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Der Freibeuter – Abenteuer des Kapitäns

Der Freibeuter
Erster Teil
Kapitel 13

Der Kapitän hielt hier einige Augenblicke inne. Seine Stimme hatte zuletzt gezittert, und nicht ohne Rührung und Überraschung sahen die Zuhörer die Augen des Erzählers in jenem kostbaren Tau des Gefühls glänzen, welches selbst dem rauen Männerherzen das schöne Zeugnis der Menschlichkeit gibt.

Der Grog wurde umhergereicht. Der Fremde, welcher sich den Namen Flaxmann zugelegt hatte, war gleich von vornherein in Nachdenken versanken, worin er verharrte. Friederike warf dem Kapitän einen teilnehmenden Blick zu, und nachdem er einen Zug aus seinem Becher getan hatte, fuhr er fort.

»Eine unbezwingbare Sehnsucht zog mich wieder nach Portugal. Schowels schöne Reden machten mir die angenehmsten Hoffnungen. Mit dem beginnenden Frühling ging ich wieder zur See, segelte auf dem Schiff Tarro, welches ehemals eine spanische Galeere gewesen war, zum Land meiner Sehnsucht und landete im Hafen vor Lissabon. Dort lagen wir eine Zeit lang ruhig bis zur Ankunft des Großadmirals Schowel. Mein Kapitän gab mir unterdessen vollkommene Freiheit. Ich konnte gehen, wohin ich wollte. Mein junges begehrliches Herz schwelgte in den Genüssen jenes zauberischen Landes. Ich habe fünf Jahre in diesem Paradies der Erde gelebt. Ich habe dort die Wonnen und Schmerzen der ersten Liebe und der ersten Täuschung der Liebe genossen. Lasst mich darüber hinweggehen, sonst blutet die Wunde von Neuem.

Bald nach unserer Ankunft hatte ich das Glück, einem Genueser Edelmann, Besitzer mehrerer Kauffahrer, zu gefallen. Dieser reiche Mann sorgte auf mannigfache Weise für mein Vergnügen, bat mich oft auf eines seiner Schiffe, welches eben im Hafen lag, und machte mir endlich den Vorschlag, mit ihm eine Reise nach Genua zu machen. Ich willigte unter der Bedingung ein, dass ich mit dem ersten Schiff, welches nach Lissabon ginge, wieder zurückreisen dürfe. Diese Bedingung wurde mir zugesagt, und niemand erfuhr etwas von meiner Reise. In der folgenden Nacht hoben wir die Anker. Am anderen Tag begegnete uns eine Fregatte. Anfangs glaubten wir, es wäre ein spanisches Fahrzeug, aber bald sahen wir unseren Irrtum ein. Es war ein Salee-Fahrer, der mit drohenden Mienen gerade auf uns losging. Unser Kapitän nahm den Gruß an und befahl den Angriff, obgleich der Feind uns an Macht überlegen war. Der Kampf begann, der erste, dem ich auf der See beiwohnte. Der Salee-Fahrer überschüttete uns mit einem wahren Kugelhagel, aber wir blieben ihm nichts schuldig. Inzwischen hätte mein edler Genuese doch zuletzt unterliegen müssen, wenn er nicht sehr geschickt die Flucht ergriffen hätte. Ein geneigtes Wetter, stille See und die Anstrengungen unserer unverdrossenen Matrosen retteten uns aus dieser augenscheinlichen Gefahr. Wir flüchteten uns unter die portugiesischen Wälle. Dort lag ein Schiffer, der mich am Bord nahm und wieder nach Lissabon zurückbrachte.

Sobald der Großadmiral Schowel angekommen war, machte ich ihm meine Aufwartung. Er machte mir von Neuem die besten Versprechungen und erfüllte sie einige Zeit darauf so glänzend, dass er mich zum Aufseher über die nach Lissabon gebrachten Prisen machte, welches Amt von der größten Wichtigkeit war, indem damals alle französischen Waren in Portugal für Konterbande erklärt wurden.

