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Farmer und Goldsucher – Kapitel 4

Farmer und Goldsucher
Abenteuer und Erlebnisse eines jungen Auswanderers in Virginia und Kalifornien

Kapitel 4

Als ich mich zur Farm von Townships Freunden aufmachte, fühlte ich die tiefe Trauer, die mich seit einigen Tagen gefesselt hielt, nach und nach verschwinden. Ich begann das Los jener auswandernden Familien zu beneiden, welche so mutig unter der Führung ihres Familienoberhauptes die Unannehmlichkeiten und Gefahren einer so großen Reise auf sich nahmen. Warum, sagte ich zu mir, warum sollte ich in dieser Einöde für immer bleiben? Warum sollte ich nicht auch die Freuden eines Wanderlebens genießen? Kaum angekommen in einer Welt, welche der menschlichen Tätigkeit so verschiedene Möglichkeiten bot, sollte ich meine Kräfte an die Urbarmachung einiger unkultivierter Äcker verschwenden? War denn der Augenblick schon da, meine Hoffnungen aufzugeben und meine Aussichten zu begrenzen? Das Verlangen, die Familie des Squatters wiederzusehen, rief das Bedürfnis einer abenteuerlichen Tätigkeit in mir wach, die mich ganz einnahm, aber die Projekte, welche ich auf meinem Wege machte, hatten auch ihre ernsten Seiten, und Gründe genug stellten sich ein, die Notwendigkeit einer Reise nach Kalifornien sorgfältig zu erwägen.

Der Aufenthalt bei Townships Freunden trug dazu bei, mich in meinen Plänen noch mehr zu bestärken. Der Farmer riet mir, mich mit allen möglichen Mitteln vor den Qualen zu bewahren, welche Müßiggang und Einsamkeit hervorzurufen streben. Ich hatte die Wahl zwischen zwei Vorschlägen, entweder Arbeiter um mich zu scharen und die Urbarmachung von Red Maple unverzüglich zu vollenden, oder nach Kalifornien zu reisen, um dann nach meiner Rückkehr mein Eigentum mit meinen Reichtümern und mit mehr Erfahrung als jetzt zu bebauen. Auf jeden Fall musste ich, als ich meinen Nachbar verließ, mich auf Weg nach Guyandotte machen. Das war der einzige Ort, woher ich Arbeiter und die zur Kultivierung notwendigen Werkzeuge erhalten, und wo ich auch Auskunft über die sicherste und bequemste Reisegelegenheit nach Kalifornien erlangen konnte. Ich wanderte also nach Guyandotte, aber ich war kaum dort angelangt, als ich auch die Überzeugung gewann, dass ich die Urbarmachung meiner Wälder aufgeben musste. Wo sollte ich Arbeiter für meine Zwecke herbekommen, da die Nachrichten aus Kalifornien hier und in ganz Amerika die Bevölkerung bis zu einer Art Raserei aufgebracht hatten? An allen Ecken und Mauern glänzten auf großen Plakaten mit riesengroßen Lettern die Worte Kalifornien und Goldsucher. Tausende Neugierige drängten sich darum, um alles genau lesen zu können. Ich folgte dem Beispiel der Menge und mischte mich unter die Scharen, welche diese Plakate gierig verschlangen und überschwänglich auslegten. Der Anblick dieses bewegten und lärmenden Haufens war für einen Fremden nicht ohne Reiz. Ich fand hier dasselbe bunte Gemisch von Auswanderern und Abenteurern aller Länder, das ich bereits während meiner Fahrt auf dem Dampfer mit so vielem Wohlwollen betrachtet hatte. Neugierig lauschte ich den Gesprächen in den verschiedenen Gruppen, als ich plötzlich einen leichten Handschlag auf meiner Schulter spürte. Ich wandte mich um und war erstaunt, den Schriftsteller von der Fahrt nach Guyandotte wiederzusehen. Der Leser wird sich noch erinnern, dass dieser sonderbare Mensch den Dampfer verlassen hatte und mit einer Sorglosigkeit mitten in die wilden Wälder gewandert war, mit einer Sorglosigkeit sage ich, welche für mich in meiner traurigen und zweifelhaften Lage einen Anflug von wirklichem Heldenmut hatte. Es schien Bestimmung für mich zu sein, jedes Mal, wenn mein Gemüt traurig und meine Entschlüsse schwankend waren, an dem Beispiel anderer mich wieder aufrichten zu können. Ich erwiderte diese Begrüßung durch einen herzhaften Handschlag in die dargebotene Rechte meines fröhlichen Gefährten.

»Ich habe Unglück in diesem verdammten Land«, hob er an, ohne mich zu einer Frage kommen zu lassen, »denn anstatt zehn Acre guten Landes hatte ich am Ufer des Ohio leider nur eine mächtige, von undurchdringlichen Waldungen eingeschlossene Strecke Torfland erkauft. Ich gab es auf, meine Kräfte an einen so traurigen Ort zu verschwenden, und mit dem nächsten Schiff, das nach St. Louis segelt, werde ich mein Glück mit den Resten meiner bescheidenen Habe von Neuem versuchen.«

Ich erzählte ihm darauf meine Erlebnisse, und er fand darin den trefflichsten Stoff zu einer Erzählung, die er mir einst zu schreiben versprach.

