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15 neue Fragen an …

… Rona Walter und ihr Alter Ego Rupert Dance

Rona Walter ist Schottin mit deutsch-italienischen Wurzeln. Nach einer Tanzausbildung in Ballett besuchte sie eine hauswirtschaftliche Privatschule, machte danach eine Ausbildung zur Buchhändlerin. Da sie jedoch bald schon mehr Zeit zum Schreiben benötigte, arbeitete sie nur mehr nebenbei, u.a. als Callcenter-Agentin für diverse Verlage und als Barmaid in Irish Pubs.

Sie studierte English Literature: 19th Cent. & Romanticism in England und begann ihre Karriere als Romanautorin und Verfasserin zahlreicher Kurzgeschichten, Drehbuchautorin für interaktive Hörbuchserien und als freie Übersetzerin u.a. für Jonathan Green. Sie schrieb u.a. für The Dungeons, Imperial Krimitheater und University Players. Heute schreibt sie Drehbücher in UK und CA und dreht selbst Dokumentationen.

Ihre erste Novelle, der Bestatter-Roman Kaltgeschminkt wurde mit dem 2. Platz beim Vincent Preis als bester Horror/Fantasy-Roman 2012 ausgezeichnet. Rona Walter lebt zwar in Hamburg, reist für ihre Filme aber viel in der Welt umher.


1. Was bedeutet das Schreiben für dich?


Es ist einer der beiden Mittelpunkte meines Lebens, seit ich vor fast sieben Jahren meinen 09-to-05-Job als leitende Buchhändlerin an den Nagel hängte. Schreiben, Netzwerken und Recherchieren füllen meine Tage, fast immer weit über die klassische 8-Stunden-Grenze. Es ist Ventil für mich und ich liebe es, meinen Figuren und Welten Leben einzuhauchen und sie mit meinen Lesern zu teilen. Das Schreiben ist auch eine Möglichkeit für mich zu sein, wie ich gerade möchte. Ganz ausgezeichnet für eine wankelmütige Person wie mich.


2. Welche drei Bücher, die du gelesen hast, haben dir bisher am besten gefallen?


Ich bin ein großer Fan von Susan Hill, ihr Buch The Small Hand gehört für mich zu einem Kunstwerk, dann der Roman meines Drehbuchkollegen Graham Moore The Sherlockian, und auf jeden Fall Diane Setterfield’s The 13th Tale.


3. Welches war deine erste, professionell veröffentlichte Arbeit?


Das war mein Bestatter-Roman Kaltgeschminkt. Im Jahr 2009 verlegt vom Luzifer Verlag. Er erhielt 2012 den VincentPreis als 2. Bester Fantasyroman national. Seitdem schreibe ich unter anderem für UBverlag, Amrún, Feder&Schwert, MSM, P&B in UK und Bastei Lübbe.


4. Welches Buch oder welche Geschichte von dir würdest du mir zum Lesen empfehlen und warum?


Das wäre auf jeden Fall mein noch dieses Jahr erscheinender Roman Cold Hands Inc., der im Juni/Juli erscheint. Oberflächlich ist es eine schottische Ghoststory, die sich viel mit der Folklore meiner Heimatinsel, der Isle of Skye, befasst.  Kratzt man aber ein wenig an dieser schaurigen Fassade, entdeckt man einen äußerst gesellschaftskritischen Roman mit viel britischem Sarkasmus. In UK und Kanada wird er unter dem Titel The Human Dress publiziert. Ebenfalls noch dieses Jahr.


5. Unter welchen Umständen würdest du das Schreiben mit einem anderen Beruf oder Hobby tauschen?


Hier muss ich sagen, dass Schreiben für mich keinesfalls ein Hobby ist, dafür verwende ich zu viel Zeit und Arbeit für meine Romane. Wenn ich allerdings wieder eine feste Anstellung als Filmemacherin angeboten bekäme, würde ich das sofort machen. Meine Passion liegt ja beim Filme schreiben und machen, für viele Jahre drehte ich Music Videos, Imagefilme, Teaser und Dokus. Im August geht es aber wieder zum Drehen nach Essex.


6. Welcher Autor hat dich am meisten beeinflusst?


Das war Susan Hill mit ihrem eleganten Stil, den ich gern als »eerie & enchanting« bezeichne. Sie war meine leitende Hand, als es an meinen ersten selbstgeschriebenen Roman Gläsern – Eine Scary Tale vor beinahe 12 Jahren ging.


