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Curumilla – Erstes Buch, Kapitel 5

Gustave Aimard
Curumilla
Eine Abenteuergeschichte aus dem Jahr 1861
Kapitel 5 – Der erste Schuss

Die durch den Besuch des Generals hervorgerufene Aufregung legte sieh allmählich. Die Franzosen, welche seit so langer Zeit von den Mexikanern gefoppt und hingehalten wurden, waren fast erfreut darüber, sich endlich vom Netz aus Lug und Trug befreit zu sehen, in welchem sie gefangen gewesen waren, ohne einen Ausweg finden zu können. Sie scherzten und lachten, mit der Sorglosigkeit, die der Grundzug des französischen Charakters ist, über die Mexikaner im Allgemeinen und die Behörden des Landes im Besonderen, über welche sie hauptsächlich zu klagen hatten, ohne dass sie bisher, aus Rücksicht auf den Grafen, ein Wort darüber gesagt hatten. Ihr Vertrauen zu dem Grafen war so groß, dass sie, ohne zu bedenken, dass sie eine kleine Anzahl Männer, und hilf- und schutzlos mehr als sechstausend Meilen von ihren Vaterland entfernt waren, ihrer abenteuerlichen Fantasie freien Lauf ließen und sich in den tollsten Träumen wiegten. Mit ernsthafter Miene entwarfen und berieten sie sich über die tollkühnsten Pläne, ohne dass es den arglosen Freibeutern einfiel, sich einzugestehen, dass auch ihre vernünftigsten Wünsche unerreichbar sein.

Louis wollte den Eifer seiner Freiwilligen nicht verfliegen lassen. Nachdem er seinen Offizieren seine Pläne mitgeteilt hatte, die mit Begeisterung aufgenommen wurden, berief er auf den Rat Valentins eine allgemeine Versammlung ein.

Die Signalisten bliesen und die Abenteurer scharten sich um das Hauptquartier.

»Meine Herren«, sagte der Graf, »Sie sehen, in welche Lage uns die Wortbrüchigkeit der mexikanischen Behörden versetzt. Unterdessen ist diese meiner Ansicht nach keineswegs verzweifelt. Jedoch darf ich Ihnen nicht verhehlen, dass sie bedenklich ist, und wie ich aus guter Quelle weiß, noch bedenklicher werden dürfte. Wir haben die Wahl zwischen zwei Wegen, um uns aus der Verlegenheit zu ziehen. Erstens können wir uns in Eilmärschen nach Guayamas begeben, ein Schiff beschaffen und absegeln, ehe unsere Feinde Zeit gefunden, unserer Abreise zu verhindern.«

Ein lautes Murren nahm diesen Vorschlag auf.