»Wir brauchen nur noch einen Schluss dazu«, sagte er heiter zu mir, »und den werden wir in Kalifornien finden.«

Man konnte meine geheimsten Gedanken nicht treffender ausdrücken, und ich lud meinen Freund ein, mich morgen auf dem Verdeck des Dampfers aufzusuchen, welcher uns nach St. Louis bringen sollte, ohne die Verpflichtung zu übernehmen, mich an jeder beliebigen Expedition in Richtung Westen zu beteiligen. Um nach St. Louis zu gelangen, mussten wir den Ohio bis zu seiner Einmündung in den Mississippi hinab, gerade bis zu dem Punkt, wo die Stadt lag. Unsere Fahrt bot nicht das geringste Interesse dar. Ich hatte vom zurückgebliebenen Squatter gehört, dass Township mit seiner Familie ein gewöhnliches Fahrzeug bestiegen hatte, welches nur dem Lauf eines amerikanischen Flusses folge. Angekommen also bei dem Zusammenfluss des Ohio und Mississippi musste er aller Wahrscheinlichkeit nach am Ufer des Letzteren aussteigen, um zu Fuß den Sammelplatz der kalifornischen Karavanen zu erreichen. Und dieser Sammelplatz war einzig und allein St. Louis. Dort hatte ich also Aussicht, Township und seine Familie wiederzufinden, und ich hoffte, dass wir, begünstigt durch die rasche Fahrt unseres Dampfers, noch Zeit genug beim Tross einträfen, mit welchem er die Reise unternehmen würde.

Im Zentrum fruchtbarer Täler gelegen und durchflossen vom Missouri, Illinois und Mississippi hatte St. Louis, eine Stadt französischen Ursprungs, bereits viel von der malerischen Originalität ihres früheren Anblicks verloren. Das Treiben, welches die Straßen belebt, ist wie bei allen großen amerikanischen Städten, ein rein industrielles, aber zur Zeit unserer Durchreise hatte es seine Lebhaftigkeit bereits verloren. Die Hälfte der Bevölkerung bereitete sich zur Auswanderung vor, der Handel stockte, die Läden waren größtenteils geschlossen und die Magazine leer. Die Hafen- und Zimmerhofsarbeiter hatten ihr Tagewerk verlassen. Es fehlte an Kräften, die Blei- und Kohlenminen auszubeuten, und die Geschäftswelt selbst hing außerhalb des Bereiches ihrer gewöhnlichen Spekulationen nur den Gedanken an kalifornische Expeditionen nach. Es schien fast, als ob St. Louis in diesem Augenblick durch die massenhafte Auswanderung seiner Einwohner die Früchte eines fünfzigjährigen günstigen Zeitraumes einbüßen sollte.

Das rege Treiben war aus den Straßen verschwunden; desto lebhafter war es dagegen außerhalb der Stadt, da sich auf allen Wegen, welche die Auswanderer passieren mussten, zahllose Feldlager erhoben hatten. Es waren hier viele kleine bewaffnete Gruppierungen zu finden, welche sich zu einer einzigen mächtigen Kolonne vereinigten. Weniger zahlreiche Karavanen konnten in der Tat die ungeheuren Wüsten, welche St. Louis von New Mexico trennten, nicht ohne Gefahr durchwandern. Der Tross, dem wir uns anzuschließen gedachten, war nicht so stark, wie diejenigen, welche regelmäßig die Reisen nach der mexikanischen Grenze unternahmen. Er enthielt aber in seinen Bestandteilen die verschiedenartigsten Elemente, jedes Handwerk, jedes Geschäft war wenigstens durch einen Mann vertreten. Der Romandichter, der stets mein unzertrennlicher Reisegefährte zu werden schien, war mit dem größten Teil dieser Abenteurer durch ein mehrmonatliches Zusammenleben schon bekannt. Er betrieb die Vorbereitungen zu unserer Reise mit lobenswertem Eifer. Durch ihn gelangten wir in den Besitz eines kleinen bedeckten Wagens, zweier kräftiger Maultiere, zweier tüchtiger Sattelpferde, eines tragbaren Zeltes, einiger gepökelter Nahrungsmittel, zweier Bärenfelle und Decken. Er hatte wie ein kluger und treuer Diener so für uns gesorgt, dass wir nur noch abzureisen brauchten. Leider aber war unsere übrige Reisegesellschaft weniger rasch mit ihrer Ausrüstung zu Werke gegangen, sodass erst nach acht Tagen das Signal zum Aufbruch gegeben werden konnte. Ich suchte vergeblich nach dem Squatter und seiner Familie. Niemand kannte ihn, niemand hatte seinen Namen gehört. Alles, was ich erfahren konnte, bestand darin, dass zwei oder drei Wagen mit Auswanderern drei Tage zuvor nach Südwest in Richtung Santa Fe abgereist wären. Hatte nicht der kühne Squatter für sich und seine Familie einen Weg eingeschlagen, welcher mit seinem unerschrockenen Charakter aufs Genaueste harmonierte? Ich zitterte, dass diese Vermutung begründet sei, und nahm mir vor, nichts unversucht zu lassen, um die bereits erhaltenen Nachrichten zu vervollständigen. Endlich brach der so ungeduldig erwartete Tag an: Eine lange Reihe von Wagen entfaltete sich langsam mitten unter der unvermeidlichen Verwirrung erster Versuche. Stiere, welche noch nie das Joch getragen hatten, warfen brüllend die Wagen um, welche sie ziehen sollten. Die Wagenlenker mussten jeden Augenblick anhalten, um ihr in Unordnung gebrachtes Fuhrwerk wieder instand zu setzen. Die Fußgänger allein, Axt und Büchse auf der Schulter, marschierten raschen und festen Schrittes einher. Aufbruchsignale, Rufe, Beteuerungen und Schwüre in allen Sprachen erschollen vom Anfang bis zum Ende des ungeheuren Trosses. Nach und nach jedoch rückten wir vor, verloren bald die Türme von St. Louis aus den Augen, und als die Sonne sank, fiel unser Blick auf nichts mehr als auf riesengroße Wiesenflächen.