7. In welchem anderen Genre würdest du dich gern ausprobieren?


Nachdem ich ja mit Horror und Schauergeschichte anfing, arbeitete ich kürzlich mit meiner Kollegin Kristina Lohfeldt an einer Märchenanthologie, die sich mit psychologischen Märchen-Neu-Interpretationen befasste. Dieses Buch, Blaue Feen &Weiße Königinnen – Die Essenz der Märchen, war eine unglaublich schöne Erfahrung, da wir uns von unseren altbekannten Genres meist fortbewegen. Hier geht es lustig zu, es wird zum Nachdenken  angeregt, und vielleicht weint man auch mal die eine oder andere Träne. Das nächste Projekt in 2016 wird aber wohl wieder ganz anders. Geplant ist ein viktorianischer Krimi mit Humorelementen, allerdings nur in Englisch.


8. Hörst du beim Schreiben Musik und wenn ja, welche?


Leidenschaftlich gern sogar. Dabei ist nur wichtig, dass keine Texte gesungen werden, die einen ablenken. Also höre ich Soundtracks, die laufen auch wunderbar unterbewusst mit und begleiten einen wie die Geschichte selbst. Meine Favoriten hier sind die Soundtracks von John Newton Howard, wie Lady in the Water und The Village und Maleficent, Harry Gregson-Williams’ Narnia, Henry Jackman und Period Drama Musik von der BBC. Bei Ludevico Einaudi wird’s dann aber schon schwer, nicht eher zu schwelgen als zu schreiben.


9. Welche Story von dir könntest du dir auch als Film am besten vorstellen und wer sollte die Hauptrolle darin spielen?


Ich hatte mich damals mit einem selbstgedrehten Filmtrailer für Gläsern bei einem Märchen-Wettbewerb in den USA beworben, war aber leider zu düster für Regisseur Rupert Sanders. Seit Anfang des Jahres arbeite ich nebenbei an dem englischen Episoden-Scripts für The Human Dress (Cold Hands Inc. in Deutschland), der bereits Interesse bei einem Jungproduzenten weckte. Aber darüber rede ich erst, wenn es auf dem Bildschirm direkt vor meiner Nase läuft. Die Bestatter waren ja auch schon auf der Bühne zu sehen, damals im Imperial Theater, wo sie auch sehr gut beim Publikum ankamen. Inszenierbar ist es also schon mal, gilt ja nicht für alle Stories.


10. Was inspiriert dich?


Dinge, die ich sehe und höre, wenn ich mal durch den Park gehe oder im Pub bin, auch schon mal Begebenheiten aus meinem Leben oder gar Stimmungen. Für mein letztes Drehbuch habe ich mich sogar von einem Trend zum Schreiben bringen lassen.


11. Schreibblockaden gehören oft zum Alltag eines Autors. Wie gehst du damit um?


Oh, da kann ich gerade stolz behaupten, dass ich die meine vor wenigen Wochen erst erfolgreich überwunden habe. Manchmal geht gar nichts, und man denkt sich, ob man sich vielleicht »leergeschrieben« hat. Ich bekam damals einen Tip von meinem Drehbuch-Editor, Yvonne Grace aus UK, die mir gleich eine ganze Liste an Do’s & Dont’s schickte. Zuerst einmal bin ich dann mit meinem Mädels nach Wales in der Urlaub gefahren. Manchmal ist eine kleine Pause alles, was man braucht. Oft zwinge ich mich aber zum Schreiben – vor allem Dinge, die mal nur für mich sind und nicht zum Publizieren gedacht. Das hilft.


12. Welchen guten Rat hast du für junge Autoren/ Hobbyautoren?


Nun, gerade hatte ich eine Erfahrung mit einer Jungautorin, deren Plot und gar ganze Sätze gar unheimlich meinem Gläsern glichen. Rat #1 ist auf jeden Fall, sich zwar inspirieren zu lassen, dennoch aber seine eigene Stimme zu finden. Keine Story ist einmalig, aber die eigene Version zählt. Ein gutes Konzept ist wichtig, ein strikter Plot, interessante Charaktere, die man leiden lassen kann und auch muss. Walt Disney sagte »Dream Big«, Joss Whedon meinte »Be Weird«. Ob das in Deutschland funktioniert, ist fraglich, denn hier habe ich deutlich mehr zu kämpfen mit Ghoststory und Scary Tale als in UK, es kommt eben ganz auf die Leserschaft in den jeweiligen Ländern an. UK experimentiert mehr, wagt sich mehr an Neues, wohingegen Deutschland in vielen Fällen lieber mit Altbewährtem geht. Sei also einfach du selbst und wähle deinen Markt. Dank Selfpublishing ist man ja viel freier.