»Meine Herren«, fuhr der Graf fort, »es war meine Pflicht, Ihnen diesen Vorschlag zu machen. Sie können sich darüber untereinander beraten. Sagt dieser Ihnen nicht zu, so wird es genügen, um ihn aufzugeben. Der zweite ist folgender: Seit der Unabhängigkeitserklärung Mexikos leidet das Land unter den schändlichsten Barbaren. Es wäre eine große Tat, dem Volk Beistand zu leisten oder es wenigstens zu versuchen. Gegenwärtig ist Kalifornien mit den Auswanderern aus den Vereinigten Staaten überschwemmt, und sie machen es den Übrigen nicht nur unmöglich, fortzukommen, sondern versagen ihnen sogar die gleichen Rechte wie ihnen. Die hier in Sonora versammelte Truppe besteht aus zweihundert entschlossenen Franzosen, die gut bewaffnet und ausgebildet sind. Bemächtigen wir uns irgendeiner großen Stadt, um vor allen Dingen einen Ausgangspunkt für unsere Operationen zu haben. Hiermit ziehen wir die französischen Auswanderer nicht nur in Kalifornien, sondern in ganz Amerika an uns, befreien Sonora, machen das Land unabhängig und stark, zivilisieren es, sei es auch gegen seinen Willen und begründen dadurch nicht nur eine Stätte für die französischen Auswanderer, sondern erheben ein entwürdigtes Volk und bilden eine Kolonie, welche dem Einfluss Nordamerikas in dieser Gegend die Waage zu halten, und den fortwährenden Übergriffen der Union wirksam entgegenzutreten vermag. Wir erwerben uns Rechte aus dem Dank unseres Vaterlandes und rächen uns an unseren Feinden, wie es Franzosen würdig ist. Wir erwidern ihre Kränkungen durch selbstlose Hilfe und Unterstützung. Das sind die zwei einzigen Wege, meine Herren, die wir einschlagen können und solchen Männern, wie wir es sind, würdig zu Gesicht steht. Erwägt meine Worte mit Bedacht, überlegt meine Vorschläge reiflich und teilt mir morgen beim Anbruch des Tages durch Eure Offiziere mit, was Ihr beschlossen habt. Eins bitte ich Euch besonders zu bedenken, Kameraden. Und zwar, dass Ihr die strengste Disziplin aufrechterhalten müsst, mir unbedingten Gehorsam schuldig seid und mir blind vertraut. Versäumt Ihr nur eine der eben genannten Pflichten, so sind wir alle verloren, denn dann ist die Möglichkeit des Widerstandes vertan und wir daher der Willkür unserer Feinde ausgeliefert. Ich gebe Euch übrigens hiermit nochmals das feierliche Versprechen, Euch in keiner Lage und wegen noch so lockender Angebote zu verlassen. Wir werden miteinander untergehen oder siegen!«

Diese Rede fand die verdiente Würdigung und wurde mit unbeschreiblichem Jubel aufgenommen.

Der Graf ging mit Valentin zur Seite.

»Ach, Bruder!«, redete er Valentin im Ton ergreifenden Schmerzes an, »jetzt ist die Entscheidung gefallen, und ich, Graf von Prébois-Crancé bin in der Tat zu einem Rebell und Räuber geworden. Ich habe einer gesetzmäßig anerkannten Macht, einer bestehenden Regierung den Krieg erklärt. Was werde ich mit meiner Hand voll Leute erreichen? Ich werde beim ersten Aufeinandertreffen unterliegen! Ist es doch ein törichtes Unterfangen, das mich zum Spott der ganzen Welt machen wird. Wer hätte das gedacht, als ich San Francisco so hoffnungsreich verließ, um die Minen auszubeuten? Was ist aus meinen goldenen Träumen, meinen süßen Hoffnungen geworden?«

»Lass dich nicht unterkriegen, Bruder«, antwortete Valentin, »du brauchst deine Kraft mehr denn je, wenn du die Aufgabe, welche dir der Zufall auferlegt hat, würdig lösen willst. Bedenke, dass das Heil von zweihundert deiner Landsleute von deinem Mut und deiner Entschlossenheit abhängt. Du hast ihnen versprochen, sie wieder an die Küste zurückzubringen und musst dein Wort halten.«

»Ich werde mit ihnen sterben. Was können sie mehr verlangen.«

»Dass du sie rettest«, erwiderte der Jäger in zurechtweisendem Ton.

»Das ist mein sehnlichster Wunsch.«

»Deine Lage ist günstig, denn du bist hier keineswegs auf dich allein gestellt, wie du glaubst.«

»Wieso?«

»Kannst du nicht mit dem Beistand der französische, vom Grafen von Lhorailles gegründeten Kolonie Guetzalli rechnen?«

»Ja«, versetzte Louis niedergeschlagen, »aber der Graf ist tot.«

»Allerdings. Trotzdem besteht und gedeiht die Kolonie. Du wirst dort fünfzig bis sechzig entschlossene Leute finden, die gern bereit sein werden, dir zu folgen, wäre es auch nur aus Sucht nach Abenteuern heraus.«

»Fünfzig Mann sind zu wenig.«

»Keineswegs. Gegen Mexikaner ist es mehr, als du brauchst. Du kannst noch mehr tun. Bereite die einheimischen Völker auf einen Aufstand vor. Stöhnen doch die Alkaden im Stillen über ihre untergeordnete Stellung und die Abhängigkeit, in welcher sie von der mexikanischen Regierung gehalten werden.«

