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Das verschneite Dorf

Das verschneite Dorf

Er saß in der Höhle, um Schutz vor dem Schneesturm und möglichen Beobachtern zu suchen. Die Bewohner der Höhle sind aufgrund seines Auftauchens geflohen, vom kleinen Wurm bis zum mächtigen Bär. Außer ihm war nur eine weiße Schneefledermaus anwesend. Sie und ihre Vorfahren hatten ihm treu gedient. Er wartete mit ihr auf seinen Schatten. Die Fledermaus schlief, während er in die Ferne blickte und vergangene Zeitalter sah.

Einst war er ein grausamer Kriegerkönig gewesen. Er hatte seine Untertanen gefoltert, misshandelt und ausgebeutet. Reichtum und Land konnte er nie genug haben. Auf dem Schlachtfeld war er ein gefürchteter Kämpfer gewesen, der vor keinem Gegner Angst hatte, doch was er fürchtete, war der Tod. Als er aber von einer neuen Rasse hörte, die angeblich unsterblich sei, suchte er die ganze Welt nach ihnen ab. Damals hießen sie noch Vampyre. Schließlich aber fand er sie, die Vampyr-Mutter, den Ursprung seiner Rasse. Er gab ihr sein kostbares Blut und seine unsterbliche Seele. Im Austausch dafür wurde er ein unsterblicher Vampyr. Danach konnte ihn nichts mehr aufhalten. Er knechtete seine Untertanen noch mehr.

 

Kein Tag verging ohne eine Schlacht. Nichts konnte seine Gier nach Blut und Macht stillen. Bis er eines Tages ein Mädchen im Wald fand. Sie war eine halb verhungerte Waise, welche von Wölfen gejagt worden war. Er hatte sie mit der Absicht gerettet, um ihr Blut zu trinken. Aber zum ersten Mal in seinem Leben hatte er Skrupel gehabt. Er nahm sie mit auf sein Schloss. Sie wurde gefüttert und gekleidet. Ihre Art verblüffte den König sehr, sie betrachtete ihn nicht wie ein Monster, sondern eher wie einen Helden aus den Sagen, die man sich in kalten Nächten am Lagerfeuer erzählte. Das Mädchen hatte nie Angst vor ihm gehabt und das gefiel ihm. Damit das so blieb, war der König in ihrer Gegenwart gütig und gerecht. Nach einiger Zeit war er sehr beliebt bei seinem Volk. Auch das wiederum gefiel ihm. Es wurden Lieder über das Mädchen, welches den grausamen König zum Guten führte, gesungen. Aus dem Mädchen wurde eine Frau, und der König verliebte sich in sie. Sie erwiderte seine Liebe ebenfalls, und als sie alt genug war, bot er ihr die Unsterblichkeit an seiner Seite an. Sie willigte ein und das Paar zog in ein abgelegenes Schloss in den Bergen. Das Königreich wurde unter den Generälen verteilt. Die Vampyre lebten Jahrhunderte lang glücklich und zufrieden. Nach ein paar Jahrzehnten wurde ihre Rasse in Vampir umbenannt. Sie ernährten sich von Tierblut und versuchten die Menschen weitgehend zu meiden. Bis eines vormittags, während die Liebenden in ihren Särgen schliefen, eine Gruppe Vampirjäger auftauchte.

 

Die Jäger töteten seine Geliebte in ihrem Turm und zündeten das Schloss an. Er verbrachte den Tag im Erdgeschoss, wo die feigen Vampirjäger nicht gesucht hatten. Zu seinem Glück war die Nacht schon angebrochen, als die Flammen ihn verzehren wollten. Als er vor seinem brennenden Zuhause stand, wusste er, dass seine große Liebe tot war. Er hatte ihren Todesschrei im Schlaf gehört. Er nahm die Verfolgung auf. Währenddessen begann ein heftiger Schneesturm zu wüten. Er folgte ihrer Spur bis zu einem Dorf. Die feigen Hunde würden dort wahrscheinlich Schutz gesucht haben, so vermutete er. Sein Schatten wurde losgeschickt, um die Vermutung zu bestätigen. Die Fledermaus fand als Unterschlupf die Bärenhöhle, wo er wartete, geduldig und still.

Als ihm auffiel, dass seine Geliebte ihn immer nur Meister genannt hatte, wurde ihm bewusst, dass er seinen Namen schon vor langer Zeit vergessen hatte. Sein Schatten kehrte zurück. Ein kurzes Nicken reichte dem Vampir. Er trat ins Freie. Inzwischen hatte der Sturm sich gelegt.

