat an Pelzwerk, hatte Frau und Kind. Er sagte mir, Volk und Regierung der Vereinigten Staaten würden sich mir gegenüber freigebig und großmütig zeigen, versprach mir auch, in eigener Person für mich zu sorgen, und mir Unterstützung angedeihen zu lassen, soviel in seinen Kräften stände. Aber ich schlug alle seine Anträge aus und blieb lieber noch bei den Indianern, ohne darum meine Absicht, sie später einmal zu verlassen, aufzugeben. Ich erfuhr von diesem Mann, dass einige meiner Verwandten mich überall, und selbst in Mackinack gesucht hätten, und diktierte ihm einen Brief, dessen Besorgung er übernahm. Ehe er sich von uns trennte, gab er mir und Wa-me-gon-a-biew zwei Kanus aus Baumrinde, machte uns außerdem noch einige wertvolle Geschenke.

Auf unserem Zug zum Red River schien Wy-ong-je-cheween, dem wir die Leitung unseres kleinen Haufens übertragen hatten, sehr in Besorgnis zu sein. Wir fuhren auf einem Wasser, das sich nach einem beträchtlichen Lauf in den Red River ergießt. Ich sah, wie unser Anführer nach beiden Ufern sorgenvolle Blicke warf, hin und her spähte, ob ihm nicht etwa Spuren zu Gesicht kämen, aus denen man schließen konnte, dass sich Menschen in der Nähe aufhielten. Eben so achtete er sorgsam auf Spuren von Tieren, den Flug der Vögel und anderer Anzeichen, die jeder Indianer zu deuten weiß. Er äußerte zwar keineswegs, dass er Furcht und Besorgnis hege, denn das tut ein Indianer in dergleichen Fällen selten oder nie. Als er aber sah, dass ich bei Einbruch der Dunkelheit ein Feuer anmachte, stand er auf, hüllte sich in seine Decke und ging, ohne ein Wort zu sagen, weg. Ich sah ihm nach. Er suchte sich einen Platz aus, wo er ganz versteckt lag, jedoch so, dass er die ganze Umgegend überblicken konnte. Ich verstand bald, weshalb er so handelte, und folgte nebst den Übrigen seinem Beispiel. Am anderen Morgen vereinigten wir uns wieder und wagten ein Feuer anzuzünden, um dabei unser Mahl zu bereiten. Aber kaum war der Kessel gefüllt und über der Flamme, da erblickten wir auf einer Höhe, kaum eine halbe Meile hinter uns, eine Schar Sioux. In demselben Augenblick stülpten wir den Kessel auf das Feuer und nahmen die Flucht. In einiger Entfernung von jenem Platz schlugen wir unser Lager auf, verschanzten es stark, und ich ging fort, um meine Fallen zu stellen.

Der amerikanische Handelsmann hatte mir, nebst anderen Geschenken, auch ein kleines Fass Rum geschenkt, das etwa sechzehn Maß starken Rum enthielt. Ich trug es bisher selbst auf meiner Schulter und widerstand allen Anforderungen Wa-me-gon-a-biews und der Übrigen, die davon kosten wollten. Ich sagte, die Greise und die Häuptlinge sollten mit davon trinken, wenn wir erst wieder bei den unseren wären. Als ich aber einst ausgegangen war, um nach meinen Fallen zu sehen, hatten sie sich über das Fass hergemacht. Ich fand sie alle betrunken und miteinander zankend. Von dem Rum war nur noch wenig übrig geblieben. Ich, als nüchterner Mensch, sah auf den ersten Blick, in welch gefährlicher Lage wir uns befanden, denn wenn wir von unseren Feinden überfallen wurden, so konnten wir ja nicht den geringsten Widerstand leisten. Ich suchte demnach Ruhe und Frieden wieder herzustellen, kam indessen dabei in nicht geringe Gefahr. Denn während ich mich bemühte, zwei Männer, die handgemein geworden waren, auseinander zu bringen, führte ein alter Indianer mit einem Messer einen Stich nach meinem Rücken, der meinem Leben wahrscheinlich ein Ende gemacht hätte, wenn ich ihm nicht ausgewichen wäre. Alle waren wütend auf mich, weil ich sie der Großprahlerei und Feigheit beschuldigte. Ich hatte gesagt, sie verkröchen sich wie Kaninchen in ihren Höhlen und wagten sich nie daraus hervor, um eine Schlacht zu liefern oder zu jagen. In der Tat lebten sie seit einiger Zeit durchaus von dem, was ich herbeischaffte, und ihr albernes Betragen war mir nicht wenig zur Last. Indessen hatten wir jetzt endlich keine unmittelbare Ursache zur Furcht mehr, und so fassten sie sich zuletzt ein Herz und gingen auf die Jagd, welche so gut ausfiel, dass wir binnen kurzer Zeit eine große Menge Pelzwerk beisammenhatten. Es gab beinahe eine vollständige Ladung für das Kanu. Bis dahin war es mir gelungen, meinen Rest Rum zu verwahren. Nun aber fanden sie, als ich einmal abwesend war, auch diesen, und tranken sich abermals toll und voll.