»Ja, ja!«, rief Louis aus, »das ließe sich arrangieren! Wer soll es aber übernehmen, die Völker aufzusuchen und sich mit den Alkaden und Pueblos in Verbindung setzen?«

»Ich, wenn du willst.«

»Ich wagte nicht, dich darum zu bitten, und bin dir von Herzen dankbar. Ich werde meinerseits bemüht sein, meine Vorkehrungen so zu treffen, dass ich die mexikanische Regierung durch einen entscheidenden Schritt in Schrecken versetzen und ihr zugleich eine Vorstellung über unsere Macht geben kann.«

»Gut. Vergiss vor allen Dingen, dass der Krieg solange eine fortwährende Folge verwegener Überfälle sein muss, bis ein anderer Einsatzbefehl erfolgt.«

»Sei unbesorgt. Jetzt, nachdem die Mexikaner die Maske haben fallen lassen und ich gezwungen werde, mich zu wehren, sollen sie die Menschen, welche sie so lange verachtet und für feige angesehen haben, weil sie gut waren, kennenlernen.«

»Ist Oberst Flores fort?«

»Nein, noch nicht.«

»Halte ihn unter irgendeinem Vorwand bis morgen hier fest.«

»Warum?«

»Lass mich nur machen, du sollst es schon erfahren. Jetzt müssen wir uns auf den Angriff der Indianer vorbereiten. Wenn mich meine Ahnung nicht trügt, wird es einen heißen Kampf geben.«

»Weshalb glaubst du das?«

»Gewisse Erkundigungen, die ich selbst eingezogen und andere, noch wichtigere, die ich von Curumilla erfahren habe, berechtigen mich dazu. Trage dafür Sorge, dass der mexikanische Oberst, ohne es zu ahnen, so bewacht wird, dass er das Lager nicht verlassen kann.«

»Das soll geschehen. Du weißt, dass ich wegen der nötigen Vorsichtsmaßnahmen unbedingt auf dich rechne.«

»Was dies betrifft, kannst du es. Achte du darauf, dass die Reihen nicht durchbrochen werden.«

Im Lager herrschte reges Leben, die Schmiede waren fleißig und arbeiteten mit fieberhafter Eile, um die Waffen, Wagen und Lafetten instand zu setzen.

Überall ertönte munteres Geschrei und fröhliches Lachen, die würdigen Abenteurer hatten ihre ganze Heiterkeit wiedergefunden, seitdem Aussicht war, sich zu schlagen – Schläge auszuteilen und zu empfangen.

Oberst Flores bewegte sich ziemlich niedergeschlagen unter der Menge. Seine Lage wurde schwierig und er war sich dessen bewusst. Doch wusste er nicht, unter welchem Vorwand er länger bei den Franzosen bleiben sollte; war doch der Krieg erklärt, die Interessen der Gesellschaft, deren Abgesandter er war, kamen nicht mehr in Betracht. Es fehlte ihm daher durchaus an irgendeinem, einigermaßen gerechtfertigten Grund zu bleiben. Seit der Ankunft der Franzosen in Mexiko hatten seine Vermittlungen zwischen den Parteien viel eingebracht, sein Amt als Spion trug ihm bei der vertrauensvollen Offenheit der Abenteuer ungeheure Summen ein. Es war daher verständlich, dass er eine so einträgliche Stellung nicht einfach aufgeben wollte.

Der Gesichtsausdruck des Obersts war sehr düster, denn er zerbrach sich vergebens den Kopf, um einen plausiblen Vorwand für sein Bleiben herauszufinden.

Während er in seinen diplomatischen Betrachtungen versunken war, trat Valentin zu ihm und meldete mit der unschuldigsten Miene der Welt, dass ihn Don Louis zu sprechen verlange. Der Oberst zitterte bei dieser Nachricht, er dankte dem Jäger für deren Überbringung und begab sich rasch zum Grafen.