Niemals werde ich den wahrhaft merkwürdigen Anblick vergessen, den unser erstes Lager nach dem Einbruch der Nacht darbot. Der Schein der in einem Kreis angezündeten Feuer erhellte ein sonderbares Gemisch von Menschen, Wagen, Tieren, bunter Kleidung, zusammengestellten Waffen und langen Reihen an den Sträuchern aufgehängter Pulverhörner und Jagdtaschen. Rauchsäulen stiegen aus den auf allen Punkten knisternden Flammen empor, an denen aufgespießte Fleischstücke geröstet wurden. In den verschiedenartigsten Zelten, unter den Wagendecken erschienen und verschwanden die sonderbarsten Gestalten, bald von den Strahlen des Feuers erhellt, bald in dem Dunkel der Schatten vergraben. Eine Gruppe von Jägern, die sich sitzend und liegend um ein Feuer gruppiert hatte, zog meine Aufmerksamkeit am meisten auf sich. Lustige Weisen französischer oder englischer Lieder ertönten hier und da, untermischt mit dem Klagegesang eines Methodisten. Etwas weiter entfernt scharrten sich aufmerksame Zuhörer um ergraute Veteranen aus der Prärie, welche die unentbehrlichen Büchsen zwischen den Beinen haltend, ihre Jagd- oder Kriegsabenteuer erzählten. Mit dem Vorrücken der Nacht erloschen die Feuer, die Gespräche verstummten, und bald wachte niemand mehr im Lager, als die mit Gewehr im Arm auf- und abgehenden Wachen, welche für die Sicherheit der Schlafenden Sorge zu tragen hatten.

Ein grauer Lichtstreifen zuckte am Horizont auf und erhellte matt das ruhende Lager, als bereits die Fanfaren zum Aufbruch erschollen. Die Patrouillen stellten ihre nächtlichen Wanderungen ein, eine plötzliche Bewegung zeigte sich unter den vom Tau feuchten Zelten und Lagerdecken, die Pferde wurden von ihren Fesseln befreit, und die Feuerbrände zur Hälfte bereits verglüht, erloschen vollständig im feuchten Gras. Darauf wurden die Zelte abgebrochen, die Wagen angeschirrt, das Frühstück in Eile eingenommen, das Horn mahnte zum Abmarsch und der mächtig lange Tross setzte seinen Weg durch die Prärie fort.

Mitten durch die hohen Sträucher und Gebüsche bildete die Karawane eine wellenförmige Linie, einer Schlange gleich sich durch die Präriegräser windend. Vom Kopf bis zum Ende dieses mindestens hundertmal unterbrochenen Zuges erscholl von Zeit zu Zeit das Zeichen zum Zusammenhalt und klang in lang gezogenen Tönen wieder.

Eine Reihe von Tagen folgte nun aufeinander, während welcher die Karawane unter allen erdenklichen Hindernissen und allen unausbleiblichen Meinungsverschiedenheiten einer Reise auf angebahnten Wegen abwechselnd dürre, mit versengten Kräutern bedeckte Ebenen oder grünende Wiesenflächen durchzog, deren üppig wuchernde Vegetation durch zahlreiche Bäche hervorgebracht war.

Bald hemmte ein zwischen steilen Ufern eingezwängter Fluss den Zug der Wagen, bald war es das ausgetrocknete Bett eines Regenbaches, das mit Flugsand überstreut war, und in welches die Tiere bis an die Brust, die Wagen bis an die Achsen versanken.

Zwei ganze Tage lang sahen wir keinen einzigen Baum, nicht einmal einen Strauch, dagegen passierten wir auch tagelang wieder düstere Wälder, deren verschlungene Wege von wilden, aus dem Boden hinrankenden Weinreben ganz bedeckt waren. Oft führte uns unser Weg an den Ufern eines Sees hin, dessen unbewegliche Oberfläche halb verborgen unter einer glänzenden Decke von Wasserblumen lag. Menschenspuren zeigten sich überall in diesen Wäldern neben den Fährten wilder Tiere. Die Fuß- und Fahrwege für Menschen und Wagen kreuzten sich mit denen von Hirschen und Ebern gebrochenen. An dem knorrigen Stamm einer Eiche, in welcher die Axt eines Pioniers tiefe Einschnitte gehauen hatte, fand man die Spuren mächtiger Bärentatzen. Auf diese Wälder folgten wiederholt Ebenen ohne Ende, ohne Leben, eintönig und unabsehbar sich ausbreitend über die trübe Sanddecke, einem stillen Ozean gleich mit unbeweglichen Wogen, über denen der Pelikan und Geier lautlos schweben, und auf welchem der Wind selbst keine Welle kräuselt.

Wir näherten uns dem Gebiet der Indianer. Die gebräuchlichen Vorsichtsmaßregeln während unserer Nachtruhe wurden verdoppelt und die Vorhut auf dem Marsch bildete unsere ganze bewaffnete Mannschaft. Mein Gefährte und ich machten uns oft das Vergnügen, uns dieser Abteilung anzuschließen.

Unter diesem verwegenen Korps war ein Kanadier, dessen Gesellschaft wir am liebsten suchten. Ever quiet war sein Kriegsname, dem er seinem persönlichen Mut zu verdanken hatte, denn man hatte ihn auch in den größten Gefahren nie unruhig werden sehen.

