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Der Freibeuter – Des Kaperkapitäns Jugendgeschichte

Der Freibeuter
Erster Teil
Kapitel 12

Die Graf Mörner ging mit vollen Segeln die Ostsee hinauf und führte den dänischen Schoner im Schlepptau, um also im Triumph im Hafen von Stockholm einzulaufen. Die Sonne bestreifte in schräger Richtung das Verdeck der Fregatte, auf welchem man in der Nähe des Bugspriets die chargierten Personen von beiden Schiffen an einer langen Tafel versammelt sah. Den Ehrenplatz an derselben hatte die einzige Dame an Bord des Schiffes, die schöne Friederike von Gabel, eingenommen. In ihrem Gesicht waren die Spuren eines großen Schmerzes sichtbar, den sie vergeblich zu bekämpfen sich bemühte. Still und in sich gekehrt schaute sie vor sich hin auf die Reste des Mahls, welches der Kapitän allen Standespersonen auf beiden Schiffen zu Ehren gegeben hatte. Als die übrigen Gäste befanden sich am Tisch: der dänische gefangene Lieutenant, der Franzose Courtin, der geheimnisvolle Flaxmann, der Lieutenant Gad, der Schiffschirurgus Habermann, der Steuermann Reetz, der Oberbootsmann Pehrsohn; außerdem auch noch Juel Swale und der Matrose, welcher über die Sandbank ans Land gewatet und geschwommen war, welche beide diese Ehre für die ausgezeichneten Dienste, die sie geleistet hatten, genossen. Norcroß war heiterer als an anderen Tagen, denn eine trübe Wolke hatte sich seit dem Mädchenraub von Seeland auf seine Stirn gelegt. Diese Stimmung benutzten seine Freunde, um ihn mit Bitten zu bestürmen, dass er ihnen die wunderbare Geschichte seines Lebens erzähle, wie er ihnen, und vorzüglich Flaxmann, schon lange versprochen hatte. Der Schlot der Schiffsküche dampfte von Neuem, ein köstlicher Geruch drang in die Nasen der Gäste. Meister Habermann schnalzte bereits mit der Zunge, und bald trug der flinke Schiffskoch die rauchende Bowle auf den Tisch. Man vernahm ein leises Beifallsmurmeln aus einigen stark bebarteten Gesichtern, die Gläser wurden voll geschenkt, das Gebräu geprüft und für gut befunden, dann der Kapitän mit neuen Bitten bestürmt, sodass er nicht länger widerstehen konnte. Jedes Ohr lauschte gespannt, und er begann.

»Ihr wollt wissen, auf was für Art und Weise ich das geworden bin, was ich jetzt bin, und fürwahr mein Leben ist mannigfach genug, einen vom Mittag an bis zum Abend zu unterhalten. Es ist nicht meine Sache, viel Redens davon zu machen, so wie ich überhaupt nicht freigebig mit Mitteilungen bin. Doch weil ihr die Erzählung meiner Schicksale alle einstimmig und heftig begehrt, so mag es denn sein.

Meine Geburt hat schon einen außerordentlichen Anstrich und ist die Vorbedeutung eines außerordentlichen Lebens gewesen. Fast will es mich bedünken, dass ich zum unsteten Leben eines Seemannes von Anbeginn bestimmt sei, denn ich wurde unter Gottes freiem Himmel an der Meeresküste, zehn Schritte vom rauschenden Wasser der Nordsee, unweit von Liverpool geboren. England ist also mein Geburtsland. In der Nacht vom 23. bis zum 24. April 1688 bin ich zur Welt gekommen und bin also nicht ganz sieben Wochen älter als der Prätendent und stehe nun im 29. Lebensjahr. Mein Vater Georg Norcroß war Major in den Diensten des unglücklichen Königs, Jakob II., des Vaters