Valentin blickte ihm spöttisch lächelnd nach. In der Überzeugung, dass ihn Louis lange genug aufhalten würde, schickte er sich an, den Plan auszuführen, den er bereits vorbereitet hatte.

Die Nacht war unterdessen angebrochen und breitete sich finster und unheimlich, von keinem Stern erhellt, über die Erde aus. Die Wolken zogen schnell am Himmel vorüber und bedeckten die bleiche Mondscheibe, deren kaltes Licht sie verhüllten.

Der Wind heulte kläglich durch die Zweige der Bäume und schlug sie mit unheimlichem Rascheln gegeneinander.

In den dunklen, geheimnisvollen Tiefen des Waldes erwachte fernes Heulen und Knarren, vermischt mit dem Brausen des Wasserfalles und den Klappern der Kieselsteine, welche von den Fluten des Stromes vom Ufer mitgerissen wurden.

Die Nacht schien sich der Trauer der Menschen anzuschließen, und über die Verbrechen zu seufzen, die ihr dunkler Schleier verbergen muss.

Auf den Befehl Valentins hatte man die Bäume rings um das Lager auf hundert Fuß im Umkreis gefällt, um das Terrain zu planieren und dem Feind die Möglichkeit zu nehmen, sich dem Lager ungesehen zu nähern.

Danach zündete man in angemessenen Abständen auf dem dadurch gewonnenen, freien Raum Feuer an.

Diese loderten hoch auf und umgaben das Lager mit einem feurigen Gürtel, die Prärie weithin erhellend, während das Lager selbst im Dunkel blieb.

Im Missionsdorf vernahm man nicht den schwächsten Lichtschein, die Schanzen schienen verödet zu sein, denn keine Wache war zu sehen.

Dem Anschein nach herrschten in der Mission Öde und Stille, überall Ruhe und Schweigen.

Es war aber die Stille, welche dem Sturm vorausgeht. Man erahnte, wie viele Herzen in der Dunkelheit angstvoll schlugen und mit wachsamem Augen und Ohren sowie gespannten Hähnen stumm das Nahen des Feindes erwarteten.

Die Stunden verstrichen langsam und reihten sich aneinander, ohne dass die Befürchtung Valentins in Bezug eines Angriffs der Indianer auf irgendeine Weise bestätigt worden wäre.

Der Graf schritt in der Kirche, die ihm als Zufluchtsstätte diente, unruhig auf und ab und lauschte mit gespannter Aufmerksamkeit auf das kleinste Geräusch, das in der Stille zu hören war. Zuweilen warf er einen ungeduldigen zornigen Blick in die Ferne. Aber nichts regte sich, diese tiefe Stille lag wie Blei auf der Gegend.

Endlich, von der langen, ermüdenden Erwartung erschöpft, verließ er die Kirche und schritt zu den Verschanzungen.

Sämtliche Abenteurer waren auf ihren Posten und lagen mit bereitgehaltenen Gewehren am Boden.

»Habt Ihr noch nichts gehört oder gesehen?«, fragte der Graf, obwohl er im Voraus wusste, was man ihm antworten würde, mehr um seiner Ungeduld Luft zu machen.

»Nichts!«, antwortete Don Cornelio kaltblütig. Er stand zufällig dem Grafen am nächsten.

»Ach! Seid Ihr es«, sagte der Graf, »was habt Ihr mit dem Obersten Flores angefangen?«

»Ich habe Euren Befehl ausgeführt. Er schläft.«

»Wisst Ihr es genau?«

Der Spanier lächelte. »Ich stehe dafür ein, dass er wenigstens bis zum Anbruch des Tages durchschlafen wird«, sagte er, »ich habe meine Aufgabe gewissenhaft erledigt.«

»Gut! Von ihm haben wir also nichts zu befürchten.«

»Durchaus nichts.«

»Hat niemand Valentin und den Indianerhäuptling gesehen?«

»Nein. Bei Sonnenuntergang sind beide fortgegangen und seitdem nicht zurückgekehrt.«

Während des Gesprächs ließen der Graf und Don Cornelio ihre Blicke über die Ebene schweifen. Sie fuhren daher erschrocken zusammen, als plötzlich ein Mensch, wie aus der Erde gewachsen, vor ihnen stand.«

»Valga me Dios!«, rief der abergläubische Spanier aus, »was soll das heißen?«

Der Graf griff rasch nach der Pistole, die er im Gürtel trug.