 

Der Schnee auf den Tannen glitzerte im Mondschein. Es war unheimlich still. Der Schatten heftete sich wieder an seinen Meister. Lautlos marschierte er los, ohne dass seine Füße eine Spur im Schnee hinterließen. Er war ausgehungert. Durch die verbrannten Lumpen an seinem Körper sah man seine Rippen. Seine leichenblasse Haut war verbrannt. Ein Beobachter hätte ihn auf gute fünfzig Jahre geschätzt. Wer ihm aber in die Augen blickte, sah seine wachen Lebensgeister. Seine schwarzen Augen funkelten vor schierem Hass. Er spürte den eisigen Wind nicht, der an seinen langen, ergrauten Haaren und Lumpen zehrte. Er ging energisch auf das kleine verschneite Dorf zu. Die schneebedeckten Häuschen waren aus schlichtem Holz gebaut. In vielen Fenstern brannte noch Licht. Als der ehemalige König das Dorf betrat, musste er wildentschlossen die Zähne zusammenbeißen. Jede Faser seines Körpers schmerzte und drohte zu zerreißen. Auf jedem Dach im Dorf stand ein Kreuz und an jeder Tür ein Kruzifix. Der Vampir torkelte benommen. Er kämpfte gegen den Schmerz an. In seinem geistigen Auge sah er sein brennendes Schloss und seinen stumm geleisteten Schwur, nicht eher zu ruhen, als das die Mörder tot waren. Er torkelte die Straße entlang. Seine Sicht verschwamm und sein Gesicht war schmerzverzerrt.

 

Jemand packte ihn grob. »He, kannst du nicht aufpassen? Schlaf deinen Suff gefälligst woanders aus!«, sagte eine Männerstimme.

Er hörte sie aber nur wie durch Watte. Der Mann war gut einen Kopf größer, als er.

Blut … Ich brauche … Blut, war alles, was er noch denken konnte. Er stellte sich auf die Zehenspitzen und biss den Mann in den Hals. Das warme Blut floss seine Kehle hinab und stärkte ihn. Je mehr er trank, desto mehr ließen die Schmerzen nach. Nachdem er den Kerl bis auf den letzten Tropfen ausgesaugt hatte, klärte sich sein Blick und er sah, dass er vor einem Gasthaus stand. Viel Gelächter, Gerede und Gejohle kam aus dem Gasthaus. Der Vampir wusste, dass er mehr Blut brauchen würde, um in dieser Todesfalle zu überleben. Er öffnete die Tür, welche sich langsam und knarrend öffnete. Der Mondschein fiel durch die Tür und färbte seine Vorderseite schwarz. Der Kerzenschein erlosch und es trat Stille ein. Blut tropfte vom Körper des Vampirs zu Boden. Er ging langsam und lautlos in den Raum.

Ein Mutiger stand auf. »Hey, wer bist du, Fremder?«

Der Untote hielt inne und schielte zu dem Mann. Er riss seinen Schlund auf und entblößte dabei acht Reißzähne. Je mächtiger ein Vampir war, desto mehr Reißzähne hatte er und der König war sehr mächtig.

Der Entsetzensschrei des Mannes erstickte in Blut, als der Vampir seine Zähne in den Hals seiner Beute stieß. Der ehemalige König verzichtete vorerst darauf zu trinken. Er musste erst einmal das übrige Wild erlegen, bevor er seinen Hunger stillen konnte.

Die Gäste versuchten, durch die Fenster ins Freie zu fliehen. Andere versteckten sich unter Tischen und bibberten vor Angst. Der Vampir nahm seine spitzen Klauen und tötete das Wild. Präzise wie ein eiskalter Killer tötete er die Tiere. Immer darauf bedacht, die Wunden zwar tödlich aber blutarm beizubringen. Der Letzte wollte durch die immer noch offene Tür fliehen. Der Vampir drehte sich zu ihm um und hielt auf ihn zu. Die Hand des Mannes kam noch ins Freie, sie klatschte tot auf den Boden. Blut färbte den vor der Tür liegenden Schnee rot. Keiner der Gäste hatte überlebt. Der Vampir trank alles Blut, was es in dem Hause gab.

 

Als er aus dem Haus heraustrat, war er verjüngt. Er sah jetzt wie ein gut durchtrainierter Zwanzigjähriger aus. Seine Haare waren jetzt wieder silbern. Die Brandwunden waren verheilt. Er schaute stumm auf seine blutigen Hände. Sein inneres Monster hatte es genossen, mal wieder Menschenblut zu trinken. Dabei hatte er gedacht, dass dieser Teil schon vor Ewigkeiten gestorben wäre. Aber seine Opfer konnten zum Glück nicht wiederkehren. Um zum Vampir zu werden, brauchte das Opfer eine bestimmte Menge an Blut im Körper. Aber er hatte die Menschen bis auf den letzten Tropfen ausgesaugt.

Die Fledermaus landete auf dem Dach der Gaststätte und fragte unterwürfig: »Meister, ich habe solchen Hunger. Könntest du mich vielleicht für den Rest der Nacht entlassen, damit ich eventuelle Reste in diesem Haus essen kann?«

Der Meister nickte. Er brauchte die Fledermaus für diese Nacht nicht mehr. Sie flog schnell ins Haus, um dort ihren Hunger zu stillen.