Furchtlos, so nannten wir ihn der Kürze halber, war ein Mensch von riesiger Figur, aber lang und dürr wie eine Lanze. Seine nervigen Beine glichen an Zartheit den Läufen eines Hirsches, hielt indessen ohne Anstrengung gleichen Schritt mit unseren Pferden. Eine Bluse aus graubraunen Hirschfellen, lederne Hosen mit Gamaschen, welche er weder Tag noch Nacht ablegte, und eine alte Soldatenmütze bildeten seine unabänderliche Bekleidung. Trotz seiner fünfzig Jahre und seiner grauen Haare hatten seine schwarzen Augen nichts von ihrem jugendlichen Feuer verloren. Sein Leben verlief in Expeditionen von St. Louis nach Santa Fe und von da wieder zurück. Seine Erzählungen von Bärenjagden und gefahrvollen Begebenheiten waren ganz vortrefflich. Mithilfe seiner größtenteils interessanten Erlebnisse, deren Held er fast immer war, vertrieb er uns die Langeweile auf dem Marsch und gewährte uns lebhaftes Interesse, Episoden seines an Abenteuern so reichen Lebens anzuhören.

Ich fand an Furchtlos so viel Gefallen, dass ich mir vornahm, ihn als Diener einzustellen und so zur Mitreise nach Kalifornien zu bewegen, obwohl seine vollkommene Kenntnis der spanischen Sprache, seine fast untrügliche Scharfsichtigkeit, seine Tapferkeit und Geschicklichkeit ihm allerdings auf mehr, als auf den Namen eines Dieners Anspruch gaben. Eines Morgens, als wir wie gewöhnlich an seiner Seite ritten, sah ich, wie er unverwandten Blickes auf unserem Weg sich zeigende Spuren betrachtete. Ich fragte ihn, welches Interesse er an diesen kaum bemerkbaren Spuren nehmen könne.

»Oh, ein ganz großes!«, erwiderte Furchtlos. »Schon seit mehreren Tagen bemerke ich an dem Gras sowie im Sand Radspuren zweier Wagen, welche uns kaum einige Tage voraus sein können, und ich suche die Zahl dieser tollkühnen Leute herauszufinden, welche sich so allein in dieses Jagdgebiet der Indianer gewagt haben. Ich schätze übrigens den Mut dieser Wackeren und es würde mich betrüben, wenn ihnen ein Unfall zuteilwerden würde. Bis hierher sind sie ohne Schwierigkeiten gelangt, und beim ersten Regen werde ich aus ihren Spuren noch Näheres angeben können.«

»Haltet Ihr sie denn hier für gefährdet?«, fragte ich besorgt.

»Es kommt darauf an. Ich für meine Person bräuchte nicht ängstlich zu sein, aber für jene bin ich nicht ohne Sorge. Wir befinden uns hier in einer Gegend, in welcher sich nicht selten weiße räuberische Horden mit indianischen vereinen, und von diesen Präriepiraten sind die Ersteren mehr zu fürchten als die Letzteren.«

Diese Auskunft war keine erfreuliche, und es kostete mich Überwindung, den Gedanken loszuwerden, dass sich in diesen beiden vermeintlichen Wagen Townships Familie befinde. Indessen wurde das Zeichen zum Haltmachen gegeben und das Lager aufgeschlagen. Die Strapazen des Tages überwältigten meine Besorgnisse und ich erwachte erst bei den ersten Tönen der zum Ausbruch mahnenden Hörner aus tiefem Schlaf.

Ein feiner durchdringender Regen überzog die Prärie mit einem dichten Schleier, den die Sonne nicht zerteilen konnte. Während eines ganzen Tagemarsches hing der Himmel, dessen Horizont rings mit dunklen Wolken bedeckt war, tief und düster über der Prärie. Raben flogen krächzend durch den Schleier dieser regnerischen Dünste, welche sich manchmal teilten, um in der Ferne einen Bison erkennen zu können, der seine feuchte Mähne schüttelte, oder einen Hirsch, der kurze Zeit später wieder im Nebel verschwand.

»Seher«, sagte der Kanadier, eingehüllt bis an die Augen in einen Überwurf von fahlem Leder, »das ist der sogenannte weiße Damhirsch der Prärie, von dem ich Euch erzählt habe. Er wird sich immer unserer Karawane zeigen, bis zu dem Augenblick, wo Joe, der Kentuckyer, ihn mit einer geweihten Kugel erlegt haben wird. Obgleich er, wie ich Euch schon gesagt habe, den Hirsch hat fallen sehen, so fand er an der betreffenden Stelle doch nur einen weißen, in Blut getauchten Stein. Joe hat Augen wie ein Lux und hat den Damhirsch an dem Punkt stürzen sehen, wo ihn seine Kugel getroffen hatte. Das ist eine merkwürdige Erscheinung, die er sich niemals hat erklären können.«

Zum großen Leidwesen meines Gefährten unterbrach ich den Jägersmann, um zu erfahren, ob er nun genauere Mitteilungen über die Spuren der uns vorausreisenden Auswanderer machen könne.