Ich besaß viel Geld, und was noch mehr sagen will, die Gunst meiner Oberen und die Liebe und Gewogenheit aller, die mich kannten. Eine unglückliche Liebe verleidete mir endlich den Aufenthalt in Portugal. Ich sehnte mich nach England zurück. Ich war einundzwanzig Jahre alt und trat mit dem Rang eines Oberlieutenants auf ein Schiff, um mein Vaterland wieder zu erstreben. Doch dies lag für dieses Mal nicht im Plan der Götter. Unterwegs stießen wir mit einer französischen Galeere zusammen, der wir uns nach hartnäckigem Gefecht ergeben mussten. Das Schiff, auf welchem ich mich von Lissabon nach England hatte begeben wollen, war früher den Franzosen von den Engländern abgenommen worden und hieß l’Arrogant. Deshalb waren auch die Sieger diesmal sehr erbittert und feindselig gesinnt. Da ich aber auf der l’Arrogant keine Dienst versah, sondern mich nur als Passagier auf dem Schiff befand, so wurde mit mir nicht so streng verfahren wie mit denen, die zum Kommando des Schiffs gehörten. Wir landeten bei Saint-Malo. Als wir ans Land stiegen, versammelten sich eine Menge wohlgekleideter Leute um uns, die sich fast alle ausschließlich an mich wandten und mir anboten, mir behilflich sein zu wollen. Im Geheimen rieten mir einige, mich unter sie zu mischen und so unvermerkt bei ihnen zurückzubleiben. Danach wollten sie mir schnell weiter helfen, aber ich schlug dies edelmütige Anerbieten ab und versicherte ihnen, dass ich meine Mitgefangenen und Landsleute auf keine Weise verlassen würde.

Wir wurden hierauf in das Kastell Saint-Malo gebracht. Dort wurde mir all mein Eigentum bis auf die Kleider und mein Taschengeld abgenommen. Meine Kleider waren aber so kostbar, dass ich wohl für einen Prinzen gehalten werden konnte. Unser Aufenthalt auf dem Kastell war erträglich, doch wurden wir nach einiger Zeit ins Stadtgefängnis, ein abscheuliches Loch, gebracht, aber noch am selben Abend auf kleinen Fahrzeugen nach Dinant, einer wohlgelegenen Festung, übergesetzt. Hier war die Luft rein und gesund, aber in dem Kastell, wohin wir gebracht wurden, lagen über dreitausend Gefangene. Da war denn für die Bequemlichkeit des Einzelnen nicht viel zu hoffen. Inzwischen suchte ich mir meine Lage so erträglich wie möglich zu machen. Nachts legte ich mich zwar auf die Streu zu den Übrigen, aber sobald am Morgen die Türen geöffnet wurden, lief ich hinaus auf den Sammelplatz, wo sich stets eine Menge Menschen befanden. Bald gewann ich viel Aufmerksamkeit, und ich wurde mir bewusst, dass man mich meinen Kleidern nach für eine weit höhere Standesperson hielt, als ich war, und mir auf alle Weise aus der Gefangenschaft helfen wollte. Vorzüglich suchten mich zwei Mädchen zu bereden, dass ich in ihre Behausung flüchten möchte, wo sie mich eine Zeit lang verbergen und mir dann zur weiteren Flucht behilflich sein wollten. Ich blieb aber kalt für ihre Bitten. Einige Tage darauf führten mich mehrere mir gutgesinnte Einwohner zu ihrem Schulherrn, der mich freundlich aufnahm, ja mich sogar bald gleichsam zu den Mitgliedern seiner Familie zählte.