 

Wie ein Bluthund witterte der Vampir im Wind. Er ging die Straße entlang. Die Kreuze verbogen sich, die Kruzifixe schmolzen wie Butter in der Sonne durch seine Anwesenheit. Er war nun stark genug für diese Nacht. Als er an einer dunklen Gasse vorbeikam, hielt er inne. Jemand pinkelte fröhlich pfeifend an eine Hauswand. Der Vampir roch, dass das Blut seiner Geliebten an seinen Fingern klebte. Das musste einer der feigen Hunde sein. Er schlich sich lautlos wie ein Schatten von hinten an, hielt dann aber inne, weil das Opfer die Nase rümpfte. Das Tier hatte den Geruch von Tod und Grabeserde gewittert. Es drehte sich langsam um. Der Schweiß brach ihm aus allen Poren. Der Vampir rammte seinen Arm durch den Brustkorb des Feiglings, welcher sah, wie der Rächer sein Herz in der Hand hielt und zerquetschte. Mit einem Ruck zog er den blutigen Arm aus dem Tier heraus. Das Vieh brach ächzend zusammen. Blut hatte die Hauswand rot gefärbt. Ein goldenes Amulett, mit einem großen Saphir in der Mitte fiel in den Schnee. Der Vampir kannte es nur zu gut. Es hatte seiner getöteten Frau gehört. Der König hat es ihr als Beweis seiner unsterblichen Liebe überreicht. Er bückte sich danach und legte es sich um den Hals. Der König witterte weiter in der Luft. Er las aus den Gerüchen, dass es noch drei weitere Mörder gab. Keiner von ihnen war ein Mensch, wie der, welchen er gerade getötet hatte. Ein Blick auf den Toten erinnerte ihn daran, das Blut zu trinken, er musste für die anderen Todeskandidaten gerüstet sein. Wieder trank er alles bis auf den letzten Tropfen. Seine Krallen wurden länger und färbten sich schwarz. Er folgte der Geruchsspur bis zu einer Kirche. Leider war er für das Gotteshaus noch zu schwach, um es zu betreten. Er umging das Gebäude und näherte sich von hinten. Der ehemalige König hatte gelernt, dass viele Gegner ihre hintere Deckung vernachlässigten. Er ging über den Friedhof. Vampire gehörten zu den Bindegliedern zwischen Leben und Tod. Sie konnten deshalb die Seelen jener sehen, die keine Erlösung fanden. Seine Frau hatte sich oft um diese sich quälenden Gestalten gekümmert. Sie hatte versucht, ihnen die Erlösung zu bringen. Er hatte jedoch keine Zeit dafür, die Nacht würde nicht ewig dauern und seine Feinde würden bald weiterziehen. Sie sollten aber alle in dieser Nacht für ihre Untaten zur Rechenschaft gezogen werden. Deshalb ignorierte er das Heulen und Klagen sowie das Rasseln ihrer Ketten, die sie noch auf dieser Welt hielten.

Als er die Kirche erreicht hatte, ging er ein Stück an der Seite entlang, um durch ein Buntglasfenster einen Blick auf seine Feinde erhaschen zu können. Seine Augen weiteten sich, als er in der Kirche einen großen Berg Gold sah. Diese Vampirjäger hatten ihn also auch noch bestohlen. Er und seine Geliebte hatten seit Jahrhunderten Bedürftigen mit dem Rest der Reichtümer, die ihm noch geblieben war, geholfen. Die Jahrhunderte hatten den Berg kaum geschmälert und nun hatten ihn diese Feiglinge. Ein schwarzgekleideter Mann saß auf dem Berg und redete mit zwei weiteren. Eine Frau rekelte sich auf dem Altar und betrachtete ihre Nägel. Ein Zweiter lümmelte auf der Kanzel. Vampire hatten ein ausgesprochen gutes Gehör, mit dem er hören konnte, was drinnen beredet wurde.

»Denkt dran! Es waren tausend Vampire. Mehr als wir berechnet hatten, deshalb verlangen wir mehr Geld. Hoffentlich platzt Fletscher nicht rein. So wie ich ihn kenne, ist er sturzbesoffen und dann wird er immer so gesprächig und ehrlich. Schafft ihn während der Verhandlungen aus dem Verkehr! Flora, du hast den besten Riechkolben von uns. Also wirst du nach ihm …«

Die Tür wurde aufgestoßen und ein kleiner dicker Pfarrer trat schnaufend ein. »Ich … ich hörte, ihr wärt schon wieder … zurück«

»Ja, Pater. Wir haben das Schloss ausgeräuchert und konnten sogar ein paar Schätze mitnehmen. Wir haben tausend Vampire getötet. Mehr als wir ausgehandelt hatten, deshalb müssen wir den Preis leider, leider verdoppeln.« Falsches Bedauern lag in seiner Stimme.

Der Pfarrer antwortete hektisch. »Ja, ja. Alles, was ihr wollt … aber sagt, habt ihr den Vampir mit den acht Reißzähnen getötet?«

Die anderen Vampirjäger unterbrachen ihr Tun und schauten den Mann an, als wenn er verrückt wäre. Ihr Anführer fing an zu lachen »Aber, aber. Ich habe ihnen doch schon erklärt, dass es diese Vampire nicht gibt. Vampire mit zwei oder vier Reißzähnen sind normal, mit sechs gibt es da seltener, aber diese Vampire, die Sie meinen, ist ein dummer Aberglaube. Erfunden, um kleine Kinder ins Bett zu kriegen.«

Der Pfarrer schien beruhigt. »Na, wenn ein professioneller Monsterjäger wie Sie es sagt, dann muss das ja stimmen.«

»Sie sehen es genau richtig, guter Mann«, antwortete der Anführer gut gelaunt. Er wandte sich an Flora. »Flora, geh du mal Fletscher suchen, bevor er das ganze Dorf leer säuft. Währenddessen werde ich mit unserem Freund hier ein paar Geschäfte tätigen.«

Flora verließ wie befohlen die Kirche.