»Ohne Zweifel«, entgegnete er, »aber da der Regen, welcher uns jetzt ins Gesicht fällt, sie ziemlich weit von hier überrascht haben wird, so werde ich Euch Genaueres erst am dritten Tage, von heute an gerechnet, berichten können, denn ich vermute nach ihren Spuren, dass sie uns drei Tagemärsche voraus sind.«

Die Karawane konnte bei diesem Wetter nur die Hälfte einer Tagereise zurücklegen, aber da am anderen Morgen und in den folgenden Tagen die Sonne wie seit unserer Abreise strahlend wieder am Himmel erschienen war, so konnten wir mit nur einiger Anstrengung die verlorene Zeit wieder einholen. Wie es Furchtlos vorausgesagt hatte, fanden wir am Abend des dritten Tages die von dem Lager der uns voraus Reisenden gebliebenen Spuren, welche in dem feuchten Sand durch die glühenden Sonnenstrahlen ausgetrocknet waren.

»Die Auswanderer haben hier übernachtet«, hob Furchtlos an und schaute sich aufmerksam um. »Wie ich Euch schon sagte, sie sind uns drei Tagereisen voraus und heute ist ja auch erst der dritte Tag nach dem Regen. Hier ist kein ebener Weg, wo der Fuß des zweiten die Spuren des ersten Wanderers zerstört. Hier zieht jeder fast immer einen anderen Weg. – Nein, nein, diese Reisenden gehören nicht den Weststaaten an!«

»Wie viele sind es?«

Der Kanadier prüfte sorgsam die Fußstapfen. »Fünf, sechs, sieben, acht«, zählte er, »das heißt, es sind nur vier Männer, die Waffen tragen. Ohne Zweifel ein Vater mit drei Söhnen, außerdem drei kleinere Kinder und deren Mutter.«

Diese Andeutungen passten nicht auf Townships Familie, da der Squatter nur zwei statt drei Kinder im zarten Alter hatte. Meine eingebildete Angst schwand und ich war froh bei dem Gedanken, dass jene Familie nicht den Gefahren ausgesetzt war, welche die uns voraus Eilenden fast jeden Augenblick bedrohen konnten, als mich eine Bemerkung des Jägers in meine vorige Ungewissheit zurückversetzte.

»Gott verzeih mir meine Sünden«, rief er plötzlich sich heftig vor die Stirn schlagend aus, »ich werde mir in der nächsten Stadt eine Brille anschaffen müssen. Wie habe ich nur einen Augenblick den Fuß eines jungen Mädchens mit dem eines Kindes von zehn Jahren verwechseln können! Andere an meiner Stelle würden sich zwar auch haben täuschen lassen, denn ich habe niemals schönere und kleinere Fußspuren in der Prärie gefunden als diese.«

Bei diesen Worten näherte er sich einem Ahornbaum, dessen purpurfarbene Blüten nur einige Fuß über dem Erdboden hingen. Einige Blumensträucher standen, wie man das in den Weideflächen oft findet, um den Ahorn herum. Es waren wilder Mohn und Wiesentausendschönchen.

»Seht«, berichtete Furchtlos weiter, »das junge Mädchen ist zum Ahorn gelaufen. Die schönen roten Blüten werden sie angelockt haben, sie hat sich auf den Fußspitzen gestellt, um sie abzubrechen, sie hat auch einige dieser Tausendschönchen gepflückt, aber ihre Schritte entfernen sich vom Lager, und diese Spuren, wo der Absatz deutlicher hervortritt, und von welchen eine wie die andere ist, beweisen, dass das junge Mädchen wie im Traum ging, ohne Zweifel ihre Blumen entblätterte, um Aufschluss über irgendeine liebe Angelegenheit von ihnen zu begehren. Ja, ja, hier in der Wildnis, wie in den Städten hängen junge und schöne Mädchen am liebsten ihren träumerischen Geheimnissen nach. Glücklich sind die jungen Mädchen, wenn sie so schwärmen, glücklicher noch die, welche diese Schwärmereien hervorrufen.«

Der Kanadier, dessen ungemeine Scharfsichtigkeit von der Erde wie aus einem Buch die geheimsten Gedanken abwesender Personen entziffern konnte, hatte diese Worte mit einem melancholischen und weichen Ausdruck gesprochen, der mich selbst in Träumereien versetzte. Ich erinnerte mich lebhaft an die weiße Gestalt auf den Wiesen meiner Besitzung, des freundlichen Lächelns der jungen Virginierin und der auf den Weg gestreuten Blüten und Blumen. Ohne Zweifel war sie es, deren Fußspuren ich hier sah, denn der Ausspruch des Kanadiers schien mir absolut sicher.

Für unser Zelt wählte ich den Schatten dieses Ahornbaumes, von welchem sie, vielleicht an Red Maple zurückdenkend, die Blüten gepflückt hatte.

Die folgenden Tage hindurch erhielt ich jeden Abend durch die Scharfsinnigkeit des Kanadiers neue Aufschlüsse über den Squatter und seine Familie, welche keinen Zweifel mehr übrig ließen, dass wir den früheren Besitzer von Red Maple auf dem Fuße folgten. Jeden Augenblick fürchtete ich, die Nachricht von einem jener in diesen Wüsten so oft vorkommenden schrecklichen Unglücksfällen zu erhalten und tadelte dabei aufs Strengste die Unvorsichtigkeit eines Mannes, welcher sein Leben und das seiner Familie so frevelhaft und leichtsinnig aufs Spiel gesetzt hatte. Leider sollten sich meine Befürchtungen teilweise bestätigen. Seit einem Monat hatten wir St. Louis verlassen und waren nur noch zwei Tagemärsche vom Arkansas entfernt, welcher auf der Hälfte des Weges nach Santa Fe lag. Ausgerüstet und versehen mit allem zur Reise Erforderlichen, hätte ich und mein Gefährte mit leichter Mühe diese Wanderung in halb so viel Zeit zurücklegen können, und wir dachten auch ernstlich daran, nach unserer Ankunft in der Hauptstadt von New Mexiko etwas an Vorsprung zu gewinnen, als der kanadische Jäger, der auf meine Bitten immer die Spuren des Squatters beobachtete und verfolgte, verdrießlich den Kopf schüttelte. Er eilte voraus, um die von den Rädern des Wagens gezogenen Spuren mit anderen etwas Verschiedenen zu vergleichen. Als er zurückkam, sprachen sich Zweifel und Unruhe in seinen Zügen ganz deutlich aus.