»Schießt nicht!«, sagte der Mann, indem er ihm die Hand auf die Schulter legte.

»Curumilla!«, rief der Graf verwundert aus.

»Still!«, sagte der Araukaner.

»Wo ist Valentin?«

»Er schickt mich.«

»Die Rothäute werden uns wohl diese Nacht nicht angreifen?«

Curumilla sah den Grafen verwundert an. »Sieht sie mein Bruder nicht?«, fragte er.

»Wo?«, fragte der Graf verwundert.

»Dort«, antwortete Curumilla und deutete mit ausgestrecktem Arm in Richtung Ebene.

Don Louis und Don Cornelio folgten der angedeuteten Richtung mit gespannter Aufmerksamkeit, konnten aber trotz aller Mühe nichts erkennen. Die Ebene lag noch immer öde und nur von den Streiflichtern des Feuers beleuchtet da. Hier und da lagen die Stämme der Bäume, welche man gerodet hatte, um freie Sicht zu erhalten.

»Nein «, sagten sie endlich, »wir sehen nichts.«

»Die Augen der Weißen verschließen sich des Nachts«, murmelte der Häuptling mit Überzeugung.

»Aber wo sind sie?«, fuhr der Graf ungeduldig fort. »Warum hat man uns nichts gesagt?«

»Mein Bruder Koutonepi schickt mich deswegen her.« Der Name Koutonepi, der Tapfere, war Valentin von den Araukanern gegeben worden, als er nach Amerika gekommen war. Und Curumilla nannte ihn nur so.

»In diesem Fall, Häuptling, beeilt Euch, uns mitzuteilen, was mein Bruder Euch aufgetragen hat, damit wir der schändlichen Hinterlist begegnen können, deren sich jene Teufel jedenfalls bedienen werden.«

»Mein Bruder mag seine Krieger anweisen, sich kampfbereit zu machen.«

Der Befehl wurde sofort erteilt und in sämtlichen Reihen verbreitet.

Hierauf legte Curumilla gelassen seine Büchse an, zielte eine Zeit lang auf einen in der Nähe stehenden Baumstamm und drückte ab.

Noch niemals hatte ein Schuss eine größere Wirkung gezeigt. Ein furchtbarer Schrei ertönte in der Ebene, und wie auf einem Zauberschlag kamen eine Menge Rothäute hinter den Baumstämmen hervor, wo sie sich versteckt gehalten hatten, und stürzten sich mit dem Hass einer Herde Kojoten, indem sie ein entsetzliches Geheul ausstießen und ihre Waffen wütend schwangen, dem Lager entgegen.

Die Franzosen waren aber auf den Angriff vorbereitet. Sie empfingen die Indianer mit vorgestreckten Bajonetten wichen nicht einen Meter zurück und erwiderten das wilde Geheul mit dem einstimmigen Ruf: »Vive la France!«

Bald sollte dieser Ruf am Tage ertönen und sie zu einem großartigen Sieg führen.

Der Krieg war nun tatsächlich erklärt. Der erste Schuss war gefallen, die Franzosen hatten Pulverdampf gerochen, und die Mexikaner sollten auf ihre Kosten kommen, welche gefährlichen Feinde sie sich unbesonnenerweise zugezogen hatten.