 

Der König hatte nun die Chance, einen weiteren dieser Hunde zur Strecke zu bringen. Als er aber vor der Kirchentür stand, war die Frau verschwunden. Ihre Fußspuren waren noch frisch, als der Vampir ihnen folgte. Er musste daran denken, wie der Anführer gelacht hatte, als der Pfarrer von ihm erzählt hatte. Vampire seines Schlages schienen zum Aberglauben verkommen zu sein. War er vielleicht der Letzte mit acht Reißzähnen?

Die Fußspuren verliefen genau zu seinem ersten Opfer. Als er ankam, kniete die Frau über ihn und fraß seine Leiche. Flora hob den Kopf und witterte. »Ah, unser Freund ist da. Danke, jetzt müssen wir nur noch durch drei teilen und ich darf mich sogar sattfressen.« Sie drehte sich zu ihm um. Ihre Augen schienen einen Wolf zu gehören. Im Allgemeinen sah sie jetzt struppiger und haariger aus als in der Kirche.

Der Vampir hatte lange genug gelebt, um einen Werwolf zu erkennen, wenn er vor ihm stand. Die Wölfin stürzte sich wie im Wahn auf ihn. Sie sprang an die Wand, nur um sich dann vom Holz abzudrücken und von oben anzugreifen.

Doch er sah die Aktion im Voraus und machte im letzten Moment aus dem Stand einen großen Sprung nach hinten auf die offene Straße. Flora spurtete auf ihn zu. Er setzte eine seiner Vampirfähigkeiten ein. Eine große dichte Nebelglocke legte sich um das Dorf. Dann sprang er lautlos auf das Dach eines Häuschens. Das Kreuz auf dem Dach krümmte sich durch seine Nähe noch mehr. Er schickte seinen Schatten los. Bei Werwölfen musste er sehr vorsichtig sein. Sie setzten gerne ihre Zähne ein, welche einem Menschen zwar zum Tier machten, aber bei Vampiren tödlich wirkten. Der Schatten tauchte vor Flora auf. Sie rannte sofort auf ihn zu und schnappte wild nach ihm. Der Schatten schmolz vor ihren Augen, um hinter ihr erneut aufzutauchen. Sie griff ihn wieder an, der Schatten schmolz wieder und tauchte woanders auf. So ging es immer weiter.

 

Mit jedem gescheiterten Versuch, ihren Feind zu töten, verwandelte sich die Frau etwas weiter zum Tier. Sie hatte inzwischen ein groteskes Zwischenstadium erreicht. An einigen Stellen hatte sie schon Fell. Ein Schwanz ragte aus ihrer Hose und ihr Kopf hatte eine längliche Form. Als der Schatten wieder verschwand, brüllte sie blutrünstig. Ihr Gebrüll wurde vom Nebel verschluckt, sodass die Bewohner nichts hörten. Der Vampir stand noch immer auf dem Häuschen und beobachtete seine Gegnerin aufmerksam. Er suchte nach ihren Schwachstellen. Flora hatte ihre Verwandlung schon längst abgeschlossen, als er genug gesehen hatte. Er rief seinen Schatten zurück. Nun kam ein schweres Kunststück. Der Vampir musste zwei Fähigkeiten auf einmal einsetzen. Er schloss die Augen und konzentrierte sich. Jede Zelle seines Körpers teilte sich. Erst einmal, dann zweimal, nach dem vierten Mal öffnete er seine Augen. Er hatte vier Doppelgänger erschaffen. Sie bewegten, dachten und handelten genau wie er. Sie teilten sich auf.

Flora witterte in der Luft. Plötzlich tauchte ihr Gegner von hinten auf, zog sie am Schwanz und kratzte ihr den Rücken auf. Sie wollte nach ihm schnappen, aber ein Zweiter riss ihr mit seinen Klauen die Seite auf. Nummer drei und vier ließen auch nicht lange auf sich warten. Sie schnappte nach dem Ersten, welcher sich in Blut auflöste. Der Zweite bestand aus Fledermäusen. Nummer drei aus Rauch und der Letzte zerfiel zu Asche, die der Wind davontrug. Flora zog die Lefzen, was wie ein Lächeln aussah. Sie glaubte wahrscheinlich, dass der Letzte das Original gewesen war. Ihre Schnauze ragte in den Wind, sie witterte. Sie drehte sich zur Seite und sah den Vampir auf offener Straße. Nebelschwaben umgaben ihn.