des Prätendenten und war dem königlichen Haus treu ergeben bis an seinen Tod. Meine Mutter war aus dem altenglischen Adelsgeschlecht der Rigbeyer. Sie war sehr schön, aber ihre Armut kam im Verhältnis ihrer Schönheit gleich. Mein Vater besah ebenfalls keine Glücksgüter. Dies war ihrer Verbindung ein großes Hindernis, denn mein mütterlicher Großvater gedachte mit den Reizen seiner Tochter einen reichen Freier herbeizuziehen und vielleicht durch sie wieder in die Gunst des Hofes zu kommen, aus welcher seine Familie schon lange Jahre durch Kabale verdrängt worden war. Aber das Haus Norcroß war nicht nur so arm wie das Haus Rigbeyer, es stand auch ebenfalls nicht gut angeschrieben bei Hofe. Meine Eltern liebten sich demnach lange ohne Hoffnung, obgleich mein Vater von meinem mütterlichen Großvater geschätzt wurde. Endlich besiegten die rührendsten Bitten der beiden jungen Leute das Herz des Alten. Er gab seine Einwilligung zu ihrer Verbindung, obgleich mit Bangen, das Land um eine arme hilflose adlige Familie vermehrt zu haben. Die ganze Grafschaft Lancashire wünschte dem schönen Paar alles Glück. Aber dieser Wunsch ging so ganz und gar nicht in Erfüllung, dass mein Vater einige Monate nach seiner ehelichen Verbindung als des Königs Dienstmann zum Heer entboten wurde und seinem Herrn nach Irland folgen musste. Der Bürgerkrieg begann in Großbritannien. Jedermann weiß die Folgen desselben. Ich übergehe den Schmerz meiner Mutter, der mit der Zeit größer wurde, sodass sie sich zum Erstaunen ihrer Verwandten und Bekannten entschloss, ihrem Gatten nach Irland nachzureisen. Sie machte alle ihre Mittel zusammen und ging mit dem Beginn des Frühlings nach Liverpool. Dort fand sie bald ein Schiff, welches nach Irland segelte, und verfügte sich an Bord desselben. Aber der Wind war ungünstig. Das Schiff musste fast eine Woche vor Anker liegen bleiben. Und hier auf diesem Schiff überraschten meine Mutter die Geburtsschmerzen. Ein mitleidiger Matrose lief im Hafen von Haus zu Haus, um der Kreisenden einen Aufenthaltsort zu erbetteln, aber die eiserne Zeit, welche über England gekommen war, erstickte jedes menschliche Gefühl. Der grässliche Bürgerkrieg wütete in Englands Eingeweiden. Der Sohn fürchtete den Vater, der Vater den Sohn, der Bruder hasste den Bruder, jedes heilige Band war zerrissen, Verdacht, Feindschaft, Misstrauen, Verrat beherrschten die Gemüter. Eines jeden Mannes Haus war seine Festung. Niemand getraute sich recht die Tür desselben zu öffnen, aus Furcht vor seinem nächsten Nachbar. Wie hätte man ein fremdes Weib aufzunehmen sich unterstanden, die da gebären wollte? Die Matrosen bauten also schnell eine Wand von Steinen, Holz, Rasen und Meergras auf, trugen meine Mutter dahinter, und hier wurde sie unter dem Beistand einiger Schifferfrauen glücklich nach Mitternacht entbunden. Die munteren Seeleute hatten alle eine große Freude über mich, ich wurde zuerst in Seewasser gebadet und vom Schiffkaplan mit Seewasser getauft. Jeder beeiferte sich, meiner Mutter zu dienen, und zwölf Stunden nach meiner Geburt ging ich in See. Ich wanderte in Windeln gehüllt aus den Armen eines Matrosen in die eines anderen. Die Engelschönheit und Milde meiner Mutter machte ihr die roheste Natur dienstbar.