»Diese Nacht wird eine von denen sein, die man nie vergisst«, sagte Furchtlos zu mir, »denn ich fürchte, der nächste Morgen wird uns durch fernere Anzeichen deutlich machen, dass man den Teufel nicht zu sehr herausfordern soll.«

»Was meint Ihr?«, schrie ich auf. »Welche ernstlichen Gefahren könnten die Reisenden bedroht haben?«

»Gefahren sehr gefährlicher Natur. Die Indianer haben diese Nacht das Lager aufgespürt, und es sind auch weiße Männer, mexikanische Banditen, darunter, welche eben so raubsüchtig wie die Indianer und noch weit gefährlicher als diese sind. Denn ihnen misstraut man nicht, man nimmt sie auf wie Brüder und in der ersten Nacht erwürgen sie einen dafür.«

Der Jäger hielt einen Augenblick inne, dann sprach er weiter: »Es fehlt nichts an den gefährlichen Anzeichen, nicht einmal die Fährten grauer Bären.«

Ich zitterte bei dem Gedanken, den Squatter von Gefahren bedroht zu sehen.

Ich wandte mich zu meinem Gefährten, als ob ich bei ihm dasselbe Interesse für Township und seine Familie voraussetzte. »Wollen wir diese Unglücklichen in Gefahr lassen, ohne ihnen zu helfen? Zwei bewaffnete Männer sind nicht zu verachten, und vielleicht kann unser plötzliches Auftauchen sie retten!«

Der wackere junge Mann schwankte keinen Augenblick, mir beizustimmen. Der Jäger fuhr sich mit einer verzweifelten Miene in die Haare. »Wahrhaftig«, begann er endlich, »dieser graue Bär reizt mich und hätte ich hier nicht den Posten eines bewaffneten Führers – doch ach was! Man begegnet nicht alle Tage einem so verführerischen Wild – und wahrhaftig, ohne mich würdet Ihr den Reisenden nicht helfen können.«

Ich ergriff seine harte Hand und bat ihn, sein Ohr der Stimme der Barmherzigkeit nicht zu verschließen. Der raue Kanadier schien weich zu werden und willigte endlich in unseren Plan ein. Wir hielten einige Stunden an, damit der alte Jäger, welcher immer zu Fuß neben uns herlief, Zeit gewann, sich für einen langen Marsch zu stärken und die Erlaubnis einzuholen, sich auf einige Tage von dem Tross zu entfernen, da wir die Nächte hindurch die fünfzehn Meilen zurücklegen wollten, welche der Squatter uns voraus war.

Diese wenigen Stunden dehnten sich für mich zu einer Ewigkeit aus. Endlich suchte uns Furchtlos auf einem stattlichen Pferd auf, das er wie ein echter Kavalier zu führen verstand. In starkem Trab brachen wir auf. Der Kanadier ritt an der Spitze mit der lauernden Miene eines Jägers, und wir folgten ihm so vorsichtig wie möglich, um die zahlreichen Hindernisse zu vermeiden, welche ein rascher Ritt durch die Prärie bei jedem Schritt bot. Der Mond glänzte am Himmel und verbreitete einen weißen Schimmer, dass die wüste Fläche einem Wasserspiegel ohne Ende glich.

»Sind wir auf dem richtigen Weg?«, fragte ich den Waidmann, der lange Zeit schweigsam vor uns einhertrabte.

»Wahrhaftig! Der Arkansas ist nicht weit! Die Bisons saufen hier in ganzen Scharen und der graue Bär ist scharf nach ihrem Fleisch.«

Der Kanadier dachte nur an den grauen Bären. Von Zeit zu Zeit hielt er an, um zu lauschen. Wir hielten ebenfalls an, vernahmen aber außer dem Atem der Reiter und Pferde keinen Laut. Kaum dass zuweilen eine Eule einen schauerlichen Ton ausstieß oder ein Wolf ein kurzes Geschrei erhob und, wenn er uns erblickte, sogleich wieder hinter uns verschwand.

»Alles geht vortrefflich«, flüsterte Furchtlos, und wir nahmen unseren nur einen Augenblick unterbrochenen Ritt von Neuem auf. Dieser Mensch flößte mir ein unerschütterliches Vertrauen ein, aber ich fürchtete, dass seine Teilnahme an unserem Vorhaben nicht das Resultat erzielte, das man erwarten konnte. Die Expedition, welche von mir durch eine unwiderstehliche Hinneigung zu Townships Familie veranlasst und von dem Romandichter aus reinem Antrieb und edlem Herzen unterstützt wurde, war in den Augen des Kanadiers nichts weiter als der Vorwand zu einer Jagd.