Als die Jagd beendet war, reisten wir zusammen fort. In der Nähe des Red River hörten wir auf einmal eine große Menge Flintenschüsse fallen. Meine Gefährten glaubten sich von den Sioux verfolgt und flohen Hals über Kopf landeinwärts. Wir befanden uns aber damals kaum noch eine Tagesreise weit von unseren Familien entfernt. Ich war allein zurückgeblieben und wollte um keinen Preis unser beladenes Kanu verlassen, setzte daher die Reise fort und kam vier Tage später wohlbehalten in meiner Hütte an. Die Indianer waren damals zu diesem Zeitpunkt im Begriff, nach Pembina zu gehen, dort ihr Pelzwerk zu verkaufen und sich dem Trunk hinzugeben. Kaum aber hatte ich mich wieder mit meiner Gruppe vereinigt, da schlugen mehrere den Landweg ein und ließen die beladenen Fahrzeuge unter der Obhut der Frauen. Ich bemühte mich, Wa-me-gon-a-biew und mehrere andere meiner vertrauten Freunde von der Teilnahme an jenen verderblichen Ausschweifungen abzuhalten, hatte aber nicht genug Einfluss auf sie. Alle reisten vor mir ab. Ich übereilte mich nicht, ging unterwegs auf die Jagd und dörrte das Fleisch. Als ich nun in Pembina ankam, waren die Meisten schon seit einigen Tagen nicht mehr aus dem Rausch gekommen, und ich hörte gleich zu Beginn, dass Wa-me-gon-a-biew ein Unglück zugestoßen sei.

Mein Bruder, denn so nannte ich ihn stets, war gleich nach seiner Ankunft in eine Hütte getreten, in welcher ein junger Mensch, Ta-busch-schischs Sohn, eine alte Frau schlug, und hatte diesem den Arm festgehalten. Da kam gerade der alte Ta-busch-schisch berauscht zurück und packte, weil er Wa-me-gon-a-biews Absichten nicht kannte, diesen bei den Haaren, und biss ihm ohne Weiteres die Nase ab, worauf ein Handgemenge folgte. Einem anderen Indianer wurde mit den Zähnen ein großes Stück aus der Wange gerissen, und mehrere andere bekamen sehr gefährliche Wunden. Da kam endlich Be-gwa-is, ein alter Häuptling, der sich stets sehr wohlwollend uns gegenüber zeigte, dazwischen und glaubte sich ins Mittel legen zu müssen. Wa-me-gon-a-biew, wütend darüber, dass er seine Nase eingebüßt hatte, hob die Hände empor, ohne die Augen aufzuschlagen, packte den ersten Besten beim Kopf und biss ihm mit einem Mal die ganze Nase ab. Die Nase aber, welche er zwischen den Zähnen hielt, war die unseres Freundes Be-gwa-is. Als Wa-me-gon-a-biews Wut sich ein wenig gelegt hatte, sah er erst, wen er beschädigt hatte, und rief: »O, mein Vetter!«

Be-gwa-is war ein sanftmütiger, guter Mann und wusste recht gut, dass Wa-me-gon-a-biew es nicht absichtlich, sondern lediglich aus Versehen getan hatte. Darum sah man ihm auch nicht die geringste Gereiztheit an. Und er war gegen den, welcher ihn verstümmelt hatte, keineswegs aufgebracht.

»Ich bin alt«, sprach er, »und sie werden mich nicht mehr lange darüber verspotten, dass ich meine Nase eingebüßt habe.«

Dagegen aber war ich meinerseits desto erbitterter gegen Ta-busch-schisch, weil ich überzeugt war, dass er diese Gelegenheit benutzt hatte, um einem alten Groll Luft zu machen. Ich eilte, nachdem ich alles erfahren hatte, unverzüglich in meines Bruders Hütte und setzte mich neben ihn. Sein Gesicht und seine Kleidungsstücke waren mit Blut bedeckt. Er blieb einige Zeit sitzen, ohne ein Wort zu sagen. Als er aber zu sprechen anfing, sah ich wohl, dass er wieder völlig bei Sinnen war.

»Morgen«, sprach er, »will ich mit meinen Kindern weinen. Aber am Tag nachher werde ich Ta-busch-schisch aufsuchen, wir müssen beide sterben. Denn da ich fortan von jedermann Spott erdulden muss, so mag ich nicht mehr leben.«

Ich sagte ihm, er könne in allem, was er gegen Ta-busch-schischs Leben im Schilde führe, auf mich rechnen, und traf Vorbereitungen, um mein Versprechen halten zu können. Aber Wa-me-gon-a-biew kam am anderen Tag, als er kaltblütig über alles nachdachte und mit seinen Kindern geweint hatte, von seinem Vorhaben ab, und ergab sich, ebenso wie Be-gwa-is darein, dass er keine Nase mehr hatte.