Unsere Reise nach Irland war nicht ohne Widerwärtigkeiten. Die Schlimmste war ein arger Sturm, der uns nachts überraschte und dermaßen zusetzte, dass der Kapitän das Schiff für verloren gab. Der Sturm warf das stark beschädigte Schiff, als die Anstrengung der Matrosen das eindringende Wasser nicht mehr auszuschöpfen vermochte und es versinken wollte, an die Küste der kleinen Insel Man. Durch diesen Zufall wurden wir gerettet. Die abergläubischen Bewohner dieses Eilands nannten unsere Rettung ein Wunder und schrieben sie einstimmig – sonderbar genug – mir zu. Die Insel Man führt nämlich einen Adler, der ein Wickelkind in den Krallen hält, in ihrem Wappen und ein eingewundenes Kind ist ihr Wahrzeichen und ihnen deshalb heilig. Da ich nun um Mitternacht unter Sturmbrüllen gleichsam von der Hand Gottes an ihre Ufer geschleudert worden war, so hielten sie diesen Umstand für ein höheres Zeichen und kamen Tags darauf in Menge, mich als ihren König zu begrüßen und meiner Mutter Anerbietungen der seltsamsten Art zu machen. Sie war klug genug, die Nichtigkeit derselben einzusehen, und reiste mit mir, sobald das Schiff wieder in brauchbaren Zustand gesetzt war, mit vielen Geschenken und noch weit mehr Segenswünsche der Einwohner überhäuft nach Irland. Hier fand sie alles in der größten Verwirrung. Die königliche Partei war geschlagen, das Heer des Königs Jakob verjagt. Er selbst hatte den Kopf verloren und war ohne triftige Gründe aus seinen Staaten nach Frankreich geflohen. Seine Getreuesten waren ihm nach St. Germain unter dem Schutz Ludwigs XVI. gefolgt; unter ihnen mein Vater. Trostlos und verzweifelt musste meine Mutter mit mir nach England zurückkehren. Sie hat ihren Gatten nie wieder gesehen, denn sein Name war mit unter den Geächteten und Verbannten, deren Urteil der Oranier aussprach, als er die seinem Schwiegervater gestohlene englische Krone auf sein Haupt gesetzt hatte. Obgleich meine Mutter oft dem Mangel ausgesetzt war, so wurde ich doch gut und standesmäßig erzogen, fleißig unterrichtet und zu allen ritterlichen Übungen angehalten. Man kann sich denken, dass ich das Herzblatt meiner unglücklichen Mutter war, und es ist deshalb ebenso natürlich, dass ich als einziges Kind und ohne Leitung meines Vaters verzogen wurde. Die größte Lust zum Seewesen musste mir angeboren sein, aber meine Mutter hatte kein Gefallen daran. Ihren Wünschen nach sollte ich mich dem Studium irgendeiner Wissenschaft widmen. Zu diesem Zweck trennte sie sich von mir und gab mich zu einem Doktor Chesinghall, Priester zu Barking in Essex. Bei diesem rechtschaffenen Mann, dessen Andenken mir immer teuer sein wird, blieb ich einige Jahre und lernte fleißig, was er mir aufgab. Hierauf brachte er mich mit väterlicher Vorsorge nach London auf die hohe Schule und mietete mich in das Haus eines seiner Verwandten, eines Weinschenks. Dort sollte ich nun recht studieren. Aber die Absichten meines guten Lehrers gingen schlecht in Erfüllung. Der Weinschenk zog mich, statt zu den Wissenschaften anzuhalten, wie ihm Doktor Chesinghall anbefohlen hatte, vielmehr von denselben ab und brauchte mich zu seinem Kellner. In diesem Haus ging es liederlich zu, und ich fand Geschmack an einem müßigen, unordentlichen Leben. Ich war damals 14 Jahre alt, und Gott weiß, welch ein Taugenichts aus mir geworden sein würde, wenn sich nicht plötzlich alles geändert hätte. Der Weinschenk machte nämlich bankrott und ging bei Nacht und Nebel von dannen. Kurze Zeit vorher fand ein Vorfall statt, der einen tiefen und bleibenden Eindruck auf mich machte, sodass ich mich jetzt kaum der Tränen enthalten kann, wenn ich daran denke. Es trat nämlich eines Tages ein schöner stattlicher Mann mit Anstand und Würde, obgleich in ärmlichen Kleidern in die Schenkstube und forderte eine Flasche Wein. Mich zog es wunderbar zu ihm hin. Ich konnte nicht unterlassen, ihn anzureden, er antwortete mir freundlich und so kamen wir bald ins Gespräch. Endlich fragte er mich nach meinem Namen, Geburtsort und Familienverhältnissen. Als ich ihm hierauf freimütig alles erzählte, bemerkte ich eine sonderbare Bewegung an ihm. Meine Zuneigung zu ihm wuchs mit jeder Minute. Als er ging, folgte ich ihm durch die Tür, um mit ihm allein zu sein. Nun fragte ich ihn zutraulich, ob es nicht möglich sei, dass ich stets um ihn sein könne. Ich erzählte ihm von der schlechten Wirtschaft in dem Weinhaus, von der Mittellosigkeit meiner Mutter, von meiner unbezwinglichen Lust zum Seewesen und dem Widerwillen meiner Mutter dagegen. Ich fragte ihn, ob er nicht wieder zur See gehe, und beschwor ihn, mich mitzunehmen und sollte es nur als sein Diener sein. Hierauf gab er mir das Versprechen, für die Verbesserung meiner Lage zu sorgen und zur Erreichung meiner Wünsche alles beizutragen, was in seinen Kräften stehe, und deshalb werde er den folgenden Tag wieder in unseren Weinschank kommen, um heimlich das Nähere mit mir zu besprechen.