Nun aber wurde es mir von Tag zu Tag unerträglicher, in einem halb freien Gefängnis zu leben. Ich beredete also mich mit meinem neuen Freund, dem Schulherrn, und er versprach mir, zur Flucht zu verhelfen. Doch bedurfte ich außer der seinen noch anderer Hilfe, um meinen Vorsatz auszuführen, und ich richtete meine Augen auf einen alten Sergeant, den ich oft auf der Wache sah, wenn ich die Gefangenen im Kastell besuchte, was fast täglich geschah. In einigen Unterredungen hatte ich ihm seine schwache Seite abgemerkt, und nun schwatzte ich dem alten Kauz nach dem Maul. Er erzählte von seinen ungeheuren Heldentaten, und ich stellte mich treuherzig an, alles zu glauben. Immer von Neuem brachte ich das Gespräch auf die Schlachten, denen er beigewohnt und in denen er so Wunderbares verrichtet hatte, schimpfte wacker mit auf die Offiziere, welche keine Notiz von seiner Tapferkeit genommen, fluchte dem Glück, das dieselbe nicht besser belohnt, und war stets seiner Meinung, wenn er mich fragte, ob es nicht höchst unbillig sei, dass ein alter abgehärteter Kriegsmann jungen und unerfahrenen Leuten gehorchen müsse, die kaum jemals in ihrem Leben einen zornigen Menschen oder einen toten Hund gesehen hätten. Der Sergeant schien dadurch endlich ganz der meine geworden zu sein und gab mir das Versprechen, dass er das Geheimnis, welches ich ihm anvertrauen würde, heilig verschweigen wolle. Endlich rückte ich heraus und gab ihm zu verstehen, dass mir mein Schulmeister aus der Festung helfen wolle, doch müsse er, der Sergeant, ein Auge zudrücken. Der Kerl machte ein verdutztes Gesicht, brach auf, ohne mir ein Wort zu erwidern und ging schnurstracks zum Gouverneur, um ihm den ganzen Handel zu entdecken. Die schnelle Folge meines Vertrauens war, dass ich festgenommen und ins Stadtgefängnis gebracht wurde. Dies Gefängnis war über einem Stadttor und hatte starke Mauern. Der Turmhüter, seine Tochter und alle seine Leute begegneten mir wohlwollend und erleichterten mir dadurch die harte Haft. Ich erhielt eine Kammer in der Kapelle, wo alles nett und reinlich war. Dieses Zimmer war im obersten Stockwerk des Turms, wo die Mauern zwar nicht so dick wie unten, die Fenster hingegen breit und mit eisernen Gittern versehen waren. In der Kammer standen zwei Betten. In dem einen schlief ein alter Franzose von Adel, der hier, ich weiß nicht aus welchem Grund, verhaftet war, das andere wurde mir zuteil. Zudem führte der Turmhüter einen guten Tisch, seine Tochter war hübsch und umgänglich, und ich hätte also nicht Ursache gehabt, sehr unzufrieden mit meinem Los zu sein. Dennoch ließ ich nicht ab, an meine Freiheit zu denken. Ich suchte mir eine eiserne Stange zu verschaffen, und begann damit nachts die Mauer zu durchgraben. Aber der alte Franzose hatte mich bei meiner Arbeit belauscht und verriet mich. Es war einer von den Menschen, die ihr eigenes Unglück vergessen, wenn sie sehen, dass es einem anderen noch schlechter geht. Überdies glaubte er, es sei jedes rechtschaffenen Franzosen Pflicht, alle Engländer zu hassen und zu verfolgen. Auf seine Anzeige meiner beabsichtigten Flucht wurde ich unter die Kapelle in ein abscheuliches, aber geräumiges Loch gesetzt, wo ich eine beträchtliche Anzahl der verschiedensten Menschen antraf. Eine saubere Gesellschaft! Nachdem man mich hier gedemütigt zu haben glaubte, versuchte man es, mich zu gewinnen. Zuerst sandte der Gouverneur Boten an mich ab, dann beehrte er mich sogar einige Male selbst in Begleitung mehrerer vornehmer Herren, ließ mir die schmeichelhaftesten Anträge machen und redete mir selbst aufs Eindringlichste zu, mein Glück nicht zu verscherzen und französische Dienste zu nehmen. Alle diese Vorschläge rührten mich nicht. Mein Vaterland ging mir über alles. Diese Standhaftigkeit brachte bei dem Gouverneur eine so große Verwunderung und Rührung zuwege, dass er mir die Hand reichend sprach: ›Eine solche Vaterlandsliebe muss man schätzen und belohnen. Das erste aus England kommende Transportschiff soll Euch mitnehmen. Er hielt Wort. Und so kam ich denn nach zweimonatiger Haft glücklich wieder nach England. Doch die Ruhe war mir unerträglich. Ich war kaum einige Wochen in London, als ich auch schon mit dem Paketboot nach Westindien, mit der Anwartschaft auf einen Dienst auf einem dortigen Schiff, reiste. Als ich aber dort anlangte, war das Schiff, auf welchem ich beim Kommando angestellt werden sollte, bereits in See auf die Jagd gegangen, und da ich nicht Lust hatte, stillzuliegen und die Rückkehr des Schiffs abzuwarten, so ging ich mit dem Paketboot wieder nach England zurück. Ich stürzte mich in den Strudel des Lebens, suchte Bekanntschaften und fand sie und war in vielen Häusern der Hauptstadt ein willkommener Gesellschafter. Vorzüglich hielt ich mich zu Herrn Perreh, Obersten des Stadtregiments und erstem Sekretär der afrikanischen Handelscompagnie. Dieser Mann machte mir das Anerbieten, eine Partie Sklaven von Afrika nach Westindien zu führen, aber ich versetzte dreist, dass ich geneigter wäre, armen unglücklichen Menschen zu helfen, als meine Hand zu ihrem Unglück zu bieten. Meine Antwort missfiel dem Obersten keineswegs, er lobte meine Denk- und Handlungsweise, schenkte mir seine Liebe und empfahl mich bald darauf an den Vorsteher der ostindischen Gesellschaft, Jonathan Andrews. Herr Andrews brachte mich auf ein ostindisches Kriegsschiff, die Godalphin genannt, welches von John Apri geführt wurde und die Küsten von Bombay besegeln sollte. Fast am Ende dieser Reise bestanden wir ein sonderbares Abenteuer. Als wir nämlich in die ostindischen Gewässer kamen, stießen wir auf die weltberühmten tapferen Seeräuber von Angry, welche zwischen Bombay und Kalikut kreuzten, wo sie uns auch den ersten Gruß mit einem Regen von großen und kleinen Kugeln zubrachten. Aber wir hielten uns in angemessener Entfernung von ihnen gegen die Landseite und blieben ihnen nichts schuldig. Das Gefecht dauerte so lange, bis der Wind uns nötigte, die Anker auszuwerfen, sonst würde uns der Strom mit fortgerissen und den mutigen Seehähnen gerade zugeführt haben. Nachts aber riss des Kapitäns Boot los und wurde über die Ankertaue des Feindes getrieben, die sich seiner bemächtigten und dadurch unsere Schwäche erfuhren. Dies erhitzte ihren Mut noch mehr, sie unternahmen mit dem ersten Morgenstrahl einen neuen Angriff auf uns, fochten wie die Löwen und gaben uns Gelegenheit genug, ihren Mut zu bewundern. Da wir uns aber auch wehrten, so gut wir konnten, so mussten unsere beherzten Feinde wieder abziehen, ohne etwas Wichtiges ausgerichtet zu haben. Einige Tage darauf überzeugten uns diese Leute, dass die Großmut eine Zwillingsschwester der Tapferkeit ist, und beide meist beisammen gefunden werden. Denn die ostindischen Seeräuber sandten uns unser Boot samt den Leuten, die darauf waren, unter der Freundschaftsflagge zurück. Diese Handlung war, nach der Weise dieses Volks, mit großem Pomp und einer seltenen Pracht begleitet. Wie sonderbar fügte es sich, dass ich gerade mit einem dieser Kaper recht vertraut werden musste! Ich lag nämlich in Bombay im vornehmsten Kaffeehaus. Dort war ein Sammelplatz aller Nationen und die vornehmen Kaper, mit welchen wir uns gemessen hatten, kamen ebenfalls dorthin. Obwohl sie nun alle auserlesene hurtige Leute waren, so hielt ich mich doch hauptsächlich an einen, der mir der Gescheiteste zu sein schien. Ich sprach mit ihm portugiesisch, was ich damals besser als irgendeine andre Sprache verstand, und er konnte sich darin ziemlich verständlich machen. In kurzer Zeit wurden wir die besten Freunde. Ich befragte ihn oft über die Beschaffenheit des Landes, dessen Eingeborener er war, und meine Neugierde missfiel ihm nicht. Er forderte mich endlich auf, ihn auf einer Reise in das Innere des Landes zu begleiten, und versprach mir hoch und teuer, mir nicht nur alle Merkwürdigkeiten seines Vaterlandes zu zeigen, sondern auch, mich zu schützen und wohlbehalten nach Bombay zurückzuführen. Dieser Antrag lockte mich, der Seeräuber schien mir ein wackerer Mann zu sein und zeigte mir Zuneigung. Deshalb willigte ich ein und rüstete mich heimlich zur Reise, denn weder mein Kapitän noch einer meiner Kameraden durften von meinem Unternehmen das Geringste merken, sonst wäre mir die Reise vereitelt worden. Also reisten wir denn auch nach einiger Zeit heimlich in der Nacht ab, begaben uns ans Festland und folgten mit schnellen Pferden den Weg durch ein wahres irdisches Paradies. Mein Freund führte mich in den Marattenstaat, unter jenes hochherzige, tapfere, kriegerische Volk, dem er angehörte. Überall, wohin wir kamen, wurden wir mit Würdigung empfangen. Unsere Reise glich einem Triumphzug. So gelangten wir denn in die prächtige Hauptstadt der Maratten, Udschin genannt, und wurden dem Maharajah, dem Oberfürsten des Landes, welcher unter dem großen Mogul stand, vorgestellt.