Die Rothäute kämpften unter der Führung ihres Häuptlinges von diesem angefeuert mit unglaublicher Wut. Die Mehrzahl der Franzosen, die bei der Compagnie waren, kannten die Art zu kämpfen der Indianer nicht und standen ihnen auf dem Schlachtfeld zum ersten Mal gegenüber. Sie leisteten ihnen tapferen Widerstand und fügten ihnen furchtbare Verluste zu, kamen aber dabei nicht umhin, den kecken Mut jener halb nackten und schlecht bewaffneten Männer zu bewundern, die sich mit unerschrockener Verwegenheit dem Feind entgegen stellten und nicht eher wichen, bis sie tot umfielen.

Plötzlich erschien eine zweite, viel zahlreichere und aus Reitern bestehende Truppe auf dem Schlachtfeld und unterstützte die Angreifer. Als diese sahen, dass Verstärkung gekommen war, verdoppelten sie ihr Geschrei und ihre Anstrengungen und es entstand ein furchtbares Gemetzel. Die Streitenden rangen miteinander und zerfleischten sich wie Raubtiere.

Die französischen Trommeln und Hörner gaben laut das Zeichen zum Sturm.

»Einen Ausfall! Einen Ausfall!«, riefen die Abenteurer, welche sich schämten, von einem scheinbar so verächtlichen Feind in Atem gehalten zu werden.

»Tötet! Tötet!«

Die Indianer antworteten durch ihren Kriegsruf.

Ein Indianerhäuptling saß, bis an den Gürtel entblößt, auf einem prächtigen schwarzen Pferd und hielt sich fortwährend in den ersten Reihen auf, wobei er alle Feinde, die seine Arme erreichen konnte, zu Boden warf und erschlug. Zweimal hatte er bereits sein Pferd in Richtung der Barrikaden getrieben und zweimal die Verschanzungen erstiegen, ohne sie vollständig überwinden zu können.

Der Häuptling war Mizcoatzin. Seine schwarzen Augen blitzten düster, während sein Arm unermüdlich war. Jeder wich vor dem furchtbaren, und wie es schien, unbesiegbaren Feind zurück.

Der Sachem verdoppelte seine Angriffe, rief den Kriegern fortwährend etwas zu und beschimpfte die Weißen mit Worten und ironischen Gebärden.

Plötzlich erschien eine dritte Gruppe auf dem Schlachtfeld, das die Feuer vollständig erhellte. Jene Truppe bestand, wie die zweite, gleichfalls aus Reitern, aber, anstatt sich den Indianern anzuschließen, stellte sie sich im Halbkreis auf und stürmte mit dem Ruf »A Muerte! A Muerte!« wütend auf sie ein.

Jetzt erhob sich Valentins kräftige Stimme über das Getümmel der Schlacht und rief: »Jetzt! Jetzt!«

Der Graf hörte es. Er wandte sich zu einer Truppe von ungefähr fünfzig Abenteurern, die seit dem Beginn des Kampfes zwar ungeduldig, aber unbeweglich mit dem Gewehr in der Hand hinter ihm standen.

»Jetzt ist die Reihe an uns, Kameraden!«, rief er ihnen zu, indem er seinen langen Degen zog. Hierauf öffnete er die Barriere, warf sich entschlossen in das Getümmel und seine Leute folgten ihm mit Freudengeschrei.

Die Indianer gerieten, was ihnen selten widerfuhr, zwischen zwei Fronten gefangen und genötigt, auf offenem Feld zu kämpfen.

Sie ließen sich aber nicht abschrecken, denn die Tapferkeit der Indianer ist unglaublich. Sobald sie sich eingeschlossen sahen, waren sie auch darauf gefasst, lieber zu sterben als sich zu ergeben. Trotzdem sie weniger gut bewaffnet waren als ihre Feinde, hielten sie dem Sturm tapfer stand.

Dieses Mal hatten es aber die Rothäute nicht mit Mexikanern zu tun, was sie bald erkannten.

Der Angriff der Franzosen war unwiderstehlich, sie brausten wie ein Gewitter gegen die Rothäute an. Trotz ihrer Entschlossenheit sahen sie sich zurück zu weichen genötigt.

An Flucht war aber nicht zu denken. Sie eilten daher, dem Ruf ihrer Häuptlinge folgend, die sich nicht nur begnügten, selbst tapfer zu kämpfen, sondern auch ihre Leute fortwährend anfeuerten, zurück in die Schlacht.