Ich konnte die ganze Nacht nicht eine Minute schlafen. Mein Kopf ging mit den seltsamsten Plänen schwanger, und der Grundstein all meiner Luftschlösser war der fremde Mann. Er hielt Wort. Kaum aber war er ins Haus getreten, als er mich in ein Nebenzimmer zu sich rufen ließ, wo er mir unter vier Augen offenbarte, dass er mein Vater sei. Die Gefühle meines Herzens in diesem Augenblick dulden keine Beschreibung. Ich war unaussprechlich glücklich. Dem schon lange tot geglaubten Vater lag ich im Arm, sein Mund drückte den ersten Kuss der Liebe auf meine Stirn. Hierauf vertraute er mir an, dass er nur im tiefsten Inkognito in London lebe, und dass es sein Tod sein werde, wenn man ihn entdecke oder seinen wahren Namen erführe. Auch versprach er mir, er wolle, sobald seine Geschäfte in London abgemacht seien, mich mit nach Frankreich nehmen. Die Bitte, noch einmal meine Mutter zu sehen, schlug er mir ab, aus Besorgnis, dadurch verraten zu werden. Ich machte mich heimlich zur Abreise bereit. Aber denkt euch meinen Schrecken, als ich plötzlich den Tod meines Vaters erfuhr! Man hatte in ihm einen Spion des Königs Jakob vermutet und ihm Gift gegeben. So hatte ich nicht nur den Schmerz, meine Pläne vereitelt zu sehen, sondern auch einen gütigen, kaum gefundenen Vater zu beweinen. Bald darauf entkam der Weinschenk durch heimliche Flucht, auf welche er mir eine kleine Summe, die ich teils von meiner Mutter, teils von meinem Vater und Freunden allmählich zum Geschenk erhalten hatte, mitnahm. Ich war nun ohne Mittel und Hilfe und hatte zum Studieren keine Lust. Der Gedanke, als ein Taugenichts zu meiner Mutter zurückzukehren, war mir unerträglich. Meine alte Neigung spornte mich an, mir mit eigener Hand meine Lebensbahn zu brechen. Ich hörte, dass einige Schiffe ausgerüstet würden, in der spanischen See zu kreuzen, und wandte mich an einen Schiffskapitän, namens Simson Bourn, der oft unsere Weinstube besucht und mir Wohlwollen gezeigt hatte, mit der Bitte, mich au seinem Schiff, der Feuerbrand, als Kadett mitzunehmen. Bourn fügte sich meinen Wünschen, aber ich sollte ohne Sold dienen, und hatte doch kein Geld. An die Freunde meiner Mutter in London durfte ich mich nicht wenden. Ich wusste, dass sie sich alle meinem Vorhaben einmütig widersetzen und meiner Mutter Nachricht davon geben würden. Nun hatte sich mein Vater heimlich bei einem Uhrmacher und leidenschaftlichen Anhänger des Hauses Stuart in London aufgehalten und mich mit demselben bekannt gemacht. Dieser Bürger Namens Townsend hatte stets viel Gutes von meinem Vater genossen, und kurz vor seinem unglücklichen Ende hatte mir der Letztere gesagt, sobald ich Geld bedürfe, sollte ich mich nur an den Uhrmacher wenden. Auch wusste ich, dass Townsend mit meiner Mutter nicht in der geringsten Verbindung stand. Ich muss gestehen, es kostete mich Überwindung, mich an den Bürger zu wenden, denn mein Adelsstolz war erwacht, und die chimärischen Pläne meiner jugendlichen erhitzten Fantasie vermehrten denselben aufs Äußerste. Aber ich musste endlich in meiner Hilflosigkeit aus der Not eine Tugend machen und in einen sauren Apfel beißen, wollte ich nicht auf der Feuerbrand bleiben. Ich ging zu dem Uhrmacher und enthüllte ihm mein Begehr. Er zeigte sich sehr bereitwillig und streckte mir nicht nur die verlangte Summe vor, sondern gab mir auch eine Anweisung, die nicht unbeträchtlich war, auf einen Kaufmann in Lissabon. Wer war vergnügter als ich! Der Tag der Abreise war festgesetzt, und ich ging, um von dem gütigen Townsend Abschied zu nehmen. Da legte er mir ein schriftliches Dokument zur