Mein Gefährte erzählte dem Rajah die Veranlassung unserer Bekanntschaft und musste auf des Fürsten Wunsch den Hergang des Seegefechts ausführlich berichten, woran jener großen Anteil zu nehmen schien. Hierauf fragte mich der Rajah englisch, wie es nur möglich sei, dass ich mich meinem Feind so keck anvertraue. Ich versetzte freimütig, dass ich niemandes persönlicher Feind sei und die Sache meines Vaterlandes, für dessen Ehre ich in jenem Kampf gefochten hatte, von meiner eigenen zu unterscheiden wisse. Nur in dieser meiner eigenen Sache habe ich mich meinem Führer als einem persönlichen Freund anvertraut und baue auf sein mir gegebenes Wort, auf Treu und Glauben eines rechtschaffenen Mannes, für welchen ihn zu halten ich vollen Grund habe. Diese Antwort schien dem Rajah zu gefallen, und er fand ferner ein besonderes Vergnügen daran, sich mit mir zu unterhalten. Ich musste ihm viel von europäischen Sitten und Gebräuchen, von Englands Macht und Staatseinrichtungen erzählen. Er machte treffende Bemerkungen darüber, die meist mit gutem Spott gewürzt waren. Danach zeigte er mir seinen herrlichen Palast, seine schönen Gärten mit den künstlichsten Brunnen und Bassins und befahl seinen beiden Söhnen, deren älterer in meinen Jahren war, mich zu begleiten und mir Gesellschaft zu leisten. Die Maratten sind große Liebhaber vom Baden, und die Bassins in den Gärten des Rajah waren meist dazu eingerichtet. Der Fürst wünschte, dass ich mich in seinem Beisein in einem der schönsten Bassins baden möchte. Ich willigte gern ein, denn ich bin stets ein Freund des Wassers gewesen, und die Hitze war in Udschin schier unerträglich. Ich wurde also auf des Rajah Befehl von Dienern entkleidet und ins Bad gebracht. Seine brennenden Augen verschlangen fast meine Gestalt, und allen Zuschauern gewährte mein Anblick im kristallklaren Wasser Vergnügen. Sobald ich fertig war, wurde ich am ganzen Körper mit herrlich duftendem Balsam gesalbt, aber statt meiner Kleider wurde mir ein kostbarer Anzug des ältesten Prinzen angelegt. Diese übertriebene Gnade beunruhigte mich, ich fürchtete, was nachher wirklich geschah. Der Rajah machte mir gar bald den Antrag, dass ich in Udschin in seiner Söhne Gesellschaft bleiben möchte.