13. Lesungen gehören zur Tätigkeit des Autors. Wie bereitest du dich darauf vor und was bedeuten sie dir persönlich?


In den Jahren von 2011 bis 2013 hielt ich ja viele Lesungen, von Lesecafés zum Dungeon, in Burgen und Fledermaushöhlen, Theatern und auf Cons, Buchmessen und Absitherien. Darauf bereite ich mich eher mental vor, lese die Texte nochmals durch, da ich zweifellos besser schreibe als spreche. Wähle mein Outfit je nach Ort und Publikum, kontaktiere eventuelle Begleitung wie Musik oder Künstler, um sich abzusprechen, wähle Interaktionen wie flatternde Feen und Henkersstühle, die den Zuhörer zurückfallen lassen nach der Lesung usw. Meist mache ich doch interaktive Lesungen und Vorträge, Anschauungsmaterial ist wichtig. So auch auf der RPC, auf der ich einen Vortrag zum Thema »Horrorliteratur von ihren Ursprüngen bis heute« hielt. Kürzlich habe ich eine Onlinelesung gehalten, die man sich auf meiner Homepage rona-walter.jimdo.com unter dem Link watch anhören kann. Zukünftig halte ich kaum noch Lesungen, da ich mehr filmen möchte, es wird aber auf jeden Fall die ein oder andere gehalten. Persönlich liebe ich Lesungen, auch wenn ich immer sehr aufgeregt bin. Ich sehe mir gern die Gesichter an, wenn die Zuhörer einem gebannt folgen. Gelangweilte oder gar unzufriedene Leute im Publikum hatte ich zum Glück nur ein Mal. Dennoch verdient man damit wenig, und nach ein paar Jahren fallen doch mehr Fahrtkosten an als man mit lokalen Buchverkäufen verdient, zum Glück habe ich überall Freunde, bei denen ich Couch-hopping machen kann. Dennoch ist man ja nicht nur aus reiner Liebe zur Unterhaltung der Leserschaft Autor, Leistungen wollen bezahlt werden, die wiederum die Rechnungen bezahlen. Daher wohl nur mehr ordentlich bezahlte Events von nun an. Das funktioniert ja ganz gut.


14. Wie recherchierst du für einen neuen Roman/ eine neue Story?


Zuerst einmal stelle ich mir selbst die Frage: »Was fehlt den Lesern/Zuschauern, wenn sie in meiner Schreibtischschublade bleibt? Muss diese Geschichte erzählt werden?« Kann ich diese Frage mit einem klaren »ja« beantworten, entscheide ich, ob es ein Script oder lieber ein Buch wird. Dann suche ich mir aus meinen Büchern passende Information zusammen (Quellenangaben im Buch/Film nicht vergessen!), google, was ich nicht finden kann – innerlich bin ich eine 180 Jahre alte Granny, die lieber nachschlägt, als gleich zum Internet zu greifen. Cold Hands habe ich mit dem Wissen aus meiner Kindheit geschrieben, da ich mit Celtic Lore, keltischer Folklore,  aufgewachsen bin. Oft mache ich Termine zum Tee mit Ratgebern aus. Im Falle von Cold Hands waren da Bestatter, für Gläsern und Blaue Feen & Weiße Königinnen habe ich hingegen viele Psychologiebücher gelesen, die sich mit Märchen beschäftigen, und Verfilmungen geguckt. Zum Schluss trage ich zusammen, was ich habe, entscheide, was dem Leser/Zuschauer nutzt, was nicht Teil der Story sein muss, was Randerzählung ist, was ein nette Gimmick. Wichtig ist aber, dass diese Informationen lediglich in den Text einfließen. Die Story selbst und die Idee muss eine Rona-Story sein, sonst geht’s nicht.


15. Woran arbeitest du derzeit?


Derzeit sitze ich am Drehbuch für meine neue Doku. Nebenbei bespreche ich mit Studenten der Grafikdesign-Universitäten meine neuen Buchcover für Cold Hands und The Bloody Groom, die dann 2015 und 2016 erscheinen. Im Herbst geht’s dann ans Script für The Human Dress, das muss ja auch mal fertig werden, und eine TV-Serie zu schreiben macht irrsinnig viel Spaß.

Foto: © Richard Ohme mit freundlicher Genehmigung der Autorin