Unterschrift vor, worin ich mich zur Schuld bekannte. Townsend versprach mir darin, sich auch fernerhin meiner väterlich anzunehmen und mir zum Londoner Bürgerrecht zu verhelfen, sobald ich mich als in seinem Dienste stehend in die Stadtliste einschreiben lassen würde. Und hierzu erteilte ich ihm mit meiner Unterschrift die Vollmacht. Die Sache war mir unangenehm, aber was hätte mein freudevolles dankbares Herz nicht alles unterschrieben! Überdies war ich voll unbegrenzter Ruhmsucht. Die seltsamsten Hirngespinste meines Jünglingskopfs zeigten mir mich als Seekapitän, Schout-by-Nacht, Admiral. Ich wollte die Welt mit meinem Namen erfüllen, ich fühlte Kraft in mir, das Unmögliche zu leisten. Und was konnte es schaden, wenn ich Bürger von London war? Konnte ich nicht Lord-Mayor oder Oberpräsident und Admiral zugleich werden? Ferner hatte ich zu dem Uhrmacher ein grenzenloses Vertrauen und keine Ahnung von einer Falschheit. Ich unterschrieb also das Dokument und reiste nach einigen Tagen auf der Feuerbrand unter Kapitän Bourn ab.

Ich kam nach Portugal, und es gefiel mir in diesem herrlichen Land so gut, dass ich nichts sehnlicher wünschte, als lange dort verweilen zu können Doch sollte mein Wunsch für dieses Mal nicht in Erfüllung gehen. Das Linienschiff Feuerbrand wurde nach England zurückgerufen, um dort eine andere Bestimmung zu erhalten. Da ich einmal an dasselbe attachiert war und mich durch Fleiß und Tätigkeit so ausgezeichnet hatte, dass ich bereits den Sold eines Unterlieutenants erhielt, so musste ich mit nach England zurück. Mit den besten Zeugnissen aller meiner Oberen versehen, langte ich im Spätherbst wieder in London an und begab mich sogleich zum Großadmiral Schowel, an welchen ich bestens empfohlen war. Dieser Herr nahm mich gütig auf und versicherte mich seines Wohlwollens. Hierauf verfügte ich mich zu meinem Uhrmacher. Sein kalter Empfang stand mir nicht an, und es beleidigte mich, als er mich fragte, ob ich ihm auch meine Schuld abtragen werde. Ich lief sogleich fort, ihm das Geld zu holen. Als ich es ihm auf den Tisch gezählt hatte, sagte er, dem sei nicht genug, ich sei laut des unterschriebenen Kontrakts sein Diener und müsste als Uhrmacherlehrling bei ihm eintreten. Man kann sich mein Erstaunen denken! Aber dieser falsche Mann machte mir im Ernst böse Händel, und nur durch die Güte des Großadmirals Schowel wurde ich aus seinen Klauen befreit. Danach stattete ich meiner Mutter einen Besuch ab. Sie war zwar sehr ungehalten über mich gewesen, aber die Mutterliebe überwog doch bald den Unwillen gegen mich, und meine erhaltene Auszeichnung und hochfahrenden Pläne, deren Mitteilung mir und ihr Vergnügen bereitete, söhnten sie nicht nur wieder mit mir aus, sondern nahmen sie von Neuem für mich und meine Talente ein. Übrigens lebte sie in dürftigen Umständen. Später hat sie einen bejahrten Edelmann geheiratet, dessen Pflegerin sie wurde und der ihr mit seinen Reichtümern einen, ihr früher unbekannten Überfluss bereitete. Ich schied nach einigen Wochen von ihr und habe sie nicht wiedergesehen. Es sind nun zwölf Jahre. Meine späteren Schicksale verboten mir einen Besuch bei ihr, und so weiß ich nicht, ob sie noch lebt. Doch darf ich das Letztere ihrer rüstigen Gesundheit und ihrem Alter nach, welches jetzt 48 Jahre sein wird, wohl annehmen. Ich sehne mich wohl nach ihr, aber ich sehe nicht die Möglichkeit ein, sie jemals wiederzusehen, und so habe ich ihr denn in meinem Herzen den Altar kindlicher Liebe und Dankbarkeit erbaut, an welchem ich ihrem Andenken täglich das Opfer schöner Erinnerungen darbringe.«