›Deine Gestalt‹, sagte er im Schmeichelton zu mir, ›dein Gesicht, deine Stimme, Bildung und dein ganzes Wesen gefällt mir besser als irgendeines Europäers, den ich jemals gesehen habe. Bleib also bei mir, es soll dir an nichts mangeln.‹ Hierauf versetzte ich, ich sei nicht mein eigner Herr und könne nicht über mich verfügen. Ich stände in eines Herrn Dienst, welchen ich nicht verlassen dürfe, ohne mich der Untreue und Undankbarkeit schuldig zu machen. Deshalb müsste ich zum Schiff, auf welches ich gehöre, zurückkehren.

Einige Tage darauf fragte mich der Fürst, ob ich mich nicht eben so gut unter seinen als unter meines Gefährten Schutz begeben dürfe. Ich versetzte, dass ich kein Bedenken trüge, mich jedem rechtschaffenen Mann anzuvertrauen, der mir für meine Sicherheit seine Ehre verpfände. ›Wohlan‹, sagte er, ›ich gebe dir meine Ehre zum Pfand, du sollst sicher bei mir sein und nichts zu fürchten haben.‹

Was war zu tun? Ich musste mich in die Notwendigkeit fügen. Mein Gefährte beurlaubte sich, nachdem er eine ansehnliche Belohnung erhalten hatte, und fragte nicht, ob ich auch mit wollte. Ich war nicht viel besser daran, als verraten und verkauft. An meiner Lebensart hatte ich nichts auszusetzen, denn ich war auf ganz gleichen Fuß mit den Prinzen gesetzt. Ich ging in den herrlichsten Kleidern einher, ritt ein prächtiges Pferd, speiste fürstlich und wurde, wo ich mich nur zeigte, vom Volk hochverehrt. Aber meine Lage war nichtsdestoweniger unerträglich, weil ich aus allem annahm, dass mich der Rajah zeit seines Lebens bei sich behalten wollte.