 

Der Wind zerrte an seinen Lumpen. Er starrte sie seelenruhig an, worauf sie drohend knurrte. Der Untote zeigte sich unbeeindruckt. Die Wölfin pfiff aus dem letzten Loch. Sie blutete aus mehreren schweren Wunden. Flora war am Ende ihrer Kräfte, das wusste er. Blitzschnell glitt der Vampir auf sie zu, und mit einem Schlag krachte sie in die nächstliegende Hauswand, welche drei Meter entfernt war. Ihr Genick brach mit einem widerlichen Knacken. Lautlos ging er ins Haus. Die Nebelglocke hatte er aufgelöst. Er versicherte sich, dass die Wölfin tot war, und versenkte seine Zähne in ihren Hals. Nun, da sie nicht mehr lebte, war sie wieder ein Mensch und er konnte ihr Blut trinken. Nachdem er sie ausgesaugt hatte, waren seine Ohren wieder zugespitzt. Zudem hatte er an Muskelmasse zugelegt. Er entdeckte im Haus eine Taube in einem Holzkäfig. Einmal hatte seine Geliebte eine verletzte Taube gefunden. Sie hatte sie gesund gepflegt und wieder in die Freiheit entlassen. Er betrachtete die Taube genau. Sie war unverletzt und gut im Futter. Die Taube konnte also in der Wildnis überleben. Er machte den Holzkäfig auf und entließ sie in die Berge.

»Und schon wieder einer weg«, sagte eine Stimme hinter ihm.

Es war der Vampirjäger, welcher auf der Kanzel gewesen war. Er war asiatischer Herkunft. Ein ausländisches Schwert hing an seiner Seite.

»Ihr Europäer habt wirklich was drauf.« Mit einem zischenden Geräusch zog er die Klinge aus der Scheide. »Das hier ist ein Katana. Damit schlag ich dir wie ein Blitz den Kopf von der Schulter.« Er entblößte seine vier Reißzähne und rannte mit erhobener Klinge auf ihn zu. Der Untote wich den Schlägen spielend aus, dabei beobachtete er seinen Gegner genau. Dem Jäger reichte nur eine Sekunde der Unaufmerksamkeit, um sein Katana in den Bauch seines Gegners zu stoßen. Dieser Schlag war unvorhergesehen schnell gewesen. Schneller als die vorherigen. Blut spritzte und färbte alles rot, was es traf. Dem Verletzten kam ein Schwall Blut hoch. Er zwang sich, es im Mund zu behalten, er konnte es im Kampf noch gebrauchen. »Damit hast du wohl nicht gerechnet, was? Ich habe mich langsamer gestellt, als ich bin. Dieser Überraschungseffekt haut jedes Mal voll rein«, erzählte der Asiat grinsend. Er drehte das Schwert um dreihundertsechzig Grad und zog es heraus.

Der König keuchte, er hatte seinen Gegner gewaltig unterschätzt. Noch so einen Treffer würde er nicht überleben. Er sprang nach hinten auf das Dach eines Hauses und wartete auf seinen Verfolger, bedacht darauf, das Kreuz hinter ihm nicht zu beschädigen.

Der Asiat ließ nicht lange auf sich warten. Wieder stürmte er wie ein Berserker auf ihn zu. Im letzten Moment sprang sein Gegner zur Seite und ließ ihn in das todversprechende Kreuz rennen. Der Vampirjäger stieß mit einem Dong dagegen. Aber das Zischen und der Geruch von verbranntem Fleisch blieben aus.

Der Asiat erhob sich lachend »Ich bin ein Dhampir und damit zur Hälfte ein Mensch. Kreuze, Tageslicht und alles andere lassen mich kalt.«

Der Vampir fluchte innerlich, er musste einen anderen Trumpf ausspielen. Wieder rannte der Dhampir auf ihn zu. Der Vampir zielte auf seinen Kopf. Er spuckte das Blut in seinem Mund ins Gesicht des Dhampirs. Der wiederum sah das dies kommen und wich ihm aus. Sein rechtes Auge wurde vom Blut getroffen. Der Vampir konzentrierte sich auf das Blut im Gesicht und schnippte mit dem Finger. Das Blut explodierte, der Asiat unterbrach seinen Angriff und hielt sich schmerzverzerrt das verbrannte Gesicht.

»Du Bastard!«, schrie er.

Der Untote griff in seine Wunde und holte die blutgetränkte Hand hervor. Er drückte sie auf die Stirn des Gegners. Dem entging dies nicht.

»Nein! Nein!«, schrie er. Mit letzter Kraft bäumte er sich auf, versuchte dem Schicksal zu entkommen, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen. Doch es war vergebens. Mit einem Fingerschnippen war der Kampf vorbei.

Der Gewinner trank das Blut des Verlierers. Nichts ahnend, dass seine Kämpfe beobachtet worden waren. Das Blut heilte seine Wunden und ließ ihn auf zweieinhalb Meter wachsen. Er war nun stark genug, um die Kirche zu betreten und den Anführer der Mörder für seine Taten zur Rechenschaft zu ziehen.

 

Der König nahm sich des Schwertes seines Gegners an und ging schnurstracks zur Kirche. Ihn fiel auf, dass sich das Dorf verändert hatte. Alles war unheimlich still und abweisend. Kein einziges Licht brannte mehr in den Fenstern. Aber das war unwichtig. Die Kirchentür stand offen. Er blieb stehen. Der Anführer saß noch immer auf einen Berg von Reichtümern.

»Ah, da bist du ja endlich.« Eine weiße Schlange schlängelte sich um seinen Arm. »Man zischte mir schon von dir.« Die Schlange verschmolz mit dem Arm und wurde zu einer Tätowierung. Der Anführer der Vampirjäger war ebenfalls ein Asiat. Auffällig bei ihm waren seine vielen merkwürdigen Tätowierungen. Es waren Schriftzeichen, die der alte Vampir noch nie gesehen hatte. »Willst du nicht eintreten?«, fragte der Anführer freundlich.