Sein Hauptzweck war zu jagen – ob die Indianer oder einen grauen Bären, das war ihm einerlei. Ebenso gleichgültig schien es ihm, ob wir den Squatter etwas früher oder später erreichten, wenn er nur seiner Leidenschaft frönen konnte. Ich bot alles auf, die Sorglosigkeit des Jägers zu erschüttern. Mehr als einmal glaubte ich entfernten, mit schwachen Flintenschüssen untermischten Lärm zu vernehmen. So oft ich meine Besorgnis dem Kanadier mitteilte, gab er mir kopfschüttelnd zur Antwort: »Da brüllen entweder Herden am Arkansas oder ein Trupp Büffel. Das Echo täuscht Euch.«

Wir kamen in die Nähe des Arkansas. Der Wind trug uns bereits frische und feuchte Ausdünstungen entgegen. Bald darauf sahen wir den Fluss im Schein des Mondes glänzen. Seine Wogen schossen trotz der heißen Zeit ungestüm zwischen abschüssigen und sehr schmutzigen Ufern einher, während an anderen Stellen wieder dichtes Rosengebüsch sich in seinen Wellen widerspiegelte.

»Man schießt dort unten!«, rief ich von Neuem dem Kanadier zu.

Er spitzte die Ohren. »Was ist das?«, rief er plötzlich voller Freude. »Wahrhaftig, sie sind es!«

Die Auswanderer?«, fragte mein Gefährte.

»Nein, nein! Der Bär und der Büffel, deren Fährte ich, ohne euch etwas zu sagen, verfolgte.«

»Jetzt nun sollt ihr ein Schauspiel erleben, das kein Millionär oder König bezahlen kann. Schaut mit beiden Augen, hört mit beiden Ohren und für das Übrige lasst mich sorgen.«

Der Jäger stieg, die Flinte in der Hand haltend, vom Pferd. Wir harrten erwartungsvoll mit pochendem Herzen und gespannten Blicken auf das versprochene Schauspiel. Ein kleiner Hügel entzog uns die weitere Aussicht auf den Arkansas. Wir konnten bald einen dumpfen Widerhall vernehmen, der immer deutlicher wurde, und dem jedes Mal ein Geräusch folgte, als wenn Steine vom Ufer in den Fluss hinabfielen. Plötzlich erschienen zwei ungeheure schwarze Massen auf der Höhe des Hügels. Es waren der von Furchtlos aufgespürte Bär und Büffel. Als wenn unser Anblick dem Büffel die Schande einer längeren Flucht begreiflich gemacht hätte, wandte er sich trotzig gegen seinen Verfolger, und den Kopf vorgestreckt, mit dichter Mähne den Erdboden streifend, erwartete er den Angriff. Der Bär hielt mit wütendem Gebrüll an und schlug darauf seine mächtigen Tatzen über die Hörner seines Schlachtopfers. Wir sahen den armen Bison unter der Wucht seines Gegners zusammenbrechen, und ein angstvolles Brüllen zeigte seine Niederlage an, als der Jäger mit lautem Schrei auf ihn losstürzte und Feuer auf die Gruppe gab. Der verwundete Bär ließ seinen Gefangenen los, der Büffel benutzte diesen Augenblick und sprang zum Fluss hin, von dessen Ufer er vor unseren Augen in die Fluten hinabsprang.

»Aha«, schrie der Jäger, »dieser arme Teufel von einem Bär lernt auf seine Kosten, dass es von den Tatzen bis zu den Lippen sehr weit ist.« Und zu uns gewandt, rief er: »Ich lade jetzt meine Büchse wieder, schießt ihr aber nur, wenn es nötig sein sollte. Denn es ist nicht ehrenvoll, wenn drei gegen einen kämpfen.«

Ich stieg ebenfalls ab und übergab die Zügel unserer beiden Pferde meinem Begleiter. Die ungelegene Jagdlust des Kanadiers verwünschend, zwang ich mich so ruhig wie möglich zu bleiben. Beim Anblick dreier Feinde stutzte das Tier und zeigte uns mit dumpfem Grinsen seine fürchterlich langen, weißen Zähne. Der Romandichter konnte nur mit vieler Mühe unsere drei Pferde halten. Der Bär ging weder vor noch zurück. Er schien eine entfernte Witterung zu spüren und das Hin- und Herwiegen seines Kopfes zeigte seine Unschlüssigkeit an. Plötzlich schien er den Rückzug anzutreten, und wir sahen ihn in der Richtung verschwinden, welche der Büffel eingeschlagen hatte.

Der Jäger hatte inzwischen seine Büchse wieder geladen. Diese Flucht kam ihm nicht unerwartet, und hinter dem Bären herstürzend, forderte uns Furchtlos zum Nachfolgen auf. Als wir jedoch auf dem Gipfel des Hügels ankamen, sahen wir den Bären nirgends mehr. Gleich darauf aber entdeckte ihn der Kanadier von Neuem. Er war den Hügel entlanggelaufen, um die sandigen Uferstellen des Flusses zu erreichen. Plötzlich schien er mehr zu jagen als zu fliehen.

»Ich brauche dringend ein gutes Fell«, spottete der Jäger, «und das seinige scheint prächtig für meinen Zweck zu passen. Übrigens beabsichtigt er etwas, das ich noch nicht recht begreifen kann.«

Vergeblich führte ich an, dass wir viel kostbare Zeit verlören. Der Jäger aber, von seinem Eifer fortgerissen, wollte nichts davon wissen, und ich folgte dicht seinen Schritten. Wir stiegen zum Ufer hinab. Der Wasserspiegel des Arkansas leuchtete wie ein Silberstreifen. Als wir den Bären wieder mit den Augen verfolgen konnten, bemerkten wir, wie er neben einem Baumstamm einhertrabte, der von den Wellen des Arkansas fortgetrieben wurde. Bald sich soviel als möglich vom Wasser fernhaltend, das er zu fürchten schien, streckte er die Tatze aus, wie um einen der am Stamm gebliebenen Zweige zu erfassen, bald wieder mit dem Baum fortlaufend, schien er diesen mit der möglichsten Sorgfalt zu bewachen. Ein unerklärliches Jagdgeheimnis war hier verborgen. Furchtlos ergriff hastig meinen Arm.