Jetzt artete der Kampf in eine unabsehbare entsetzliche Schlächterei aus. Jeder war darauf bedacht, zu töten und fragte wenig darnach, ob er selbst unterliege, wenn er nur den Feind mit ins Verderben riss.

Valentin hatte zwar einen großen Teil seines Lebens in der Wildnis zugebracht und häufige Begegnungen mit den Indianern gehabt, noch nie aber hatte er sie so erbittert und hartnäckig kämpfen gesehen. Gewöhnlich, wenn sie Verluste erleiden, sieht man sie keineswegs einen Kampf suchen, der ihnen keinen Vorteil bietet. Im Gegenteil, sie ziehen sich unverzüglich zurück und suchen ihr Heil in einer schnellen Flucht. Dieses Mal kämpften sie auf ganz verschiedene Weise und es hatte fast das Ansehen, als ob sie um so größere Ehre darin suchten, zu widerstehen, je weniger Wahrscheinlichkeit vorhanden war, dass sie siegen würden.

Der Graf, der seinen Gefährten, die er mit Worten und Gebärden anfeuerte, stets voran war, versuchte sich Mizcoatzin zu nähern, der immer noch auf seinem schwarzen Pferd saß, durch seinen Heldenmut seine Krieger begeisterte und wahrscheinlich, wenn er auch das Glück des Kampfes nicht wenden konnte, denselben doch sehr lange auszudehnen versuchte.

So oft ihn auch der Zufall dem Häuptling gegenüberstellte und er sich anschickte, über ihn herzufallen, drängte sich doch immer eine durch die Zufälligkeiten des Kampfes zurückgetriebene Menge zwischen ihn und seinen Gegner und machte seine Bemühungen zunichte.

Auch der Sachem war seinerseits bemüht, sich dem Grafen zu nähern, mit welchem sich zu messen er vor Begierde brannte, denn er war überzeugt, dass, sobald es ihm gelänge, den Anführer der Bleichgesichter zu töten, diese von Schrecken erfasst das Schlachtfeld verlassen würden.

Endlich wichen, wie auf ein gegebenes Zeichen, sowohl die Weißen als die Indianer einige Schritte zurück, wahrscheinlich um zu einem entscheidenden Zusammentreffen Aufstellung zu nehmen, und dabei traf es sich zum ersten Mal im Verlauf der Schlacht, dass sich der Graf und der Sachem gegenüberstanden.

Die beiden Männer warfen sich funkelnde Blicke zu und fielen dann mit blinder Wut übereinander her.

Weder der eine noch der andere der beiden Gegner hatte ein Gewehr. Der Sachem schwang seine furchtbare Streitaxt und der Graf ließ seinen langen, bis an den Griff blutbesudelten Säbel über seinem Kopf blitzen.

»Endlich!«, rief der Graf mit kampfgieriger Miene aus.

»Elender Hund von einem Bleichgesicht«, spottete der Indianer, »du bringst mir also selbst deinen Skalp, damit ich ihn am Eingang meines Tipis befestige!«

Sie standen nur zwei Schritt voneinander entfernt und verschlangen sich mit Blicken, während sie auf den günstigen Augenblick warteten, um übereinander herzufallen.

Als die Truppen sahen, dass ihre Anführer im Begriff waren, sich miteinander zu messen, eilten sie voll Ungestüm herbei, um sie zu trennen und den Kampf von Neuem zu beginnen. Aber Don Louis winkte seinen Gefährten mit gebieterischer Miene, nicht dazwischenzutreten, worauf die Abenteurer stehen blieben.

Mizcoatzin, der die edle und großmütige Tat des Grafen verstand, befahl gleichfalls seinen Begleitern, sich fernzuhalten.

Die Rothäute gehorchten.

Die Entscheidung hing nun von Don Louis und dem Sachem ab.

Eine Antwort auf Curumilla – Erstes Buch, Kapitel 5