Innerlich bereitete der Vampir sich schon auf den kommenden Schmerz vor. Er machte einen Schritt über die Schwelle! Sofort schien sein Körper von innen zu verbrennen. Er biss die Zähne zusammen. Mit jedem Schritt steigerte sich der Schmerz mehr ins Unermessliche. Porträts von Heiligen starrten streng auf ihn herab. Als er die Mitte der Kirche erreicht hatte, brach er zusammen. Ein großes unsichtbares Gewicht schien auf ihm zu liegen.

»Puh«, sagte der Anführer, »sieht schmerzhaft aus. Ich hätte nicht gedacht, dass du so blöd wärst, hier rein zugehen.«

Der König öffnete den Mund. Zuerst gab er nur einen leisen Laut von sich. Dann hob er den Kopf gen Himmel und schrie. Etwas Farbe bröckelte von den Heiligen ab. Eine schwarze Kuppel umgab ihn. Sein Schreien wurde lauter, die Kuppel wurde größer, Blitze zuckten auf ihr. Immer schneller bröckelte die Farbe ab. Durch einen lauten Schrei explodierte die Kuppel. Sie fegte die Farbe von den Porträts, kippte die Kerzen um, zerstörte die Buntglasfenster und den Goldberg.

Der Anführer wurde von seiner erhöhten Position geschleudert und klatschte gegen die nächste Wand. »Beeindruckend«, ächzte der Anführer anerkennend. »Bei mir Zuhause holen wir uns diese Tätowierungen. Sie sind Zaubersprüche, die uns unsere Schwächen nehmen. Ich dachte, wir wären unseren europäischen Artgenossen um Generationen voraus. Aber ich scheine mich getäuscht zu haben.« Er streckte seinen Arm von sich. Die Schlangentätowierung bewegte sich. Wie ein Geschwür schwoll sie an und färbte sich weiß. Bis sie wieder die weiße Schlange war, dann machte sie sich lang und steif. Sie verformte sich zu einem weißen Schwert. Der Griff hatte einen Schlangenkopf mit weit aufgerissenem Maul. Das Katana des Königs fuhr zischend aus der Scheide. Jetzt begann der letzte Teil seines Rachefeldzuges. Er wollte nicht mehr warten, bis der Gegner ihn angriff. Es musste hier und jetzt enden. Er rannte auf den Anführer zu, der wiederum auf ihn zurannte. Sie trafen aufeinander. Stahl traf auf Stahl. Die beiden Kontrahenten sahen sich in die Augen.

Der Asiat entblößte seine sechs Reißzähne. »Kein Wunder, dass du meinen Sohn besiegt hast«, meinte der Asiat mit einem Grinsen.

Als ob sie sich abgesprochen hätten, sprangen sie gleichzeitig auseinander. Der König war die Ähnlichkeit der beiden Asiaten schon aufgefallen. Sie sahen seiner Meinung nach aber eher wie Brüder aus. Er machte auf dem Absatz kehrt und ging zum Ausgang. Der Anführer hatte den Tod seiner Geliebten verschuldet, dafür hatte der König ihn seinen Sohn geraubt. Sie waren quitt.

»Hey!«, schrie der Anführer. »Du kannst meinen nichtsnutzigen Sohn töten. Meinetwegen auch mein gesamtes Team umlegen. Aber wenn du mir meine Reichtümer nimmst, reiß ich dir den Arsch auf.«

Der König hielt inne. Er drehte sich zu dem anderen Vampir um und schaute ihm unverwandt in die Augen. Sein Blick war stählern. Er hatte so was schon mal gesehen.

Damals, als er noch herrschte, konnte ein Bauer seine Schulden nicht bezahlen, dafür wollte er seine junge Tochter haben. Der Bauer aber wollte seine Tochter nicht hergeben. Sein Blick war genauso entschlossen wie der seines jetzigen Gegners. Obwohl der Bauer unbewaffnet war, hatte er drei Soldaten getötet. Die Tochter des Bauern hatte ihn gehasst und sich dem König verweigert. Der Scharfrichter hatte ihrer aufmüpfige Art schnell ein Ende bereitet.

Er hatte daraus gelernt, dass Gegner mit so einem Blick nur mit dem Tode aufzuhalten waren. Die Vampir-Trickkiste war mal wieder angesagt. Der asiatische Vampir rannte auf ihm zu. Die Welt zersprang in tausend Scherben und statt ihrer kam eine dunkle Welt mit haushohen Feuersäulen hervor. Zwischen den Gegnern war nun eine breite, tiefe und dunkle Schlucht. Der Asiat konnte gerade noch so vorm Abgrund stoppen. Gesteinsbröckchen fielen in die Tiefe hinunter. Der Anführer sah ihnen fassungslos hinterher. Heißer Dampf stieg empor. »Wer bist du?«, schrie er dem Gegner zu.

Der stand gelassen da. Er entblößte seine acht Reißzähne.

»Acht?! Du hast acht Reißzähne?! Das ist unmöglich! Dich gibt es nicht! Du bist bloß ein böser Traum!«

Dem König wuchsen Hörner und Fledermausflügel. Eine brennende Krone schwebte über seinem Haupt. Hinter ihm waren die Armeen der Hölle versammelt. Sie gehorchten nur seinem Befehl.