»Es ist ein Mensch auf dem Baum!«, rief er krampfhaft.

Und in der Tat bemerkte ich deutlich einen Mann, der sich an den schwimmenden Stamm geklammert hielt, der von den stürmischen Wellen des Arkansas hin- und hergeworfen wurde und fast jeden Augenblick in deren unwiderstehlichen Wirbeln rettungslos verloren zu sein schien. Ich glaubte zu träumen und fragte mich, welcher unversöhnliche Groll wohl ein so grausames Seitenstück zu der Strafe des Mazeppa hatte ausdenken können. Das freudige Brummen des Bären versetzte mich rasch in die Wirklichkeit zurück.

Das gewaltige Tier hatte nach vielen Versuchen einen Zweig in seine Klauen bekommen und strengte sich mit aller Kraft an, dieses merkwürdige Fahrzeug an das flache Ufer zu ziehen. Längeres Zögern wäre frevelhaft gewesen und in demselben Augenblick, als er durch einen gewaltigen Ruck den Stamm ans Land brachte, feuerten wir auf den Bären, der von zwei Kugeln getroffen in den Fluss stürzte und mitten in den aufschäumenden Wellen verschwand. Eilig sprangen wir zu dem Unglücklichen, den die Vorsehung uns vor Augen geführt hatte, um die finsteren Rachepläne menschlicher Grausamkeit zu vereiteln. Unglücklicherweise waren unsere Bemühungen unnütz. Wir konnten wohl die Fesseln durchschneiden, welche den Körper des Beklagenswerten an den Stamm schmiedeten, aber Leben vermochten wir dem Entseelten nicht wieder einzuhauchen. Nachdem wir den Leichnam rasch in eine der Ufervertiefungen gelegt hatten, mussten wir eiligst unseren Marsch fortsetzen, da uns die Bärenjagd viel kostbare Zeit geraubt hatte, und die geringste Verzögerung noch für die gefährlich werden konnte, welche wir suchten.

Der Tag war angebrochen, als wir die einzige Furt des Arkansas erreichten, welche auch der Squatter hatte passieren müssen. Wir fanden hier zahlreiche Spuren von Menschen und Tieren, vermischt von denen der Wanderer, die wir suchten. Nachdem der Kanadier die auf dem Sand zurückgelassenen Spuren sorgfältig betrachtet hatte, versicherte er mir, dass die Familie, für welche ich mich interessierte, bereits in Sicherheit wäre. Er hatte untermischt mit den Rillen, verursacht durch die Räder, die Spuren eines berittenen Jägerkorps gefunden, welches aller Wahrscheinlichkeit nach sich mit der kleinen Karawane vereinigt hatte, um sie durch die von den Indianern bedrohten Gegenden zu bringen. Mit großer Freude vernahm ich diese Versicherung. Unser Zweck war erreicht und wir kehrten schnell um, um unsere übrige Reisegesellschaft wieder anzutreffen, welche nur einige Stunden von uns entfernt sein konnte. Wir fanden die Zelte unserer Karawane am selben Ort aufgeschlagen, an welchem Furchtlos in der vergangenen Nacht dem grauen Präriebären so tapfer Stand gehalten hatte.

Die Emigranten drängten sich um einen blassen und bebenden Mann, der seine erstarrten Gebeine an den Feuern unseres Biwaks kaum wieder erwärmen konnte.

Zu unserem großen Erstaunen erkannten wir den Unglücklichen, den wir für tot an den Ufern des Arkansas zurückgelassen hatten. Die Gestalt dieses Menschen flößte mir kein Zutrauen ein. In seinen Zügen sprach sich eine Rohheit und Hinterlist aus, welche vorzüglich den entartetsten Klassen der mexikanischen Bevölkerung eigen ist. Seiner Kleidung nach war er einer jener verwegenen Stierjäger, welche um wilde Pferde einzufangen, die entlegensten und unbekanntesten Teile Amerikas aufsuchen. Seine niedrigen und frechen Manieren deuteten darauf hin, dass er zu jenen Wegelagerern gehörte, deren tollkühne Räubereien so oft die unermüdliche Tätigkeit der Schutzjäger verlachen.

Wir fragten ihn nach den Ursachen dieser grausamen Rache, der er zum Opfer gefallen war. Er erzählte uns, dass ihn ein Trupp Indianer bei einem ihrer zahlreichen Streifzüge zum Führer gewählt, ihn aber dann dafür gestraft hätten, weil er früher ihren Feinden behilflich gewesen sein sollte. Die Erzählung des Mexikaners, obwohl mit einer gewissen Unruhe und Hast vorgetragen, stellte uns zufrieden. Die Genugtuung, die ich empfand, endlich beruhigende Nachrichten über die Familie des Squatters erhalten zu haben, machte mich für alle übrigen Tagesereignisse unempfänglich.

Am nächsten Morgen begannen wir von Neuem unseren schweigsamen Marsch durch die Wüste. Unsere weitere Reise bot keinen bemerkenswerten Vorfall mehr dar, bis zu unserer Ankunft auf dem Boden Kaliforniens, wo ich die schrecklichsten Ausbrüche und Verwüstungen jener furchtbaren Geißel sah, welche die Yankees das Goldfieber nennen.