Zu meinem Glück lebte am Hof eine alte Portugiesin, die durch einen besonderen Zufall hierher verschlagen und die Erzieherin der Kinder des Rajah in ihrem frühesten Alter geworden war. Gleich vom ersten Tag meiner Ankunft in Udschin zeigte mir diese Matrone eine besondere Freundschaft und ich unterhielt mich oft mit ihr. Waren wir doch die einzigen Europäer am ganzen Hof des Rajah und ich fast ihr Landsmann. Eines Tags trat sie mit betrübten Mienen in mein Zimmer und sagte: ›Mein schöner europäischer Prinz, Ihr werdet wohl eben so wenig wie ich jemals unser Vaterland wiedersehen.‹

Ich war über diese Anrede bestürzt und hörte nun mit Grausen, wie der Rajah befohlen hatte, alle meine Schritte zu beobachten und mich zu etwas zu zwingen, wovor der Gedanke errötet, endlich aber mir Gift zu reichen, sobald ich meinen Körper zu dieser Schändlichkeit nicht hergeben wollte. Meine Angst wuchs mit jedem ihrer Worte, und zuletzt beschwor ich sie, mir zur Rettung und Flucht behilflich zu sein. Ich umfasste ihre Hände, ich flehte sie an, und sie versprach mir, das ihre für mich zu tun. Sie verschaffte mir die Kleider eines gemeinen Inders, bestellte einen Kahn auf dem Fluss und half mir auf geschickte Weise nachts aus dem Palast. Vorher hatte ich mir auf ihr Geheiß Hände und Gesicht geschwärzt. So entkam ich glücklich und gelangte nach mancherlei Drangsalen wieder in Bombay an. Aber der Kapitän der Godalphin war wegen meiner heimlichen Entfernung erbittert auf mich und gab mir nach meiner Ankunft den Abschied. Ich hatte wohl noch härtere Strafe verdient. Auf diese Weise war ich gezwungen, wieder als Kadett auf einem Kauffahrer nach Europa zurückzureisen. Kaum war ich in London angekommen, als der Uhrmacher Townsend seine Ansprüche an mich erneuerte. Dieser unverschämte Mann nannte mich von Neuem seinen Lehrjungen, und ich war zu meinem Verdruss genötigt, die Vernichtung des Dokuments, welches mich ihm verpachtete, durch eine nicht unbedeutende Summe zu erkaufen. Dadurch entblößte ich mich und war nun ohne Dienst und Geld in einer Stadt, wo man ohne beides kaum einen Tag leben kann. Die Not lehrt ein nacktes Weib spinnen. Mich lehrte sie meinen Stolz beugen und die Admiralitätsherren so lange zu überlaufen, bis sie mich annahmen, um meiner loszuwerden. Ich kam als Erster Lieutenant auf das königliche Schiff, die Eintracht, unter dem Oberbefehl des Kapitäns Vincent. Danach musste ich einige Jahre hintereinander auf verschiedenen Schiffen dienen, damit ich bewandert würde, doch machte ich in dieser Zeit keine große Reisen. Vielmehr wurde ich in London und den Seehäfen Englands bekannt, und hatte überall Zutritt. Als der Krieg zwischen England und der Türkei ausbrach, zeigte ich Lust, die Expedition mitzumachen. Der Kommandeur Airs bot mir eine Anstellung auf dem Schiff Windsor an, welches er selbst führte, und stellte mir vor, wie er vor allen würde Gelegenheit haben, mir Gefälligkeiten zu erweisen, da er das ganze Geschwader befehlige. Ich zog es aber vor, auf dem Schiff Ihrer Majestät, unserer Königin, Southampton, zu dienen, weil ich den Kapitän-Lieutenant desselben, Byrimans, schätzte und liebte. Airs unterdrückte zwar damals seinen Verdruss, aber die Zeit kam bald, wo er mich denselben nur zu stark fühlen ließ. Es traf sich nämlich, dass ich in der Türkei die Bekanntschaft eines französischen Konsuls machte und eine Zeit lang mit ihm verkehrte. Dieser Mann machte mir sogar Anträge, in französische Dienste zu treten und im Interesse seiner Nation eine Reise nach Tunis zu unternehmen. Aber ich schlug dieses Ansinnen ab, doch wurde ich dieses Umgangs halber verketzert und verdammt. Airs beschuldigte mich, mit den Feinden meines Vaterlandes Gemeinschaft gepflogen zu haben, und ich sah mich deshalb genötigt, nach Beendigung des Krieges meinen Dienst niederzulegen.«