Dem Asiaten brach der Schweiß aus.

Auf ein Fingerzeichen des Königs flogen zwei geflügelte Dämonen auf den Anführer zu. Sie nagelten ihn wie einst Christus mit rostigen Nägeln an ein Kreuz. Dann durchstießen sie seinen Körper mit einer Lanze.

»Bist du der Teufel?« waren die letzten Worte des Mörders.

 

Die Scherben der Realität setzten sich wieder zusammen. Der König war immer noch in der Kirche. Er hatte keine Flügel oder Hörner. Die Dämonen waren auch verschwunden. Der Anführer war an das Kreuz auf dem Altar genagelt worden. Die Nägel waren aber nicht rostig. In seiner Brust klaffte eine Wunde, die aussah, als wenn er mit einer Lanze durchbohrt worden wäre.

Der König näherte sich dem Leichnam. Das Blut floss dem Körper hinab zu den Füßen und von dort tropfte es in einen goldenen Pokal. Der Pokal war aufgrund seiner Macht an seinen Platz geblieben. Die Namen des Herrn und der vier Erzengel waren auf ihm zu sehen. Das war die Quelle seiner Macht. Er brauchte sein letztes Opfer nicht aussaugen.

»Trink!«, wisperte eine Stimme. War es die Stimme seiner Geliebten gewesen?

Er drehte sich um. Es war kein Geist zu sehen, dafür aber eine offene Kirchentür. Der Wind und die Anspannung hatten seine Fantasie mit ihm durchgehen lassen. Wenn es aber doch … Sicher ist sicher, dachte er sich. Als er in den vollen Pokal starrte, musste er an früher denken, als er die Welt mit Schmerzensschreien erfüllt hatte. Damals hatte er auch nur Blut aus goldenen Kelchen getrunken. Er ignorierte den brennenden Schmerz, den der Pokal verursachte, und trank ihn bis auf den letzten Tropfen aus. Die schwarzen Augen wurden glühend rot. Er war nun so stark wie auf dem Höhepunkt seiner früheren Macht. Aus den umgekippten Kerzen war ein Brand geworden, das Gebäude drohte jeden Moment zusammenzustürzen.

Der Vampir verließ gemächlichen Schrittes die Kirche. Teile der Decke stürzten herab. Sie verfehlten ihn um Haaresbreite, als wenn jemand eine schützende Hand über ihn hielt. Als er die Schwelle übertreten hatte, stürzte das Gotteshaus vollends in sich zusammen.

Der Vampir kümmerte sich nicht darum. Er schaute auf das kleine verschneite Dorf. Es brannte. Das Feuer hatte einen Großteil der Schneedecke geschmolzen. In dem Feuermeer stand nur eine einzelne Gestalt. Es war der Pfarrer. Er lief bei seinem Anblick nicht weg, was den Vampir sehr verwunderte.

Der König ging auf ihn zu. Als er vor ihm stand, sah er, dass er seinen Kragen und sein Kruzifix in eine Pfütze geworfen hatte. Sein Lächeln entblößte acht Reißzähne.

»Endlich sehen wir uns wieder«, sagte er freundschaftlich.

Der König war verwirrt. Er war diesen Mann noch nie begegnet.

»Ihr erkennt mich wahrscheinlich nicht wieder, oder? Ich gehörte einst zu Euren Untertanen. Als ich noch ein Mensch war, habe ich mich vor Euch gefürchtet, und nachdem ich tot war, wollte ich wie Ihr, der legendäre Vampir mit den roten Augen, sein. Es heißt, dass Ihr Meere von Blut getrunken habt, welches Euren Augen diese Farbe gab. Nichts konnte Euch aufhalten. Nichts konnte Eure Gier besänftigen. Doch dann kam diese Hexe, die Euch verzauberte.«

War meine Geliebte wirklich eine Hexe gewesen?, frage er sich. Ihm war es in manchen Momenten seltsam vorgekommen, dass ein Mensch ihn hatte so umkrempeln können.

»Sie hat Euch verändert. Hat aus einem Gott einen Bauern gemacht. Als ich euch beide hier fand, brach mir Eure Schwäche das Herz. Wie Ihr das Blut von räudigen Tieren getrunken habt, werde ich nie vergessen. Ich musste Euch daran erinnern, wer Ihr seid und was Ihr könnt. Also holte ich mir dieses Amulett.« Er zog unter seiner Kleidung ein Amulett hervor. In der Mitte war ein Rubin, in ihm war, bei genauerer Betrachtung ein verschrumpeltes, altes Herz. »In diesem Amulett ist das Herz unserer aller Mutter enthalten. Wer es bei sich trägt, wird die Stärke von zehn Vampiren gegeben und ihm werden alle Schwächen genommen. Damit wurde ich Pfarrer dieser Gemeinde. Nach ein paar Jahren saugte ich einigen Leuten hier das Blut aus. Ich behauptete einfach, dass ihr es gewesen wart, und schon heuerten wir diese Schwachköpfe an. Ich kannte Euch gut genug, um zu wissen, dass Ihr es überleben würdet. Ich sagte Ihnen, dass der Anführer im Turm sein würde. Dass sie das Schloss abfackeln würden, ist zwar nicht Teil meines Plans gewesen, aber es war auch unwichtig. Schließlich kehrten sie hierher zurück und Ihr ward ihnen wie ein Bluthund auf den Fersen. Nach Jahrhunderten trankt Ihr zum ersten Mal wieder Menschenblut und erblüht zu alter Stärke. Ich beobachtete eure Kämpfe genau. Ach übrigens, mir gefiel der Kampf gegen den Anführer am Besten, wo Ihr eine Illusion herbeigeschworen habt. Der Anführer glaubte er, wäre in der Hölle, dabei war er immer noch in der Kirche. Zwei Doppelgänger kreuzigten ihn. Der Teil mit der Lanze war reiner Trug, aber er glaubte so fest daran, dass es wahr wurde. Ich versuchte es schwieriger für euch zu machen, indem ich diese Hohlköpfe vor euch warnte, was aber fehlschlug. Nun aber brauchte ich das Dorf nicht mehr. Weshalb ich die Bewohner aussaugte und die Gebäude ansteckte. Nun bin ich Euch endlich ebenwürdig. Heute Nacht werde ich zum größten noch lebenden Vampir aufsteigen.« Er erschuf zwei Doppelgänger. Der König ebenfalls. Seine Kopien und er zogen ihre Katanas. Die Gegner stürzten sich aufeinander. Der König und seine Doppelgänger hatten die Schwerter, während die Pfarrer schneller und stärker waren. Sie kämpften in einem Meer aus Feuer und Asche. Schon nach kurzer Zeit büßte der König seine Doppelgänger ein. Sein Gegner besaß immer noch seine Kopien. Zwei der Pfarrer waren unverletzt, während der dritte aus etlichen kleinen Wunden blutete. Die zwei Unversehrten lösten sich auf.

»Ihr wusstet die ganze Zeit über, dass ich der Richtige bin! Die Geschichten über Euch sind untertrieben.« Der König war am Ende, die Doppelgänger hatten ihn stark zugesetzt. Er stürmte auf seinen Gegner. Sein Ziel war das Amulett. Wenn er es zerstörte, waren seine Chancen größer. Das Schwert traf mit der Spitze genau den Rubin und zerbrach in tausend Teile.

Der gegnerische Vampir lachte nur. »Jetzt endet Euer Leben«, prophezeite er ihn.

Der König fiel auf die Knie. Er hatte verloren.

Der Gegner machte Anstalten, ihm das Herz herauszureißen. Auf einmal besann sich der König auf eine alte Technik, die ihn die Vampir-Mutter gelehrt hatte. Sie war sein mächtigster Trumpf. Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf seine Stimmbänder. Den richtigen Ton zu treffen war jetzt das Wichtigste. Seine Stimme verzerrte sich zu einem hohen monströsen Ton.

Der Gegner hielt inne. Er hielt sich den Kopf. Seine Adern wanden sich wie wütende Schlangen, bis sie platzten. Der letzte Mörder brach in eine Pfütze seines eigenen Blutes zusammen. Der Blutverlust war zu hoch. »Sie hatte Euch verhext«, krächzte er noch, bevor sein Blick brach.

Der König stand ächzend auf. Die Vampir-Mutter hatte ihn gelehrt, wie man mithilfe eines bestimmten Tones das Blut so in Bewegung brachte, dass die Adern platzten. Er überlegte, was er nun machen sollte. Vielleicht hatte der falsche Pfarrer recht gehabt und seine Frau hatte ihn verhext, eine Art Schoßhündchen aus ihm gemacht. Erst jetzt wo er hier in diesem toten, brennenden Dorf war, fiel ihm auf, wie sehr sie ihm fehlte. Tränen rollten über sein Gesicht. Die Tränen wurden von seiner Hand aufgefangen. Er hatte noch nie geweint. Ohne sie wollte er nicht Leben. Ihm war es egal, ob er verhext war oder nicht. Ohne sie wollte, nein, konnte er nicht leben.

 

Die Sonne ging bereits auf, als die Fledermaus zu ihm kam »Bin ich entlassen?« war alles, was sie fragte.

Ihr Meister nickte bloß geistesabwesend.

Die Fledermaus flog in die Berge zu ihren Artgenossen.

Was ist, wenn meine Geliebte im Himmel ist und ich in die Hölle komme?, fragte er sich. Wo immer sie ist, ich werde ihr folgen, schwor er innerlich.

Die Sonne sandte ihre sengenden, heißen Strahlen auf die brennenden Ruinen. Die Strahlen verbrannten seine Haut, ließen seine Muskeln verschrumpeln, verdampften seine Tränen und verkohlten seine Augen. Das Klagen seiner gefolterten Untertanen hallte in seinen Ohren. Die, die er getötet hatte, schienen zu schreien. Er würde im Tode mit seiner Geliebten vereint sein, und das war das Wichtigste. Die Schmerzen waren nichts im Vergleich zu einem Leben ohne sie. Das Letzte, woran er dachte, war ihr wundervolles Lachen. Vom Dorf blieben nur Asche und Staub übrig. Nichts erinnerte an den ehemaligen Kriegerkönig.

Obwohl er wusste, dass er tot war, schlug er die Augen auf. Er war im Jenseits.